Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Integrationsamt lehnt Kündigung bei schwerbehindertem Arbeitnehmer ab
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Wie oft muss mir mein Arbeitgeber die Möglichkeit zur Rückkehr an meinen Arbeitsplatz anbieten, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen ausfalle?
- Kann mein Arbeitgeber mich kündigen, wenn das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung verweigert hat?
- Welches Gericht ist zuständig für Streitigkeiten zwischen mir und meinem Arbeitgeber über meine Kündigung?
- Welche Gründe können dazu führen, dass mir mein Arbeitgeber kündigen kann, obwohl ich schwerbehindert bin?
- Welche Fristen muss mein Arbeitgeber beachten, wenn er mich kündigen möchte?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin geändert und den Widerspruchsbescheid des Integrationsamtes aufgehoben. Dies gibt der Klägerin die Möglichkeit, die Kündigung abzuwehren.
- Die Beigeladene war als schwerbehinderte Person anerkannt und hatte während ihrer Anstellung einen rechtlichen Kündigungsschutz. Dies zeigt die Bedeutung des Schwerbehindertenschutzes im Arbeitsrecht.
- Schwierigkeiten traten auf, weil das Integrationsamt der Kündigung der Klägerin ursprünglich zugestimmt hatte, trotz der besonderen Schutzvorschriften für schwerbehinderte Menschen.
- Das Gericht stellte fest, dass die Durchführung der Kündigung nicht ordnungsgemäß war, da der Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes nicht berücksichtigt wurde. Dies führte zur Entscheidung, dass der Widerspruchsbescheid rechtswidrig war.
- Die Klägerin argumentierte, dass sie einen Anspruch auf Rechtsschutz habe, insbesondere wegen ihrer möglichen Rückzahlungspflicht und dem Schutz ihres Persönlichkeitsrechts. Ihr Interesse an einer positiven Öffentlichkeitswahrnehmung wurde ebenfalls gewichtet.
- Die Entscheidung verstärkt die Rechte von schwerbehinderten Arbeitnehmern und zeigt, dass Unzulässigkeiten in Kündigungsschutzverfahren geahndet werden können.
- Das Gericht ließ keine Revision zu, was bedeutet, dass die Entscheidung endgültig ist und die Klägerin keine weiteren rechtlichen Mittel einlegen kann.
- Die Kosten des Verfahrens trugen die Beklagte, was der Klägerin die finanzielle Last nahm. Dies könnte eine gewisse Rechtssicherheit für andere Betroffene schaffen.
- Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit der ordnungsgemäßen Prüfung von Kündigungen in Bezug auf Schwerbehindertenschutz. Arbeitgeber müssen besondere Regelungen genau beachten, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Integrationsamt lehnt Kündigung bei schwerbehindertem Arbeitnehmer ab

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist für jeden Arbeitnehmer ein einschneidendes Ereignis. Für Schwerbehinderte stellt sich die Situation jedoch oft noch komplexer dar. Sie genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der sich aus dem Sozialgesetzbuch IX ergibt. So ist es für Arbeitgeber – mit Ausnahme von bestimmten Fällen – grundsätzlich nicht möglich, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Integrationsamtes zu kündigen. Dieses Gremium schützt schwerbehinderte Menschen vor Benachteiligung am Arbeitsplatz und soll eine Integration in das Berufsleben fördern. Im Einzelnen sind die Voraussetzungen, unter denen das Integrationsamt eine Kündigung zulassen kann, allerdings vielfältig und komplex.
Die Entscheidung des Integrationsamtes hängt von der konkreten Situation ab und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. So müssen die Gründe für die Kündigung, die Art der Behinderung, die Auswirkungen der Behinderung auf die Arbeitsfähigkeit und die Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung im Unternehmen berücksichtigt werden. Im Fokus steht dabei immer das Ziel, schwerbehinderte Arbeitnehmer so weit wie möglich in ihrem Arbeitsplatz zu halten und eine gerechte und faire Abwägung der Interessen beider Seiten zu gewährleisten.
Im Folgenden wollen wir uns mit einem konkreten Fall befassen, in dem ein Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung gekündigt wurde. Das Integrationsamt hat in diesem Fall eine Kündigung abgelehnt. Dies wirft spannende Fragen auf, die im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zum Thema Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen zu beleuchten sind.
Kündigungsschutz für Schwerbehinderte: Rechtliche Klarheit schaffen
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Der Fall vor Gericht
Integrationsamt versagt Zustimmung zur Kündigung einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin
Der Fall betrifft eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen einer Arbeitgeberin und einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin. Die Arbeitgeberin, eine Stiftung, hatte beim Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung ihrer schwerbehinderten Mitarbeiterin beantragt. Diese war mit einem Grad der Behinderung von 40 anerkannt und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Sie war befristet als Projektentwicklerin bei der Stiftung angestellt.
