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Kündigung innerhalb Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG

Abkürzung der Anhörungsfrist Personalrat

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 Sa 146 öD/20 – Urteil vom 27.10.2020

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 05.03.2020 – 3 Ca 914/19 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung innerhalb der Wartezeit.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.03.2019 als Fachlagerist zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.236,00 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der TVöD Anwendung. Nach § 34 Abs. 1 TVöD gilt in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsfrist von 2 Wochen zum Monatsschluss.

Der Leiter des Lagerbereichs gab am 16.08.2019 eine umfassende Stellungnahme über die Leistung des Klägers ab. Am 19.08.2019 ist eine Arbeitsprüfung des Klägers durchgeführt worden. Der Kläger hatte einen Küchen-Container zu kontrollieren und gemäß einem Anlagenblatt zu bestücken.

Am 21.08.2019 informierte der Vorgesetzte des Klägers, der Leiter Betriebsführung des Materialwirtschaftszentrums Einsatz der B. in W., Major F., die personalbearbeitende Dienststelle darüber, dass nach seinen Erkenntnissen der Kläger den fachlichen und charakterlichen Anforderungen der Arbeit nicht genüge. Die personalbearbeitende Stelle veranlasste daraufhin am 22.08.2019 die Anhörung der Gleichstellungsbeauftragten (Bl. 43 d. A.) und über die Dienststelle die Anhörung des bei der Beklagten gebildeten Personalrates (Bl. 44 d. A.) zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers mit Ablauf des 30.09.2019. Dabei verkürzte die Dienststelle die Mitwirkungspflichten gem. § 32 Abs. 2 S. 3 BGleiG und § 69 Abs. 2 BPersVG. Der Personalrat gab am 27.08.2019 eine Stellungnahme ab (Bl. 45, 12 d. A.). Darin erklärte er, mit der beabsichtigten Kündigung nicht einverstanden zu sein. Zur Begründung führte er aus:

„…

1. Herr C. D. wurde am 19.08.2019 einer sog. Arbeitsprüfung unterzogen. Dies ist im MatWizE. noch nie durchgeführt worden und im allg. auch absolut unüblich. Hier sehen wir eine eindeutige Diskriminierung des Arbeitnehmers und somit eine Verletzung der Gleichbehandlung.

2. Eine Dringlichkeit nach § 69 BPersVG ist für uns nicht zu erkennen. Nach unserer Ansicht hat man andererseits nur den richtigen Zeitpunkt verpasst, rechtzeitig zu handeln. Der Personalrat ist der Meinung, dass man ihn bei so einer entscheidenden und bestimmenden Angelegenheit die angemessene und gebotene Zeit geben muss, den Sachverhalt erkunden zu können und die nötigen Informationen der Rechtslage des Vorganges zu prüfen. Insbesondere da man den Personalrat zur Entscheidungsfindung im Vorfeld nicht beteiligt hat. Mit der doppelten Verkürzung der Mitwirkungsfrist durch gleichzeitiges Beteiligen der Gleichstellungsbeauftragten und des ÖPR und Anwendung des § 69 (2) BPersVG stellt dieses eine Behinderung dar, um hier angemessen entscheiden zu können.

Des Weiteren weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass der ÖPR gem. BPersVG von der Dienststellenleitung beteiligt werden muss und nicht, wie hier vom BwDLZ.

Bitte überdenken Sie noch einmal die geplante Maßnahme im Sinne des Arbeitnehmers.

…“

Mit Schreiben vom 29.08.2019 (Bl. 9 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich mit Ablauf des 30.09.2019. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 29.08.2019 zu.

Der Kläger trägt vor: Die Kündigung sei rechtsunwirksam.

