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Kündigung aus wichtigem Grund – Kündigungserklärungsfrist

Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet über Weiterbeschäftigungsanspruch eines Schulleiters

Das Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in einem Urteil vom 10.06.2021 über die Weiterbeschäftigung eines Schulleiters an der Staatlichen A Berlin und Schule für B entschieden. Der Kläger hatte gegen das beklagte Land geklagt, nachdem er fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt worden war. Das Gericht gab der Berufung des Klägers statt und verpflichtete das beklagte Land dazu, den Kläger als Schuleiter in Vollzeit weiter zu beschäftigen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem beklagten Land auferlegt. Das Urteil ist in Bezug auf den Weiterbeschäftigungsanspruch revisionsfähig, während die Revision in anderen Punkten nicht zugelassen wurde.

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Sachverhalt

In dem Rechtsstreit ging es um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung sowie um den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung. Der Kläger, der im Jahr 1965 geboren wurde, hatte Theaterwissenschaften und Choreographie studiert und war als Professor für Tanzdramaturgie tätig. Im Jahr 2002 bewarb er sich erfolgreich auf die Stelle des stellvertretenden künstlerischen Leiters für den Bereich Bühnentanz an der Staatlichen A Berlin und Schule für B und wurde zum 1. Januar 2003 eingestellt. Später bewarb er sich auf die Stelle des Schulleiters und wurde nach einem Auswahlverfahren zum 1. August 2007 befristet zur Erprobung eingestellt. Nach erfolgreicher Erprobung wurde ihm die Stelle zum 1. Januar 2010 endgültig übertragen.

Weiterbeschäftigungsanspruch und Tarifvertrag

Der Kläger berief sich in seinem Rechtsstreit auf einen Weiterbeschäftigungsanspruch. Laut § 4 des schriftlichen Arbeitsvertrags wurde auf den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts (BAT-O) und andere geltende Tarifverträge Bezug genommen. Der Kläger wurde nach Entgeltgruppe 15 Endstufe 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vergütet. Das beklagte Land wurde dazu verurteilt, den Kläger als Schuleiter weiter zu beschäftigen.

Besonderheiten der Staatlichen A Berlin und Schule für B

Bei der Staatlichen A Berlin und Schule für B handelt es sich um eine Schule mit besonderer Ausprägung. Sie bildet einerseits Bühnentänzer aus, die den Anforderungen der Berufspraxis in Opernhäusern, Theatern und Ballett- und Tanzkompanien in Deutschland und international entsprechen. Andererseits bildet sie professionelle Artisten für den Zirkus, Varietés und andere Bereiche des Showgeschäfts aus.

Kosten des Rechtsstreits und Revision

Das Arbeitsgericht Berlin-Brandenburg legte die Kosten des Rechtsstreits dem beklagten Land auf. Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs wurde die Revision zugelassen, während sie in anderen Punkten nicht zugelassen wurde.


Das vorliegende Urteil

ArbG Berlin-Brandenburg – Az.: 21 Sa 1374/20 – Urteil vom 10.06.2021

I. Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes – das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. September 2020 – 56 Ca 4305/20 – teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird zu verurteilt, den Kläger als Schuleiter der Staatlichen A Berlin und Schule für B in Vollzeit weiter zu beschäftigten.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.

III. Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung sowie über einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.

Der am … 1965 geborene Kläger studierte von 1986 bis 1991 Theaterwissenschaften und Choreographie an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig und schloss das Studium als Diplom-Theaterwissenschaftler mit Spezialisierung auf Tanzwissenschaften ab. 1995 wurde er zum Honorar-Professor für Tanzdramaturgie an der Hochschule für Schauspielkunst E in Berlin bestellt. Nach seiner Promotion wurde er 1999 bzw. 2001 zum außerplanmäßigen Professor für Tanzgeschichte und Tanzdramaturgie an der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden ernannt.

2002 bewarb sich der Kläger bei dem beklagten Land auf eine Stelle als stellvertretender künstlerischer Leiter für den Bereich Bühnentanz an der Staatlichen A Berlin und Schule für B und wurde zum 1. Januar 2003 eingestellt. Im April 2007 wurde die Stelle des Schulleiters der A Berlin und Schule für B ausgeschrieben. Der Kläger bewarb sich und wurde im Rahmen eines strukturierten Auswahlverfahrens ausgewählt. Zum 1. August 2007 wurde ihm die Stelle entsprechend den beamtenrechtlichen Vorschriften für Ämter mit leitender Funktion zunächst befristet zur Erprobung übertragen. Während der Erprobung nahm der Kläger an mehreren Fortbildungslehrgängen des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) für Schulleiter*innen, die neu im Amt sind, im Umfang von 170 Fortbildungsstunden teil. Nach erfolgreicher Erprobung und einer Beurteilung mit der Bestnote „A“ im Jahr 2009 (Blatt 300 ff. (fortfolgende) der Akten) wurde ihm die Stelle zum 1. Januar 2010 endgültig übertragen.

In § 4 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 22. November 2002 (Blatt 12 f. (folgende) der Akten) wird auf den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung sowie auf die übrigen für das beklagte Land geltenden Tarifverträge Bezug genommen. Zuletzt wurde der Kläger nach Entgeltgruppe 15 Endstufe 6 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vergütet und erhielt eine Zulage nach § 16 Absatz 5 TV-L. Er verdiente 7.291,26 Euro brutto monatlich.