Zunächst erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung. Auf den Widerspruch der Arbeitnehmerin hin entschied der Widerspruchsausschuss jedoch, die Zustimmung zu versagen. Noch bevor der entsprechende Widerspruchsbescheid zugestellt wurde, einigten sich Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich darüber, dass das befristete Arbeitsverhältnis zum vorgesehenen Zeitpunkt enden sollte.
Rechtsstreit um Widerspruchsbescheid des Integrationsamtes
Obwohl sich das Zustimmungsverfahren damit eigentlich erledigt hatte, erließ das Integrationsamt dennoch einen Widerspruchsbescheid, mit dem es die Zustimmung zur Kündigung versagte. Gegen diesen Bescheid erhob die Arbeitgeberin Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage zunächst als unzulässig ab. Es sah kein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin, da sich das Verfahren durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich erledigt habe.
Die Arbeitgeberin legte dagegen Berufung ein. Sie machte geltend, sehr wohl ein Rechtsschutzinteresse zu haben. Zum einen drohe ihr möglicherweise eine Rückzahlungspflicht bezüglich Eingliederungszuschüssen. Zum anderen habe sie als Stiftung ein Interesse daran, in der Öffentlichkeit nicht in einem zweifelhaften Licht zu erscheinen.
OVG gibt Berufung der Arbeitgeberin statt
Das Oberverwaltungsgericht gab der Berufung der Arbeitgeberin statt und hob den Widerspruchsbescheid des Integrationsamtes auf. Es begründete dies damit, dass der Widerspruchsbescheid unzulässig ergangen sei.
Das Gericht stellte klar: Das Zustimmungsverfahren hatte sich durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich erledigt. Zu diesem Zeitpunkt durfte das Integrationsamt keine Sachentscheidung mehr treffen. Der dennoch erlassene Widerspruchsbescheid war daher rechtswidrig und aufzuheben.
Für die Beurteilung kommt es laut OVG nicht darauf an, ob der Bescheid inhaltlich korrekt war. Entscheidend ist allein, dass er im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens nicht mehr hätte ergehen dürfen.
Bedeutung der Entscheidung für den Kündigungsschutz Schwerbehinderter
Die Entscheidung verdeutlicht wichtige Aspekte des besonderen Kündigungsschutzes schwerbehinderter Arbeitnehmer:
- Das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt ist ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Verfahren. Es endet, wenn das Arbeitsverhältnis anderweitig beendet wird, z.B. durch Vergleich.
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer können das Verfahren durch eine Einigung nicht einfach „überspringen“. Die Zustimmung des Integrationsamts bleibt grundsätzlich erforderlich.
- Erledigt sich das Verfahren, darf das Integrationsamt keine Sachentscheidung mehr treffen. Tut es dies dennoch, ist der Bescheid rechtswidrig.
- Arbeitgeber haben ein Interesse daran, rechtswidrige Bescheide aufheben zu lassen – selbst wenn das konkrete Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Dies kann z.B. Auswirkungen auf Fördermittel oder das Ansehen des Unternehmens haben.
Die Entscheidung stärkt somit die Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer, indem sie die Bedeutung des Zustimmungsverfahrens unterstreicht. Zugleich zeigt sie auf, dass auch Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran haben können, rechtswidrige Entscheidungen des Integrationsamts überprüfen zu lassen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung verdeutlicht, dass das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt mit der anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet. Ein danach erlassener Widerspruchsbescheid ist unzulässig und aufzuheben, unabhängig von seinem Inhalt. Arbeitgeber haben ein berechtigtes Interesse an der Aufhebung solcher rechtswidriger Bescheide, selbst wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, da dies Auswirkungen auf Fördermittel oder das Unternehmensansehen haben kann.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als schwerbehinderter Arbeitnehmer stärkt dieses Urteil Ihre Rechte im Kündigungsschutzverfahren. Es unterstreicht die Bedeutung des Integrationsamtes als Schutzinstanz. Selbst wenn Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen, bleibt das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt relevant. Ein nachträglich ergangener Widerspruchsbescheid kann Ihnen zwar keine direkten Rechte mehr verschaffen, könnte aber indirekt Auswirkungen haben, z.B. auf Fördermittel oder das Ansehen des Arbeitgebers. Dies kann Ihnen in Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag oder eine Abfindung zugutekommen. Beachten Sie jedoch, dass jeder Fall individuell zu betrachten ist und Sie sich im Zweifel von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen sollten.
FAQ – Häufige Fragen
Sie suchen nach Antworten rund um das Thema Kündigungsschutz für Schwerbehinderte? Dann sind Sie hier genau richtig. In unseren FAQs finden Sie umfassende und leicht verständliche Informationen zu den wichtigsten Aspekten des Kündigungsschutzes für Menschen mit Behinderung.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Wie oft muss mir mein Arbeitgeber die Möglichkeit zur Rückkehr an meinen Arbeitsplatz anbieten, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen ausfalle?
