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Krypto Gehalt: BAG Urteil klärt Regeln für Lohn in Kryptowährung

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts sorgt für Aufsehen: Kann man Mitarbeiter künftig mit Kryptowährung statt Euro bezahlen? Deutschlands höchstes Arbeitsgericht hat in einem wegweisenden Fall über die Zulässigkeit digitaler Lohnbestandteile entschieden. Die Richter ziehen klare Grenzen – und zeigen, wo die traditionellen Schutzmechanismen des Arbeitsrechts greifen müssen.
Kryptowährung wie Bitcoin oder Ether als Bestandteil der Lohnzahlung? Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, ob und wie weit das zulässig ist.
Das BAG-Urteil definiert, wann Krypto als Gehalt gezahlt werden darf – der Pfändungsschutz ist entscheidend. | Symbolbild: KI generiertes Bild

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Kryptowährungen wie Ether dürfen als Teil des Gehalts gezahlt werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen: Mindestens der unpfändbare Teil des Gehalts muss immer in Euro ausgezahlt werden, damit der Arbeitnehmer seinen Lebensunterhalt sicher bestreiten kann.
  • Diese Regel gilt für alle Arbeitnehmer, die Gehalt oder Provisionen ganz oder teilweise in Kryptowährung erhalten wollen.
  • Die Kryptowährungszahlung wird als sogenannter „Sachbezug“ behandelt, ähnlich wie z. B. ein Dienstwagen, und darf nur den pfändbaren Teil des Gehalts ausmachen.
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen zustimmen, und die Zahlung in Krypto muss im Interesse des Arbeitnehmers liegen (z. B. wenn er die Kryptowährung nutzen möchte).
  • Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall zurück an eine niedrigere Instanz geschickt, weil dort zuerst genau berechnet werden muss, wie viel Gehalt in Euro und wie viel in Ether gezahlt werden darf.
  • Für Arbeitgeber ist die Umsetzung technisch und rechtlich anspruchsvoll, da korrekte Vertragsregeln und detaillierte Lohnabrechnung notwendig sind.
  • Für Arbeitnehmer ist es wichtig zu wissen, dass sie das Risiko von Kursschwankungen der Kryptowährung tragen, sobald sie die Coins erhalten haben.

Quelle: Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 16. April 2025 (10 AZR 80/24)

Kryptowährung statt Euro auf dem Gehaltszettel? Das Bundesarbeitsgericht zieht klare Grenzen

Die Welt der Finanzen ist digitaler geworden, und Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether sind längst nicht mehr nur ein Thema für Tech-Enthusiasten. Immer häufiger taucht die Frage auf: Kann man Mitarbeiter auch mit digitalen Coins bezahlen? Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Deutschlands höchstem Gericht für Arbeitsfragen, bringt nun Licht ins Dunkel – und sorgt für Aufsehen.

Am 16. April 2025 fällten die Richter in Erfurt eine Entscheidung (Aktenzeichen: 10 AZR 80/24), die weitreichende Folgen für die Gestaltung von Arbeitsverträgen hat, besonders in Branchen mit Bezug auf digitalen Vermögenswerten. Im Kern ging es um die Frage, ob Provisionen in der Kryptowährung Ether (ETH) ausgezahlt werden dürfen. Die Antwort ist ein klares „Ja, aber…“ – mit wichtigen Einschränkungen zum Schutz der Arbeitnehmer.

Dieses Urteil betrifft nicht nur Unternehmen aus der Krypto-Szene, sondern alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die über innovative Vergütungsmodelle nachdenken. Es zeigt, wie das deutsche Arbeitsrecht versucht, mit den rasanten technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, ohne dabei bewährte Schutzmechanismen über Bord zu werfen. Wir erklären Ihnen, was genau entschieden wurde, was das für die Praxis bedeutet und worauf Sie achten müssen, wenn digitale Währungen Teil des Gehalts werden sollen.

Der Fall: Eine Mitarbeiterin kämpft um ihre Ether-Provision

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand eine Frau, nennen wir sie Frau S., die bei einem Unternehmen beschäftigt war, das sich intensiv mit Kryptowährungen auseinandersetzte. Ihr Arbeitsverhältnis begann im Juni 2019, zunächst in Teilzeit mit einem bescheidenen Bruttogehalt von 960 Euro monatlich. Ab April 2020 arbeitete sie in Vollzeit und verdiente 2.400 Euro brutto. Das Besondere an ihrem Vertrag: Zusätzlich zum festen Gehalt wurde ihr für die Anfangszeit bis Ende März 2020 eine Provision versprochen, die sich nach den monatlichen Geschäftsabschlüssen richten sollte.