Der bei der Beklagten gebildete Personalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Anhörung des Personalrates sei nicht von der Dienststellenleitung, sondern von der personalbearbeitenden Stelle veranlasst worden. Auch sei die Anhörungsfrist in rechtswidriger Weise abgekürzt worden. Dringende Gründe hierfür lägen nicht vor und seien dem Personalrat auch nicht mitgeteilt worden. Die weitere Beschäftigung eines Arbeitnehmers sei kein Grund von erheblichem Gewicht, der die Eilbedürftigkeit rechtfertigen könne. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten nicht verletzt habe. Sollten dessen Arbeitsleistungen dauerhaft unterdurchschnittlich sein, bestehe auch außerhalb der Wartezeit die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung. Darüber hinaus sei die Eilbedürftigkeit auch nicht unvorhersehbar und unvermeidbar gewesen. Die Beklagte habe hinreichend Zeit gehabt, die Arbeitsleistungen des Klägers zu bewerten. Dadurch, dass die Beklagte erst am 22.08.2019 die Entscheidung getroffen habe, das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, habe sie selbst eine Situation geschaffen, in der eine Kündigung innerhalb der Wartezeit nicht mehr möglich gewesen wäre, wenn der Personalrat die regelmäßige Anhörungsfrist ausgeschöpft hätte. Gründe, die dies erforderlich gemacht hätten, wie z. B. ein erheblicher Leistungseinbruch gegen Ende der Wartezeit lägen nicht vor.

Dem Personalrat seien auch nicht alle entscheidungserheblichen Informationen vorgelegt worden. Die Beklagte habe keine Gründe für die Verkürzung der Anhörungsfrist genannt. Auch habe die Beklagte nicht dargelegt, inwiefern die Arbeitsleistungen des Klägers den Erwartungen nicht entsprochen hätten.

Die streitgegenständliche Kündigung verstoße schließlich auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei ihm sei eine sogenannte Arbeitsprüfung durchgeführt worden, welche in seiner Dienststelle absolut unüblich sei. Auch seien mit ihm zu keinem Zeitpunkt Möglichkeiten erörtert worden, die aus Sicht der Beklagten unzureichenden Arbeitsleistungen zu verbessern.

Der Klägervertreter stellte die Anträge,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2019 nicht beendet worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Fachlagerist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

Der Beklagten-Vertreter beantragte, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Die streitgegenständliche Kündigung sei rechtswirksam. Das KSchG sei nicht anwendbar, da die Kündigung innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erklärt worden sei. Während der Wartezeit sei der Arbeitnehmer nur vor sittenwidrigen, treuwidrigen oder willkürlichen Kündigungen geschützt. Die Kündigung beruhe auf der nach Einschätzung des Dienststellenleiters fehlenden Eignung des Klägers. Zu dieser Einschätzung sei der Dienststellenleiter nach Rücksprache mit den unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers gelangt. Angesichts dessen könne von einer sittenwidrigen, treuwidrigen oder willkürlichen Kündigung nicht die Rede sein.

Auch der bei ihr gebildete Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Verkürzung der Äußerungsfrist auf drei Tage sei nach § 69 Abs. 2 S. 4 BPersVG zulässig gewesen, weil ein dringender Fall vorgelegen habe. Ohne Abkürzung der Anhörungsfrist hätte die Gefahr bestanden, mit dem Kläger einen nicht geeigneten Mitarbeiter dauerhaft beschäftigen zu müssen. Damit habe ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden gedroht. Auch könne ihr nicht vorgeworfen werden, den Eilfall selbst verursacht zu haben. Ihr habe die volle Wartezeit zur Verfügung gestanden, um die Eignung des Klägers zu erproben. Es müsse dem Arbeitgeber freigestellt sein, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der 6-monatigen Frist er zu einer abschließenden Einschätzung hierüber gelange. Anderenfalls würde sich die Wartezeit für Arbeitgeber mit Personalrat de facto auf 5 oder maximal 5 ½ Monate verkürzen, was der Gesetzgeber im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien nicht gewollt habe. Anhaltspunkte für eine mutwillige Verzögerung durch ihre Dienststellen gebe es nicht.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien vorgetragenen und gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.03.2020 stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die seitens der Beklagten ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, weil der Personalrat der Beklagten nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BPersVG wirke der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Sei die Beteiligung durch den Arbeitgeber mangelhaft, stehe dies der Nichtbeteiligung grundsätzlich gleich. Die Beklagte habe vorliegend die Frist zur Anhörung von 10 Tagen unzulässig auf drei Tage abgekürzt, obwohl kein dringender Fall für eine Abkürzung vorgelegen habe. Der Umstand, dass die Beklagte die Äußerungsfrist abgekürzt habe, weil eine Kündigung des aus ihrer Sicht ungeeigneten Klägers innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht mehr gewährleistet sei, wenn der Personalrat die regelmäßige Anhörungsfrist von 10 Arbeitstagen ausgeschöpft hätte, stelle keinen dringenden Fall für die Abkürzung der Äußerungsfrist des § 69 Abs. 2 S. 3 BPersVG dar. Der Ablauf der Wartefrist sei ein vorhersehbares Ereignis. Der Zwang zur Einhaltung einer Frist rechtfertige eine Abkürzung der Frist zur Stellungnahme nicht, wenn es dem Arbeitgeber möglich gewesen sei, das Mitbestimmungsverfahren wesentlich eher einzuleiten. Besondere Umstände, die eine Abkürzung der Anhörungsfrist rechtfertigen würden, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Dieser Mangel sei auch nicht geheilt worden, weil es an einer abschließenden Stellungnahme des Personalrates fehle, da der Personalrat in seiner Stellungnahme der Verkürzung der Anhörungsfrist widersprochen habe und darauf hingewiesen habe, dass die Beklagte ihm die angemessene und gebotene Zeit zur Sachverhaltsaufklärung hätte geben müssen. Der Personalrat hätte sich – für die Beklagte erkennbar – eingehender mit dem Sachverhalt beschäftigen und Informationen einholen wollen. Eine vor Ablauf der regelmäßigen Anhörungsfrist ausgesprochene Kündigung sei gemäß § 79 Abs. 4 BPersVG unwirksam, es sei denn der Personalrat habe vor Ausspruch der Kündigung eine abschließende Stellungnahme abgegeben. Die Stellungnahme des Personalrates vom 27.08.2019 sei keine abschließende Stellungnahme.