- Kann mein Arbeitgeber mich kündigen, wenn das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung verweigert hat?
- Welches Gericht ist zuständig für Streitigkeiten zwischen mir und meinem Arbeitgeber über meine Kündigung?
- Welche Gründe können dazu führen, dass mir mein Arbeitgeber kündigen kann, obwohl ich schwerbehindert bin?
- Welche Fristen muss mein Arbeitgeber beachten, wenn er mich kündigen möchte?
Wie oft muss mir mein Arbeitgeber die Möglichkeit zur Rückkehr an meinen Arbeitsplatz anbieten, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen ausfalle?
Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer beinhaltet wichtige Regelungen zur Wiedereingliederung nach längeren krankheitsbedingten Ausfällen. Grundsätzlich haben schwerbehinderte Beschäftigte einen Rechtsanspruch auf stufenweise Wiedereingliederung, wenn sie nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit zumindest teilweise wieder ausüben können.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, an diesem Prozess mitzuwirken und dem schwerbehinderten Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Rückkehr an den Arbeitsplatz zu bieten. Eine feste Anzahl von Wiedereingliederungsversuchen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Stattdessen muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.
Für die konkrete Umsetzung wird in der Regel ein Wiedereingliederungsplan erstellt. Dieser basiert auf ärztlichen Empfehlungen und sieht eine schrittweise Steigerung der Arbeitsbelastung vor. Der Arbeitgeber muss diesen Plan grundsätzlich akzeptieren, es sei denn, es bestehen begründete Zweifel an dessen Geeignetheit.
Während der Wiedereingliederungsphase bleibt der Arbeitnehmer arbeitsunfähig im Sinne des Krankenversicherungsrechts. Das bedeutet, dass in dieser Zeit in der Regel weiterhin Krankengeld bezogen wird. Die stufenweise Rückkehr an den Arbeitsplatz dient dazu, den Arbeitnehmer langsam wieder an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Arbeitgeber bei schwerbehinderten Beschäftigten nicht ohne Weiteres eine Kündigung aussprechen kann, selbst wenn mehrere Wiedereingliederungsversuche gescheitert sind. Vor einer Kündigung muss in den meisten Fällen die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden. Das Integrationsamt prüft dann, ob alle Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung ausgeschöpft wurden.
Ausnahmen von der Zustimmungspflicht gibt es beispielsweise in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses oder wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwerbehinderung nicht nachgewiesen ist. Auch bei Entlassungen aus witterungsbedingten Gründen kann unter bestimmten Voraussetzungen auf die Zustimmung verzichtet werden.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, vor einer Kündigung ein sogenanntes Präventionsverfahren durchzuführen. Dabei sollen gemeinsam mit dem Betriebsrat, der Schwerbehindertenvertretung und dem betroffenen Arbeitnehmer Möglichkeiten erörtert werden, wie das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden kann. Dies gilt auch für Kündigungen in der Probezeit.
Die rechtliche Situation kann im Einzelfall komplex sein, insbesondere wenn es um die Frage geht, wie oft Wiedereingliederungsversuche unternommen werden müssen. Faktoren wie die Art der Behinderung, die Dauer der Beschäftigung und die betrieblichen Möglichkeiten spielen dabei eine Rolle. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen unternimmt, um eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.
Kann mein Arbeitgeber mich kündigen, wenn das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung verweigert hat?
Die Zustimmung des Integrationsamtes ist für eine rechtmäßige Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers grundsätzlich zwingend erforderlich. Ohne diese Zustimmung ist eine Kündigung in der Regel unwirksam. Der Arbeitgeber darf also nicht einfach über die Entscheidung des Integrationsamtes hinweggehen und trotzdem kündigen.
Dieser besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen ist im Sozialgesetzbuch IX verankert. Er soll sicherstellen, dass die besonderen Belange und Schwierigkeiten von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt werden. Das Integrationsamt prüft im Zustimmungsverfahren, ob die Kündigung gerechtfertigt ist oder ob es Alternativen gibt, um das Arbeitsverhältnis zu erhalten.
Verweigert das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, hat der Arbeitgeber grundsätzlich keine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis einseitig zu beenden. Er ist an diese Entscheidung gebunden. Allerdings gibt es einige wenige Ausnahmen von dieser Regel:
Der Arbeitgeber kann gegen die Entscheidung des Integrationsamtes Widerspruch einlegen oder Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Sollte er in diesen Verfahren Recht bekommen und die Zustimmung nachträglich erteilt werden, wäre eine Kündigung möglich.
In bestimmten Fällen ist keine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich. Dies gilt etwa für Arbeitsverhältnisse, die noch keine sechs Monate bestehen oder bei Kündigungen wegen Betriebsstilllegung. Auch wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwerbehinderung nicht nachgewiesen oder beantragt war, entfällt die Zustimmungspflicht.
