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Krankheitsfall bei Arztbesuch – Fortzahlung des Arbeitsentgelts?

BAG, Az.: 6 AZR 940/78, Urteil vom 25.06.1981

Tatbestand

Der Kläger wurde am 1. November 1970 bei dem Beklagten als Ausbilder für das Ausbildungsprogramm „Elektronik“ eingestellt. Er erhielt eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b des Tarifvertrages für die Beschäftigten des Berufsförderungswerkes Berlin vom 1. Dezember 1969, der dem BAT angeglichen ist. Seine Arbeitszeit als Ausbilder im elektronischen Labor begann täglich um 7.15 Uhr.

Der Beklagte betreibt ein Zentrum zur beruflichen Wiedereingliederung Behinderter. Er führt 18 — bis 20-monatige Ausbildungslehrgänge durch, die mit der Facharbeiter bzw. Kaufmannsgehilfenprüfung beendet werden. Die Mitglieder des Beklagten sind Sozialversicherungsträger.

Krankheitsfall bei Arztbesuch – Fortzahlung des Arbeitsentgelts?
Foro: wutzkoh/Bigstock

Nachdem der Kläger im Jahre 1972 an 122 Kalendertagen (31. Mai bis 20. Juli und 11. Oktober bis 20. Dezember) arbeitsunfähig erkrankt war (psychosomatische Störungen), bat der Kläger unter Übersendung des fachärztlichen Attests vom 21. November 1972 um halbtägige Arbeit, um eine „Verschlimmerung des Zustandes unter den Bedingungen einer ganztägigen Tätigkeit zu vermeiden“. Diese Bitte sowie der Antrag des Klägers, ihn für ein halbes Jahr zu beurlauben, lehnte der Beklagte ab. In diesem Zusammenhang ließ der Beklagte am 8. Januar 1973 feststellen, daß der Kläger dienstfähig sei. In dem Gutachten wurde die volle Belastbarkeit des Klägers im Rahmen seiner Aufgaben nicht ausgeschlossen. Der Kläger wurde in vollem Umfang weiterbeschäftigt. Auch im Jahr 1973 war der Kläger wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Im Dezember 1973 legte der Kläger ein weiteres fachärztliches Attest vom 4. Dezember 1973 vor, in dem „zur Erhaltung der Berufsfähigkeit und Besserung des Gesundheitszustands gleitende Arbeitszeit mit späterem Arbeitsbeginn“ empfohlen“ wurde. Dies lehnte die Beklagte wiederum ab.

Auf einen vom Kläger am 4. Februar 1974 gestellten Antrag wurde dieser mit Bescheid vom 27. November 1974 als Schwerbehinderter mit einer MdE von 50 % anerkannt. Nachdem der Kläger auch im Jahr 1974 seit dem 8. Januar erkrankt war, kündigte der Beklagte am 13. Februar 1974 zum 31. März 1974. In der Zeit vom 15. März bis 31. März 1974 war der Kläger arbeitsfähig, arbeitete stundenweise insgesamt nur 30 Stunden und trat am 23. März 1974 den noch zustehenden Resturlaub an.

Mit Schreiben vom 5. März 1974, beim Arbeitsgericht eingegangen am 6. März 1974, hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die erst am 18. April 1974 zugestellt werden konnte, weil der Kläger keine genaue Bezeichnung und Anschrift des Beklagten angegeben hatte. Durch Urteil vom 19. Juni 1974 hat das Arbeitsgericht dem Klageantrag stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos, die Revision wurde am 10. Februar 1977 zurückgenommen.

Unter dem 13. November 1974 kündigte der Beklagte erneut zum 31. Dezember 1974. Nachdem der Kläger erneut Kündigungsschutzklage erhoben hat, hat der Beklagte diese Kündigung zurückgenommen, da er vor der Kündigung die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle nicht eingeholt hatte.