Die Beklagte sei wegen der Unwirksamkeit der Kündigung verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

Gegen dieses, der Beklagten am 24.04.2020 zugestellte Urteil, hat die Beklagte am 18.05.2020 mit elektronisch eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.07.2020, am 17.07.2020 begründet.

Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft diesen. Sie trägt vor:

Der Personalrat sei nach Auffassung der Beklagten mit Schreiben vom 29.08.2019 ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Verkürzung der Stellungnahmefrist des Personalrates auf drei Arbeitstage sei gemäß § 69 Abs. 2 Satz 4 BPersVG rechtmäßig gewesen. Die für eine Abkürzung der Stellungnahmefrist erforderliche Dringlichkeit setze voraus, dass die Maßnahme aufgrund von außergewöhnlichen Umständen keinen längeren Aufschub dulde. Eine Abkürzung der Frist sei danach zulässig, wenn gewichtige Gründe dies rechtfertigen würden. Im vorliegenden Fall sei die Verkürzung der Frist auf drei Arbeitstage erfolgt, weil es ansonsten nicht möglich gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis des Klägers in der kündigungsschutzrechtlichen Wartezeit von 6 Monaten ohne Vorliegen eines rechtfertigenden Kündigungsgrundes auszusprechen Die Beklagte wäre gezwungen gewesen, dauerhaft einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, bei dem die direkten Vorgesetzten den Eindruck gewonnen hätten, dass dieser weder fachlich noch nach den charakterlichen Anforderungen, insbesondere im Bereich Engagement und Eigenantrieb, Interesse und Lerneifer an der Arbeit geeignet sei und bei dem die Erwartung bestanden habe, dass die an den Dienstposten gestellten Anforderungen nicht erfüllt würden. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers wäre nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit nicht mehr möglich gewesen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei auch dahin zu verstehen, dass es das Interesse der Bundesrepublik Deutschland eine Wartezeitkündigung auszusprechen, grundsätzlich als ein für die Verkürzung der Stellungnahmefrist geeignetes Interesse interpretiere.

Das Arbeitsgericht blende bei seiner Entscheidung auch die Besonderheiten des Falles vollständig aus. Zum einen sei darauf hinzuweisen, dass die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Beklagte die Entscheidung darüber, ob sie das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortsetzen wolle, innerhalb der Wartezeit so rechtzeitig hätte treffen können, dass die Beteiligung des Personalrates ohne Abkürzung der Wartezeit möglich gewesen sei, unrichtig sei.