Es ist wichtig zu betonen, dass selbst wenn das Integrationsamt der Kündigung zustimmt, dies nicht automatisch bedeutet, dass die Kündigung wirksam ist. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz gilt weiterhin. Der Arbeitnehmer kann also trotz Zustimmung des Integrationsamtes noch Kündigungsschutzklage erheben.
Für den Arbeitgeber besteht bei Verweigerung der Zustimmung noch die Möglichkeit, dem schwerbehinderten Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Dieser beendet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich und bedarf keiner Zustimmung des Integrationsamtes. Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, einen solchen Vertrag zu akzeptieren.
In der Praxis führt die Verweigerung der Zustimmung durch das Integrationsamt häufig dazu, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam nach alternativen Lösungen suchen. Dies kann die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, die Anpassung von Arbeitsbedingungen oder Weiterbildungsmaßnahmen umfassen.
Welches Gericht ist zuständig für Streitigkeiten zwischen mir und meinem Arbeitgeber über meine Kündigung?
Bei Streitigkeiten zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber über eine Kündigung sind in der Regel die Arbeitsgerichte zuständig. Dies gilt auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer, die einen besonderen Kündigungsschutz genießen.
Wenn ein schwerbehinderter Arbeitnehmer gegen seine Kündigung vorgehen möchte, muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist und ob der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte beachtet wurde.
Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht wird auch geprüft, ob der Arbeitgeber die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eingeholt hat. Diese Zustimmung ist bei schwerbehinderten Arbeitnehmern in der Regel zwingend erforderlich, außer in wenigen Ausnahmefällen wie etwa während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Arbeitsgericht nicht über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Integrationsamtes urteilt. Sollte der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer mit der Entscheidung des Integrationsamtes nicht einverstanden sein, muss diese Entscheidung separat vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden.
In komplexeren Fällen kann es also vorkommen, dass parallel zwei Gerichtsverfahren laufen: eines vor dem Arbeitsgericht bezüglich der Wirksamkeit der Kündigung und eines vor dem Verwaltungsgericht bezüglich der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Integrationsamtes.
Das Arbeitsgericht wird in seiner Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung die Zustimmung oder Ablehnung des Integrationsamtes berücksichtigen. Liegt keine Zustimmung vor, wird die Kündigung in der Regel als unwirksam eingestuft, es sei denn, es greift eine der gesetzlichen Ausnahmen vom Zustimmungserfordernis.
Für die erste Instanz sind die örtlichen Arbeitsgerichte zuständig. Gegen deren Urteile kann Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt werden. In letzter Instanz entscheidet das Bundesarbeitsgericht über Revisionen gegen Urteile der Landesarbeitsgerichte.
Es ist zu beachten, dass für Beamte andere Regelungen gelten. Hier sind in der Regel die Verwaltungsgerichte für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Entlassungen zuständig.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten steht allen Arbeitnehmern offen, unabhängig davon, ob sie schwerbehindert sind oder nicht. Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte stellt lediglich zusätzliche Anforderungen an die Wirksamkeit einer Kündigung, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für arbeitsrechtliche Streitigkeiten.
Welche Gründe können dazu führen, dass mir mein Arbeitgeber kündigen kann, obwohl ich schwerbehindert bin?
Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer bedeutet nicht, dass eine Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Es gibt durchaus Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen können, auch wenn der Arbeitnehmer schwerbehindert ist. Allerdings unterliegt die Kündigung in diesen Fällen strengeren Voraussetzungen.
Betriebsbedingte Gründe können eine Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitsplatz des schwerbehinderten Arbeitnehmers tatsächlich wegfällt. Dies kann beispielsweise bei Umstrukturierungen, Rationalisierungsmaßnahmen oder einem Auftragsrückgang der Fall sein. Wichtig ist hierbei, dass der Arbeitgeber sorgfältig prüft, ob eine Umsetzung auf einen anderen, gleichwertigen Arbeitsplatz möglich ist. Zudem muss bei der Sozialauswahl die Schwerbehinderung besonders berücksichtigt werden.
Verhaltensbedingte Gründe können ebenfalls zu einer Kündigung führen. Hierzu zählen schwerwiegende Pflichtverletzungen wie Diebstahl, Betrug oder beharrliche Arbeitsverweigerung. Allerdings muss der Arbeitgeber in der Regel zunächst eine Abmahnung aussprechen und dem schwerbehinderten Arbeitnehmer die Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern. Nur wenn trotz Abmahnung keine Besserung eintritt, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Personenbedingte Gründe können eine Kündigung begründen, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Dies kann bei lang andauernder oder häufiger Krankheit der Fall sein, wenn eine negative Gesundheitsprognose vorliegt und die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt werden. Auch hier muss der Arbeitgeber jedoch zunächst prüfen, ob durch technische Hilfsmittel oder eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes Abhilfe geschaffen werden kann.
