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Kündigung – Anhörung Betriebsrat

ArbG Braunschweig – Az.: 8 Ca 334/18 – Urteil vom 10.02.2020

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. August 2018 aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis des auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. August 2018 aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsethos auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. September 2019 hinaus fortbesteht.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.885,65 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2018 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2018 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2018 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 1.850,52 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2018 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2019 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2019 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2019 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. April 2019 zu zahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2019 zu zahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2019 zu zahlen.

14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2019 zu zahlen.

15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. August 2019 zu zahlen.

16. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2019 zu zahlen.

17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 € brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2019 zu zahlen.

18. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

19. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

20. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

21. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 215.997,13 €.

22. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage der Wirksamkeit einer außerordentlich fristlosen, hilfsweise ordentlich fristgemäßen arbeitgeberseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus macht der Kläger Verzugslohnansprüche geltend. Die Beklagte begehrt für den Fall, dass die Kündigungen rechtsunwirksam sein sollten, die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger ist am 6. Juli 1966 geboren. Er ist verheiratet und drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Der Kläger wurde bei der Beklagten unter Anerkennung seiner vorherigen Tätigkeiten bei der IAV Automotive Engineering GmbH und der AUDI AG auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 02.07.2010 zuletzt als Hauptabteilungsleiter der Hauptabteilung EAD und somit als Leiter der Dieselmotorenentwicklung im außertariflichen Bereich beschäftigt zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 16.957,00 € zuzüglich Boni in Höhe von zuletzt 212.200,00 € brutto jährlich.

Der Kläger übernahm die Leitung der Abteilung EAD im September 2010.

Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer.

Es besteht ein Betriebsrat. Der Betriebsrat übertrug seine Mitbestimmungsrechte im Rahmen beabsichtigter arbeitgeberseitiger Kündigungen von Führungskräften und Mitarbeitern im außertariflichen Bereich zur selbstständigen Erledigung dem Personalausschuss Führungskräfte und AT im Management.

Nach der erfolgten Aufdeckung des Dieselskandals im September 2015 stellte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 02. November 2015 mit sofortiger Wirkung widerruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei.

Die Rechtsanwälte der Beklagten erhielten Akteneinsicht in die Akten des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zum Aktenzeichen 411 Js 49032/15 am 19. Juli 2018. Mit Schreiben vom 6. August 2018 konfrontierte die Beklagte den Kläger mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 13. August 2018 zu folgenden Vorwürfen:

– Anweisung zum Einbau der Umschaltlogik im EA 288 trotz Kenntnis eines möglichen Verstoßes gegen US-amerikanisches Recht.

– Keine Unterbindung oder Prüfung des Einsatzes der Umschaltlogik.

– Keine Verhinderung der Weiterentwicklung der Umschaltlogik.

– Verschleierung der Umschaltlogik gegenüber US-Behörden.

– Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Typengenehmigungsverfahren für den VW T6 ab dem Jahr 2015 / Verwendung eines nicht korrekten Ki-Faktors.

Herr G., Mitarbeiter der Beklagten, bestätigte als einziger Zeuge gegenüber der Beklagten, dass der Kläger im Rahmen eines Meetings der EAT-Projektrunde Mitte März 2011 entschieden habe, dass die Umschaltlogik auch in die Motorsteuerungssoftware für den EA288-Motor für den US-Markt als Back-up implementiert wird.

Herr G. berief sich im weiteren Verlauf auf sein Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber der Beklagten. Gegebenenfalls bekundete er die obigen Äußerungen auch gegenüber weiteren Mitarbeitern der Beklagten.

In dem Anhörungsschreiben heißt es unter anderem wie folgt:

„…Sie hatten bereits kurz nach Antritt Ihrer Funktion als Leiter der Hauptabteilung „Entwicklung Aggregate Diesel“ (EAD) Kenntnis von der Umschaltlogik und ihrer Funktionsweise erlangt.

