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Krankheitsbedingte Kündigung und fehlerhaftes BEM – abgestufte Darlegungs- und Beweislast

ArbG Ulm, Az.: 5 Ca 324/15, Urteil vom 22.03.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 18.136,00 festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Krankheitsbedingte Kündigung und fehlerhaftes BEM - abgestufte Darlegungs- und Beweislast
Symolfoto: Von Dmytro Zinkevych /Shutterstock.com

Die Parteien streiten in erster Linie über die Wirksamkeit der ordentlichen personenbedingten Kündigung der Beklagten vom 12.08.2015.

Die Beklagte ist ein Hersteller von Halbfabrikaten aus Kupfer und Kupferlegierungen. Sie beschäftigt in U. ca. 1.100 und in einem nahe gelegenen Werk in V. etwa 2.400. Im Werk in U. besteht ein Betriebsrat.

Der 1978 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1993 bei der Beklagten im Werk U. beschäftigt. Er arbeitete zuletzt als Einsteller und bezog ein regelmäßiges Entgelt von monatlich EUR 4.534,00 brutto. Der Kläger ist seiner Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet.

Der Kläger fehlte seit dem 01.12.2012 wegen Arbeitsunfähigkeit wie folgt:

– 2012:  81 Tage;

– 2013:  61 Tage,

– 2014:  54 Tage

– 2015: 110 Tage bis zum 15.09.2015.

Zusammengefasst fehlte der Kläger seit dem 01.01.2012 bis zum 31.12.2014 an 196 Tagen krankheitsbedingt und stand damit mehr als 25 % der Arbeitszeit der Beklagten nicht zur Verfügung. Seine Fehlzeiten von durchschnittlich 65 Tagen pro Jahr teilen sich auf 34 Erkrankungsfälle auf, wobei er in 27 Fällen weniger als 10 Tage fehlte. Im Jahr 2015 fehlte er bis zur Kündigung in fünf Fällen an insgesamt 87 Tagen. Seit dem 13.05.2015 ist er durchgehend arbeitsunfähig. Bis zum 24.06.2015 erfolgte die Arbeitsunfähigkeit weit überwiegend – bis auf 19 Tage im Jahr 2012 und 9 Tage im Jahr 2013 – unter Entgeltfortzahlung (zu den Fehlzeiten einschließlich der Zeiten mit und ohne Entgeltfortzahlung s. im Einzelnen Abl. 74). Die bei der Beklagten seit dem 01.01.2012 entstandenen Entgeltfortzahlungskosten belaufen sich insgesamt auf EUR 50.800,00, wobei in diesen Betrag tarifliche Sonderzahlungen, zusätzliches Urlaubsgeld und altersvorsorgewirksame Leistungen nicht eingerechnet sind. Die Ursachen für die einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiten sind auf unterschiedliche Krankheitsbilder zurückzuführen.

Der Kläger hat bereits seit dem Jahr 2008 signifikant erhöhte krankheitsbedingte Fehlzeiten, die im Jahr 2009 zum ersten offiziellen Gesundheitsfürsorgegespräch mit der Beklagten führten. Damals gab der Kläger an, dass eine massive Gewichtszunahme mit der Folge starker Schlaf-, Gelenk- und Rückenprobleme ursächlich für seine hohen Fehlzeiten war. Er betonte jedoch explizit, dass ihm sein Arbeitsplatz als Einsteller keinerlei Probleme bereite und seine Arbeit auch keinen Einfluss auf die Höhe seiner Fehlzeiten habe. Eine Tätigkeit im Sitzen lehnte der Kläger ab. Im Rahmen eines weiteren Gesprächs im Herbst desselben Jahres versicherte der Kläger, dass er alles tun werde, um seine gesundheitlichen Probleme in den Griff zu bekommen.

