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Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

ArbG Darmstadt – Az.: 9 Ca 249/17 – Urteil vom 14.11.2017

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 01. Juli 2017 noch durch die ordentliche Kündigung vom 01. Juli 2017 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Paketzusteller weiter zu beschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.245,44 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit arbeitgeberseitiger Kündigungen im zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnis sowie um die tatsächliche Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, seit dem 01. April 2015 als Paketzusteller zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.061,36 € beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag der Parteien vom 01. Februar 2015 (Anlage K1, Bl. 18-22 d.A.) wird ergänzend Bezug genommen. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Transport- und Verkehrsgewerbe in Hessen Anwendung.

Der am xx.xx.1978 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben geschieden und zwei Kindern zu Unterhalt verpflichtet. Aufgrund der Steuerdaten des Klägers geht die Beklagte davon aus, dass er verheiratet sei und ein Kind habe. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 80 anerkannt.

Mit Schreiben vom 01. Juli 2017 (Anlage K4, Bl. 25 d.A.), dem Kläger am 03. Juli 2017 nach Beklagtenangaben und am 04.7.2017 nach Klägerangaben zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung sowie mit gesondertem Schreiben vom 01. Juli 2017 (Anlage K5, Bl. 26 d.A.) hilfsweise ordentlich zum 23.7.2017.

Mit der am 17. Juli 2017 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 24. Juli 2017 zugestellten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und die Sozialwidrigkeit der hilfsweisen ordentlichen Kündigung geltend.

Der Kläger behauptet, der Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung seien zu den Kündigungen nicht ordnungsgemäß angehört worden. Eine Zustimmung des Integrationsamtes zu der ordentlichen Kündigung liege nicht vor. Er habe Widerspruch gegen den Bescheid des Integrationsamtes zu der außerordentlichen Kündigung eingelegt.

Gemäß § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX bedürfe die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen der Beteiligung des Integrationsamtes. Zwar bestehe wohl zum Kündigungszeitpunkt für die Beklagte keine örtliche Schwerbehindertenvertretung, da keine gewählt worden sei. Auch habe keine Gesamtschwerbehindertenvertretung aufgrund der einzelnen GmbH- Unternehmensstruktur der A bestanden. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe aber eine Konzernschwerbehindertenvertretung A bestanden. Nach dem System der Stufenverwaltung in § 97 SGB IX nehme die Gesamtschwerbehindertenvertretung bzw. die Konzernschwerbehindertenvertretung jeweils die Interessen der schwerbehinderten Menschen wahr und trete an die Stelle der betrieblichen Schwerbehindertenvertretung. Der stellvertretende Konzernschwerbehindertenvertreter Herr B habe auf Nachfrage bestätigt, dass die Verantwortlichen der Beklagten sowie der Betriebsrat über diese Zuständigkeit Kenntnis haben sollten.

Es bestehe kein wichtiger Grund für die Kündigungen. Die Stücklohnvergütung habe ihre Grundlage in der Stücklohnvereinbarung vom 07. März 2016 (Bl. 70, 71 d.A.), die bis zum 31.12.2016 befristet gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe sie also nicht mehr gegolten. Außerdem sei er mehrmals an seinen direkten Vorgesetzten, Herrn C, herangetreten und habe um die Beendigung der Stücklohnabrechnung gebeten. Seiner Bitte sei nicht nachgekommen worden. Bei den erfolgten Abmahnungen handele es sich um andere Sachverhalte, die sich nicht auf das Erschleichen einer erhöhten Stücklohnvergütung bezögen. Er habe höchstens in fahrlässiger Form gehandelt. Er leide an einer hohen Beeinträchtigung des Hör- und Sehvermögens und es komme häufig zu Verständnisschwierigkeiten. Deshalb habe er mehrmals bei seinen direkten Vorgesetzten um eine Schulung hinsichtlich der Stücklohnabrechnung gebeten, die ihm nicht gewährt worden sei. Wegen des hohen Grades seiner Behinderung habe er besondere Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, was bei der Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sei. Falls von einem Fehlverhalten ausgegangen werde, so habe dies zunächst abgemahnt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 01. Juli 2017 noch durch die ordentliche Kündigung vom 01. Juli 2017 aufgelöst worden ist;