In der EAD-Projektrunde im März 2011 wurde die Entwicklung der nächsten Motorengeneration EA288 besprochen. Zu diesem Zeitpunkt war die in der Vorgängergeneration EA189 implementierte Umschaltlogik noch nicht in der Software der Motorsteuerungsgeräte für den EA288-Prototyp enthalten. Sie ordneten jedoch an, die Umschaltlogik für den Fall, dass der Motor die Emissionsgrenzwerte nicht einhalten konnte, als „back-up“ in die Software der Motorsteuerung für den EA288 zu implementieren. Mehrere Zeugen haben dies bestätigt und zudem ausgesagt, dass die Abteilungen „Antriebselektronik“ (EAE) und „Entwicklung Aggregate Diesel“ (EAD) sich im Rahmen der Entwicklung des EA288 eigentlich einig gewesen seien, die Umschaltlogik nicht zu verwenden und diese erst aufgrund Ihrer Anweisung im Rahmen der EAD-Projektrunde in die Motorsteuerung aufgenommen worden sei. Die Umschaltlogik wurde in den EA288-Motoren für den US-Markt später auch aktiviert. …“

Die Kläger gab hierzu gegenüber der Beklagten keine schriftliche Stellungnahme ab.

Die Beklagte entschloss sich nunmehr, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß zu kündigen in Form der Tat- und hilfsweise der Verdachtskündigung.

Hierzu hörte sie mit Schreiben vom 15. August 2018 den Personalausschuss Führungskräfte und AT im Management an. In dem Anhörungsschreiben heißt es unter anderem wie folgt:

„Herr … (Kläger) hat im Rahmen der EAD-Projektrunde im März 2011 angeordnet, die Umschaltlogik im Rahmen der Entwicklung der neuen Motoren der Generation EA288 für den US-Markt in der Software als „back-up“ zu implementieren.

In der EAD-Projektrunde im März 2011 wurde die Entwicklung der Motorengeneration des EA288 besprochen. Zu diesem Zeitpunkt war die in der Vorgängergeneration EA189 implementierte Umschaltlogik noch nicht in der Software der Motorsteuerungsgeräte für den EA288-Prototyp enthalten. Herr … (Kläger) ordnete jedoch an, die Umschaltlogik für den Fall, dass der Motor die Emissionsgrenzwerte nicht einhalten konnte, als „back-up“ in die Software der Motorsteuerung für den EA288 zu implementieren. Mehrere Zeugen haben dies bestätigt und zudem ausgesagt, dass die Abteilungen „Antriebselektronik“ (EAE) und „Entwicklung Aggregate Diesel“ (EAD) sich im Rahmen der Entwicklung des EA288 eigentlich einig gewesen seien, die Umschaltlogik nicht zu verwenden und diese erst aufgrund Anweisung von Herrn … (Kläger) im Rahmen der EAD-Projektrunde in die Motorsteuerung aufgenommen worden sei. Die Umschaltlogik wurde in den EA288-Motoren für den US-Markt später auch aktiviert. …“

Der Personalausschuss stimmte der beabsichtigten Kündigung am 17. August 2018 zu.

Hierauf hin erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 17. August 2018 die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses, hilfsweise die ordentlich fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2019. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger zu.

Die Beklagte zahlte ein anteiliges Arbeitsentgelt für den Monat August 2018 in Höhe von 10.071,35 € brutto aus.

In dem Protokoll der Kammerverhandlung vom 16. Dezember 2019 heißt es wie folgt:

„Der Vorsitzende fragt die Parteien, ob eine gütliche Streitbeilegung möglich ist.

Der Klägervertreter führt aus, dass es außergerichtliche Vergleichsbemühungen gegeben hat, die aber gescheitert sind.

Der Klägervertreter führt aus, dass über die Inhalte der Vergleichsgespräche Stillschweigen vereinbart wurde.“

Der Kläger macht nunmehr die Unwirksamkeit der erfolgten Kündigung geltend und begehrt die Zahlung von Verzugslohn für den Zeitraum vom 18. August 2018 bis zum 31. August 2018 in Höhe von 6.885,65 EUR brutto (= 16.957,00 € brutto abzgl. gezahlter 10.071,35 € brutto) sowie für die Monate September 2018 bis einschließlich September 2019. Hierbei erhielt der Kläger im November 2018 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.850,52 € und ab Dezember 2018 bis einschließlich September 2019 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 2.643,60 €.

Die Beklagte macht hilfsweise wegen des Verstoßes gegen die Vereinbarung, Stillschweigen über die Vergleichsgespräche zu wahren, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Daher habe er entsprechend auch Anspruch auf Zahlung von Verzugslohn. Hierzu ist er der Auffassung, dass der Betriebsrat in Gestalt des Personalausschusses vor der erfolgten Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Im Übrigen bestreitet er das Vorliegen von Kündigungsgründen. Hierzu bestreitet er insbesondere, im Rahmen eines Treffens einer EAD-Projektrunde im März 2011 die Entscheidung zur Implementierung der Manipulationssoftware als Back-up im EA288-Motor für den US-Markt getroffen zu haben. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Auflösungsantrag der Beklagten unbegründet sei.

