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Kündigung in Probezeit – Zugang nach Ablauf der Probezeit

ArbG Aachen, Az.: 8 Ca 1327/16 d, Urteil vom 08.09.2016

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Anschreiben der Beklagten vom 24.03.2016 ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 03.03.2016, zugegangen am 29.03.2016, mit dem 30.04.2016 sein Ende gefunden hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.117,71 EUR (i.W. eintausendeinhundertsiebzehn Euro, Cent wie nebenstehend) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.04.2016 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.530,50 EUR (i.W. zweitausendfünfhundertdreißig Euro, Cent wie nebenstehend) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.05.2016 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 62 Prozent und die Beklagte zu 38 Prozent.

6. Streitwert: 14.175,01 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und wann das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 03.03.2016 beendet worden ist, sowie über Zahlungsansprüche.

Der Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage des befristeten Arbeitsvertrages vom 18.11.2015 ab diesem Tag für ein Jahr als Kraftfahrer beschäftigt (Bl. 14 ff der Akte). Der Vertrag sieht für die 4-monatige Probezeit eine Kündigungsfrist von 2 Wochen vor und danach die Geltung der gesetzlichen Kündigungsfristen.

Im März 2016 hatte der Kläger am 1. und am 02.03.2016 23,5 Stunden gearbeitet, war von 03.03.2016 bis zum 18.03.2016 arbeitsunfähig erkrankt und hatte für den Zeitraum 19.03.2016 bis 11.04.2016 von der Beklagten genehmigt bekommen.

Kündigung in Probezeit – Zugang nach Ablauf der Probezeit
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Mit Schreiben vom 03.03.2016 sprach die Beklagte den Kläger eine Kündigung aus, in der es heißt: „hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zum 17.03.2016 fristgemäß, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, innerhalb der Probezeit. … “ (Bl. 3 der Akte). Nachdem dieses Kündigungsschreiben dem Kläger per Einschreiben und Rückschein am 12.04.2016 zugegangen war, erhob er die am gleichen Tag bei Gericht eingegangene Klage vom 19.04.2016.

Zwischenzeitlich hatte die Beklagte dem Kläger das Kündigungsschreiben vom 03.03.2016 mit Begleitschreiben vom 24.03.2016 (Bl. 39 der Akte) neuerlich, und zwar diesmal per Einwurf-Einschreiben übermittelt, das laut Sendungsverfolgung der Deutschen Post am 29.03.2016 zugestellt wurde (Bl. 40 f der Akte).

In der Folgezeit sprach der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 29.04.2016 eine weitere, vorsorgliche ordentliche Kündigung zum 31.05.2016 (Bl. 26 der Akte).

Für den Monat März 2016 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abrechnung über 1.493,75 EUR brutto (Bl. 17 der Akte).

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung vom 03.03.2016, erst zugegangen am 29.03.2016, das Arbeitsverhältnis weder zum 17.03.2016 rückwirkend noch zum 30.04.2016 hätte beenden können. Der Halbsatz der Kündigung „hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, innerhalb der Probezeit“ könne nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, da die am 17.03.2016 abgelaufene Probezeit bereits abgelaufen sei. Auch könne die Kündigung nicht als Kündigung zu irgendeinem anderen Zeitpunkt außerhalb der Probezeit ausgelegt werden. Anhand der Kündigungserklärung habe der Kläger nicht ermitteln können, wann sein Arbeitsverhältnis ende. Die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2016 habe das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.05.2016 beenden können, weshalb der Kläger die ursprünglich auch gegen diese Kündigung erhobene Feststellungsklage im Kammertermin zurückgenommen hat.