Aufgrund der weiterhin stark erhöhten Fehlzeiten kam es März 2011 zu einem erneuten Gespräch mit dem Kläger. Wieder war das zentrale Thema sein Übergewicht. Seine gesundheitlichen Beschwerden (Fieber, Schüttelfrost) führte er nun auf eine zu schnelle Gewichtsreduktion zurück, welche sein Immunsystem angreife. Hinzu kamen nach Angabe des Klägers starke Zahnprobleme. Im Laufe des Jahres 2011 trat beim Kläger zudem eine psychische Erkrankung auf, die unter anderem von der Werksärztin der Beklagten begleitet wurde. Über die Werksärztin der Beklagten und die bestehende Kooperation der Beklagten mit der psychiatrischen Ambulanz der Uni U. konnte der Kläger sehr schnell in eine therapeutische Behandlung vermittelt werden. Nach einer insgesamt achtwöchigen Behandlung in der psychologischen Tagesklinik wurde im März 2012 ein weiteres Gespräch im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements geführt. Im Vorfeld dieses Gesprächs wurde wiederum der werksärztliche Dienst eingeschaltet. Bei diesem Gespräch wurde dann gemeinsam und unter Zustimmung des Klägers mit dem werksärztlichen Dienst festgelegt, dass der Kläger nach einer zweiwöchigen Wiedereingliederung die Arbeit wieder vollschichtig (Zweischichtbetrieb) aufnehmen könne. Der Kläger erklärte, dass es seinerseits keinerlei Einschränkungen gebe und einem Einsatz an seinem angestammten Arbeitsplatz nichts entgegenstünde.

 

Randnummer 9

Im Mai 2013 folgte das nächste Gespräch aufgrund der unverändert hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Nach seinen Aussagen waren diese hervorgerufen durch weiterhin bestehende Zahn- und Rückenprobleme. Wiederum äußerte der Kläger keinerlei Kritik am Arbeitsplatz bzw. einem dahingehenden Änderungsbedarf, sondern gab als Ursache private Probleme an. Da die Fehlzeiten im weiteren Verlauf unvermindert auftraten, wurde ein nochmaliges bEM-Gespräch unter Beteiligung der Fertigungsleitung und des Betriebsrats im Dezember 2013 einberufen. Dabei wurde festgestellt, dass sich die gesundheitliche Situation des Klägers unverändert kritisch darstellte. Er gab an, dass sowohl seine Gewichts- als auch seine Rückenprobleme weiterhin bestehen würden. Nach eigenen Angaben seien seine Zahnprobleme ausgeheilt. Seine psychische Erkrankung erwähnte der Kläger bei diesem Gespräch nicht. Der Kläger betonte ausdrücklich, dass seitens der Beklagten keine Maßnahmen notwendig wären. Das bEM wurde daraufhin einvernehmlich abgeschlossen.

 

Randnummer 10

Nachdem sich die Fehlzeiten des Klägers in der Folgezeit nicht reduzierten, wurde im Dezember 2014 ein weiteres bEM einberufen (s. Einladungsschreiben vom 17.11.2014 [Abl. 39 f.] und vom 28.11.2014 [Abl. 41]). Der Kläger lehnte eine Teilnahme des Betriebsrats an dem bEM explizit ab. In dem bEM wurden vom Kläger wiederum die Krankheiten Übergewicht, Rückenbeschwerden und grippale Infekte angeführt, um die hohen Fehlzeiten in 2014 zu begründen. Zusätzlich nannte der Kläger noch „Schmerzen im großen Zeh“ aufgrund derer er aktuelle Probleme beim Gehen und Stehen hätte. Sein Übergewicht konnte der Kläger offensichtlich nicht reduzieren, obwohl er bereits, wie von der Beklagten empfohlen, eine Ernährungsberatung in Anspruch genommen hatte, deren Empfehlungen er aber nicht umsetzen könne. Der Kläger teilte mit, dass er 2015 eine weitere, langwierige Zahnbehandlung in Angriff nehmen werde.