Bei der Staatlichen A Berlin und Schule für B handelt es sich um eine Schule mit besonderer Ausprägung. Nach der Einrichtungsverfügung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des beklagten Landes besteht der Auftrag der Schule einerseits in der Ausbildung von Bühnentänzer*innen, die aktuellen technischen und künstlerischen Anforderungen der Berufspraxis an Opernhäusern, Theatern und in freien Ballett- und Tanzkompanien in Deutschland und international entsprechen, und andererseits in der Ausbildung von professionellen Artist*innen, die sich in Zirkus, Varietés und anderen Formen des Showgeschäfts national und international behaupten können. An der Schule kann außer einem allgemeinbildenden Schulabschluss bis hin zur Hochschulreife ein berufsbildender Abschluss als staatlich geprüfte*r Bühnentänzer*in oder staatlich geprüfte*r Berufsartist*in oder ein Bachelor of Arts nach einem Bachelorstudium in Kooperation mit der Berliner Hochschule für Schauspielkunst E erworben werden. Der Kläger unterrichtete Tanztheorie, Tanzgeschichte und Choreographie. Es gibt eine Hausordnung, in der unter Punkt 5 Folgendes geregelt ist:

„5. Befreiung vom Unterricht nach abendlichen Auftritten von Schülerinnen und Schülern

Bei abendlichen Auftritten und Proben werden Schülerinnen und Schüler in der Regel nach folgenden Grundsätzen von Unterrichten am nächsten Tag befreit. Dabei gilt als Auftrittsende das (bekleidete) Verlassen des Auftrittsortes bzw. der Schule oder die Ankunft in der Schule nach einem Auftritt bzw. einer schulischen Veranstaltung:

Klassen 5-7 Auftrittsende nach 20.00 Uhr Unterrichtsbeginn zur 3. Stunde

Auftrittsende nach 22.00 Uhr Unterrichtsbeginn zur 4. Stunde.“

Im November 2019 erreichte die Senatsverwaltung ein von zahlreichen Personen unterzeichneter „Antrag auf Gewährleistung der Fürsorgepflicht“ (Blatt 124 f. (folgende) der Akten). Ob es sich bei den Unterzeichnenden um Lehrkräfte der Schule oder auch zahlreiche andere Personen handelt, ist zwischen den Parteien streitig. In dem Schreiben sind verschiedene Probleme aufgelistet, unter anderem ist von einer „Kultur der Angst“ die Rede und die Schulleitung sowie die Senatsverwaltung werden aufgefordert, ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen und insbesondere zu gewährleisten, dass die erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz der Ballettschüler*innen gegen Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit und ihrer körperlichen und seelischen-geistigen Entwicklung getroffen werden. Am 2. Dezember 2019 fand dazu ein erstes Gespräch und am 11. Dezember 2019 eine Schulkonferenz statt.

Am 9. Januar 2020 wurde dem beklagte Land und zeitgleich der Presse ein 46-seitiges anonymes Dossier über behauptete Missstände an der Schule zugespielt. In der Folgezeit wurde darüber und über die Verhältnisse an der Staatlichen A in zahlreichen Pressemedien ausführlich berichtet. Am 20. Januar 2020 setzte das beklagte Land eine „Kommission A“ zur Untersuchung der Vorwürfe ein. Am 27. Januar 2020 fand eine Schülervollversammlung statt. Anschließend ging bei der Senatsverwaltung ein „Statement der Schülerschaft“ ein, in dem sich das „Schulsprecherteam und das Schülerteam der Schulkonferenz“ den erhobenen Vorwürfen anschloss (Blatt 136 ff. der Akten). Außerdem warf eine nicht namentlich benannte Lehrkraft dem Kläger in einem Schreiben vom 30. Januar 2020 vor, Druck auf einzelne Schüler*innen ausgeübt zu haben, Gegendarstellungen zu verfassen. Am 5. Mai 2005 legte die Kommission einen ersten Zwischenbericht vor, der sich jedoch nicht mit konkreten Vorwürfen gegen den Kläger befasst, sondern allgemein mit den Problemfeldern „Kindeswohl und Fürsorgepflicht“, „Schulkultur“ und „Einhaltung von Vorschriften“. Wegen der Einzelheiten des Zwischenberichts wird auf dessen Ablichtung (Blatt 260 ff. der Akten) verwiesen.

Am 17. Februar 2020 lud das beklagte Land den Kläger per E-Mail zu einer Anhörung an demselben Tag zu den vom Kollegium, der Schüler- und der Elternschaft ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen und der damit einhergehenden Störung des Betriebsfriedens ein. Der Kläger bat um Terminverschiebung, um sich angemessen vorbereiten zu können, sowie um Darlegung der Vorwürfe und Spezifizierung der behaupteten Störung des Betriebsfriedens. Mit einer weiteren E-Mail vom 17. Februar 2020 teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass er ab sofort freigestellt sei und Hausverbot habe. Der Kläger widersprach dem mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Februar 2020.

Mit Schreiben vom 4. März 2020 (Blatt 25 ff. der Akten) bestätigte das beklagte Land die Freistellung und das Hausverbot. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe in den letzten Jahren das Zusammentreten schulischer Gremien nicht in der erforderlichen Weise sichergestellt, sei seiner Verantwortung für die innerschulische Entwicklung und Qualitätssicherung nicht im erforderlichem Umfang nachgekommen und habe die Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung geschützt. Unter anderem seien Arbeits- und Pausenzeiten nicht ausreichend eingehalten worden. Ein Großteil der Schülerschaft habe kein Vertrauen mehr in die Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit als Schulleiter. Außerdem solle er seinen Unterricht teilweise durch Selbststudium ersetzt oder durch eine andere Lehrkraft vertreten lassen haben. Ferner solle es unter seiner Leitung zur Vergabe von Schulabschlüssen ohne entsprechende Leistungsnachweise gekommen sein. Schließlich solle er für seine Dienstausübung einen Vorteil in Form von zwei Flugtickets angenommen haben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 18. März 2020 (Blatt 29 ff. der Akten) widersprach der Kläger den Vorwürfen.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2020 (Blatt 62 ff. der Akten) hörte das beklagte Land den Kläger zum Verdacht der unrechtmäßigen Erteilung von Schulabschlüssen, von Verstößen gegen den Jugendschutz und der Nichterfüllung seiner Unterrichtspflichten an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Mai 2020 (Blatt 65 ff. der Akten) wies der Kläger die Vorwürfe zurück. Mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben vom 26. Mai 2020 (Blatt 126 ff. der Akten) bat das beklagte Land den zuständigen Personalrat sowie die Frauenvertretung um Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger wegen Verstoßes gegen den Jugend(arbeits-)schutz und Nichterfüllung seiner Unterrichtsverpflichtung. Das Schreiben ging dem Personalrat an demselben Tag zu. Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 (Blatt 142 der Akten) teilte der Personalrat dem beklagten Land mit, er habe sich in seiner Sondersitzung am 2. Juni 2002 ohne Beschlussfassung vertagt. Daher sei aufgrund Fristablaufs Zustimmungsfiktion eingetreten.