Die Vereinbarung sah eine spezielle Auszahlungsmodalität vor: Die Provision sollte zwar zuerst in Euro berechnet werden, dann aber zum Fälligkeitszeitpunkt – immer am letzten Tag des Folgemonats – zum aktuellen Wechselkurs in die Kryptowährung Ether (ETH) umgerechnet werden. Der Anspruch sollte durch die Übertragung der entsprechenden Menge ETH auf ein von Frau S. benanntes Wallet, eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen, erfüllt werden.

Doch die Realität sah anders aus. Obwohl Frau S. ihrem Arbeitgeber, wie sie vortrug, mehrfach ihre Wallet-Adresse mitteilte und auf die Auszahlung drängte, floss kein einziger Ether-Coin. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 2021. Erst mit der allerletzten Gehaltsabrechnung für Dezember 2021 zahlte das Unternehmen einen Betrag von 15.166,16 Euro brutto aus und deklarierte dies als „Provisionen“.

Frau S. war damit nicht zufrieden. Sie argumentierte, dass die Euro-Zahlung ihren Anspruch auf die vereinbarte Kryptowährung nicht erfüllt habe. Sie forderte weiterhin die Übertragung von 19,194 ETH, die ihr ihrer Berechnung nach für die Monate Februar und März 2020 zustanden.

Der Streit vor Gericht: Gilt der Euro-Zwang auch für Provisionen?

Der Arbeitgeber sah die Sache naturgemäß anders. Er vertrat die Ansicht, dass alle berechtigten Provisionsansprüche durch die Euro-Zahlung im Dezember 2021 beglichen seien. Vor allem aber stellte er die Wirksamkeit der gesamten Krypto-Vereinbarung in Frage. Sein zentrales Argument stützte sich auf einen Paragrafen im deutschen Recht, der für die Lohnauszahlung grundlegend ist: § 107 Absatz 1 der Gewerbeordnung (GewO). Diese Vorschrift besagt klar und deutlich, dass Arbeitsentgelt in Euro zu berechnen und auszuzahlen ist. Eine Auszahlung in einer Kryptowährung wie Ether sei daher schlichtweg unzulässig und die entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam.

Die ersten beiden Gerichtsinstanzen, das Arbeitsgericht Karlsruhe und später das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Mannheim, folgten jedoch der Argumentation von Frau S. Sie verurteilten den Arbeitgeber zur Zahlung der Provisionen in Form von Ether. Doch der Arbeitgeber gab nicht auf und legte Revision beim Bundesarbeitsgericht ein. Damit lag der Ball nun bei den höchsten deutschen Arbeitsrichtern in Erfurt. Sie mussten klären, ob und wie Kryptowährungen in das bestehende System der Lohnzahlung passen.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Ein differenzierter Blick auf § 107 GewO

Die Spannung war groß, als das BAG am 16. April 2025 sein Urteil verkündete. Das Ergebnis war differenziert: Das Gericht hob die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung dorthin zurück. Das klingt zunächst wie eine Niederlage für Frau S., doch der Schein trügt. In der Sache selbst bestätigte das BAG nämlich den grundsätzlichen Anspruch der Klägerin: Die Vereinbarung über die Ether-Provision war nicht generell unwirksam.

Die Richter stellten klar, dass Kryptowährungen wie Ether zwar nicht als „Geld“ im Sinne des § 107 Absatz 1 GewO anzusehen sind. Diese Vorschrift, die den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel für Löhne vorschreibt, könne also nicht direkt durch Krypto-Zahlungen erfüllt werden.

Allerdings gibt es im selben Paragrafen den Absatz 2 Satz 1, der eine wichtige Ausnahme zulässt: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass Teile des Arbeitsentgelts als Sachbezüge gewährt werden. Typische Beispiele für Sachbezüge sind Dienstwagen, Jobtickets oder Essensgutscheine. Und genau hier sahen die BAG-Richter den Anknüpfungspunkt: Die Übertragung von Ether könne als ein solcher Sachbezug vereinbart werden.