Mit Schriftsatz vom 28.12.2018 erhob die Beklagte Widerklage mit dem Antrag,

festzustellen, dass der Kläger der Beklagten den Schaden zu ersetzen hat, der der Beklagten dadurch entstanden ist und künftig noch entstehen wird, dass der Kläger den Einbau der Umschaltlogik nebst Fahrprofilerkennung in der Motorsteuerung von für den US-Markt bestimmten Fahrzeugen mit dem EA-288-Dieselmotor (Gen3) angeordnet hat und die Nutzung der Umschaltlogik in für den US-Markt bestimmten Fahrzeugen mit dem EA 189-Dieselmotor sowie deren Weiterentwicklung durch die Lenkwinkelerkennung nicht unterbunden und auch nicht gemeldet hat.

Im Termin zur Kammerverhandlung vom 16.12.2019 wurde seitens der Beklagten widerklagend kein Antrag gestellt.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen durch den Erlass eines entsprechenden Teil-Versäumnisurteils.

Antragsgemäß hat das Arbeitsgericht Braunschweig am 16. Dezember 2019 ein widerklageabweisendes Teilversäumnisurteil verkündet

Gegen das am 16.12.2019 verkündete Teil-Versäumnisurteil, dem Beklagtenvertreter am gleichen Tage durch Aushändigung zugestellt, hat die Beklagte mit einem am 23. Dezember 2019 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt. Zwischenzeitlich hat die Beklagte die Widerklage zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.08.2018 aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.08.2018 aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.09.2019 fortbesteht.

4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Hauptabteilungsleiter/Leiter Dieselmotorenentwicklung weiter zu beschäftigen.

Hilfsweise, den Kläger innerhalb der organisatorischen Einheit Aggregateentwicklung in der Funktion eines Hauptabteilungsleiters tatsächlich zu beschäftigen bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.885,65 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. September 2018 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2018 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. November 2018 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 1.850,52 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2018 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2019 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2019 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. März 2019 zu zahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. April 2019 zu zahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai 2019 zu zahlen.

14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juni 2019 zu zahlen.

15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2019 zu zahlen.

16. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. August 2019 zu zahlen.

17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. September 2019 zu zahlen.

18. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.957,00 EUR brutto abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten 2.643,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Des Weiteren beantragt die Beklagte hilfsweise, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30.09.2019 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Kläger beantragt, den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Kündigung sei rechtswirksam. Der Personalausschuss sei hierzu ordnungsgemäß angehört worden. Es liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vor in Gestalt folgender Vorwürfe:

– Anweisung zum Einbau der Umschaltlogik im EA 288 trotz Kenntnis eines möglichen Verstoßes gegen US-amerikanisches Recht.

– Keine Unterbindung oder Prüfung des Einsatzes der Umschaltlogik.

– Keine Verhinderung der Weiterentwicklung der Umschaltlogik.

– Verschleierung der Umschaltlogik gegenüber US-Behörden.

– Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Typengenehmigungsverfahren für den VW T6 ab dem Jahr 2015 / Verwendung eines nicht korrekten Ki-Faktors.

Sie behauptet insbesondere, der Kläger habe im Rahmen eines Treffens einer EAD-Projektrunde im März 2011 die Entscheidung zur Implementierung der Manipulationssoftware als Back-up im EA288-Motor für den US-Markt getroffen.

Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag sei begründet. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei der Beklagten aufgrund der Verletzung der vereinbarten Geheimhaltung der Vergleichsgespräche nicht zumutbar.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klageanträge zu 1.) bis 3.) sowie zu 5.) bis 18.) sind begründet; im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. August 2018 noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. August 2018 oder durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden, sondern besteht zu unveränderten Bedingungen über den 30. September 2019 fort.

Zwar hat die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 17. August 2018 die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses hilfsweise die ordentlich fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Das Kündigungsschreiben ist dem Kläger auch zugegangen.

Die Kündigung ist jedoch sowohl in Gestalt der außerordentlich fristlosen als auch in Gestalt der hilfsweise ordentlich fristgemäßen Kündigung rechtsunwirksam gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

Danach ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Der notwendige Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, dh. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können (vgl. BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 15; 6. Oktober 2005 – 2 AZR 280/04 – zu B II 2 a der Gründe). Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbstständige – objektive – Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (BAG 6. Oktober 2005 – 2 AZR 280/04 – aaO; 31. Januar 1996 – 2 AZR 181/95 – zu II 2 der Gründe).

Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 14; 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 24, BAGE 146, 303). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – aaO; 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – aaO).

Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 14; 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 24, BAGE 146, 303). Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen – und damit irreführenden – Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 407/13 – Rn. 46;

Eine zwar vermeidbare, aber unbewusst erfolgte, „bloß“ objektive Fehlinformation führt dagegen für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 26, BAGE 146, 303; 12. September 2013 – 6 AZR 121/12 – Rn. 21). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber bei größerer Sorgfalt die richtige Sachlage hätte kennen können. Maßgeblich ist, ob er subjektiv gutgläubig und ob trotz objektiv falscher Unterrichtung dem Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung Genüge getan ist. Dies ist bei einer unbewussten Falschinformation dann der Fall, wenn sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem tatsächlichen Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt und der Betriebsrat damit auf derselben Tatsachenbasis wie dieser auf dessen Kündigungsabsicht einwirken kann (auf das Erfordernis desselben Kenntnisstands abstellend auch GK-BetrVG/Raab 10. Aufl. § 102 Rn. 67 mwN und Rn. 94).

An einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die Kündigungsgründe iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlt es wiederum dann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat für dessen Beurteilung bedeutsame, zuungunsten des Arbeitnehmers sprechende, objektiv unzutreffende Tatsachen mitteilt, von denen er selbst durchaus für möglich hält, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um eine unbewusste Fehlinformation. Der Arbeitgeber ist nicht gutgläubig. Er stellt vielmehr seinen Kenntnisstand bewusst als umfassender dar, als er es in Wirklichkeit ist. Er nimmt damit in Kauf, den Betriebsrat in unzutreffender Weise zu unterrichten.

Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 736/13 – Rn. 15; 6. Oktober 2005 – 2 AZR 280/04 – zu B II 2 a der Gründe). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (ebenso GK-BetrVG/Raab 10. Aufl. § 102 Rn. 68 und 94).

Im vorliegenden Fall besteht in dem Betrieb der Beklagten in A-Stadt ein Betriebsrat. Dieser Betriebsrat hat seine Mitbestimmungsrechte im Rahmen beabsichtigter arbeitgeberseitiger Kündigungen von Führungskräften und Mitarbeitern im außertariflichen Bereich zur selbstständigen Erledigung dem Personalausschuss Führungskräfte und AT im Management übertragen.

Die Beklagte hat sich entschlossen, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß zu kündigen in Form der Tat- und hilfsweise der Verdachtskündigung.

Hierzu hat sie mit Schreiben vom 15. August 2018 den Personalausschuss Führungskräfte und AT im Management angehört. In dem Anhörungsschreiben heißt es unter anderem wie folgt:

„Herr … (Kläger) hat im Rahmen der EAD-Projektrunde im März 2011 angeordnet, die Umschaltlogik im Rahmen der Entwicklung der neuen Motoren der Generation EA288 für den US-Markt in der Software als „back-up“ zu implementieren.

In der EAD-Projektrunde im März 2011 wurde die Entwicklung der Motorengeneration des EA288 besprochen. Zu diesem Zeitpunkt war die in der Vorgängergeneration EA189 implementiert Umschaltlogik noch nicht in der Software der Motorsteuerungsgeräte für den EA288-Prototyp enthalten. Herr … (Kläger) ordnete jedoch an, die Umschaltlogik für den Fall, dass der Motor die Emissionsgrenzwerte nicht einhalten konnte, als „back-up“ in die Software der Motorsteuerung für den EA288 zu implementieren. Mehrere Zeugen haben dies bestätigt und zudem ausgesagt, dass die Abteilungen „Antriebselektronik“ (EAE) und „Entwicklung Aggregate Diesel“ (EAD) sich im Rahmen der Entwicklung des EA288 eigentlich einig gewesen seien, die Umschaltlogik nicht zu verwenden und diese erst aufgrund Anweisung von Herrn … (Kläger) im Rahmen der EAD-Projektrunde in die Motorsteuerung aufgenommen worden sei. Die Umschaltlogik wurde in den EA288-Motoren für den US-Markt später auch aktiviert. …“