Mit Schreiben vom 3. Juni 2020 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2020. In der Folgezeit hörte das beklagte Land den Kläger zu weiteren Vorwürfen an und kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11. Juni 2020 und 29. Juni 2020 erneut außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2020.

Mit der am 3. April 2020 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat sich der Kläger zunächst gegen die Freistellung und das Hausverbot gewandt und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Mit der am 10. Juni 2020 beim Arbeitsgericht eingegangen, dem beklagten Land am 12. Juni 2020 zugestellten Klageerweiterung hat er sich gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 3. Juni 2020 gewandt.

Die weiteren Kündigungen vom 11. Juni 2020 und 29. Juni 2020 sind Gegenstand einer am 29. Juni 2020 beim Arbeitsgericht Berlin unter dem Geschäftszeichen

58 Ca 8230/20 erhobenen und am 15. Juli 2020 entsprechend erweiterten Klage. Das Arbeitsgericht gab der Klage mit Urteil vom 2. Februar 2021 vollumfänglich statt, da die Frist des § 626 Absatz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nicht eingehalten und eine ordentliche Kündigung aus Rechtsgründen ausgeschlossen sei, weil der Kläger ordentlich unkündbar sei. Die gegen das Urteil vom beklagten Land eingelegte Berufung ist beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg unter dem Geschäftszeichen 14 Sa 464/21 anhängig.

Der Kläger hat gemeint, die für die Freistellung und das Hausverbot angeführten Gründe seien weder nachvollziehbar, noch schlüssig. Das Vorgehen des beklagten Landes erwecke vielmehr den Eindruck, dass er gegenüber der Schule und Schulöffentlichkeit als Schulleiter bewusst demontiert werden solle, um die Angriffe der Presse, die sich in erster Linie gegen die Senatorin richteten, auf ihn umzulenken und ihn zum „Bauernopfer“ aufzubauen. Unzutreffend sei, dass der Antrag auf Gewährsleitung der Fürsorgepflicht von zwei Dritteln der Lehrkräfte unterzeichnet worden sei. Vielmehr befänden sich unter den Unterzeichnenden zahlreiche andere Personen, beispielweise auch der Hausmeister. Außerdem habe sich ein erheblicher Teil der Lehrkräfte von dem Antrag inhaltlich schriftlich distanziert. Das „Statement der Schülerschaft“ stamme von einzelnen Schüler*innen und sei nicht von der Schulvollversammlung behandelt und verabschiedet worden. Es sei auch unzutreffend, dass er Schüler*innen aufgefordert habe, eine Gegendarstellung zu verfassen. Man könne über die Sinnhaftigkeit von Eliteschulen und das durch die Einrichtungsverfügung der Senatsverwaltung geprägte Selbstverständnis der Schule, die Absolvent*innen zur Bühnenreife im internationalen Bereich zu führen, diskutieren. Jedoch könnten die strukturellen Probleme der Schule nicht durch Schuldzuweisungen gegenüber einzelnen Personen und den Ausspruch fristloser Kündigungen gelöst werden.

Die Kündigung vom 3. Juni 2020 sei unwirksam. Eine fristlose Kündigung scheide schon deshalb aus, weil das beklagte Land die für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung vorgesehene zweiwöchige Frist nicht eingehalten habe. Die maßgeblichen Umstände seien mindestens seit Januar bzw. Februar 2020 bekannt. Abgesehen davon fehle es aber auch an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung. Für die Aufstellung des Stundenplans und die Festlegung des Unterrichtsbeginns unter Einhaltung der in der Hausordnung vorgesehenen Ruhezeiten sei nicht er, sondern die stellvertretende Schulleiterin Frau D zuständig, was zwischenzeitlich unstreitig ist. Frau D sei sich ihrer Verantwortung bewusst. Es habe deshalb auch keine Veranlassung gegeben, die Einteilung des Stundenplans zur „Chefsache“ zu machen. Verstöße gegen die Ruhezeiten habe es nicht gegeben. Das Jugendarbeitsschutzgesetz sei nicht anwendbar, weil ein Schulbesuch keine Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes sei. Er habe auch seine Unterrichtsverpflichtung nicht verletzt. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil eine ordentliche Kündigung tarifvertraglich ausgeschlossen sei. Außerdem sei der Personalrat vor dem Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. das beklagte Land zu verurteilen, die Freistellung und das Hausverbot vom 17. Februar 2020/4. März 2020 aufzuheben und den Kläger als Schulleiter der staatlichen A Berlin und Schule für B nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom 22. November 2002, der Bestellung zum Schulleiter vom 25. Juli 2007 sowie der Nebenabreden vom 13. Oktober 2014 und 25. Juli 2017 weiter zu beschäftigen,

2. festzustellen, dass die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Klägers vom 3. Juni 2020 unwirksam ist und das Beschäftigungsverhältnis unbefristet fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche, jedenfalls die hilfsweise ordentliche Kündigung sei wirksam. Zumindest aber habe der Kläger wirksam freigestellt und ein Hausverbot erteilt werden können. Der Kläger habe für die an den Aufführungen des Nussknackers im November und Dezember 2019 Beteiligten an fünf Tagen einen von der Hausordnung abweichenden verfrühten Unterrichtsbeginn verfügt bzw. habe eine solche Festlegung zugelassen. Außerdem sei er nach den Stundenplänen der letzten drei Schuljahre seiner Unterrichtsverpflichtung von sieben Unterrichtsstunden pro Woche nicht vollständig nachgekommen. Zumindest bestehe der dringende Verdacht, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen habe. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine ordentliche Kündigung tariflich nicht ausgeschlossen. Nach dem Übergangs-Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes auf Lehrkräfte (Übergangs-TV Lehrkräfte) vom 29. April 2008 falle der Kläger weiterhin unter die Regelungen für das Tarifgebiet Ost.