2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Paketzusteller weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe am 12. Mai 2017 und am 01. Juni 2017 mehr Abholstopps dokumentiert, als er tatsächlich durchgeführt habe. Dadurch habe er sich eine höhere Stücklohnvergütung erschlichen. Bei einer Stücklohnvereinbarung erhalte der Arbeitnehmer für jede ausgelieferte Sendung D Infopost oder Päckchen einen Stücklohn von 0,43 Euro; für die erste bei einer Abholstelle abgeholte Paketsendung erhalte der Arbeitnehmer 0,35 Euro, für jede weitere an der Abholstelle abgeholte Paketsendung 0,05 Euro. Die Dokumentation erfolge über einen Handscanner. Am 12.5.2017 habe der Kläger insgesamt neun Abholstellen gehabt, aber er habe 31 Abholstellen dokumentiert. Auf eine Liste vom 12.5.2017 (Anlage B5, Bl. 80, 81 d.A.) nimmt die Beklagte Bezug. Am 01.6.2017 habe der Kläger elf Abholstellen gehabt, aber 40 Abholungen dokumentiert. Auf das Rückkehrprotokoll und die Liste, jeweils vom 01.6.2017 (Anlagen B6 und B7, Bl. 82 und 83-84 d.A.) nimmt die Beklagte Bezug. Damit habe der Kläger am 01.6.2017 8,70 Euro zu viel Stücklohn und am 12.5.2017 4,80 Euro zu viel Stücklohn erhalten. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger auch an anderen Tagen betrügerisch dokumentiert habe. Auch wenn die Stücklohnvereinbarung ausgelaufen sei, habe der Kläger weiterhin im Stücklohn gearbeitet und sei so vergütet worden. Ihr seien keine Anfragen des Klägers bekannt, die Stücklohnvergütung zu beenden. Der Kläger habe vielmehr sogar Abholungen in der Packstation 131 durchgeführt, die nicht zu seinem Bezirk gehöre. Der Kläger habe auch nicht um eine Schulung nachgesucht. Er sei wie die anderen Zusteller auch normal geschult worden. Außerdem sei er mehrfach darauf angesprochen worden, dass er keine Abholungen in Nachbarbezirken oder bei Packstationen in anderen Bezirken durchführen dürfe. Trotz der Beeinträchtigung des Hörvermögens des Klägers habe es nie Verständigungsschwierigkeiten gegeben. Auch das Integrationsamt habe ausdrücklich festgestellt, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Behinderung und dem Kündigungsgrund gebe. Eine Abmahnung sei angesichts der Schwere der Verstöße nicht erforderlich gewesen.

Das Arbeitsverhältnis sei bereits zuvor durch mehrere Abmahnungen belastet gewesen.

Die Beklagte behauptet weiter, sie habe den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 06. Juni 2017 (Anlage B1, Bl. 32-34 d.A.) zu den beabsichtigten Kündigungen angehört. Auf den Inhalt des Anhörungsschreibens nimmt die Beklagte Bezug. Eine Reaktion des Betriebsrates sei nicht erfolgt. Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sei nicht erforderlich gewesen, da eine solche nicht bestehe. Eine Beteiligung der Konzernschwerbehindertenvertretung sei nicht erforderlich gewesen. Parallel zur Betriebsratsanhörung müsse nur eine örtliche Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden. Hiervon sei offensichtlich auch das Integrationsamt ausgegangen.

Das Integrationsamt sei mit Schreiben vom 14.6.2017 (Anlage B2, Bl. 35-37 d.A.) über die Kündigungsabsicht informiert und um Zustimmung zu der außerordentlichen sowie zu der hilfsweisen ordentlichen Kündigung gebeten worden. Mit zwei Schreiben vom 29.6.2017 (Anlagen B3 und B4, Bl. 38-45 d.A.) habe das Integrationsamt die Zustimmung zu beiden Kündigungen erteilt.

Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 01. Juli 2017 weder außerordentlich noch hilfsweise ordentlich zum 23.7.2017 aufgelöst worden.

Das KSchG ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, da der Kläger mehr als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt ist, nämlich seit dem 01. April 2015 und fristgerecht nach §§ 4 Satz 1, 7, 13 Absatz 1 Satz 2 KSchG Klage beim Arbeitsgericht erhoben hat. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb auch regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden (§ 23 Absatz 1 Satz 3 KSchG).

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Kündigungsgrund für die außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Absatz 1 BGB und/oder für die hilfsweise ordentliche Kündigung gemäß § 1 Absatz 2 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen gegeben ist. Ebenso kann die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung und des Verfahrens vor dem Integrationsamt dahingestellt bleiben.

Beide Kündigungen sind gemäß § 95 Absatz 2 Satz 3 SGB IX rechtsunwirksam, weil die Beklagte die im Konzern bestehende Konzernschwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der beiden Kündigungserklärungen unstreitig nicht beteiligt hat.

Gemäß § 95 Absatz 1 Satz 1 SGB IX fördert die Schwerbehindertenvertretung die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Gemäß § 95 Absatz 2 SGB IX hat ein Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Gemäß § 95 Absatz 2 Satz 3 SGB IX gilt, dass die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, unwirksam ist. Diese Neureglung des § 95 Absatz 2 Satz 3 SGB IX gilt seit dem 30.12.2016 aufgrund der Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG, BGBl. I, 2016, 3234). Eine nähere Ausgestaltung der bereits zuvor bestehenden Anhörungspflicht ist nicht erfolgt. Lediglich die Rechtsfolge der nicht erfolgten Beteiligung wurde in Absatz 2 Satz 3 mit der Unwirksamkeit der Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer neu gestaltet. In welcher Frist und Form der Arbeitgeber eine örtlich gewählte Schwerbehindertenvertretung nach der Neufassung des § 95 Absatz 2 Satz 3 SGB IX anzuhören hat, kann hier dahingestellt bleiben, da die Beklagte unstreitig keine Anhörung durchgeführt hat. Es liegt hier nahe, Parallelen zur Betriebsratsanhörung nach § 102 Absatz 1 BetrVG zu ziehen (vgl. Klein, NJW 2017, 852 ff; Schnelle, NZA 2017, 880 ff; Mühlmann, NZA 2017, 884 ff; Lingemann, NJW 2017, 1369 ff).