Am 12. Dezember 1974 hat der Beklagte bei der Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung beantragt. Der Antrag wurde zurückgewiesen. Der Widerspruchsausschuß hat jedoch am 5. November 1976 der Kündigung zugestimmt. Eine dagegen vom Kläger erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig geworden. In dem Verfahren vor der Hauptfürsorgestelle wurde am 24. Februar 1975 ein fachneurologisches Gutachten erstattet, in dem festgestellt wurde:

1. Herr D. ist zur Zeit arbeitsfähig.

3. Herr D. ist nur dann als Ausbilder im Berufsförderungswerk einsetzbar, wenn die Arbeitszeit ab 9.00 Uhr beginnt.

5. Bei dem vorliegenden Leiden muß damit gerechnet werden, daß Herr D. auch in Zukunft einzelne Tage fehlt, wahrscheinlich aber nicht für längere Zeiten.

6. Die bisher aufgetretenen Fehlzeiten stehen überwiegend in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behinderung.

9. Herr D. ist berufs- und erwerbsfähig.

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids hat der Beklagte am 13. Februar 1977 zum 31. März 1977 dem Kläger erneut gekündigt. In der Zeit vom 10. Mai 1976 bis 4. Januar 1977 war der Kläger wiederum arbeitsunfähig erkrankt.

Mit dem vorliegenden Verfahren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. Dezember 1976, zugestellt am 26. Januar 1977, die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und später Gehaltszahlungen für die Zeit vom 1. April 1974 bis 31. März 1977 nebst Zulagen verlangt. Von den beantragten 93.423,25 DM brutto hat der Kläger 21.466,44 DM netto Arbeitslosenhilfe und 2.001,60 DM netto Krankengeld abgezogen.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsantrages und eines davon abhängigen Teils der Klageforderung (4.866,02 DM Urlaubsgeld) wegen der Vorgreiflichkeit des Verwaltungsstreitverfahrens ausgesetzt. Im übrigen hat es den Beklagten durch Teilurteil antragsgemäß verurteilt und zu einem geringen Teil (1.558,61 DM brutto) die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat Annahmeverzug gemäß § 615 BGB angenommen. Nur für die Zeit bis zur Zustellung der Klage (18. April 1974) hat es den Annahmeverzug verneint.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten, auch für die Zeit vom 1. April 1974 bis 18. April 1974, da er zu Mitarbeitern im Betrieb geäußert habe, die Kündigung nicht hinnehmen zu wollen. Dem Gutachten sei lediglich zu entnehmen, daß bei einem späteren Arbeitsbeginn mit weniger krankheitsbedingten Ausfällen zu rechnen sei. Der Beklagte meint, der Kläger sei nach dem Gutachten nicht in der Lage gewesen, seine Tätigkeit täglich um 7.15 Uhr aufzunehmen. Im übrigen habe der Kläger seine Arbeitsleistung nach der langen Krankheit nicht wieder angeboten.

Das Landesarbeitsgericht hat die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es von der Klageforderung weitere 8.071,74 DM brutto (Gehaltsforderung für die Zeit vom 4. Januar 1977 bis 31. März 1977) abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

In der Revisionsinstanz verfolgen wiederum beide Parteien ihre erstinstanzlichen Klageziele.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen. Die Revision des Beklagten führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreit soweit das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und über die Kosten entschieden hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht Ansprüche für die Zeit vom 1. bis 17. April 1974 und vom 4. Januar 1977 bis zum 31. März 1977 versagt, denn der Beklagte war in dieser Zeit nicht in Annahmeverzug.