Ein Beschäftigungsanspruch sei nicht gegeben und damit auch kein Anspruch auf Betreten des Hauses, selbst wenn die außerordentliche Kündigung unwirksam sein sollte. Angesichts der Vorwürfe, die im November 2019 von zwei Dritteln der Lehrerschaft gegenüber der Schulleitung erhoben worden seien, des Umstands, dass sich die Schülerschaft den Vorwürfen in ihrem Statement vom 27. Januar 2020 angeschlossen habe, eine Lehrkraft mit Schreiben vom 30. Januar 2020 weitere Vorwürfe gegen den Kläger erhoben habe, und der Presseberichte sowie zahlreicher die Vorwürfe ebenfalls bestätigender Schreiben und E-Mails von ehemaligen Schüler*innen, Eltern und Lehrkräften sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich.

Mit Urteil vom 2. September 2020, auf dessen Tatbestand (Blatt 187 – 190 der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei weder als außerordentliche, noch als ordentliche Kündigung wirksam. Ob die gegenüber dem Kläger erhobene Vorwürfe einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB begründen könnten, könne offen bleiben, da das beklagte Land die Frist des § 626 Absatz 2 BGB für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht eingehalten habe. Was die Einhaltung der Ruhezeiten betreffe, habe das beklagte Land allerspätestens am 4. März 2020, als es die Freistellung des Klägers noch einmal schriftlich bestätigt habe, von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis gehabt. Welche weiteren Erkenntnisse es habe abwarten wollen, bevor eine Kündigung in Betracht gezogen werden sollte, habe es nicht vorgetragen. Hinsichtlich des Vorwurfs der Nichteinhaltung der Unterrichtsverpflichtung, habe das beklagte Land noch nicht einmal den Versuch unternommen zu erklären, weshalb ihm die von einer Lehrkraft geleisteten Stunden nicht spätestens am Ende des jeweiligen Halb- oder Schuljahres bekannt gewesen seien. Die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Es fehle schon an einem in sich schlüssigen, substantiierten Vortrag, inwieweit die im Zusammenhang mit der Kündigung erhobenen Vorwürfe berechtigt seien.

Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei hingegen nicht begründet, da der Kläger die erste oder zweite Staatsprüfung für das Lehramt nicht abgelegt habe und daher nicht über die Voraussetzungen für die Bestellung zum Schulleiter des § 71 Satz 1 SchulG (Schulgesetz für das Land Berlin) verfüge. Eine Ausnahmeregelung gebe es nicht. Da dem Kläger bewusst gewesen sei, dass er die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Bestellung zum Schulleiter nicht erfülle, könne er sich nach dem Rechtsgedanken von § 48 Absatz 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz) auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 191 – 197 der Akten) verwiesen.

Gegen dieses den Parteien jeweils am 12. Oktober 2020 zustellte Urteil hat der Kläger mit am 29. Oktober 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Das beklagte Land hat gegen das Urteil mit am 12. November 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenfalls Berufung eingelegt und diese mit am 14. Dezember 2020, einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger setzt sich – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens – mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Bei § 71 SchulG handele es sich nicht um eine laufbahnrechtliche Regelung, sondern die Normierung besonderer Qualitäts- und Qualifizierungsvoraussetzungen. Hintergrund sei, dass den Schulleiter*innen mit der Konzeption des neuen Schulgesetzes vom 26. Januar 2004 als „Schule in eigener Verantwortung“ eine Vielzahl von Aufgaben und Funktionen übertragen worden seien, dies vorher ausschließlich der Schulaufsicht oblegen hätten. Daher würden Kenntnisse und Fähigkeiten gefordert, die über die Ausbildung für das Lehramt hinausgingen. Die Kenntnisse und Fähigkeiten würden durch die nunmehr in § 13 (gemeint: § 15) der 2012 im Kraft getretenen Bildungslaufbahnverordnung (BLVO) vorgesehenen Qualifizierungsmaßnahmen konkretisiert. Diese umfassten insbesondere die Bereiche Führungskompetenz, Schulentwicklung, Qualitätsentwicklung, Ressourcen- und Budgetverantwortung sowie Recht und Verwaltung. Zwar habe die Verordnung seinerzeit noch nicht gegolten, jedoch habe es eine entsprechende Arbeitsanweisung gegeben. Unabhängig davon sei eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Lehramt“ in § 71 SchulG auch schon deshalb nicht zielführend, wie das beklagte Land Lehrkräfte seit 2005 nur noch als Tarifbeschäftigte einstelle.

Außerdem sei es gerade im berufsbildenden Bereich nicht unüblich oder untypisch, als Lehrkräfte einschließlich Schulleitung Personen mit einem einschlägigen Hochschulstudium ohne Lehrerausbildung einzustellen. Solche externen Bewerber*innen könnten damals wie heute nach § 24 Laufbahngesetz und § 34 der seinerzeit geltenden Schullaufbahnverordnung bzw. jetzt § 21 BVLO in ein Beamtenverhältnis und in die „Laufbahn des Studienrates“ eingestellt werden. Da er über ein Hochschulstudium und Lehrerfahrung verfüge, hätte er als externer Bewerber sogar in ein Beamtenverhältnis übernommen werden können. Soweit er geltend gemacht habe, dass er nicht an einer anderen Schule als Schulleiter beschäftigt werden könne, habe sich das darauf bezogen, dass seine Unterrichtsfächer nur an der Staatlichen A Berlin und Schule für B unterrichtet werden.

Im Übrigen verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil und hält an seinem erstinstanzlichen Vorbringen fest.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. September 2020 – 56 Ca 4305/20 – teilweise abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger als Schulleiter der Staatlichen A Berlin und Schule für B in Vollzeit weiter zu beschäftigten.

Das beklagten Land beantragt,

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen;

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. September 2020 – 56 Ca 4305/20 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs das angefochtenen Urteil. Auf die Frage, ob § 71 SchulG eine laufbahnrechtliche Vorschrift sei, komme es nicht an. Die Vorschrift sei jedenfalls zu beachten und verlange eindeutig eine Ausbildung für das Lehramt. Dabei sei der Begriff Lehramt im Sinne der schulrechtlichen Regelungen und damit im Sinne des Lehrbildungsgesetzes zu verstehen. Gleiches ergebe sich auch aus § 15 der Berufslaufbahnverordnung, da Lehrkraft im Sinne der Verordnung nur eine Lehrkraft mit Lehrbefähigung nach dem Lehrerbildungsgesetz sein könne. Es sei ihm, dem beklagten Land deshalb rechtlich unmöglich, den Kläger als Schulleiter zu beschäftigen.