Im Nachgang zum bEM-Gespräch wurde von Seiten der Beklagten beschlossen, den Kläger ab Anfang 2015 befristet für zwölf Monate auf einen Tagschichtarbeitsplatz zu versetzen, um es ihm zu ermöglichen, sich intensiv um seine gesundheitlichen Belange zu kümmern, da er sich in der Vergangenheit immer wieder beschwert hatte, dass er sich aufgrund seiner Zweischichttätigkeit kaum um gesundheitsförderliche Maßnahmen (Krankengymnastik, Fitnessstudio) bemühen könne. Gleichwohl verbesserten sich die Fehlzeiten des Klägers nicht, sondern stiegen sogar an.

Der Kläger hat in allen Gesundheits- und bEM-Gesprächen betont, dass die Gründe für seine Fehlzeiten im privaten Bereich liegen. Überdies hat er in den Gesprächen angegeben, Erleichterungen am Arbeitsplatz seien nicht erforderlich, die Kollegen seien rücksichtsvoll und würden ihn unterstützen.

Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 16.12.2013 (Abl. 107) abgemahnt, weil er sich am 25.11.2013 nicht rechtzeitig vor Schichtbeginn arbeitsunfähig gemeldet hatte. Eine weitere Abmahnung erfolgte am 03.12.2015 (Abl. 108), nachdem der Kläger am 30.11.2015 nicht zur Arbeit erschien, sich nicht arbeitsunfähig meldete und erst am 02.12.2015 um 16:28 Uhr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit ab dem 30.11.2015 bei der Beklagten einreichte. Überdies enthält die Personalakte einen Eintrag vom 20.05.2014 (Abl. 109) über das – gegen die bei der Beklagten geltende Arbeitsordnung verstoßende – Einstempeln des Klägers in Privatkleidung.

Vor Ausspruch der Kündigung hat die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Der Betriebsrat hat der ordentlichen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses zugestimmt. Daraufhin kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.08.2015 ordentlich zum Ablauf des 31.03.2016. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.08.2015, bei Gericht per Telefax am gleichen Tag eingegangen, erhob der Kläger u. a. Kündigungsschutzklage.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung der Beklagten sei unwirksam. Zwar würden die Fehlzeiten in den Jahren 2012 bis einschließlich 2015 auf unterschiedlichen Krankheitsbildern beruhen. Allerdings liege den Krankheitserscheinungen überwiegend ein und dasselbe psychische und neurologische Problem zugrunde. Den Ernst der psychischen Erkrankung sowie der neurologischen Krankheit habe er erst im Frühsommer 2015, als sich bei ihm plötzlich ein Pfeifen im Ohr eingestellt habe (Tinnitus), erkannt. Zudem habe er ein zunehmend pelziges Gefühl im rechten Fuß wahrgenommen. Seither befinde er sich in konsequenter psychologischer und neurologischer Behandlung. Behandelt würden insbesondere auch die Depressionen. Aus Sicht des behandelnden Arztes sei eine vollständige Heilung absehbar, zumal er sich mit Behandlungsbeginn seinen psychischen und neurologischen Problemen gestellt habe und deren Ausheilung bereits vor Kündigung in Angriff genommen habe. Insgesamt sei daher von der vollständigen Ausheilung der Erkrankung aus medizinischer Sicht auszugehen, so dass sich die vielen einzelnen Beschwerdebilder nicht wiederholen würden, soweit sie ihre Ursachen in der psychischen und in der neurologischen Erkrankung hatten.