Damit ist die Tür für Krypto-Vergütungen im Arbeitsverhältnis grundsätzlich geöffnet.

Doch das BAG knüpfte dies an wichtige Bedingungen:

  1. Das Interesse des Arbeitnehmers: Ein Sachbezug ist laut § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO nur zulässig, wenn die Vereinbarung dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Das Gericht prüfte dies und kam im Fall von Frau S. zu dem Schluss, dass die Ether-Zahlung bei objektiver Betrachtung im Interesse der Klägerin lag. Hier spielte vermutlich eine Rolle, dass das Unternehmen selbst im Krypto-Bereich tätig war und Frau S. die Auszahlung in ETH aktiv forderte und einklagte. Es ist also nicht automatisch jede Krypto-Vereinbarung im Arbeitnehmerinteresse, sondern es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei Mitarbeitern ohne Krypto-Affinität oder in Branchen ohne Bezug auf digitalen Assets könnte die Bewertung anders ausfallen.
  2. Die absolute Grenze: Der Schutz des unpfändbaren Einkommens: Der entscheidende Punkt, der auch zur Zurückverweisung des Falls führte, ist § 107 Absatz 2 Satz 5 GewO. Diese Vorschrift setzt der Vereinbarung von Sachbezügen eine klare Grenze: Der Wert der Sachbezüge darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.

Was bedeutet die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts konkret?

Es heißt, dass der unpfändbare Teil des Gehalts dem Arbeitnehmer immer in Euro ausgezahlt werden muss. Dieser unpfändbare Betrag, oft als Pfändungsfreigrenze bezeichnet, soll sicherstellen, dass dem Arbeitnehmer und seiner Familie genug Geld zum Leben bleibt, auch wenn Gläubiger versuchen, auf das Gehalt zuzugreifen (Lohnpfändung). Die Höhe richtet sich nach den gesetzlichen Pfändungstabellen und hängt von Faktoren wie dem Nettoeinkommen, der Steuerklasse und Unterhaltspflichten ab (geregelt in den §§ 850 ff. der Zivilprozessordnung, ZPO).

Der Schutzgedanke dahinter ist fundamental: Arbeitnehmer sollen nicht gezwungen sein, erst Sachwerte – seien es Essensgutscheine oder eben Kryptowährungen – umständlich und vielleicht mit Verlusten in Euro umzutauschen, nur um ihre Miete bezahlen oder Lebensmittel kaufen zu können. Das Existenzminimum muss in liquider, direkt verwendbarer Form gesichert sein.

Pfändungsschutz und Sachbezüge: Was bedeutet das für die Praxis?

Die Regelung des § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ist der Dreh- und Angelpunkt des Urteils. Sie bedeutet, dass eine vollständige Bezahlung in Kryptowährungen oder anderen Sachbezügen in aller Regel unzulässig ist. Mindestens der unpfändbare Teil des Gesamtnettoeinkommens muss immer in Euro fließen.

Stellen Sie sich das Gesamtnettoeinkommen eines Monats vor. Dieses setzt sich aus dem in Euro gezahlten Gehalt und dem Wert der vereinbarten Sachbezüge (hier: der Wert der Ether-Provision zum maßgeblichen Zeitpunkt) zusammen. Von diesem Gesamtnetto wird anhand der Pfändungstabelle der unpfändbare Betrag ermittelt. Dieser Betrag muss dem Arbeitnehmer in Euro zur Verfügung stehen. Nur der Teil des Nettoeinkommens, der über dieser Grenze liegt (der pfändbare Teil), darf in Form von Sachbezügen wie Ether ausgezahlt werden.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung (vereinfacht, tatsächliche Werte hängen von der aktuellen Pfändungstabelle und individuellen Faktoren ab): Angenommen, ein Arbeitnehmer hat ein Gesamtnettoeinkommen (Euro-Gehalt + Wert der Krypto-Provision) von 3.000 Euro. Laut Pfändungstabelle liegt sein unpfändbarer Betrag bei 1.800 Euro. Dann müssen ihm mindestens 1.800 Euro in bar bzw. per Überweisung auf sein Konto gezahlt werden. Nur die Differenz von 1.200 Euro (3.000 € – 1.800 €) dürfte maximal in Form von Ether oder anderen Sachbezügen geleistet werden. Liegt das Gesamtnetto unterhalb der individuellen Pfändungsfreigrenze, ist eine Auszahlung in Sachbezügen gar nicht zulässig – das gesamte Gehalt muss in Euro fließen.