Im Übrigen setzt sich das beklagte Land – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens – mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Es habe über keine „harten Fakten“ verfügt. Außerdem sei es gehalten gewesen, auch die entlastenden Umstände aufzuklären. Dementsprechend habe es die Hoffnung gehabt, dass die Expertenkommission, auch wenn es nicht ihr Auftrag gewesen sei, belastendes oder entlastendes Material zu sammeln, den Sachverhalt weiter aufklären und der Kläger dadurch entlastet oder belastet werde. Nachdem die Expertenkommission ihren Zwischenbericht am 26. April 2020 vorgelegt habe, habe dieser erst noch geprüft werden müssen. Es bestehe auch keine Verpflichtung, am Ende der jeweiligen Halb- oder Schuljahre die Einhaltung der Unterrichtsverpflichtung zu überprüfen. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe es, das beklagte Land, ohne Zögern alles in seiner Macht Stehende – auch zu Gunsten des Klägers – getan, um den Sachverhalt aufzuklären. Angesichts der Schwere der Vorwürfe und der damit verbundenen Öffentlichkeitswirkung habe es dabei möglichst umsichtig vorgehen und Schnellschüsse vermeiden müssen. Daher sei die Frist des § 626 Absatz 2 BGB gewahrt.

Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung habe das Arbeitsgericht seine, des beklagten Landes, Darlegungs- und Beweislast überdehnt. Der Vorwurf bezüglich der Ruhezeiten bestehe darin, dass sich der Kläger nicht um die Einhaltung der Ruhezeiten gekümmert und nicht die schwerwiegenden Missstände verhindert habe. Spätestens nach dem Antrag auf Gewährleistung der Fürsorgepflicht hätte der Kläger die Einhaltung der Pausen- und Ruhezeiten zur „Chefsache“ machen müssen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien, wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 26. Oktober 2020 (Blatt 213 – 220 der Akten), den Schriftsatz vom 15. Januar 2021 (Blatt 280 – 295 der Akten), 25. März 2021 (Blatt 277 – 279 der Akten) und 9. April 2021 (Blatt 306 der Akten) sowie den Schriftsatz des beklagten Landes vom 14. Dezember 2020 (Blatt 241 – 259 der Akten) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Die Berufung des beklagten Landes hat keinen Erfolg.

Das Urteil steht unter dem Vorbehalt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 11. Juni 2020, noch durch die Kündigung vom 29. Juni 2020, die Gegenstand des weiteren vor dem Landesarbeitsgericht anhängigen Berufungsverfahrens der Parteien sind, aufgelöst worden ist.

I. Die Berufungen sind jeweils zulässig. Sie sind nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b und c ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Die Berufung des beklagten Landes ist hingegen unbegründet. Die Klage insgesamt zulässig und begründet.

1. Der Kündigungsschutzantrag ist zulässig. Soweit der Kläger in der Berufungsschrift angekündigt hat, „klarstellend ergänzend“ beantragen zu wollen, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet fortbesteht, ist er in der Berufungsverhandlung darauf nicht zurückgekommen. Dafür bestand auch kein Bedürfnis, zumal das beklagte Land nicht in Abrede stellt, dass es sich bei dem Arbeitsverhältnis der Parteien um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt. Der Antrag ist rechtzeitig innerhalb der Frist von § 4 Satz 1, 13 Absatz 1 Satz 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz), § 167 ZPO angebracht worden. Er ist auch im Übrigen begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche fristlose, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung aufgelöst worden.

a) Es sind keine Gründe gegeben, die eine ordentliche fristgerechte Kündigung im Sinne des § 1 KSchG rechtfertigen könnten und damit erst recht kein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB.

Das Vorbringen des beklagten Landes zu den Kündigungsvorwürfen ist nach wie vor ungenügend. Es geht weder darauf ein, dass der Kläger Verstöße gegen die Ruhezeiten bei der Unterrichtsplanung im November und Dezember 2020 auch in der Sache in Abrede gestellt hat, noch befasst es sich näher mit den Einwänden des Klägers gegen die Nichteinhaltung seiner Unterrichtsverpflichtung. Aber selbst, wenn man zu Gunsten des beklagten Landes unterstellt, der Kläger habe die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen tatsächlich begangen, könnte dies ohne vorherige Abmahnung keine ordentliche Kündigung, geschweige denn eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Auf eine Verdachtskündigung, die das beklagte Land zumindest erstinstanzlich noch für sich in Anspruch genommen hat, kann sich das beklagte Land schon deshalb nicht berufen, weil es den Personalrat mit Schreiben vom 26. Mai 2020 nur zu einer Kündigung wegen tatsächlich begangener Pflichtverletzungen angehört hatte.

Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger nach Ausspruch einer Abmahnung nicht bereit wäre, sein Verhalten zu ändern. Es handelt sich bei den Vorwürfen auch nicht um derart schwerwiegende Pflichtverletzungen, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den oder die Arbeitgeber*in nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich – auch für den oder die Arbeitnehmer*in erkennbar – ausgeschlossen ist (vergleiche dazu BAG (Bundesarbeitsgericht) vom 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 – Rn. (Randnummer) 75 mwN (mit weiteren Nachweisen)). Dies gilt sowohl für den zuletzt noch aufrechterhaltenen Vorwurf, der Kläger habe im November und Dezember 2020 Verstöße gegen die Ruhezeiten zugelassen, oder für den Vorwurf, er sei seiner Unterrichtsverpflichtung nicht in vollem Umfang nachgekommen, als auch bei einer Gesamtbetrachtung beider Vorwürfe.

b) Letztlich kommt es darauf nicht an. Denn die Wirksamkeit der Kündigung scheitert schon daran, dass das beklagte Land – wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat – die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Absatz 2 BGB für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht eingehalten hat und eine ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen ist.

aa) Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam, weil die Frist des § 626 Absatz 2 BGB nicht gewahrt ist.