Der Kläger trägt weiterhin vor, dass ihn die Beklagte im Werk in V., wo etwa 2.400 Mitarbeiter beschäftigt würden, einsetzen könnte. Denn der Fortgang seiner psychischen Erkrankung sei durch die Situation an dem von ihm zuletzt bekleideten Arbeitsplatz gefördert worden. Der Meister der Abteilung habe über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg Landsleute in dieser Abteilung versammelt. Diese Gruppe zeichne sich durch einen starken Zusammenhalt untereinander und insbesondere auch gegen solche Kollegen aus, die nicht russischstämmig sind. Der Kläger sei durch diese Gruppe zuletzt drangsaliert worden, indem minutiös überwacht worden sei, in welcher Minute er seine Stechuhr bediene. So sei ihm bereits unterstellt worden, Arbeitszeiten zu manipulieren, wenn er eingestempelt und sich im Anschluss hieran noch auf das WC begeben habe. Auch habe bei ihm auf einmal – anders als bei allen anderen Kollegen – eine telefonische Krankmeldung vor Schichtbeginn nicht mehr ausgereicht. Vielmehr sei von ihm verlangt worden, eine schriftliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits vor Schichtbeginn vorzulegen. Unter dem Eindruck dieser verschärften Situation habe sich auch sein psychischer Zustand verschlechtert, was schlussendlich zu seinem Totalausfall im Frühsommer 2015 geführt habe. Vor diesem Hintergrund sei es nicht richtig, wenn die Beklagte vortrage, es gebe kein milderes Mittel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die von der Beklagten geschilderten betrieblichen Eingliederungsmanagements hätten sich nicht mit der Mitursächlichkeit der betrieblichen Situation am Arbeitsplatz und der Möglichkeit seiner Versetzung auseinander gesetzt.

Der Kläger beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 12.08.2015 zum 31.03.2016 endet.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Fortsetzung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses sei ihr nicht weiter zumutbar. Nach den seit dem Jahr 2011 mit dem Kläger wegen seiner häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten geführten Gesprächen und dem durchgeführten betrieblichen Eingliederungsmanagement sehe sie keine Möglichkeit, dem Kläger einen anderen, aus gesundheitlicher Sicht geeigneteren Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich die Fehlzeiten des Klägers auch in Zukunft auf einem sehr hohen Niveau bewegen würden. Beim Kläger sei bei seinen vielfältigen Krankheitsbildern und seinem schlechten Gesundheitszustand von einer gewissen Krankheitsanfälligkeit auszugehen, aus der sich eine Wiederholungsgefahr für weitere Ausfallzeiten ergebe. Selbst wenn aktuelle Erkrankungsfälle ausgeheilt seien, bestehe wegen der Krankheitsanfälligkeit des Klägers die Gefahr der Wiederholung und damit eine negative Prognose. Die Beklagte werde durch die bisher geleisteten und die zukünftig zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten erheblich belastet. Diesen Kosten stehe in keiner Weise eine adäquate Arbeitsleistung gegenüber.

Unter Berücksichtigung des noch recht jungen Alters des Klägers, seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit sowie seiner beruflichen Qualifikation, die ihn für einen Einsatz ausschließlich im fertigungsnahen Bereich qualifiziere, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der massiven betrieblichen Störungen und schwerwiegenden finanziellen Belastungen für die Beklagte nicht mehr zumutbar. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die noch zu erwartende Dauer der vertraglichen Bindung. Ein noch leichterer, seinen gesundheitlichen Einschränkungen und seiner Qualifikation entsprechender Arbeitsplatz stehe bei der Beklagten zudem nicht zur Verfügung. Insbesondere seien sämtliche Arbeitsplätze im Werk in V. körperlich anspruchsvoller als die Tätigkeit im Werk U. und müssten im Dreischichtbetrieb besetzt werden, was für einen psychisch kranken Mitarbeiter nicht geeignet sei. Ohnehin sei nicht davon auszugehen, dass sich die Fehlzeiten des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz reduzieren würden. Eine erfolgte Umsetzung und weitere Erleichterungen hätten bei ihm keinen Rückgang der Fehlzeiten bewirkt.

Soweit der Kläger nun behaupte, er sei von seinen Kollegen drangsaliert worden, treffe das nicht zu. Ausweislich der vorgelegten Abmahnungen sei von ihm nicht verlangt worden, eine schriftliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits vor Schichtbeginn vorzulegen. Unabhängig davon, dass dies schon gar nicht praktikabel sei, versuche der Kläger mit diesem Vorwurf nur, von seinem eigenen – abgemahnten – Fehlverhalten abzulenken. Eine telefonische Information vor Schichtbeginn über eine Arbeitsunfähigkeit reiche – wie für sämtliche Mitarbeiter – auch beim Kläger aus. Auch der Vorwurf der minutiösen Überwachung sei nicht zutreffend. Der Kläger sei in der Vergangenheit wiederholt durch Unpünktlichkeit sowie Fehlverhalten bei der Zeiterfassung aufgefallen. Vor diesem Hintergrund sei es nur natürlich, wenn bei ihm auf die Einhaltung der Arbeitsordnung geachtet werde.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der Akte, namentlich auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf den Inhalt der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist insgesamt zulässig, jedoch nur in Bezug auf den Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses begründet.

1. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.08.2015 ist wirksam.

a. Die Kündigung gilt nicht bereits nach §§ 4 Satz 1, 7 KSchG als rechtswirksam, da der Kläger – nach dem Zugang der Kündigung vom 12.08.2015 frühestens am gleichen Tag – mit seiner bei Gericht am 20.08.2015 eingegangenen Klage die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt hat.

b. Der Betriebsrat wurde unstreitig ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG angehört.

c. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärungen frühestens am 12.08.2015 das zum 01.09.1993 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien länger als sechs Monate bestand und die Beklagte unstreitig in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit (ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Angestellten) beschäftigte.

d. Die personenbedingte Kündigung vom 12.08.2015 ist wirksam, da sie gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Denn auf der Grundlage der vom Bundesarbeitsgericht zur Prüfung einer personenbedingten Kündigung entwickelten Grundsätze (s. nur BAG 01.03.2007 – 2 AZR 217/06, juris Rn. 15) besteht (aa.) auf der ersten Prüfungsstufe eine negative Gesundheitsprognose für den Kläger. Zudem führen (bb.) auf der zweiten Prüfungsstufe die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen und (cc.) folgt im Rahmen der im dritten Prüfungsschritt vorzunehmenden Interessenabwägung, dass diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen.

aa. Die bisherigen Krankheitszeiten des Klägers führen unter Berücksichtigung seiner (fehlenden) Einlassung zu den Ursachen und dem Grad der Ausheilung zu der negativen Prognose, dass auch künftig mit Arbeitsunfähigkeitszeiten im bisherigen Umfang von deutlich mehr als 30 Arbeitstagen pro Jahr zu rechnen ist.

(1) Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 17 m. w. N.). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 17 m. w. N.). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war.

(2) Die Beklagte hat vorliegend umfassend zu den Fehlzeiten des Klägers seit dem 01.01.2012 vorgetragen und daraus die negative Gesundheitsprognose abgeleitet. Hierauf hat sich der Kläger nicht substantiiert eingelassen. Es wäre an ihm gewesen, zu den von der Beklagten datumsmäßig aufgeführten Fehlzeiten im Einzelnen vorzutragen und anzugeben, aufgrund welcher Erkrankung er in welchem Zeitraum arbeitsunfähig war und ob und warum eine Ausheilung bereits erfolgt ist bzw. weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Das hat der Kläger unterlassen. Sein pauschaler Vortrag, den Krankheitserscheinungen liege „überwiegend“ ein und dasselbe psychische und neurologische Problem zugrunde und die auf diesem Problem beruhenden Erkrankungen würden wegen der derzeitigen Therapie nach der bevorstehenden Ausheilung in Zukunft nicht mehr auftreten, lässt nicht ansatzweise erkennen, welche Krankheitszeiten auf welcher Ursache beruhten und in welchem Umfang daher – nach der behaupteten Ausheilung – noch mit Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen ist. Mangels tauglicher Einlassung des Klägers verbleibt es bei der durch das Vorbringen der Beklagten auf der ersten Stufe ausgelösten negativen Gesundheitsprognose.

bb. Die aufgrund dieser negativen Gesundheitsprognose zu erwartenden weiteren Fehlzeiten führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten.

(1) Diese erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen der Beklagten können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 16 m. w. N.).