Diese Auffassung des Arbeitsgerichts hätte es zur Folge gehabt, dass die gesetzlich in § 1 Abs. 1 KSchG vorgesehene Wartezeit von 6 Monaten um 11 Tage, tatsächlich aber viel länger, nämlich um die Zeit des erforderlichen Kommunikationsprozesses verkürzt werde, wenn ein Personalrat zu beteiligen sei. Dies widerspreche der gesetzgeberischen Wertung.

Im B… Dienstleitungszentrum seien die Leistungen der Beschäftigten, die sich in der Wartezeit befänden, nicht bekannt. Die zuständigen Mitarbeiter des B… Dienstleitungszentrums könnten daher aus eigenem Wissen nicht beurteilen, ob ein Mitarbeiter sich in der kündigungsschutzrechtlichen Wartezeit bewährt habe oder sich nach dem Eindruck seines Vorgesetzten als ungeeignet erweise. Sie seien dementsprechend auf die Informationen der unmittelbaren Vorgesetzten in der Beschäftigungsstelle angewiesen und könnten erst dann, wenn diese Informationen vorliegen würden, entsprechende Personalentscheidungen einleiten. In der 31. Kalenderwoche (29.07. – 04.08.2020) habe ein Gespräch des Leiters der Beschäftigungsdienststelle mit dem zuständigen Leiter des Lagerbereichs über die Leistungen des Klägers stattgefunden. In der 34. Kalenderwoche (19. – 25.08.2019) habe der Zeuge Major F. ein Gespräch mit der unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, Frau M. P. und ein weiteres Gespräch mit dem langjährigen Mitarbeiter im Lagerbereich, Herrn S. geführt.

Der Beklagten sei die fehlende persönliche Eignung erst durch die Stellungnahme des Leiters der Beschäftigungsstelle mit E-Mail vom 21.08.2019 bekannt geworden. Es komme nicht auf die Entscheidung des Zeugen Major F. an. Dieser sei nicht kündigungsberechtigt. Alle Überlegungen des Zeugen F. seien zunächst eine innere Tatsache gewesen, auf die es nicht ankomme. Am 21.08.2019 habe nicht mehr die Möglichkeit bestanden, eine Wartezeitkündigung auszusprechen, wenn nicht die Stellungnahmefrist des Personalrates verkürzt worden wäre. Die Behauptung des Arbeitsgerichts, dass der für die Personalentscheidung zuständige Mitarbeiter hätte früher entscheiden können, sei daher falsch. Sie, die Beklagte, habe es sich mit der Entscheidung einer Wartezeitkündigung nicht leichtgemacht und in einem Zeitraum von 3 ½ Wochen versucht, eine abschließende Einschätzung über die Fähigkeiten des Klägers zu gewinnen.

Es sei der Beklagten auch nicht vorzuwerfen, dass sie keine „prophylaktische“ Wiedervorlagefrist notiert habe. Sie dürfe bei Nichtvorliegen entsprechender Informationen davon ausgehen, dass von einer Eignung ausgegangen werden könne.

Im Übrigen stelle sich die Stellungnahme des Personalrates als abschließende Stellungnahme dar, da dort formuliert worden sei: „Die ÖPR WOS ist aus folgenden Gründen mit der o. g. Personalmaßnahme nicht einverstanden.“ Die Mitteilung des fehlenden Einverständnisses stelle eine abschließende Entscheidung dar. Aus den Formulierungen des Personalrates in der Stellungnahme ergebe sich nicht, dass der Personalrat sich nicht abschließend äußern wolle und eine weitere Äußerung plane. Dem Personalrat seien auch alle relevanten Umstände bekannt gewesen, da es bei einer Kündigung in der Wartezeit allein auf die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers ankomme. Der Personalrat habe auch – unstreitig – nicht mitgeteilt, dass er weitere Informationen benötige.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 05.03.2020 – 3 Ca 914/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger bezieht sich auf sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ergänzend führt er aus, dass bestritten werde, das die E-Mail vom 21.08.2019 der Grund für die Entscheidung zum Ausspruch der Kündigung gewesen sei. Die Leistungen des Klägers seien allgemein bekannt gewesen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sei, rechtfertige dies nicht die Abkürzung der Stellungnahmefrist auf drei Tage. Die für die Personalentscheidung zuständigen Mitarbeiter hätten bereits viel früher die Möglichkeit gehabt, über eine Kündigung zu entscheiden. Im Übrigen seien die Leistungen des Klägers durch Frau P. und Herrn W. als überaus gut beschrieben worden, insbesondere im Vergleich zu früheren Bewerbern habe der Kläger überzeugen können. Es werde bestritten, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht zu erwarten gewesen sei. Vielmehr habe sich der Kläger gut in sein Arbeitsumfeld integriert und seine Arbeitsleistungen über dem Maß erfüllt. Es hätte hinreichend Möglichkeiten gegeben, sich Informationen über die Arbeit des Klägers vor Ablauf der Personalratsanhörungsfrist zu beschaffen. Dies sei auch vor dem 21.08.2019 möglich gewesen, sofern tatsächlich ein negativer Eindruck bestanden haben sollte. Ihm, dem Kläger, könnten interne Informationsdefizite nicht angelastet werden. Im Übrigen sei auch den Mitarbeitern im B… Dienstleistungszentrum der Ablauf der Wartezeit bekannt gewesen. Hierfür müssten sie nicht gesondert informiert werden. Es sei Aufgabe der Beklagten den Informationsfluss sicherzustellen und eine reibungslose Kommunikation unter allen Akteuren sicherzustellen. Insoweit sei der Arbeitgeber auch gehalten in der Wartezeit rechtzeitig zu prüfen, ob der Arbeitnehmer geeignet sei.