Konsequenz bei Verstoß gegen die Euro-Vorrang-Regel: Sachbezug nur oberhalb der Pfändungsfreigrenze zulässig

Was passiert, wenn eine Vereinbarung gegen diese Regel verstößt, also zu viel Sachbezug und zu wenig Euro vorsieht? Das BAG entschied hier zugunsten einer praktikablen Lösung: Wenn der Sachbezug teilbar ist – was bei Kryptowährungen wie Ether der Fall ist (man kann auch Bruchteile übertragen) – führt der Verstoß nicht zur kompletten Unwirksamkeit der Sachbezugsvereinbarung. Stattdessen ist die Vereinbarung nur teilweise nichtig: Sie ist lediglich insoweit unwirksam, als sie den unpfändbaren Teil des Entgelts betrifft. Bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenze muss der Arbeitgeber also Euro zahlen, und der Sachbezug wird entsprechend gekürzt. Nur der darüber hinausgehende, pfändbare Lohnanteil kann wirksam in der vereinbarten Kryptowährung gezahlt werden.

Grund der Zurückverweisung an das LAG Baden-Württemberg

Genau bei der Berechnung dieses unpfändbaren Betrags hatte das LAG Baden-Württemberg nach Ansicht des BAG Fehler gemacht. Es hatte die komplexen Regeln der §§ 850 ff. ZPO nicht korrekt angewendet. Zudem fehlten dem BAG wichtige Tatsachenfeststellungen, etwa zur genauen Berechnung des Nettoentgelts unter Berücksichtigung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die für die Ermittlung der Pfändungsfreigrenze unerlässlich sind. Da das BAG als Revisionsinstanz selbst keine neuen Fakten ermitteln darf, musste es den Fall zur korrekten Berechnung an das LAG zurückverweisen. Frau S. muss also noch auf die endgültige Festlegung der ihr zustehenden Ether-Menge warten.

Chancen und Risiken: Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Das Urteil des BAG hat weitreichende praktische Konsequenzen für beide Seiten des Arbeitsverhältnisses.

Für Arbeitnehmer wie Frau S.:

  • Vertrag ist nicht wertlos: Die gute Nachricht ist, dass eine vertraglich vereinbarte Krypto-Zahlung nicht einfach vom Tisch gewischt werden kann. Wenn die Voraussetzungen (insbesondere das Arbeitnehmerinteresse) vorliegen, können Sie sich auf die Vereinbarung berufen. Der Arbeitgeber kann sich nicht pauschal auf den Euro-Zwang des § 107 Abs. 1 GewO zurückziehen.
  • Sicherheit durch Euro-Anteil: Der wichtigste Schutzmechanismus ist die Garantie, dass der unpfändbare Teil des Lohns immer in Euro ausgezahlt werden muss (§ 107 Abs. 2 Satz 5 GewO). Dies sichert ein liquides Mindesteinkommen für den Lebensunterhalt.
  • Volatilitätsrisiko: Sobald Sie die Kryptowährung erhalten haben, tragen Sie das volle Kursrisiko. Steigt der Kurs, profitieren Sie. Fällt er, erleiden Sie Verluste. Dieses Risiko sollten Sie sich bewusst machen, bevor Sie einer solchen Vereinbarung zustimmen.
  • Verhandlungsmacht: Das Kriterium des „Arbeitnehmerinteresses“ und die noch offene Frage der Wirksamkeit solcher Klauseln in Standardverträgen (AGB-Kontrolle, siehe unten) geben Ihnen Argumente an die Hand. Wenn Sie kein echtes Interesse an Krypto haben oder das Risiko als zu hoch einschätzen, könnte eine solche Klausel angreifbar sein. Umgekehrt stärkt das Urteil diejenigen, die bewusst einen Teil ihres Gehalts in Krypto erhalten möchten und dies klar vereinbart haben.