Schwerbehindertenvertretungen werden in Unternehmen gewählt, die mindestens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigen. Im Betrieb der Beklagten ist unstreitig keine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Für die Frage, ob ersatzweise die Konzernschwerbehindertenvertretung zu der Absicht der Beklagten, das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen, angehört werde musste, ist vorrangig auf Sinn und Wortlaut der gesetzlichen Regelungen abzustellen.

Für die Betriebsratsbeteiligung gemäß § 102 Absatz 1 BetrVG gilt, dass zuständig für das Anhörungsverfahren der örtliche Betriebsrat des Betriebs ist, in dessen Belegschaft der zu kündigende Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung eingegliedert ist. Besteht kein örtlicher Betriebsrat, dann muss eine Betriebsratsanhörung vor Ausspruch einer Kündigung nicht durchgeführt werden. Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Anhörung nach § 102 BetrVG besteht nicht und eine abgeleitete Zuständigkeit kommt ausnahmsweise nur in Betracht, wenn der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Absatz 2 BetrVG vom örtlichen Betriebsrat beauftragt worden ist.

Anders ist das Verhältnis zwischen örtlicher und überörtlicher Schwerbehindertenvertretung nach den Regelungen des SGB IX. Ist in einem Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung eingerichtet, so ist diese vor Ausspruch der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, der in diesen Betrieb eingegliedert ist, anzuhören (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 3 SGB IX). Anders als beim Betriebsrat hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung aber eine Ersatzzuständigkeit, denn gemäß § 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX vertritt die Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht nur die Interessen der schwerbehinderten Menschen in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe nicht geregelt werden können. Zusätzlich vertritt die Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSV) auch die Interessen der schwerbehinderten Menschen, die in einem Betrieb tätig sind, für die aber eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 04.11.2015, 7 ABR 62/13, AP Nr. 3 zu § 97 SGB IX) nimmt die GSV in diesem Fall die Interessen aller schwerbehinderten Menschen des Unternehmens auf Betriebs- und Unternehmensebene wahr. Schon zu der (inhaltlich nicht abgeänderten) Altregelung im SchwerbehG hat das BAG (Urteil vom 28.7.1983, 2 AZR 122/82, AP Nr. 1 zu § 22 SchwbG) entschieden, dass die Interessen von Schwerbehinderten in Betrieben, in denen kein Vertrauensmann gewählt worden ist, der Gesamtvertrauensmann zu vertreten hat, und zwar nicht nur, soweit sie das Gesamtunternehmen betreffen, sondern aufgrund eigener Kompetenz auch im Bereich der Einzelbetriebe. Diese Regelung dient nach Sinn und Zweck dem Interesse der wirksamen Vertretung der schwerbehinderten Menschen (so Hauck/Noftz-Mushoff, Kommentar zum SGB IX, Stand 2017, § 97, Rz. 24).

Der Gesetzgeber des Bundesteilhabegesetzes hat die kompetenzbegründenden Verweisungen in § 97 Absatz 6 Sätze 1 und 2 SGB IX zu Gunsten einer GSV und einer Konzernschwerbehindertenvertretung nicht für das Beteiligungsverfahren im Kündigungsrecht nach § 95 Absatz 2 Satz 3 SGB IX abgeändert oder eingeschränkt. Auch eine den Wortlaut überschreitende teleologische Reduktion dieser Verweisungsnormen ist nicht möglich. Die Interessenlage der schwerbehinderten Menschen ist bei Kündigungen keine andere als bei anderen personellen oder sozialen Angelegenheiten, für die ebenfalls bei Fehlen einer örtlichen Schwerbehindertenvertretung die überörtlichen Schwerbehindertenvertretungen zuständig sind. Bedenken wegen einer nur mittelbaren Legitimation oder aus Datenschutzgründen hat der Gesetzgeber in beiden Fällen nicht gesehen.

Den Bedenken von Prieschl/ Meißner (DB 2017, 1592), es könne auch eine örtliche Schwerbehindertenvertretung an einem örtlich weit entfernten Betriebssitz zuständig werden, ist hier mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzugehen.

Der Kläger hat einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreites. Außerhalb der Regelung des § 102 Absatz 5 BetrVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG Großer Senat, Beschluss vom 27. Februar 1985, Az: GS 1/84, BAGE 48, 122-129). Solche Umstände hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Unterliegen der Beklagten gemäß § 91 Absatz 1 ZPO in Verbindung mit § 46 Absatz 2 ArbGG.

Der Wert des Streitgegenstandes wird mit einem Bruttovierteljahresgehalt des Klägers (§ 42 III 1 GKG) für den Kündigungsschutzantrag und einem Bruttomonatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag bemessen.

Für die Zulassung der Berufung über die in § 64 Absatz 2 lit. b und c ArbGG genannten Gründe hinaus gibt es keine gesetzlich begründete Veranlassung.

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