Es ist wichtig zu betonen, dass in allen Fällen die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Das Integrationsamt prüft, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht und ob alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Dabei werden auch die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt.
In Ausnahmefällen kann eine Kündigung auch ohne Zustimmung des Integrationsamtes wirksam sein. Dies gilt etwa, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder wenn die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht anerkannt oder beantragt war.
Es ist zu beachten, dass die Hürden für eine Kündigung bei schwerbehinderten Arbeitnehmern höher sind als bei nicht behinderten Beschäftigten. Der Arbeitgeber muss in jedem Fall sorgfältig prüfen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen und ob die Kündigung verhältnismäßig ist. Zudem sollte er das betriebliche Eingliederungsmanagement durchführen und die Schwerbehindertenvertretung einbeziehen, bevor er eine Kündigung in Betracht zieht.
Trotz des besonderen Kündigungsschutzes können also betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe zu einer Kündigung führen, wenn sie schwerwiegend genug sind und alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung hängt jedoch stark vom Einzelfall ab und erfordert eine sorgfältige Abwägung aller Umstände.
Welche Fristen muss mein Arbeitgeber beachten, wenn er mich kündigen möchte?
Bei der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber mehrere wichtige Fristen beachten. Zunächst gilt eine gesetzliche Mindestkündigungsfrist von vier Wochen für schwerbehinderte Beschäftigte gemäß § 169 SGB IX. Diese Frist beginnt mit dem Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer und kann nicht verkürzt werden.
Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Hierfür gibt es keine festgelegte Frist, jedoch sollte der Arbeitgeber ausreichend Zeit einplanen, da das Verfahren beim Integrationsamt mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ist in der Regel unwirksam.
Der Arbeitgeber muss zudem die Schwerbehindertenvertretung über die geplante Kündigung informieren. Dies hat unverzüglich zu erfolgen, sobald die Kündigungsabsicht besteht. Die Schwerbehindertenvertretung hat dann eine Woche Zeit, um Stellung zu nehmen. Bei einer außerordentlichen Kündigung verkürzt sich diese Frist auf drei Tage.
Neben diesen speziellen Fristen gelten auch die allgemeinen gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB. Diese staffeln sich nach der Betriebszugehörigkeit und reichen von vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende bei einer Beschäftigungszeit unter zwei Jahren bis hin zu sieben Monaten zum Monatsende bei einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren oder mehr.
Es ist wichtig zu beachten, dass der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte erst nach Ablauf der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses greift. In den ersten sechs Monaten, die üblicherweise der Probezeit entsprechen, kann der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Integrationsamtes kündigen.
Sollte dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannt sein, muss der Arbeitnehmer ihn innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung darüber informieren. Nur so kann der besondere Kündigungsschutz nachträglich geltend gemacht werden.
Bei einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gelten kürzere Fristen. Der Arbeitgeber muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen aussprechen, nachdem er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Auch hier ist jedoch die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich, sofern das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht.
Die Einhaltung dieser Fristen ist für die Wirksamkeit der Kündigung von entscheidender Bedeutung. Eine Missachtung kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, erfolgreich gegen die Kündigung vorzugehen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Gleichgestellter schwerbehinderter Mensch: Eine Person, die nicht den Grad der Behinderung von mindestens 50 hat, aber dennoch aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung im Arbeitsleben besonderen Schutz benötigt. Sie erhält ähnliche Rechte wie schwerbehinderte Menschen, wie z.B. den besonderen Kündigungsschutz. Im vorliegenden Fall war die Arbeitnehmerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, obwohl ihr Grad der Behinderung nur 40 betrug.
- Zustimmungsverfahren: Ein Verfahren, bei dem das Integrationsamt prüft, ob die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen gerechtfertigt ist. Das Integrationsamt wägt die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers ab und entscheidet, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall hatte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur Kündigung beantragt, die zunächst erteilt, dann aber wieder versagt wurde.
- Widerspruchsbescheid: Ein Bescheid, der ergeht, wenn ein Widerspruch gegen eine Entscheidung des Integrationsamtes erfolgreich ist. Der Widerspruchsbescheid hebt die ursprüngliche Entscheidung auf und ersetzt sie durch eine neue Entscheidung. Im vorliegenden Fall wurde der Widerspruchsbescheid erlassen, nachdem die Arbeitnehmerin gegen die Zustimmung zur Kündigung Widerspruch eingelegt hatte.