(1) Nach § 626 Absatz 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Absatz 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem die zur Kündigung berechtigte Person von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald sie eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihr die Entscheidung darüber ermöglicht, ob das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden soll oder nicht (vergleiche BAG 27. Juni 2019 – 2 ABR 2/19 – Rn. 18).

Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 27. Juni 2019 – 2 AZR 2/19 – Rn. 18 mwN). Bestehen gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann die zur Kündigung berechtigte Person nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den oder die betroffene Arbeitnehmer*in anhören, ohne dass die Frist des § 626 Absatz 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie sie aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihr eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der oder die betroffene Arbeitnehmer*in angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden. Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden. Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat der Kündigungsberechtigte eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (vergleiche BAG 27. Juni 2019 – 2 ABR 2/19 – Rn. 23 mwN). Durch die erforderliche Beteiligung des Personalrats verlängert sich die Frist nicht (vergleiche KR (Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsrechtlichen Vorschriften)/Fischermeier, § 626 Rn. 350 mwN).

Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Frist liegt nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen bei der kündigenden Vertragspartei.

(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist die Frist nicht gewahrt.

Vorwürfe, dass den Ballettschüler*innen keine ausreichenden Regenerationszeiten zugestanden und Pausen- und Ruhezeiten nicht in der gebotenen Weise eingehalten werden, gab es – wenn auch wenig konkret – bereits Ende 2019/Anfang 2020. Ferner benennt das beklagte Land die Nichteinhaltung der Arbeits- und Pausenzeiten im Schreiben vom 4. März 2020 selbst als einen der Gründe für die Freistellung des Klägers. Welche weiteren Ermittlungen es daraufhin wann angestellt hat, hat es jedoch nicht dargelegt. Soweit es im Berufungsverfahren darauf verweist, es habe die Hoffnung gehabt, dass die eingesetzte Expertenkommission den Sachverhalt weiter aufklären werde, ist dies schon deshalb nicht verständlich, weil der Auftrag der Expertenkommission – wie das beklagte Land selbst einräumt – nicht darin bestand, konkrete Verstöße der Schule gegen die Arbeits- und Ruhezeiten aufzudecken und die Stundenpläne, auf die sich das beklagte Land beruft, dem beklagten Land unabhängig von der Tätigkeit der Kommission jederzeit zugänglich waren. Gleiches gilt für den Vorwurf der nicht vollständigen Erfüllung der Unterrichtsverpflichtung. Auch diesbezüglich fehlt jeglicher Vortrag, welche Ermittlungen das beklagte Land nach der Freistellung des Klägers wann mit welchem Ergebnis angestellt hat. Auf die Expertenkommission konnte das beklagte Land insoweit schon deshalb nicht bauen, weil nicht ersichtlich ist, dass die Unterrichtsverpflichtung des Klägers eines der Probleme war, denen die Kommission nachgehen sollte. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass das beklagte Land die Hoffnung hegte, dass die Expertenkommission Pflichtverletzungen des Klägers zu Tage bringen würde, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten, und es, als sich diese Hoffnung nicht erfüllt hatte, auf die vermeidlichen Verstoße des Klägers gegen die Ruhezeiten und seine Unterrichtsverpflichtung zurückgegriffen hat.

Abgesehen davon ist die Frist des § 626 Absatz 2 BGB aber auch schon deshalb nicht eingehalten, weil das beklagte Land die Kündigung nicht einmal innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen hat, nachdem es den Kläger zu konkreten Kündigungsvorwürfen angehört hatte. Das beklagte Land hat den Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2020 zu den Kündigungsvorwürfen angehört. Mit Schreiben vom 15. Mai 2020 hat der Kläger dazu Stellung genommen. Die Kündigung ist jedoch erst mit Schreiben vom 3. Juni 2020 ausgesprochen worden.

bb) Die ordentliche Kündigung ist unwirksam, weil der Kläger nach § 38 Absatz 1 Buchstabe c in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 TV-L ordentlich unkündbar ist.

(1) Nach § 38 Absatz 1 Buchstabe c TV-L in der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung geltenden Fassung gelten, soweit der Tarifvertrag zwischen dem Tarifgebiet Ost und dem Tarifgebiet West unterscheidet, für die Beschäftigten des Landes Berlin einheitlich die für das Tarifgebiet West geltenden Regelungen, soweit nicht für das Land Berlin ausdrücklich etwas anders bestimmt ist. Nach § 34 Absatz 2 Satz 1 TV-L kann Beschäftigten, die unter das Tarifgebiet West fallen, nur noch aus einem wichtigen Grund gekündigt werden, wenn sie – wie der Kläger – das 40. Lebensjahr vollendet haben und länger als 15 Jahre beschäftigt sind. Eine hiervon abweichende, für das beklagte Land geltende Regelung besteht nicht.

(2) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes finden die tariflichen Regelungen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch Anwendung.

Es ist zwar zutreffend, dass der im Arbeitsvertrag der Parteien vom 22. November 2002 in Bezug genommene BAT-O für Lehrkräfte des Landes Berlin zum 1. September 2008 durch den Übergangs-TV Lehrkräfte vom 29. April 2008 im Wege der Tarifsukzession abgelöst worden ist und dieser keine Überleitung in das Tarifgebiet West vorsieht. Jedoch ist der Übergangs-TV Lehrkräfte nach § 68 Nr. 2 des Tarifvertrages zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (Angleichungs-TV Land Berlin) vom 14. Oktober 2010 seinerseits mit Wirkung ab dem 1. November 2010 abgelöst worden. Dieser wiederum ist aufgrund des Tarifvertrages zur Regelung des Wiedereintritts des Landes Berlin in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vom 12. Dezember 2012 (TV Wiedereintritt Berlin) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013 durch den TV-L mit den für das Land Berlin geltenden Sonderregelungen, darunter § 38 Absatz 1 Buchstabe c

TV-L, abgelöst worden.

2. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist ebenfalls zulässig und begründet.

a) Der Antrag ist zulässig. Er ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag über den rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens hinaus, ergibt sich daraus, dass das beklagten Land den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung als Schulleiter nicht nur im Hinblick auf die außerordentliche Kündigung, sondern generell in Abrede stellt. Gegen die Umformulierung des Antrags und Beschränkung auf den Kern des Rechtsschutzbegehrens bestehen nach § 264 Nr. 2 ZPO keine prozessualen Bedenken. Mit der Verurteilung des beklagten Landes zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Schulleiter der Staatlichen A und Schule für B ist notwendigerweise die Aufhebung der Freistellung und des Hausverbots verbunden. Im umgekehrten Fall einer Abweisung des Antrages besteht naturgemäß auch kein Anspruch auf Aufhebung der Freistellung und des Hausverbots.

b) Der Antrag ist auch begründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf weitere Beschäftigung als Schulleiter der Staatlichen A und Schule für B.

aa) Der Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis wird aus den §§ 611a, 613 in Verbindung mit § 242 BGB hergeleitet. Er beruht auf der arbeitsvertraglichen Förderungspflicht des oder der Arbeitgeber*in im Hinblick auf das Beschäftigungsinteresse der Arbeitnehmer*innen unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Artikel 1 und 2 GG (Grundgesetz) zum Persönlichkeitsschutz (vergleiche BAG 9. April 2014

– 10 AZR 637/13 – Rn. 14). Arbeitnehmer*innen sollen – als Ausdruck und in Achtung ihrer Persönlichkeit und ihres Entfaltungsrechts – tatsächlich arbeiten dürfen (vergleiche BAG 24. Juni 2015 – 5 AZR 462/14 und 5 AZR 225/14 – Rn. 34). Kein Beschäftigungsanspruch besteht nach § 275 Absatz 1 BGB, wenn die Arbeitsleistung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist (vergleiche BAG 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn 15). Im Übrigen ist eine einseitige Suspendierung des oder der Arbeitnehmer*in ohne vertragliche Vereinbarung grundsätzlich unzulässig. Der Anspruch auf Beschäftigung muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des oder der Arbeitgeber*in entgegenstehen (vergleiche BAG 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 14).

bb) Danach hat der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Die Beschäftigung des Klägers als Schulleiter der Staatlichen A und Schule für B verstößt weder gegen ein rechtliches Verbot, noch ist sie aus sonstigen Gründen unmöglich. Es ist auch kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des beklagten Landes gegeben, hinter dem der Beschäftigungsanspruch des Klägers zurücktreten müsste. Ganz im Gegenteil verhält sich das beklagte Land seinerseits nach § 242 BGB widersprüchlich und damit treuwidrig, wenn es sich nach mehr als zwölf Jahren plötzlich darauf beruft, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Bestellung als Schulleiter.

(1) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgericht und des beklagten Landes ist die Beschäftigung des Klägers als Schulleiter nach § 71 SchulG nicht rechtlich unmöglich.

(a) Rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn der geschuldete Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder darf (BGH (Bundesgerichtshof) 25. Oktober 2012 – VII ZR 146/11 – Rn. 33 mwN). Dabei ist danach zu unterscheiden, ob bereits die Vereinbarung der Leistung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BB nichtig ist (dazu BAG 3. November 2004

– 5 AZR 592/03 – unter I 1 der Gründe, NZA (Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht) 2005, 170 bei fehlender ärztlicher Approbation; BAG 24. März 2004 – 5 AZR 233/03 – unter II 2 b cc (1) der Gründe, ZTR (Zeitschrift für Tarifrecht) 2004, 547 zu Schwarzarbeit) und sich deshalb die Frage nach der rechtlichen Unmöglichkeit der Erbringung der Leistung nicht mehr stellt (MüKo (Münchener Kommentar)/Ernst, 8. Auflage 2019 § 275 Rn. 43) oder ob die Vereinbarung zwar wirksam ist, die Leistung aber nicht erbracht werden darf (dazu BAG 7. Februar 1990 – 2 AZR 359/89 – unter C I der Gründe, NZA 1991, 341 bei fehlender Arbeitserlaubnis).

(b) Soll eine Rechtsnorm das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit begründen, muss sie diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Die Voraussetzung für die Berufsausübung muss aus rechtsstaatlichen Gründen eindeutig geregelt sein. Unabhängig davon, ob ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder der Berufsausübung vorliegt, bedarf es einer vorhersehbaren und berechenbaren Grundlage hinsichtlich Voraussetzungen und Folgen. Nach dem Gebot der Rechtssicherheit ist im Zweifel kein die Berufstätigkeit als solche untersagendes Beschäftigungsverbot anzunehmen. Vielmehr muss die betroffene Person eine derart einschneidend wirkende Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vergleiche BAG 18. März 2009 – 5 AZR 192/08 – Rn. 15 mwN).

(c) Danach normiert § 71 SchulG weder ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB, Lehrkräfte, die nicht die Erste und Zweite Staatsprüfung für das Lehramt abgelegt haben und deshalb über keine Lehrbefähigung nach dem Lehrerbildungsgesetz verfügen, zum Schulleiter zu bestellen, noch ist es dem beklagten Land im Sinne eines Beschäftigungsverbots untersagt, solche Personen als Schulleiter zu beschäftigen.

(aa) § 71 des Schulgesetzes für das beklagte Land vom 26. Januar 2004 (GVBl. (Gesetz- und Verordnungsblatt) S. (Seite) 26), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. März 2021 (GVBl. S. 256) lautet wie folgt:

㤠71

Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Schulleiterfunktion

Zur Schulleiterin oder zum Schulleiter kann nur bestellt werden, wer Kenntnisse und Fähigkeiten nachweist, die über die Ausbildung für das Lehramt hinausgehen und die für die Leitung einer Schule erforderlich sind. Dazu gehören insbesondere Fähigkeiten zur Führung und Organisation einer Schule und zur pädagogischen Beurteilung von Unterricht und Erziehung, Team- und Konfliktfähigkeit sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit schulischen und außerschulischen Einrichtungen und zur Innovation und Weiterentwicklung der Schule, die durch Qualifizierungsmaßnahmen nachgewiesen werden sollen. Bewerberinnen und Bewerber sollen sich an einer anderen Schule, an anderen Bildungseinrichtungen, in der Verwaltung oder in der Wirtschaft bewährt haben.“