Eine abschließende Stellungnahme des Personalrates habe nicht vorgelegen. Ihm hätten auch noch nicht einmal alle für die Entscheidung maßgeblichen Informationen vorgelegen. Erkennbar habe der Personalrat nur eine vorläufige Stellungnahme ab und habe gleichzeitig die Abkürzung der Anhörungsfrist gerügt. Die Situation sei auch nicht dringlich gewesen, so dass eine Abkürzung der Anhörungsfrist nicht möglich gewesen sei.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO.

B.

Die Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 05.03.2020 ist zu Recht ergangen. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vom 29.08.2019 ist unwirksam. Auf die Ausführungen in dem gut begründeten und ausführlichen Urteil des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Lediglich im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz ist Folgendes auszuführen:

1. Der bei der Beklagten gebildete Personalrat ist nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BPersVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Zu Recht ist bereits durch das Arbeitsgericht darauf hingewiesen worden, dass dann, wenn die Beteiligung durch den Arbeitgeber mangelhaft ist, dies der Nichtbeteiligung des Personalrates grundsätzlich gleichsteht (Altvater/Baden/Barnack/u.a., BPersVG, 10. Aufl., § 79 Rn. 76). Nach § 69 Abs. 2 S. 3 BPersVG ist der Beschluss des Personalrates dem Leiter der Dienststelle innerhalb von zehn Arbeitstagen mitzuteilen. Nach § 69 Abs. 2 S. 4 BPersVG kann der Leiter der Dienststelle diese Frist in dringenden Fällen auf drei Arbeitstage abkürzen. Ein dringender Fall war – wie das Arbeitsgericht bereits festgestellt hat – nicht gegeben. Eine Abkürzung der Anhörungsfrist ist nur dann zulässig, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, nämlich dann, wenn der dringende Entscheidungsbedarf durch vom Dienststellenleiter nicht beeinflussbare und nicht voraussehbare Entwicklungen entstanden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1995 – 6 P 4.94 – PersR 96, 157). Die Abkürzung der Frist ist nur dann zulässig, wenn die Einhaltung der Frist nach Lage der Dinge in zumutbarer Weise nicht möglich ist oder zu einer erheblichen Beeinträchtigung öffentlicher Belange führt. Die Argumentation der Beklagten, dass bei Einhaltung einer Anhörungsfrist von 10 Tagen eine Kündigung des Klägers in der Probezeit ohne Angabe von Kündigungsgründen nicht mehr möglich gewesen wäre, entspricht zwar der Rechtslage, gleichwohl ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers unter Angabe von Kündigungsgründen nach § 1 Abs. 2 KSchG weiterhin möglich. Die Beklagte wäre lediglich erhöhten Anforderungen für die Begründung der Kündigung ausgesetzt. Sie wäre aber nicht gezwungen, den Kläger über Jahre hinaus zu beschäftigen, wenn er denn tatsächlich persönlich und charakterlich nicht für die Tätigkeit als Fachlagerist geeignet sein sollte.