(2) Inwiefern die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers zu Betriebsablaufstörungen führen, kann vorliegend dahinstehen. Aufgrund der negativen Gesundheitsprognose ist in der Zukunft mit Entgeltfortzahlungskosten wie in der Vergangenheit zu rechnen, d. h. mit Entgeltfortzahlungskosten in einem sechs Wochen bei weitem übersteigenden Umfang.

cc. Die Abwägung der beiderseits zu berücksichtigenden Interessen ergibt vorliegend, dass die vorstehend angeführten Beeinträchtigungen von der Beklagten billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen.

(1) Nach dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine krankheitsbedingte Kündigung auch dann ungerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen und der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Sie ist nicht erforderlich, solange der Arbeitgeber nicht alle anderen geeigneten milderen Mittel zur Vermeidung künftiger Störungen ausgeschöpft hat. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb auch das Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, die einen zukünftigen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses möglich erscheinen lassen. Dafür trägt der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich kann er diesbezüglich zunächst pauschal behaupten, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Darin liegt regelmäßig zugleich die Behauptung, es bestehe keine Möglichkeit einer leidensgerechten Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen. Daraufhin hat der Arbeitnehmer konkret darzulegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder seine weitere Beschäftigung – ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen – unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorstellt (BAG 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, juris Rn. 16).

In diesem Rahmen gewinnt die Erforderlichkeit des betrieblichen Eingliederungsmanagements (sog. bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX Bedeutung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Einerseits ist die Durchführung des bEM nach der Rechtsprechung des BAG keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Andererseits enthält § 84 Abs. 2 SGB IX auch keinen bloßen Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das bEM ist nicht selbst ein milderes Mittel. Mit seiner Hilfe können aber mildere Mittel als die Kündigung, z. B. eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen – ggf. durch Umsetzungen freizumachenden – Arbeitsplatz, erkannt und entwickelt werden. Dabei wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht allein dadurch verletzt, dass kein bEM durchgeführt wurde. Es muss hinzukommen, dass überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten (BAG 23.04.2008 – 2 AZR 1012/06, juris Rn. 27).

Hat der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Pflicht kein (ordnungsgemäßes) bEM durchgeführt, darf er sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen können (BAG 23.04.2008 – 2 AZR 1012/06, juris Rn. 26) und sich nicht darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung noch einnehmen könne (BAG 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, juris Rn. 19). Er hat vielmehr von sich aus die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzulegen und zu beweisen, mithin dass dem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers weder durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen noch durch eine Maßnahme der Rehabilitation hätte entgegengewirkt werden können. Dazu muss er einerseits umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Andererseits hat er vorzutragen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers nicht hätten erkannt oder dass durch entsprechende Maßnahmen der Rehabilitation künftige Fehlzeiten nicht spürbar hätten reduziert werden können. Sowohl in Bezug auf innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen als auch in Bezug auf Maßnahmen der Rehabilitation kommt dem Arbeitgeber eine Abstufung seiner Darlegungs- und Beweislast zugute, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind (vgl. BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 50).

(2) Die Beklagte trifft vorliegend eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast, weil sie das erforderliche bEM im Rahmen der ihr zukommenden Initiativlast (s. nur BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10, juris Rn. 9; 24.03.2011 – 2 AZR 170/10, juris Rn. 23) nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. Vorliegend hat die Beklagte nach Ansicht der Kammer in zweifacher Weise gegen ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM verstoßen.

Zum einen hat der Kläger seit dem letzten Treffen im Rahmen des bEM mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig gefehlt. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist zwingend ein bEM immer dann durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Mithin wäre auch vorliegend die erneute Durchführung eines bEM erforderlich gewesen. Da jedoch zwischen den Parteien noch ein bEM-Verfahren lief, konnte nach Sinn und Zweck von § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zwar die Einleitung eines erneuten bEM-Verfahrens unterbleiben, nicht aber die Erörterung der erneuten Fehlzeiten im Rahmen des laufenden bEM-Verfahrens oder zumindest die Einladung zu einem bEM-Gespräch über die erneuten Fehlzeiten (im Rahmen des laufenden bEM-Verfahrens). Die Initiative hierzu hat die Beklagte unterlassen und damit gegen ihre Pflichten nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verstoßen.