- Rechtsschutzbedürfnis: Das Interesse einer Person, ihre Rechte durch ein Gerichtsverfahren durchzusetzen. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn die Person durch eine Rechtsverletzung in ihren Rechten beeinträchtigt ist und ein Gerichtsverfahren zur Wiederherstellung ihrer Rechte erforderlich ist. Im vorliegenden Fall wurde die Klage der Arbeitgeberin zunächst als unzulässig abgewiesen, weil das Gericht kein Rechtsschutzbedürfnis sah.
- Eingliederungszuschuss: Eine finanzielle Unterstützung, die Arbeitgeber erhalten können, wenn sie schwerbehinderte Menschen einstellen oder weiterbeschäftigen. Der Eingliederungszuschuss soll die Arbeitgeber bei den Kosten unterstützen, die durch die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen entstehen können. Im vorliegenden Fall argumentierte die Arbeitgeberin, dass ihr möglicherweise eine Rückzahlungspflicht bezüglich Eingliederungszuschüssen drohe.
- Sachentscheidung: Eine Entscheidung, die sich auf den Inhalt eines Rechtsstreits bezieht und die Rechte und Pflichten der Beteiligten festlegt. Im Gegensatz dazu steht die Verfahrensentscheidung, die sich nur auf den Ablauf des Verfahrens bezieht. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass das Integrationsamt keine Sachentscheidung mehr treffen durfte, nachdem sich das Verfahren erledigt hatte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 15 KSchG (Kündigungsschutzgesetz): Dieses Gesetz regelt den allgemeinen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer. Es besagt, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Im vorliegenden Fall ist § 15 KSchG relevant, da die Arbeitgeberin die Kündigung der schwerbehinderten Arbeitnehmerin mit betrieblichen Gründen rechtfertigte.
- § 168 SGB IX (Sozialgesetzbuch Neuntes Buch): Dieser Paragraph regelt den besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen. Er besagt, dass eine Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamtes zulässig ist. Das Integrationsamt prüft, ob die Kündigung durch die Behinderung des Arbeitnehmers bedingt ist und ob Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung bestehen. Im vorliegenden Fall ist § 168 SGB IX zentral, da die Arbeitgeberin die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung beantragt hatte.
- § 172 SGB IX: Dieser Paragraph regelt das Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen des Integrationsamtes. Er gibt dem Arbeitnehmer das Recht, Widerspruch gegen die Entscheidung des Integrationsamtes einzulegen, wenn er mit der Entscheidung nicht einverstanden ist. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitnehmerin von diesem Recht Gebrauch gemacht und Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eingelegt.
- § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung): Diese Vorschrift regelt den Streitgegenstand bei Anfechtungsklagen gegen Widerspruchsbescheide. Sie besagt, dass der Widerspruchsbescheid alleiniger Gegenstand der Klage sein kann, wenn er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält. Im vorliegenden Fall ist diese Vorschrift relevant, da die Arbeitgeberin gegen den Widerspruchsbescheid des Integrationsamtes geklagt hat.
- § 43 Abs. 1 VwVfG (Verwaltungsverfahrensgesetz): Diese Vorschrift regelt die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts. Sie besagt, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Im vorliegenden Fall ist diese Vorschrift relevant, da das Gericht den Widerspruchsbescheid des Integrationsamtes als rechtswidrig aufgehoben hat.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – Az.: OVG 6 B 9.16 – Urteil vom 31.03.2017
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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. Oktober 2015 geändert. Der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin – Integrationsamt – vom 12. März 2015 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beigeladene ist mit einem Grad der Behinderung von 40 vom Hundert anerkannt und wurde mit Bescheid der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte vom 7. Oktober 2014 gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX rückwirkend ab März 2013 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Sie war bei der Klägerin als Projektentwicklerin im Zeitraum 1. März 2013 befristet bis zum 28. Februar 2015 angestellt.
Unter dem 9. September 2014 beantragte die Klägerin bei dem Integrationsamt des Beklagten die Erteilung der Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des mit der Beigeladenen bestehenden Arbeitsverhältnisses. Diesem Antrag entsprach das Integrationsamt mit Bescheid vom 10. Oktober 2014. Auf den Widerspruch der Beigeladenen fand am 19. Februar 2015 die Sitzung des Widerspruchsausschusses bei dem Integrationsamt statt. Dieser verkündete seine Entscheidung, wonach dem Widerspruch stattzugeben und die beantragte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung zu versagen sei. Der diese Entscheidung umsetzende Widerspruchsbescheid erging am 12. März 2015, wurde am 16. März 2015 abgesandt und ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses am 18. März 2015 zugegangen.
Bereits am 13. März 2015 hatten die Beigeladene und die Klägerin im Rahmen der parallel laufenden Kündigungsschutzklage der Beigeladenen vor dem zuständigen Arbeitsgericht einen Vergleich geschlossen, wonach beide sich u.a. darüber einig seien, dass das Arbeitsverhältnis infolge seiner Befristung zum 28. Februar 2015 ende und die dortige Klägerin (also die Beigeladene des hiesigen Verfahrens) aus der Entscheidung des Widerspruchsausschusses des Integrationsamtes vom 19. Februar 2015 keine Rechte für sich ableite. Damit sei der Rechtsstreit insgesamt erledigt und alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ausgeglichen.