1. Für die Zeit vom 1. bis 17. April 1974 hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der Beklagte sei erst am 18. April 1974, dem Tag, an dem ihm die Kündigungsschutzklage des Klägers zugestellt worden ist, in Annahmeverzug geraten. Der Kläger sei bis zum 14. März 1974 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe in dieser Zeit die Kündigungsschutzklage eingereicht. Danach habe er vom 15. bis zum 22. März 1974 nur stundenweise — insgesamt 30 Stunden — gearbeitet und habe am 23. März 1974 den ihm noch zustehenden Erholungsurlaub angetreten. Die Behauptung des Klägers, vor dem 31. März 1974 nach Zugang der Kündigung im Betrieb zu verschiedenen Personen geäußert zu haben, er werde die Kündigung nicht hinnehmen, reiche nicht aus für ein Arbeitsangebot für die Zeit nach dem 31. März 1974. Ein derartiges Angebot könne auch nicht in den an einzelnen Stunden geleisteten Arbeiten in der Zeit vom 15. bis 23. März 1974 gesehen werden, da der Beklagte aus dieser Tätigkeit des Klägers nicht habe schließen können, daß der Kläger über den 31. März 1974 hinaus bereit und in der Lage sein werde, die Arbeit im vertraglich festgelegten Umfang zu erbringen. Dies gelte insbesondere, weil der Kläger wiederholt geäußert habe, er könne erst ab 9.00 Uhr arbeiten.

Die Revision rügt, es sei nicht in jedem Fall ein wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB erforderlich. Es reiche aus, daß der Arbeitgeber erkennen könne, er müsse in Zukunft mit Ansprüchen aus Annahmeverzug rechnen. Der Kläger habe in der Zeit vom 15. bis 23. März 1974 seinen Vorgesetzten gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht, er werde die Kündigung nicht hinnehmen und habe bereits Kündigungsschutzklage erhoben. Dies habe der Kläger unter Beweisangebot vorgetragen. Das Landesarbeitsgericht habe unterlassen, insoweit Beweis zu erheben.

Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger den Beklagten vor Zustellung der Kündigungsschutzklage am 18. April 1974 nicht in Annahmeverzug gesetzt hat.

Selbst wenn man der Ansicht der Revision folgen wollte, nach einer unwirksamen Kündigung bedürfe es nicht in jedem Falle des wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung, um den Arbeitgeber in Annahmeverzug zu setzen, so ist doch im vorliegenden Fall ein derartiges Angebot erforderlich gewesen, denn der Kläger war zur Zeit des Ausspruchs der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben. Das wörtliche Angebot nach § 295 BGB hat eine zweifache Bedeutung: Die Leistungsbereitschaft des Schuldners soll durch das wörtliche Angebot gegenüber dem Gläubiger nicht nur klargestellt werden (Manifestationsfunktion), sondern es soll auch der Zeitpunkt endgültig festgelegt werden, an dem der Gläubigerverzug beginnt (Klarstellungsfunktion, vgl. Blohmeyer in Anm. zu AP Nr. 31 zu § 615 BGB). Auch Blohmeyer, der im übrigen ein ausdrückliches wörtliches Angebot regelmäßig für entbehrlich hält, geht zu Recht davon aus, daß auf ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung dann nicht verzichtet werden kann, wenn der Beginn des Annahmeverzuges in irgendeiner Weise unklar ist. Dies gelte vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer zur Zeit der Kündigung wegen Krankheit arbeitsunfähig ist. Während der Arbeitsunfähigkeit beruhen Lohnansprüche nämlich nicht auf § 615 BGB sondern auf anderen Vorschriften (§ 63 Abs. 1 HGB, § 616 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG). Mit der Beendigung der Krankheit ändern sich demnach für den Lohnfortzahlungsanspruch nicht nur die Anspruchsgrundlage, sondern auch die Anspruchsvoraussetzungen. Der Arbeitgeber hat daher ein berechtigtes Interesse, genau den Zeitpunkt zu erfahren, von dem an Ansprüche aus § 615 BGB entstehen können.