(bb) Die Vorschrift regelt, wer zum oder zur Schulleiter*in bestellt werden darf. Dabei benennt sie bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse, die Personen, die sich um eine Schulleitungsstelle bewerben, nachweisen müssen. Die Vorschrift stellt damit bestimmte Qualifikationsanforderungen auf, die insbesondere bei der Auswahl nach Artikel 33 Absatz 2 GG zu beachten sind (vergleiche dazu Krzyweck/Duveneck, Das Schulrecht in Berlin Erläuterungen zu § 71 SchulG). Sie stellt die Tätigkeit einer Schulleitung aber nicht unter einen Erlaubnisvorbehalt und bestimmt – entgegen der missverständlichen Überschrift – auch nicht, unter welchen Voraussetzungen jemand beschäftigt werden darf, der oder die – wie vorliegend der Kläger – bereits zur Schulleitung bestellt worden ist. Bei der Tätigkeit einer Schulleitung handelt es sich nicht um eine Tätigkeit, die allgemein als gefährlich eingestuft wird und deshalb wie beispielweise die Ausübung des ärztlichen Berufs (§ 2 Absatz 1 BÄO (Bundesärzteordnung)) oder der Transport von Personen (§ 48 FeV (Fahrerlaubnis-Verordnung)) oder Gefahrgütern (§ 19 Absatz 2 Nr. 6 GGVSEB (Gefahrgutverordnung)) einer besonderen Erlaubnis bedürfte. Es ist auch nicht konkret geregelt, wie der Nachweis der erforderlichen Qualifikation zu erbringen ist. Vielmehr soll durch die Vorschrift lediglich sichergestellt werden, dass Personen, die das Amt der Schulleitung ausüben, über die erforderlichen Qualifikation verfügen, um die ihnen nach dem (neuen) Schulgesetz obliegenden (erweiterten) Aufgaben bestmöglich auszufüllen. Die Grundsätze des Artikels 33 Absatz 2 GG finden nur Anwendung, solange die Stelle noch nicht endgültig besetzt ist (vergleiche BAG 12. April 2016 – 9 AZR 673/14 – Rn 38).

(2) Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des beklagten Landes an der Nichtbeschäftigung des Klägers ist ebenfalls nicht gegeben.

(a) Das beklagte Land hat den Kläger in Kenntnis dessen, dass er weder die Erste, noch die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt abgelegt hat und deshalb über keine Lehrbefähigung nach dem Lehrerbildungsgesetz verfügt, nach einem strukturierten Auswahlverfahren 2007 zum Schulleiter befördert, zunächst befristet und 2009, nachdem der Kläger erfolgreich erprobt worden war und die für die Tätigkeit als Schulleiter erforderlichen zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch entsprechende Fortbildungen erworben hatte, auf unbestimmte Zeit. Wenn sich das beklagte Land nunmehr mit dem bloßen Verweis auf die fehlende Lehrbefähigung des Klägers darauf beruft, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Schulleiter, weshalb es den Kläger nicht als Schulleiter weiterbeschäftigen könne, setzt es sich ohne nachvollziehbaren Grund zu seinen damaligen Entscheidungen in Widerspruch. Das ist dem Kläger gegenüber treuwidrig. Ob dem Kläger seinerseits bekannt war oder jedenfalls hatte bekannt sein müssen, dass er die Voraussetzungen für die Bestellung zum Schulleiter nicht erfüllt, kommt es nicht an. Denn die Entscheidung über die Beförderung des Klägers zum Schulleiters lag allein beim beklagten Land. Dass der Kläger die Entscheidung in unlauterer Weise zu seinen Gunsten beeinflusst hatte, ist nicht ersichtlich und hat auch das beklagte Land nicht behauptet.

Die Grundsätze oder Rechtsgedanken des Verwaltungsverfahrensgesetzes können entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts schon deshalb nicht herangezogen werden, weil zwischen den Parteien kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, sondern ein Arbeitsverhältnis und damit ein privatrechtliches Vertragsverhältnis besteht. Ein Arbeitsverhältnis kann aber nur durch Anfechtung oder Kündigung außer Kraft gesetzt werden. Abgesehen davon berechtigt § 48 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz) in Verbindung mit § 1 Absatz 1 VwVfG BE (Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung) das beklagte Land auch nicht in jedem Fall zur Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes, sondern eröffnet lediglich ein dahingehendes Ermessen. Inwieweit das beklagte Land dieses rechtmäßig auch noch nach zwölf Jahren zum Nachteil des Klägers ausüben dürfte, bleibt unklar.

(b) Sonstige Gründe, die ein überwiegendes Interesse des beklagten Landes an der Nichtbeschäftigung des Klägers begründen könnten, sind ebenfalls nicht gegeben. Soweit das beklagte Land erstinstanzlich darauf abgestellt hat, aufgrund der zahlreichen von Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfen einschließlich der Presseberichte sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich, fehlt jegliches konkrete Vorbringen, ob und inwieweit die Vorwürfe und Presseberichte berechtigt sind und welche konkreten Auswirkungen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf die Schule und/oder den Schulfrieden voraussichtlich haben würde.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1, § 97 Absatz 1 ZPO. Danach hat das beklagte Land die Kosten des gesamten Rechtstreits zu tragen

III. Die Revision ist nach § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG für das beklagte Land im Hinblick auf den Weiterbeschäftigungsanspruch wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Im Übrigen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Absatz 2 ArbGG nicht vor.

Berichtigungsbeschluss vom 5. Juli 2021:

I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2021 – 21 Sa 1374/20 – wird dahin berichtigt, dass der Sachtenor wie folgt lautet:

„Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger als Schulleiter der Staatlichen A Berlin und Schule für B in Vollzeit weiter zu beschäftigten.“

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Sachtenor des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2021 – 21 Sa 1374/20 – enthält offenbare Schreibfehler und ist deshalb nach § 319 Absatz 1 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nach § 72 Absatz 2, § 78 Satz 2 ArbGG kein Anlass.

 

 

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