Die am 15. April 2015 erhobene Klage, mit der sich die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 wendet, hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 22. Oktober 2015 mit der Begründung abgewiesen, sie sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Dabei könne dahin gestellt bleiben, ob der in Unkenntnis des arbeitsgerichtlichen Vergleichs zugestellte Widerspruchsbescheid des Beklagten objektiv rechtswidrig gewesen sei. Selbst wenn man dies annähme, weise der vorliegende Fall Besonderheiten auf, die gleichwohl zur Verneinung des Rechtsschutzinteresses führten.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, die Klage sei zulässig. Sie habe schon deshalb ein Rechtsschutzinteresse, weil sie unter Umständen einer Rückzahlungspflicht gemäß § 92 Abs. 2 und Abs. 3 SGB III ausgesetzt sei. Das Rechtsschutzinteresse ergebe sich außerdem unter dem Aspekt ihres grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Als Stiftung unterliege sie der Stiftungsaufsicht sowie den Grundsätzen der Gemeinnützigkeit. Sie habe daher ein vitales Interesse daran, in der Öffentlichkeit nicht in zweifelhaftem Licht dazustehen. Die Klage sei zudem begründet, weil der Widerspruchsbescheid rechtswidrig sei. Die darin getroffene Feststellung, die Kündigung sei unter Verstoß gegen Vorschriften zum Schutz schwerbehinderter Menschen erfolgt, sei unzutreffend.
Sie beantragt,
1. Das Urteil des VG Berlin zum Az. VG 22 K 75.15 vom 22.10.2015 wird geändert.
2. Der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin – Integrationsamt – vom 12.3.2015 zu m Az.: II C 1104 – WA 230/14 wird aufgehoben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Klage sei unzulässig. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Widerspruchsbescheid eine dreipolige Beziehung betreffe. Seine isolierte Aufhebung hätte zur Folge, dass der die Zustimmung zur Kündigung der Beigeladenen erteilende Ausgangsbescheid einen für diese negativen Rechtsschein erzeuge.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Sie macht geltend, der Widerspruchsbescheid sei inhaltlich zu Recht ergangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der beigezogenen Akte des Arbeitsgerichts Berlin – 6 Ca 15299/14 – verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Sache konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter verhandelt und entschieden werden, weil die Beteiligten hierzu schriftlich ihr Einverständnis erklärt haben (§ 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO).
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Streitgegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage ist zulässigerweise allein der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015. Gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann der Widerspruchsbescheid dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält. Das ist hier schon deshalb zu bejahen, weil sich das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt erledigt hatte und gleichwohl eine Widerspruchentscheidung in der Sache ergangen ist (BVerwG, Urteil vom 12. April 2001 – 2 C 10/00, NVwZ 2001, S. 1288, Rn. 18 bei juris; Pietzcker, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 79, EL 17 Oktober 2008, Rn. 13).
Das auf Erteilung bzw. Verweigerung der Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gerichtete Verwaltungsverfahren des Integrationsamtes erledigt sich, wenn der betroffene schwerbehinderte Arbeitnehmer ohne Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (Düwell, in Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Auflage 2014, § 88 Rn. 29; Trenk-Hinterberger, in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 2. Auflage, 2010, § 88 Rn. 63). So ist es hier. Das Widerspruchsverfahren hat sich infolge des arbeitsgerichtlichen Vergleiches vom 13. März 2015, mit dem die Beigeladene aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ausgeschieden ist, erledigt.
Eine Erledigung des Verwaltungsverfahrens vor Wirksamwerden eines Widerspruchsbescheides hat in Ermangelung eines gesetzlich vorgesehenen sog. Fortsetzungsfeststellungswiderspruchs zur Folge, dass nach diesem Zeitpunkt eine Widerspruchsentscheidung in der Sache nicht mehr ergehen darf. Das Widerspruchsverfahren ist vielmehr einzustellen. Ergeht dennoch ein Widerspruchsbescheid, ist dies unzulässig und stellt im Falle einer belastenden Entscheidung eine Beschwer dar. Das ist vorliegend anzunehmen. Durch den gegenüber der Beigeladenen stattgebenden Widerspruchsbescheid ist die Klägerin beschwert, denn es wird der Eindruck erweckt, der beantragten ordentlichen (fristgemäßen) Kündigung der Beigeladenen durch die Klägerin sei bestandskräftig die schwerbehindertenrechtlich erforderliche Zustimmung versagt worden.