Neben Differenzvergütung für den Monat März 2016 stünden dem Kläger wegen der Unwirksamkeit der Kündigung vom 03.03.2016 Annahmeverzug für März 2016 bis Mai 2016 zu. Seinen Zahlungsansprüchen legt er den durchschnittlichen Verdienst der letzten 3 Monate Dezember 2015 bis Februar 2016 einschließlich unter Einbeziehung der von ihm geleisteten Überstunden zu Grunde, anderweitigen Zwischenverdienst habe er nicht bezogen. Zu dem von der Beklagten erhobenen Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahltes Urlaubsentgeltes verweist er auf § 5 Abs. 3 BUrlG.

Der Kläger beantragt,

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 03.03.2016, zugegangen am 12.04.2016, nicht aufgelöst worden ist,

2) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vor dem 31.05.2016 sein Ende gefunden hat,

3) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.117,71 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.04.2016 zu zahlen,

4) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.611,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.05.2016 zu zahlen,

5) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.611,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.06.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Kündigung vom 03.03.2016 habe mit Zugangsdatum 29.03.2016 das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 30.04.2016 beendet. Auf das Kündigungsschutzgesetz könne sich der Kläger nicht berufen, auch seien sonstige Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich.

Richtig sei, dass das Kündigungsschreiben dem Kläger nicht mehr während der Probezeit zugegangen sei. Gleichwohl sei das Arbeitsverhältnis mit Blick auf die Formulierung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist, wie in § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrages geregelt, mit dem 30.04.2016 beendet worden.

Hinsichtlich der Zahlungsansprüche ist die Beklagte der Auffassung, die Einbeziehung von Überstunden sei falsch. Im Schriftsatz vom 14.06.2016 geht sie bei ihrer Berechnung von 8 Stunden pro Tag und einer 40-Stundenwoche aus (Bl. 37 der Akte), im Schriftsatz vom 31.08.2016 legt sie 8,75 Stunden pro Tag bei einer Arbeitszeit von 7:00 Uhr bis 16:30 Uhr und 45 Pause zu Grunde (Bl. 47 der Akte). Im Übrigen habe der Kläger insgesamt 11 Tage Urlaub zu viel erhalten, weshalb sie mit der Überzahlung i.H.v. 1.325,82 EUR brutto gegen den Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat März 2016 aufrechnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im titulierten Umfang begründet, im Übrigen aber unbegründet.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 03.03.2016, die dem Kläger mit Anschreiben vom 24.03.2016 am 29.03.2016 zugegangen ist, rechtswirksam zum 30.04.2016 beendet worden.

Die Kammer vermag die Bedenken des Klägers gegen die Auslegung des Kündigungsschreibens vom 03.03.2014 nur insoweit zu teilen, als eine rückwirkende Kündigung in der Probezeit zum 17.03.2016 nicht mehr möglich ist, da die Kündigung dem Kläger erst nach Ablauf der Probezeit am 17.03.2016 zugegangen ist. Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass die Formulierung im Kündigungsschreiben „fristgemäß, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, innerhalb der Probezeit“ dahin zu verstehen ist, dass sich die Beklagte von ihm auf jeden Fall durch Kündigung trennen wollte, dass es eine ordentliche Kündigung sein sollte, und dass, wenn – wie vorliegend – die ursprünglich geplante Kündigung in der Probezeit wegen deren Ablaufes nicht mehr möglich ist, jedenfalls „hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ die gesetzliche Frist von 4 Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende gemäß § 622 Abs. 1 BGB zum Tragen kommt. Auch vom Kläger konnte und durfte dies ohne Überspannung seiner intellektuellen Fähigkeiten, ohne Rätselraten und unter schlichter Anwendung der kündigungsrechtlichen Regelungen in § 1 des Arbeitsvertrages so verstanden werden. Die Argumentation des Klägers, dass die Kündigung deswegen gänzlich unwirksam sei, weil eine hilfsweise fristgerechte Kündigung zum nächstmöglichen Termin innerhalb der Probezeit infolge Zeitablaufes ausgeschlossen sei, verkennt, dass die Worte „innerhalb der Probezeit“ mit einem Komma von dem vorangegangenen Text getrennt sind, also der vom Kläger aufgestellte Zusammenhang nicht existiert, wonach ein nächstmöglicher Beendigungszeitpunkt nur und ausschließlich innerhalb der Probezeit liegen müsste.