Zum anderen hat die Beklagte nicht ordnungsgemäß zu dem laufenden bEM-Verfahren eingeladen. Denn es kann nur dann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber eine Initiative zum bEM ordnungsgemäß ergriffen hat, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 170/10, juris Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht. Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10, juris Rn. 19). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann. Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten – als sensible Daten i. S. v. § 3 Abs. 9 BDSG – erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 32). Die von der Beklagten vorgelegten Einladungsschreiben zur Durchführung eines bEM enthalten keinerlei Hinweise zu Art und Umfang der im Rahmen des bEM erhobenen Daten, so dass auf ihrer Grundlage von vornherein kein ordnungsgemäßes bEM durchgeführt werden kann.

(3) Gleichwohl führt das Unterlassen eines ordnungsgemäßen bEM vorliegend nicht dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist. Dem Vorbringen der Beklagten unter Berücksichtigung der vorliegend für sie erhöhten Darlegungs- und Beweislast ist zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen oder durch eine Maßnahme der Rehabilitation nicht hätte entgegengewirkt werden können.

Die Beklagte hat – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – umfassend dazu vorgetragen, aus welchem Grund sie keine Möglichkeit sieht, den über sechs Wochen hinausgehenden Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen oder durch Maßnahmen der Rehabilitation entgegen zu wirken. Im Laufe der vergangenen Jahre wurde der Kläger therapeutisch in der psychiatrischen Ambulanz an der Uni U. behandelt, er hat eine Ernährungsberatung wahrgenommen und wurde auf einen weniger belastenden Tagschichtarbeitsplatz versetzt. Der Kläger hat der Beklagten weder im Rahmen allgemeiner Gesundheitsgespräche noch im Rahmen des (fehlerhaft eingeleiteten) bEM irgendeinen Anhaltspunkt gegeben, inwiefern die Veränderung der Arbeitsbedingungen seiner Gesundheit zuträglich sein könne. Er hat in den vorprozessualen Gesprächen vielmehr unstreitig angegeben, seine Fehlzeiten resultierten aus privaten Problemen.

Insgesamt kann von der Beklagten eine über den von ihr geleisteten Vortrag hinausgehende Einlassung zu innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen und Maßnahmen der Rehabilitation vor dem Hintergrund der ihr vorliegend zugute kommenden Abstufung der Darlegungs- und Beweislast nicht verlangt werden. Soweit ihr die Krankheitsursachen des Klägers bekannt sind, hat sie – namentlich durch die Schilderung der in der Vergangenheit erfolgten betrieblichen und medizinischen Maßnahmen – hinreichend die Nutzlosigkeit von (weiteren) betrieblichen Anpassungsmaßnahmen und Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation dargelegt. Ein weiterer Vortrag war ihr nicht möglich. Der pauschale Vortrag des Klägers, den Krankheitserscheinungen liege „überwiegend“ ein und dasselbe psychische und neurologische Problem zugrunde, ist nicht einlassungsfähig. Zum einen ist nicht ersichtlich, welche psychischen und neurologischen Probleme bestehen, ob diese psychischen und neurologischen Probleme zusammenhängen und gemeinsame Fehlzeiten verursachten bzw. in welchem Maße welche Probleme welche Fehlzeiten verursachten, so dass die Beklagte zu innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen oder Maßnahmen der Rehabilitation insofern nichts sagen kann. Zum anderen ist nicht erkennbar, wie groß der „überwiegende“ Teil der psychischen und neurologischen Probleme ist und welche Krankheitsursachen im Übrigen bestehen. Es ist namentlich nicht erkennbar, ob davon ausgegangen werden kann, dass nach Beseitigung der psychischen und neurologischen Probleme die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers auf ein Maß von nicht mehr als 30 Kalendertagen pro Jahr zurückgehen oder ob auch nach Beseitigung der psychischen und neurologischen Probleme des Klägers Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund anderer Erkrankungen in einem Umfang von weiterhin mehr als 30 Kalendertagen pro Jahr verbleiben. Weiterhin ist nicht erkennbar, ggf. welche Krankheitsursachen für den nicht überwiegenden Teil verbleiben, so dass die Beklagte auch insofern zu innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen oder Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nicht vortragen kann. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Beklagten auch unter Berücksichtigung der mangels ordnungsgemäßer Durchführung eines bEM erhöhten Darlegungs- und Beweislast ausreichend.