Für Arbeitgeber:

  • Grundsätzliche Möglichkeit: Das Urteil schafft Klarheit, dass Krypto-Vergütungen als Sachbezug möglich sind, insbesondere für variable Entgeltbestandteile wie Provisionen oder Boni.
  • Hohe Hürden und Komplexität: Die Umsetzung ist an strenge Bedingungen geknüpft und mit erheblichem Aufwand verbunden:
    • Vertragsgestaltung: Vereinbarungen sollten äußerst sorgfältig formuliert sein. Unklare Regelungen zur Umrechnung, zum Zeitpunkt der Wertfeststellung oder zur Übertragung können zu Streit führen. Individualvereinbarungen sind sicherer als Standardklauseln in Arbeitsverträgen (AGB), deren Wirksamkeit noch ungeklärt ist. Das „Arbeitnehmerinteresse“ sollte nachvollziehbar sein (z.B. Wahlmöglichkeit, Bezug zur Tätigkeit).
    • Pfändungsschutz – Das A und O: Die Einhaltung von § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ist zwingend und nicht verhandelbar. Die Lohnabrechnung muss sicherstellen, dass der korrekte unpfändbare Betrag (berechnet auf Basis des Gesamt-Nettos inkl. Krypto-Wert) immer in Euro ausgezahlt wird.
    • Lohnbuchhaltung (Payroll): Dies ist die größte Herausforderung. Die Payroll-Prozesse müssen angepasst werden, um den Wert der Kryptowährung zum relevanten Stichtag zu ermitteln, das Gesamtnetto zu berechnen, die individuelle Pfändungsfreigrenze korrekt zu bestimmen und die Aufteilung in Euro- und Krypto-Zahlung sicherzustellen. Auch die korrekte Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen auf den gesamten Lohnwert (inkl. Sachbezug) muss gewährleistet sein. Dies erfordert oft spezielle Software und Know-how.
  • Risikomanagement: Die hohe Volatilität von Kryptowährungen birgt Streitpotenzial (z.B. über den maßgeblichen Kurs oder Zeitpunkt). Arbeitgeber müssen sich überlegen, wie sie dieses Risiko handhaben.
  • Offene Rechtsfrage AGB-Kontrolle: Das BAG hat ausdrücklich offengelassen, ob Krypto-Zahlungsklauseln in Standardarbeitsverträgen einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) standhalten. Es könnte argumentiert werden, dass solche Klauseln intransparent sind oder den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, wenn sie ihm einseitig das hohe Volatilitätsrisiko aufbürden. Dies stellt ein erhebliches Rechtsrisiko für Arbeitgeber dar, die Krypto-Vergütungen standardmäßig einführen wollen.

Experten-Checkliste: Krypto-Vergütung rechtssicher gestalten?

Unternehmen, die überlegen, Teile des Gehalts in Kryptowährungen auszuzahlen, sollten nach dem BAG-Urteil besonders auf folgende Punkte achten:

  1. Ist die Vereinbarung im Interesse des Arbeitnehmers? (Nachweisbarkeit ist wichtig, z.B. durch explizites Wahlrecht oder Branchenbezug)
  2. Ist die Klausel klar und verständlich formuliert? (Art der Krypto, Umrechnungskurs, Zeitpunkt, Wallet etc.)
  3. Ist die Lohnabrechnung technisch und prozessual in der Lage, den unpfändbaren Teil korrekt zu ermitteln und dessen Auszahlung in Euro sicherzustellen? (Berechnung auf Basis des Gesamtnettoentgelts!)
  4. Wird der Wert des Sachbezugs korrekt für Steuern und Sozialversicherung berücksichtigt?
  5. Wurde das Risiko einer AGB-Kontrolle bei Standardklauseln bedacht? (Individualvereinbarung oft sicherer)

Nur wenn all diese Punkte sorgfältig geprüft und umgesetzt werden, kann eine Krypto-Vergütung rechtssicher sein. Die Hürden sind hoch.

Unbeantwortete Fragen und der Blick nach vorn

Obwohl das BAG-Urteil eine wichtige Richtungsentscheidung darstellt, bleiben Fragen offen. Zunächst muss das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nun den Fall von Frau S. unter Beachtung der Vorgaben des BAG neu entscheiden. Es wird also konkret berechnen müssen, wie hoch der unpfändbare Anteil ihres Gehalts in den relevanten Monaten war und wie viel Ether ihr demnach zusteht. Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet, da es praktische Anhaltspunkte für die Berechnung liefern könnte.