Der Arbeitgeber hatte die Möglichkeit, die Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers so zu rechtzeitig zu treffen, dass eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates mit einer Anhörungsfrist von 10 Tagen noch möglich gewesen wäre. Der Zwang zur Einhaltung einer Frist rechtfertigt die Abkürzung der Frist zur Stellungnahme nicht, wenn es dem Arbeitgeber möglich war, das Mitbestimmungsverfahren wesentlich eher einzuleiten (LAG Niedersachsen, Urt. v. 25.04.2006 – 13 Sa 1795/05 -, juris). Die Abkürzung der Anhörungsfrist muss die Ausnahme bleiben. Sie kann nicht erfolgen, wenn die Angelegenheit nur deswegen eilbedürftig geworden ist, weil sie schleppend bearbeitet worden ist. Die Möglichkeit der Fristenverkürzung darf nicht dazu missbraucht werden, die Personalvertretung zu „überfahren“ und ihren Entscheidungsspielraum einzuengen (Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, BPersVG, 5. Aufl., § 69 Rn. 34). Der Begriff des dringenden Falles ist eng auszulegen. Im Übrigen hat der Dienststellenleiter dem Personalrat gegenüber die Dringlichkeit zu begründen (Altvater/Baden/Barnack/u.a., a. a. O., § 69 Rn. 16.ff.).

Vorliegend hat der Dienststellenleiter dem Personalrat gegenüber die Dringlichkeit nicht begründet. In der Anhörung des Personalrates ist lediglich auf eine aus Sicht des B…-Dienstleistungszentrums bestehende Dringlichkeit hingewiesen worden.

Des Weiteren wäre es der personalverwaltenden Stelle durchaus zuzumuten gewesen, sich im Rahmen einer ordnungsgemäßen Personalverwaltung eine frühzeitige Wiedervorlagefrist zu notieren, um Erkundigungen über die Leistungen des Klägers einzuholen. Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten im Berufungstermin, dass dies in einer großen Einheit wie der Beklagten weder zumutbar noch durchführbar sei, hat die Kammer nicht überzeugt. Gerade weil es sich bei der Beklagten um eine große Einheit mit vielen Mitarbeiter handelt, sind organisatorische Maßnahmen im Rahmen der Personalaktenführung geradezu unerlässlich, um Anhörungsfristen der Personalvertretung und Gleichstellungsbeauftragten einzuhalten.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass eine frühere Reaktion durch sie nicht möglich gewesen sei, weil sie erst am 21.08.2019 um 17:26 Uhr von der mangelnden Eignung des Klägers Kenntnis erlangt habe und es für den Ausspruch der Kündigung auf die Kenntnis des Kündigungsberechtigten ankomme, kann sie mit dieser Argumentation nicht gehört werden. Es liegt kein Fall des § 626 Abs. 2 BGB vor, der für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung eine Ausschlussfrist von 2 Wochen ab Kenntnis des Kündigungsberechtigten normiert. Es ging vorliegend nicht um den Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ab Kenntnis einer schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung noch ging es um die Einhaltung einer Ausschlussfrist. Die Beklagte und insbesondere deren personalverwaltender Stelle war die Tatsache der Einhaltung der Wartezeit von sechs Monaten bekannt. Die Beklagte hätte das Verfahren wegen der erforderlichen 10-Tages-Frist für die Anhörung des Personalrates zügiger vorantreiben müssen.

Die Beklagte hätte sich schlicht früher um die Frage kümmern müssen, ob die Leistungen des Klägers ausreichend sind. Nach dem gesamten Vortrag der Beklagten fällt auf, dass nicht die personalverwaltende Stelle die Entscheidung über den Ausspruch der Kündigung getroffen hat, sondern der Zeuge F. am 21.08.2020 der personalverwaltenden Stelle mitgeteilt hat, dass die Leistungen des Klägers unzureichend sind. Insofern war der Zeuge F. federführend mit der Frage und der Entscheidung, ob die Leistungen des Klägers ausreichend waren, beauftragt worden.