An einem derartigen Hinweis des Klägers fehlt es zumindest vor Zustellung der Kündigungsschutzklage. Das Vorbringen des Klägers in seinem in der Revision zitierten Schriftsatz reicht für ein wörtliches Angebot nicht aus. In diesem Schriftsatz hat der Kläger lediglich vorgetragen, er habe mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß er mit der Kündigung nicht einverstanden sei. Dies habe er auch dem damaligen Vorgesetzten mitgeteilt. Darüber hinaus habe er in schriftlicher Form gegen die ausgesprochene Kündigung protestiert. Dieses Schreiben, dessen Durchschrift dem Kläger abhanden gekommen sei, sei an die Geschäftsleitung des Beklagten gerichtet gewesen. Darüber hinaus habe der Kläger auch einem Betriebsratsmitglied in der Zeit zwischen dem 15. und 31. März 1974 mitgeteilt, er werde Kündigungsschutzklage erheben.

Rechtsgeschäftliche Erklärungen, u.a. das Angebot der Arbeitsleistung, sind an den Beklagten oder seine rechtsgeschäftlichen Vertreter zu richten. Eine Mitteilung an einen Fachvorgesetzten kann daher nicht ausreichen, zumal der Kläger nicht vorgetragen hat, er habe gebeten, dies dem Vorstand auszurichten. Abgesehen davon hatte der Kläger in seinem Schriftsatz nicht vorgetragen, wann er seinem Fachvorgesetzten gegenüber erklärt habe, er sei mit der Kündigung nicht einverstanden. Ebenfalls hat er nicht mitgeteilt, unter welchem Datum er sich schriftlich an die Geschäftsleitung des Beklagten gewandt habe. Lediglich für die Mitteilung an das Betriebsratsmitglied hat der Kläger vorgetragen, er habe in der Zeit zwischen dem 15. und 31. März 1974 erklärt, er werde Kündigungsschutzklage erheben. Mitteilungen an den Betriebsrat ersetzen rechtsgeschäftliche Erklärungen gegenüber dem Beklagten oder seinen Repräsentanten nicht.

Soweit der Kläger in seiner Revision vorträgt, er habe in der Zeit zwischen dem 15. und 23. März 1974 gegenüber seinem Vorgesetzten mehrfach zum Ausdruck gebracht, er werde die Kündigung nicht hinnehmen und habe bereits Kündigungsschutzklage erhoben, handelt es sich um einen neuen Tatsachenvortrag, mit dem der Kläger in der Revisionsinstanz nicht gehört werden kann (§ 561 Abs. 1 ZPO).

Das Landesarbeitsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß ein Arbeitsangebot — in Verbindung mit der später zugestellten Kündigungsschutzklage — auch nicht in den an einzelnen Stunden geleisteten Arbeiten in der Zeit vom 15. bis 23. März 1974 gesehen werden könne. Selbst wenn man die Ansicht vertritt, die bisher geleistete Arbeit in Verbindung mit einem Protest nach Ausspruch der Kündigung (z. B. in Form der Kündigungsschutzklage) reiche aus, um den Arbeitgeber schon vom Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung oder dem Ablauf der Kündigungsfrist an in Annahmeverzug zu setzen, so kann dies doch nur gelten, wenn bis zu diesem Zeitpunkt die vertraglich geschuldete Arbeit geleistet worden ist. Der Kläger hat jedoch in der Zeit vom 15. März bis zum 23. März 1974 (danach hat der Kläger den ihm noch zustehenden Urlaub bis zum 31. März 1974 genommen) nur an einzelnen Stunden gearbeitet. Er war daher in jener Zeit nicht bereit oder nicht in der Lage, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Es kann daher jedenfalls im vorliegenden Falle ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung nicht für entbehrlich gehalten werden, etwa mit der Begründung, in der bisher geleisteten, vertraglich geschuldeten Arbeit, die durch die Kündigung unterbrochen worden sei, sei das Angebot zu sehen, auch in Zukunft zu arbeiten. Auf das Problem, ob und mit welcher Begründung Ansprüche aus Annahmeverzug auch für die Zeitspanne von der tatsächlichen Beendigung der Arbeit bis zur Zustellung der Kündigungsschutzklage entstehen können, kommt es im vorliegenden Fall daher nicht an.

2. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger auch zu Recht Ansprüche aus Annahmeverzug versagt für die Zeit vom 4. Januar 1977 bis zum 31. März 1977.

Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ausgeführt, der Kläger sei unstreitig vom 10. Mai 1976 bis zum 4. Januar 1977 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe für die ersten Wochen dieser Zeit lediglich Anspruch auf tarifvertragliche Krankenbezüge gehabt. Danach habe er Krankengeld bezogen. Der Kläger hätte, um Ansprüche aus § 615 BGB herleiten zu Können, seine Leistungsbereitschaft und Fähigkeit nach dem Ende der langen Erkrankung durch ein erneutes wörtliches Angebot gegenüber dem Beklagten erklären müssen. Dies gelte im vorliegenden Fall insbesondere, weil es sich um eine sehr lange Erkrankung gehandelt habe und der Beklage aufgrund der besonderen Gegebenheiten nicht damit habe rechnen können, daß der Kläger sein Arbeitsangebot aufrechterhalten werde, in der vertraglich festgelegten Zeit ab 7.15 Uhr wieder zu arbeiten. Außerdem habe der Beklagte Anspruch darauf zu erfahren, wann etwa Zahlungsansprüche aus § 615 BGB ihm gegenüber entstehen könnten. Die Kündigungsschutzklage gegen die zuletzt ausgesprochene Kündigung des Beklagten zum 31. März 1977 habe ein wörtliches Angebot des Klägers nicht ersetzen können. Der Kläger sei zu jener Zeit arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe in der Klage nicht angegeben, daß er ab 4. Januar 1977 wieder arbeitsfähig sei.

Diese Rechtsausführungen des Landesarbeitsgerichts, nach einer Erkrankung sei ein erneutes wörtliches Angebot erforderlich, entsprechen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. u.a. BAG AP Nr. 26 und 31 zu § 615 BGB mit insoweit zustimmender Anmerkung von Blohmeyer zu AP Nr. 31 zu § 615 BGB). Abgesehen davon konnte der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche Kündigung zum 31. März 1977 nur Ansprüche aus Annahmeverzug begründen für die Zeit ab 1. April 1977, denn etwaige Ansprüche für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist können durch die Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung nicht geltend gemacht werden.

Aus diesen rechtlichen Erwägungen ist die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen, ohne daß es auf die unten im Zusammenhang mit der Revision des Beklagten erörterte Frage ankommt, ob der Kläger überhaupt in der Lage gewesen ist, ab 1. April 1974 die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen.

II. Auf die Revision des Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, soweit das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und über die Kosten entschieden hat, also für den Zeitraum vom 18. April 1974 bis 3. Januar 1977.

1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, dem Beklagten sei zwar zuzugeben, daß das Leistungsangebot im Sinne von § 615 BGB nur dann ordnungsgemäß erbracht sei, wenn es die Leistung in der vertraglich ausbedungenen Form am vertraglich bestimmten Ort und in dem geschuldeten zeitlichen Umfang betrifft. Nach den Ausführungen des ärztlichen Gutachtens könne das Leistungsangebot des Klägers jedoch nicht so gewertet werden, daß es nur die Arbeitszeit ab 9.00 Uhr betreffe, da er weder außerstande gewesen sei, seine Arbeitskraft vor diesem Zeitpunkt, also ab 7.15 Uhr bereits anzubieten, noch aus seinen Erklärungen geschlossen werden könne, er sei nicht willens, bereits ab 7.15 Uhr die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Wenn der Gutachter ausgeführt habe, der Kläger sei nur dann als Ausbilder im Berufsförderungswerk einsetzbar, wenn die Arbeitszeit ab 9.00 Uhr beginne, so sei dies nach dem Gesamtinhalt des Gutachtens so zu verstehen, daß bei Arbeitsbeginn ab 9.00 Uhr nicht mit längeren Fehlzeiten des Klägers zu rechnen sei. Auch aus den Erklärungen des Klägers gegenüber dem Gutachter folge nicht, daß der Kläger nicht bereits ab 7.15 Uhr, sondern erst ab 9.00 Uhr arbeiten könne oder wolle. Nach Zustellung der Kündigungsschutzklage sei der Beklagte ab 18. April 1974 in Annahmeverzug geraten.

2. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe versäumt, entsprechend dem Beweisantrag des Beklagten Beweis zu erheben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung des Beklagten, der Kläger sei wegen seiner psychischen Beeinträchtigungen überhaupt nicht mehr in der Lage, als Ausbilder tätig zu sein. Abgesehen davon sei die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts, in der es sich mit dem Gutachten des Facharztes auseinandersetze, fehlerhaft. Am Schluß dieses Gutachtens heiße es u.a.: „Herr D. ist nur dann als Ausbilder im Berufsförderungswerk einsetzbar, wenn die Arbeitszeit ab 9.00 Uhr beginnt.“ Die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, aus dem Gesamtinhalt des Gutachtens ergebe sich, daß der Kläger schon ab 7.15 Uhr arbeiten könne und wolle, sei nicht nachvollziehbar. Schließlich könne der Kläger nicht wirksam seine Leistung ab 7.15 Uhr anbieten, wenn feststehe, daß er bei so zeitigem Beginn seiner Arbeit wiederum häufig erkranken werde.

3. Die Verfahrensrügen des Beklagten sind begründet.

a) Nach § 144 ZPO liegt die Zuziehung eines Sachverständigen zwar im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BAG AP Nr. 65 zu § 3 TOA; Stein-Jonas, ZPO, 19. Aufl., § 144 I). Da jedoch ein Gericht in der Regel auf medizinischem Gebiet nicht sachkundig ist, wird es ohne wohl erwogene und stichhaltige Gründe über das Angebot, ein Gutachten einzuholen, nicht hinweggehen können (BAG AP Nr. 1 zu § 104 BGB; BAG 24, 264 = AP Nr. 6 zu § 1 SchwBeschG). Das Landesarbeitsgericht hätte also dem Beweisangebot des Beklagten zu seiner Behauptung, der Kläger sei überhaupt nicht mehr in der Lage, als Ausbilder zu arbeiten, durch Einholen eines Sachverständigengutachtens nachkommen müssen.

b) Die Beweiswürdigung des Gutachtens des Facharztes durch das Landesarbeitsgericht, das gegen den Widerspruch des Beklagten in diesem Verfahren verwertet wurde, ist fehlerhaft. Nach § 286 ZPO hat sich der Tatsachenrichter in den Entscheidungsgründen mit dem Beweisergebnis in Form einer umfassenden und widerspruchsfreien Beweiswürdigung auseinanderzusetzen. Aus ihr müssen die Gründe erkennbar sein, die für die richterliche Überzeugung maßgebend waren (BAG 7, 51 (62) = AP Nr. 18 zu § 3 KSchG; BAG 14, 132 (135) = AP Nr. 1 zu § 20 HAG; BAG AP Nr. 1 zu § 286 ZPO).

Diesen Voraussetzungen entspricht die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts nicht. Entgegen dem klaren Wortlaut des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens, „Herr D. ist nur dann als Ausbilder im Berufsförderungswerk einsetzbar, wenn die Arbeitszeit ab 9.00 Uhr beginnt“, meint das Landesarbeitsgericht, der Kläger könne auch ab 7.15 Uhr beschäftigt werden und führt zur Begründung dieser Ansicht lediglich aus, das Gutachten müsse nach seinem gesamten Inhalt so verstanden werden, daß der Kläger ab 7.15 Uhr arbeiten könne, daß jedoch bei einer Arbeitszeit ab 9.00 Uhr nicht mit längeren Fehlzeiten des Klägers zu rechnen sei. Der Kläger sei daher in der Lage gewesen, ab 7.15 Uhr zu arbeiten. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts enthalten lediglich eine These, aber keine Begründung dafür, aus welchem Grunde aus dem Gesamtinhalt des Gutachtens folge, der Kläger sei in der Lage, bereits ab 7.15 Uhr zu arbeiten.

4. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr Beweis zu erheben haben über die Behauptung des Beklagten, der Kläger sei wegen seiner psychischen Eigenart überhaupt unfähig gewesen, als Ausbilder zu arbeiten, ggfls. zu welchen Tageszeiten.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß Arbeitsunfähigkeit auch noch und bereits dann vorliegt, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit der Gefahr, in absehbarer naher Zukunft seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisherigen Erwerbsfähigkeit nachzugehen (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAG vom 25. Oktober 1973, AP Nr. 42 zu § 616 BGB; Hessel, Krankheit im Arbeitsrecht, 3. Aufl., S. 15; Schelp-Trieschmann, Das Arbeitsverhältnis im Krankheitsfalle (1958) S. 2; Schmatz-Fischwasser, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl., S. L 322 b). Dies gilt auch, wenn ärztlich die Enthaltung von der Arbeit zur Vermeidung eines Rückfalls oder zur Festigung des Gesundheitszustandes empfohlen wird (vgl. BAG AP Nr. 12 zu § 1 LohnFG). Schließlich ist zu beachten, daß der Arbeitsrechtliche Begriff der Erkrankung mit dem medizinischen Begriff Krankheit nicht identisch ist. Eine medizinisch vom Arzt festgestellt Krankheit wird arbeitsrechtlich erst bedeutsam, wenn die Erkrankung den Arbeitnehmer hindert, die von ihm vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dies bedeutet, daß Krankheitsbefunde, durch die der Arbeitnehmer nicht verhindert wird, seine Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen, arbeitsrechtlich nicht relevant sind. Andererseits heißt dies, daß die Arbeitsfähigkeit nicht losgelöst von dem jeweiligen Arbeitnehmer und der von ihm zu verrichtenden Tätigkeit bestimmt werden kann. Der Bezug zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ist wesentlich. Daher kann arbeitsrechtlich das Vorliegen einer Krankheit immer nur im Verhältnis zu den vom Arbeitnehmer vertraglich übernommenen Verpflichtungen beurteilt werden. Eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Arbeitsrechts wird deshalb nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Arbeitnehmer seine geschuldeten Vertragspflichten nur teilweise erbringt. Arbeitsrechtlich ist es daher regelmäßig gleichbedeutend, ob der Arbeitnehmer durch die Krankheit ganz oder teilweise arbeitsunfähig wird (BAG AP Nr. 42 zu § 616 BGB). Eine Teilleistung oder eine Leistung zu einer anderen Arbeitszeit kommt als die geschuldete Leistung nur in Betracht, wenn sich aus der Fürsorgepflicht des Beklagten ergeben sollte, daß es ihm ohne weiteres möglich ist, dem Arbeitnehmer eine leichtere Arbeit oder, wie im vorliegenden Fall, eine andere Arbeitszeit zuzuweisen (z.B. bei Schwangeren, BAG AP Nr. 1 zu § 10 MuSchG (Bulla); Schaub, AR-Blattei (D) Annahmeverzug I B I d m.w.N.). Für den vorliegenden Fall erscheint dies denkbar, falls bei einem späteren Dienstbeginn eine Stabilisierung der Gesundheit des Klägers zu erwarten war.

Ob der Beklagte mit Rücksicht auf seine Fürsorgepflicht gehalten war, den Kläger erst ab 9.00 Uhr zu beschäftigen hängt davon ab, ob dies mit Rücksicht auf die vom Berufsförderungswerk betreuten Behinderten und auch die Kollegen des Klägers ohne größere Schwierigkeiten möglich war oder nicht. Zu dieser Frage fehlt es an Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Die Kostenentscheidung über die Revision des Klägers folgt aus § 97 ZPO.

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