Die so erfolgte Darstellung ist objektiv unwahr. Das hat die Beklagte im Rahmen der Kammerverhandlung vom 10. Februar 2020 richtiggestellt. Sie hat ihren Vortrag dahingehend berichtigt, dass lediglich ein einziger Zeuge, nämlich Herr G., der sich zudem auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, ihr gegenüber bestätigt habe, dass der Kläger die maßgebliche Entscheidung zur Implementierung der Manipulationssoftware auch in den EA 288-Motor für den US-Markt im Rahmen der EAD-Projektrunde im März 2011 getroffen habe. Gegebenenfalls mag Herr G. dies auch gegenüber weiteren Mitarbeitern der Beklagten so kommuniziert haben. Schlussendlich wird der Kläger jedoch unstreitig entgegen der Darstellung gegenüber dem Personalausschuss im Hinblick auf die streitige Frage der Entscheidung über die Implementierung der Manipulationssoftware lediglich durch einen einzigen Zeugen, der dies gegenüber der Beklagten wohl begründet hat, belastet. Vor dem Hintergrund, dass in der von der Beklagten behaupteten EAD-Projektrunde wohl eine Mehrzahl von Mitarbeitern anwesend gewesen sein dürften und der Kläger sowohl das behauptete Treffen als auch die behauptete Entscheidung bestritten hat, stellt sich die Darstellung gegenüber dem Personalausschuss, dass mehrere Zeugen dies bestätigt hätten, als bewusst unrichtige Darstellung dar. Hinzu kommt, dass die Anhörung des Personalausschusses nach erfolgter Sichtung und Auswertung der zur Einsicht überlassenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte und nach Auswertung des Berichts der Konzernrevision und der Ermittlungen der von der Beklagten beauftragten Kanzlei J. D. erfolgt ist. Wenn gegenüber dem Personalausschuss dargestellt wird, dass mehrere Zeugen den Inhalt des Treffens bestätigt hätten, so hat dies sowohl im Hinblick auf eine Tatkündigung als auch im Hinblick auf eine Verdachtskündigung ein anderes Gewicht. Die Darstellung liest sich nämlich so, als ob zumindest zwei, sprachlich aber wohl eher drei oder mehrere Teilnehmer des behaupteten Treffens dies so bestätigt hätten. Dies ist aber unstreitig nicht der Fall. Unter Beachtung der obigen Rechtsprechung liegt somit eine beachtliche, bewusste Fehlinformation des Personalausschusses vor, sodass die Kündigung rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis auch über den 30. September 2019 hinaus mangels Vorliegen anderer Beendigungstatbestände fortbesteht.

Der von der Beklagten hilfsweise gestellte Auflösungsantrag ist unbegründet.

Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG in Verbindung mit § 10 KSchG aufzulösen, ist unter jedem denkbaren Gesichtspunkt, den die Beklagte angesprochen hat, unbegründet.

Der Beklagten steht keine Möglichkeit zu, als Arbeitgeberin in der konkreten Situation der festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung als Folge unwirksamer Betriebsratsanhörung einen Auflösungsantrag stellen zu können, da dies gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Bei einer ordentlichen Kündigung kann auf Antrag des Arbeitnehmers gemäß § 9 Absatz 1 Satz 1 KSchG das Gericht das Arbeitsverhältnis dann auflösen, wenn zuvor festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Im Unterschied dazu kann der Arbeitgeber nach § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG seinerseits einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur dann stellen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dabei hat sich in der Rechtsprechung herauskristallisiert, dass nach der Intention des Gesetzgebers erforderlich ist, dass im Falle des Antrages des Arbeitgebers seitens des Gerichtes bei der Unwirksamkeit der Kündigung eine Begründetheit des Antrages auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur dann anzunehmen ist, wenn die Kündigung ausschließlich wegen der fehlenden sozialen Rechtfertigung als unwirksam beurteilt worden ist. Ist die gegen die Wirksamkeit der Kündigung gerichtete Feststellungsklage aus anderen Gründen erfolgreich gewesen, sieht das Gesetz keinen Anlass, dem Arbeitgeber eine weitergehende Auflösungs- möglichkeit zuzubilligen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hinnehmen (vgl. BAG Urteil vom 24.11.2011 – 2 AZR 429/10 – in NZA 2012, 610-615 – Rn. 19 bei juris m.w.N.; Kiel in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl. München 2017, Rn. 10 zu § 9 KSchG; Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil vom 30. November 2016 – 2 Sa 4/16 –).

Hier ist die Kündigung nach den obigen Ausführungen aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Absatz 1 BetrVG unwirksam, sodass ein Auflösungsantrag seitens des Arbeitgebers, hier also der Beklagten nach der gesetzlichen Intention nicht begründet sein kann.