Hat die Kündigung vom 03.03.2016 das Arbeitsverhältnis somit zum 30.04.2016 beendet, musste der darüber hinausgehende Feststellungsantrag erfolglos bleiben.

Damit ist zugleich gesagt, dass der Kläger über den 17.03.2016 hinaus bis zum 30.04.2016 wie tenoriert Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug geltend machen kann.

Der Kläger gegenüber der Beklagten für den Monat März 2016 einen Anspruch auf 1.117,71 EUR brutto.

Die Kammer geht dabei von folgendem Berechnungsansatz aus: Aus den Abrechnungen des Klägers für die Monate Dezember 2015 bis Februar 2016 geht hervor, dass der Kläger im Monat Dezember durchschnittlich 9,67 Stunden pro Tag, im Januar durchschnittlich 9,44 Stunden pro Tag und im Februar durchschnittlich 9,8 Stunden pro Tag gearbeitet hat, woraus sich für 3 Monate 28,91 Stunden pro Tag geteilt durch 3 Monate gleich 9,64 Stunden pro Tag ergeben. Hieraus ergibt sich, dass der Kläger nicht nur ausnahmsweise, sondern ausnahmslos regelmäßig Überstunden geleistet hat, was sich auch aus der Abrechnung November 2015 bei 8,78 Stunden pro Tag und der tatsächlich abgerechneten Arbeitszeit im Monat März 2016 mit sogar 11,75 Stunden pro Tag bestätigen lässt. Enthält der Arbeitsvertrag in § 2 die unbezifferte Regelung, dass sich die Arbeitszeiten nach allgemeiner Arbeitslage richten und geht selbst die Beklagte in ihrem Vortrag von widersprüchlichen Angaben zum Umfang der regelmäßigen Tagesarbeitszeit aus geht, hält es die Kammer für angebracht, dem Ansatz des Kläger folgend den Durchschnitt der letzten 3 Monate heranzuziehen.

Für den Monat März 2016 sind daher die von der Beklagten für den 1. und 02.03.2016 abgerechneten 23,5 Stunden mit 293,75 EUR brutto zugrunde zu legen. Für den Zeitraum 03.03.2016 bis 31.03.2016 ergeben sich bei 21 Arbeitstagen mal 9,64 Stunden pro Tag mal 12,50 EUR pro Stunde 2.530,50 EUR brutto, zusammen also 2.824,25 EUR. Unter Abzug der bereits gezahlten 1.493,75 EUR brutto verblieben mögliche 1.330,50 EUR brutto als Restanspruch des Klägers, wobei die Kammer jedoch den Grundsatz „ne ultra petitum“ zu beachten hatte.

Für den Monat April 2016 ergibt sich ein Anspruch von (21 Tage x 9,64 Stunden x 12,50 EUR/Stunde =) 2.530,50 EUR brutto.

Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2016 war selbstverständlich der Zahlungsanspruch des Klägers für den Monat Mai 2016 abzuweisen.

Die Beklagte kann behauptet zu viel geleisteten Urlaub nicht rückabwickeln und verrechnen, wie sich zum einen aus § 5 Abs. 3 BUrlG und zum anderen vorliegend daraus ergibt, dass die Beklagte bereits vor Ausspruch der Kündigung den Urlaub des Klägers ab dem 19.03.2016 bewilligt hatte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1, § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 2 GKG, §§ 3, 5 ZPO, wobei der ursprüngliche Feststellungsantrag mit 3 Monatseinkommen, der allgemeine Feststellungsantrag unter Bezug auf die Kündigung vom 29.04.2016 mit einem Monatseinkommen und die Zahlungsanträge mit dem Nominalwert in Ansatz zu bringen waren und die Kosten mit Blick auf den Grad des Obsiegens und Unterliegens zu quoteln waren.

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