Die größte offene Baustelle bleibt jedoch die Frage der AGB-Kontrolle. Wann ist eine Standardklausel zur Krypto-Zahlung im Arbeitsvertrag wirksam? Wann ist sie intransparent oder benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen? Hierzu hat das BAG im aktuellen Fall keine Aussage getroffen, da sich Frau S. (die Arbeitnehmerin) auf die Wirksamkeit berief und der Arbeitgeber (der Verwender der Klausel) sich nicht zu seinen Gunsten auf deren Unwirksamkeit berufen kann. Zukünftige Fälle, in denen Arbeitnehmer die Klausel anfechten, werden hier hoffentlich Klarheit bringen. Bis dahin bleibt die Verwendung von Standardklauseln für Krypto-Vergütungen mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet.

Es ist auch denkbar, dass der Gesetzgeber auf die zunehmende Bedeutung von Krypto-Assets reagiert und die Regelungen in § 107 GewO präzisiert. Bislang gibt es dafür aber keine konkreten Anzeichen.

Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann mein Arbeitgeber mich einfach in Bitcoin oder Ether bezahlen?

Nein, so einfach ist es nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass Kryptowährungen kein „Geld“ im Sinne des Gesetzes sind. Eine vollständige Bezahlung in Krypto ist daher unzulässig. Teile des Gehalts können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen als Sachbezug in Krypto gezahlt werden, wenn dies vertraglich vereinbart ist und im Interesse des Arbeitnehmers liegt. Die wichtigste Regel bleibt: Der unpfändbare Teil Ihres Gehalts muss Ihnen immer in Euro ausgezahlt werden, um Ihren Lebensunterhalt zu sichern.


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Was genau ist ein „Sachbezug“ und warum ist das wichtig?

Ein Sachbezug ist ein Vorteil, den Sie von Ihrem Arbeitgeber nicht in Geld, sondern in Form einer Sache oder Dienstleistung erhalten. Bekannte Beispiele sind der Dienstwagen, Tankgutscheine oder eben auch digitale Vermögenswerte wie Kryptowährungen. Die Einordnung als Sachbezug ist wichtig, weil dafür nach § 107 Absatz 2 GewO andere Regeln gelten als für die reine Geldzahlung. Sachbezüge sind nur zulässig, wenn sie im Arbeitnehmerinteresse liegen und den Wert des pfändbaren Lohnanteils nicht übersteigen. Der unpfändbare Grundbetrag muss immer als Euro-Zahlung erfolgen.


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Was bedeutet „Pfändungsschutz“ und wie wird der unpfändbare Betrag berechnet?

Der Pfändungsschutz sichert Ihnen ein Mindesteinkommen, das Ihnen auch dann verbleiben muss, wenn Sie Schulden haben und Gläubiger versuchen, Ihr Gehalt zu pfänden. Dieser unpfändbare Betrag (Pfändungsfreibetrag) ist gesetzlich festgelegt und hängt von Ihrem Nettoeinkommen sowie Ihren Unterhaltspflichten (z.B. für Kinder) ab. Die genauen Beträge finden sich in den offiziellen Pfändungstabellen (§ 850c ZPO). Das BAG-Urteil betont, dass dieser unpfändbare Betrag zwingend in Euro ausgezahlt werden muss, auch wenn Sie ansonsten Sachbezüge wie Kryptowährungen erhalten. Die Berechnung muss auf Basis des gesamten Nettoeinkommens erfolgen, also inklusive des Werts der Sachbezüge.


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Wer trägt das Risiko, wenn der Kurs der Kryptowährung nach der Auszahlung fällt?

Sobald die vereinbarte Kryptowährung wirksam auf Ihr Wallet übertragen wurde, liegt das Kursrisiko bei Ihnen als Arbeitnehmer. Wenn der Kurs danach fällt, ist das Ihr Verlust; wenn er steigt, ist es Ihr Gewinn. Genau dieses Volatilitätsrisiko ist ein Grund, warum die Gerichte prüfen, ob eine solche Vereinbarung wirklich im „Interesse des Arbeitnehmers“ liegt und ob Standardklauseln möglicherweise wegen unangemessener Risikoverlagerung unwirksam sind (AGB-Kontrolle). Vor der Zustimmung zu einer Krypto-Vergütung sollten Sie sich dieses Risikos bewusst sein.