Soweit der Kläger inzwischen – entgegen seiner unstreitigen vorprozessualen Angaben, seine Kollegen seien hilfreich und würden ihn unterstützen – vorträgt, er fühle sich von den Kollegen drangsaliert, weil er bei der Zeiterfassung kontrolliert werde und man von ihm die schriftliche Krankmeldung vor Schichtbeginn verlange, ist der Vortrag unerheblich. Denn er bezieht sich ersichtlich nur auf die letzten Monate des bis zum Mitte Juni 2015 tatsächlich vollzogenen Arbeitsverhältnisses und soll den totalen Ausfall des Klägers erklären. Ein Bezug zu den erheblichen Fehlzeiten in den Vorjahren lässt sich nicht herstellen. Dabei stützt die Beklagte die personenbedingte Kündigung des Klägers gerade auf eine Krankheitsanfälligkeit des Klägers und nicht auf seine seit dem 13.05.2015 bestehende ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit.

(4) Auch bei einer abschließenden Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das Auflösungsinteresse der Beklagten das Bestandsschutzinteressen des Klägers. Zugunsten des Klägers sind in die Abwägung die seiner Ehefrau gegenüber bestehende Unterhaltspflicht und seine Betriebszugehörigkeit von 13 Jahren einzustellen. Entscheidend ist jedoch zugunsten der Beklagten zu beachten, dass der Kläger mit derzeit 37 Jahren verhältnismäßig jung ist, so dass die in der Zukunft bis zum Renteneintritt des Klägers zu erwartenden Fehlzeiten im bisherigen Umfang die Beklagte sehr stark treffen. Der durch ca. 13 Jahre Betriebszugehörigkeit des Klägers erworbene Vertrauensschutz muss hinter den zu erwartenden erheblichen Belastungen der Beklagten zurückstehen.

e. Nach alldem ist die Kündigungsschutzklage abzuweisen.

2. Der Kläger hat – zumindest (noch) zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung vor Ablauf der Kündigungsfrist – einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses. Die Pflicht des Arbeitgebers, ein Zwischenzeugnis zu erteilen, stellt eine allgemeine vertragliche Nebenpflicht dar (s. nur LAG Köln 02.02.2000 – 3 Sa 1296/99, NZA -RR 2000, 419, 420). Sie besteht, wenn das Verlangen des Arbeitnehmers nach einem Zwischenzeugnis auf einem triftigen Grund beruht (ErfK/Müller-Glöge, 15. Aufl. 2015, § 109 GewO Rn. 50). Der triftige Grund für das Verlangen nach einem Zwischenzeugnis besteht vorliegend bereits darin, dass der Kläger sich auch schon vor Ablauf der Kündigungsfrist bei anderen Arbeitgebern bewerben kann (vgl. LAG Köln 02.02.2000 – 3 Sa 1296/99, NZA -RR 2000, 419, 420).

II.

1. Die Festsetzung des Rechtsmittelstreitwerts folgt dem Grunde nach aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht in der Höhe einem Bruttoquartalsentgelt des Klägers auf Basis eines Bruttomonatsentgelts von EUR 4.534,00 für den Bestandsschutzantrag und einem weiteren Bruttomonatsentgelt für den Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses.

2. Die Kostentragungspflicht der Parteien ergibt sich gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 495, 91 ZPO aus dem Grad des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.

3. Die Berufung war nicht gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, da sie bereits in Bezug auf den Bestandsschutzantrag nach § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG eingelegt werden kann und im Übrigen kein Zulassungsgrund vorliegt.

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