Die Klageanträge zu 5.) bis 18.) sind begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Verzugslohn für den Zeitraum vom 18. August 2018 bis zum 31. August 2018 in Höhe von 6.885,65 EUR brutto (= 16.957,00 € brutto abzgl. gezahlter 10.071,35 € brutto) sowie für die Monate September 2018 bis einschließlich September 2019 aus § 615 S. 1 BGB abzüglich des im November 2018 erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.850,52 € und abzüglich des ab Dezember 2018 bis einschließlich September 2019 erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von monatlich 2.643,60 €.

Der Klageantrag zu 4.) ist unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits keinen Anspruch zu den bisherigen Bedingungen als Hauptabteilungsleiter/Leiter Dieselmotorenentwicklung bzw. Kläger innerhalb der organisatorischen Einheit Aggregate Entwicklung in der Funktion eines Hauptabteilungsleiters weiterbeschäftigt zu werden.

Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens in dieser Gestalt der begehrten Weiterbeschäftigung als Hauptabteilungsleiter der Dieselmotorenentwicklung (EAD) unbegründet. Aus § 611a, § 613 BGB in Verbindung mit § 242 BGB, der durch die Wertentscheidungen der Artikel 1 und 2 GG ausgefüllt wird, folgt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, seinen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt (BAG 20.02.1985 – GS 1/84 – NZA 1985, 702). Aufgrund des Obsiegens des Klägers in dem Kündigungsschutzverfahren überwiegt sein Beschäftigungsinteresse dem der Beklagten an einer Nichtbeschäftigung. Hierbei ist aber zu beachten, dass vertragsgemäße Beschäftigung nicht unbedingt heißt, dass der Kläger weiter als Hauptabteilungsleiter im Bereich EAD beschäftigt werden muss. Hierauf hat der Kläger nämlich gerade keinen gebundenen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Denn hierbei ist das arbeitgeberseitige Direktionsrecht aus § 106 GewO zu beachten. Demgemäß hat der Kläger unter Beachtung der Regelungen in seinem Anstellungsvertrag einen Anspruch auf zumindest gleichwertige Beschäftigung, aber nicht unbedingt in diesem Bereich.

Die Zinsforderung beruht insofern auf §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m.. § 42 Abs. 2 GKG.

Ein Grund zur gesonderten Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG besteht nicht.

 

Berichtigungsbeschluss vom 31. März 2020:

In Sachen hat die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Braunschweig ohne mündliche Verhandlung am 31. März 2020 durch den Richter am Arbeitsgericht Hundt als Vorsitzenden beschlossen:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 10. Februar wird gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 319 ZPO aufgrund offensichtlicher Übertragungsfehler wie folgt berichtigt:

– Auf Seite 3 des Urteils heißt es anstelle von „06. Juli 1966“ richtigerweise „09. Juli 1966“,

– auf Seite 4 des Urteils heißt es anstelle von „EAT-Projektrunde“ richtigerweise „EAD-Projektrunde“,

– auf Seite 9 des Urteils wird Folgendes gestrichen: „Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Typengenehmigungsverfahren für den VW T6 ab dem Jahr 2015 / Verwendung eines nicht korrekten Ki-Faktors.“

Im Übrigen wird der Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes zurückgewiesen.

Gründe:

Hinsichtlich der obigen Änderungen liegen offensichtliche Übertragungsfehler vor, die zu berichtigen sind. Insofern ist der Antrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 16. März 2020 begründet.

Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

In dem Protokoll der Kammerverhandlung vom 10. Februar 2020 heißt es wie folgt:

„Auf weiteren Vorhalt des Gerichts erklären die Beklagtenvertreter:

Lediglich Herr G. hat der Beklagten gegenüber kommuniziert, dass der Kläger diese Entscheidung in dem Meeting der EAD-Projektrunde getroffen habe.“

Aufgrund dieses überholenden, berichtigenden Parteivorbringens der Beklagten wurde entsprechend in dem Urteil zutreffend ausgeführt, dass Herr G. als einziger Zeuge dies gegenüber der Beklagten bestätigt habe. Insofern ist das Urteil inhaltlich richtig. Auf Zeugen vom Hörensagen als „mittelbare Zeugen“ kommt es nicht an. Ergänzungen -wie von der Beklagten begehrt- sind nicht angebracht. Insofern wird am Ende des Tatbestandes des Urteils hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

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