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Mein Arbeitsvertrag enthält eine Klausel zur Zahlung in Krypto. Ist die jetzt automatisch gültig?

Nicht unbedingt. Das BAG-Urteil sagt nur, dass solche Vereinbarungen grundsätzlich möglich sind, wenn sie als Sachbezug gestaltet werden und die Pfändungsschutzgrenzen einhalten. Ob Ihre spezifische Klausel wirksam ist, hängt von mehreren Faktoren ab: Liegt die Vereinbarung objektiv in Ihrem Interesse? Ist die Klausel klar und transparent formuliert? Hält sie einer AGB-Kontrolle stand, falls es sich um einen Standardvertrag handelt? Besonders wichtig ist, ob die Regelung sicherstellt, dass Sie den unpfändbaren Teil Ihres Lohns immer in Euro erhalten. Wenn die Klausel unklar ist oder gegen den Pfändungsschutz verstößt, kann sie ganz oder teilweise unwirksam sein. Im Zweifel sollten Sie Rechtsrat einholen.


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Was sollten Arbeitgeber tun, die Krypto-Gehälter zahlen möchten?

Arbeitgeber müssen extrem sorgfältig vorgehen. Erstens: Die Vertragsgestaltung muss präzise sein (Art der Krypto, Umrechnung, Zeitpunkt, Übertragung) und das Arbeitnehmerinteresse sollte plausibel sein (z.B. Wahlrecht anbieten). Zweitens: Die Payroll muss angepasst werden, um den Wert der Krypto korrekt zu ermitteln, das Gesamtnetto zu berechnen und die strikte Einhaltung der Pfändungsfreigrenze in Euro (§ 107 Abs. 2 Satz 5 GewO) sicherzustellen. Drittens: Die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Sachbezugs muss korrekt erfolgen. Aufgrund der offenen Fragen bei der AGB-Kontrolle sind Individualvereinbarungen oft sicherer als Standardklauseln. Professionelle rechtliche und steuerliche Beratung ist unerlässlich.


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Fazit: Ein Schritt in die digitale Zukunft, aber mit festem Boden unter den Füßen

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Provisionen in Ether ist mehr als nur eine Entscheidung zu einem Einzelfall. Es ist ein wichtiger Baustein für die rechtliche Einordnung von Kryptowährungen im Arbeitsleben. Das Gericht öffnet die Tür für moderne und flexible Vergütungsmodelle, die digitale Assets einbeziehen. Gleichzeitig zieht es aber klare rote Linien, um den fundamentalen Schutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten.

Die Kernbotschaft ist eindeutig: Ja, Krypto als Gehaltsbestandteil ist denkbar, aber nur als Sachbezug und nur für den Teil des Lohns, der über dem unpfändbaren Existenzminimum liegt. Dieser unpfändbare Sockelbetrag muss Arbeitnehmern immer in Euro zur Verfügung stehen.

Für Arbeitgeber bedeutet dies: Wer Krypto-Vergütungen anbieten will, muss hohe rechtliche und administrative Hürden überwinden, insbesondere bei der korrekten Lohnabrechnung und Vertragsgestaltung. Für Arbeitnehmer bedeutet es: Sie haben einen Anspruch auf die Einhaltung der Schutzvorschriften, insbesondere auf die Auszahlung des unpfändbaren Lohnanteils in Euro. Gleichzeitig tragen sie aber auch das volle Kursrisiko für erhaltene Kryptobeträge.

Die digitale Transformation der Arbeitswelt schreitet voran. Das Urteil 10 AZR 80/24 zeigt, dass das deutsche Arbeitsrecht bereit ist, sich neuen Entwicklungen zu stellen, dabei aber seine Kernprinzipien nicht aufgibt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung, insbesondere zur Wirksamkeit von Standardklauseln, weiterentwickelt und wie die Praxis die komplexen Anforderungen umsetzen wird. Bis dahin ist bei der Vereinbarung von Kryptowährungen als Arbeitslohn für beide Seiten Vorsicht und eine genaue Prüfung geboten.

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