Unstreitig hat bereits in der 31. Kalenderwoche (29.07.2019 – 04.08.2020) ein Gespräch mit dem Leiter der Lagerverwaltung über die Leistungen des Klägers stattgefunden. Dieser hat jedoch erst am 16.08.2020 seine schriftliche Stellungnahme vorgelegt, die sodann zu der Überprüfung der Leistungen des Klägers am 19.08.2019 geführt hat. Selbst am 19.08.2020 wäre noch eine ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates mit einer 10-Tages-Frist möglich gewesen, um die Kündigung des Klägers spätestens am 31.08.2020 auszusprechen.

Durch die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates wird auch nicht – wie die Beklagte meint – die Wartezeit von sechs Monaten unzulässig verkürzt. Die Beklagte ist in der Entscheidung frei, ob sie nach Anhörung des Personalrates tatsächlich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers in der Wartezeit aussprechen will. Sie hätte demgemäß den Personalrat unter Einhaltung einer 10-Tages-Frist bei entsprechend frühzeitigen Bemühungen auch vorsorglich anhören können. Mit dem Ausspruch der Kündigung kann sie sich bis zum letzten Tag der 6-monatigen Wartezeit Zeit lassen.

Der Mangel der nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrates ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Personalrat vor Ablauf der Stellungnahmefrist eine abschließende Stellungnahme abgegeben hat. Der Stellungnahmefrist kommt erhebliche kündigungsschutzrechtliche Bedeutung zu. Je länger die Frist ist, desto mehr Möglichkeiten hat die Personalvertretung, die vom Arbeitgeber vorgetragenen Kündigungsgründe zu überprüfen, ggfs. den zu Kündigenden anzuhören oder anderweitige Stellungnahmen einzuholen. Diese Möglichkeit wird der Personalvertretung bei einer unzulässigen Abkürzung der Kündigungsfrist genommen. Die Länge der Stellungnahmefrist ist deshalb von entscheidender Bedeutung zur Gewährleistung des mit dem Mitbestimmungsverfahren auch beabsichtigten zusätzlichen Kündigungsschutzes (LAG Niedersachsen, Urt. v. 03.11.2009, a. a. O., Rn. 37).

Auf die Darstellung des Sach- und Streitstandes zu der Frage welchen Anforderungen die Stellungnahme des Personalrates in diesen Fällen genügen muss, wird auf die Darstellung im erstinstanzlichen Urteil (S. 9.) Bezug genommen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Stellungnahme des Personalrates nicht abschließend war. Der Personalrat hat in seiner Stellungnahme deutlich darauf hingewiesen, dass er der Verkürzung der Anhörungsfrist widerspricht und dass die Beklagte ihm eine angemessene und gebotene Zeit zur Sachverhaltsaufklärung hätte geben müssen. Auch aus Eingangssatz in der Stellungnahme des Personalrates vom 27.08.2020 „ist aus folgenden Gründen nicht mit der Personalmaßnahme einverstanden“ kann keine abschließende Stellungnahme hergeleitet werden. Die Stellungnahme erfolgte unter dem Zeitdruck der unwirksam verkürzten Stellungnahmefrist. Sie kann deshalb gerade nicht so bewertet werden, dass der Personalrat unabhängig von der Dauer der Stellungnahmefrist und ggf. unter Verzicht auf Eigenrecherchen und Anhörung des Klägers in jedem Fall das Anhörungsverfahren beenden wollte (LAG Niedersachsen, Urt. v. 03.11.2009 – 13 Sa 1497/8 -, Rn. 38, juris).

Selbst wenn der Personalrat die Abkürzung der Frist nicht gerügt hätte, wäre ein Verfahrensmangel gegeben, der zur Unwirksamkeit der Personalratsanhörung führt. Das LAG Köln vertritt in einer Entscheidung (Urt. v. 02.02.2001 – 11 Sa 1292/00 – ZTR 2001, 375) die Auffassung, die vorschriftwidrige Verkürzung der Stellungnahmefrist stelle einen Verfahrensmangel dar, der auch nicht durch eine abschließende Stellungnahme des Personalrates geheilt werden könne. Anders sei nur zu entscheiden, wenn die Zustimmung ausdrücklich erteilt werde. Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Vorliegend hat der Personalrat ausdrücklich die Nichteinhaltung der 10-Tages-Frist gerügt und keine Zustimmung erteilt.

2. Aufgrund der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision waren aufgrund des zu entscheidenden Einzelfalles nicht ersichtlich. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

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