Ein rechtlich schützenswertes Interesse zur Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes lässt sich der Klägerin schon vor diesem Hintergrund nicht absprechen. Ob ihr darüber hinaus ein Rechtsschutzbedürfnis aus den von ihr angeführten Aspekten erwächst, bedarf keiner Vertiefung.
Zugleich hat dies zur Folge, dass der Widerspruchsbescheid unzulässig und daher aufzuheben ist (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 – 8 C 30/87 -, BVerwGE 81, 226 ff., Rn. 10 bei juris; Urteil vom 12. April 2001 – 2 C 10/00 -, NVwZ 2001, S. 1288, Rn. 18 bei juris).
Dass der Widerspruchsbescheid auf den 12. März 2015, also einen vor dem erledigenden Ereignis liegenden Zeitpunkt datiert, ist nicht von Bedeutung, weil maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt seines Erlasses, sondern auf den Zeitpunkt seines Wirksamwerdens abzustellen ist. Wirksamkeit gegenüber den Beteiligten (sog. innere Wirksamkeit) entfaltet der Widerspruchsbescheid erst mit seiner Zustellung, die hier am 18. März 2015 und damit nach dem erledigenden Ereignis erfolgt ist. Das ergibt sich aus § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Nach dieser Vorschrift wird die Entscheidung des Integrationsamtes dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt (Trenk-Hinterberger, in Lachwitz / Schellhorn / Welti, HK-SGB IX, 2. Auflage, 2010, § 88 Rn. 43; sowie zur Parallelvorschrift § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO: BVerwG, Urteil vom 10. April 1978 – VI C 27.77 -, BVerwGE 55, 299 ff., Rn. 21 ff. bei juris; Kopp/Schenke, VwGO 22. Auflage 2016, § 73 Rn. 22).
Daran ändert auch nichts, dass der Widerspruchsausschuss seine Entscheidung bereits am 19. Februar 2015, also vor Eintritt des erledigenden Ereignisses, getroffen und im Beisein der Verfahrensbeteiligten verkündet hat. Hierauf kommt es nicht an. Denn Streitgegenstand ist nicht die Entscheidung vom 19. Februar 2015, sondern allein der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015 (§ 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Ob man die mündlich verkündete Entscheidung des Widerspruchsausschusses überhaupt (isoliert) gerichtlich angreifen könnte, kann dabei auf sich beruhen. In gerichtlichen Verfahren zur Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes wird regelmäßig der angefochtene Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid, nicht aber eine etwaig vorangegangene Entscheidung überprüft und gegebenenfalls beseitigt. Für Letzteres besteht weder ein Bedürfnis noch eine Notwendigkeit.
2. Es bestehen im vorliegenden Fall auch keine Besonderheiten, die ausnahmsweise gleichwohl zur Verneinung des Rechtsschutzinteresses führen können.
Dass das rechtliche Hauptinteresse der Klägerin in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen bestanden haben mag, während sich ihr rechtliches Interesse gegenüber dem Beklagten auf die dem Hauptinteresse untergeordnete Einholung eines vom Gesetz vorgeschriebenen „Zwischenschritts“ in Form der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung beschränkte, ändert nichts daran, dass der Widerspruchsbescheid unzulässigerweise ergangen ist und damit der Aufhebung unterliegt.
Auch dass den Beteiligten die ihnen mündlich bereits vorab verkündete Widerspruchsentscheidung bekannt gewesen ist und sie diese ausdrücklich in den vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich einbezogen haben, ändert an diesem Befund nichts. Der durch den Widerspruchsbescheid erzeugte öffentlich-rechtliche Rechtsschein wird durch eine privatrechtliche Vereinbarung nicht beseitigt.
Unerheblich ist zudem, ob der Widerspruchsbescheid in Unkenntnis der Sachlage (so im vorliegenden Fall), oder in Verkennung der Rechtslage (so in den vom BVerwG entschiedenen, oben zitierten Fällen vom 20. Januar 1989 und vom 12. April 2001) ergangen ist. Maßgeblich ist allein, dass der Widerspruchsbescheid im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens nicht mehr hätte ergehen dürfen.
Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, es könne für die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses nicht darauf ankommen, ob der Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Zustimmungsfrage zufällig unmittelbar vor dem arbeitsgerichtlichen Termin oder wenige Tage danach zugestellt werde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Frage des Zufalls – aus behördlicher Sicht also die Frage, ob das erledigende Ereignis der behördlichen Einflusssphäre entstammt – vorliegend keine Rolle spielt. Auch insoweit ist allein die objektive Sachlage, die dem Erlass des Widerspruchsbescheides entgegenstand, von Bedeutung. Dass außerhalb der Einflusssphäre der Beteiligten liegende Umstände die rechtliche Beurteilung der gesetzlich festgelegten Wirksamkeitserfordernisse entscheidend beeinflussen können, ist in der Regelungssystematik des Gesetzes letztlich angelegt und hinzunehmen. Ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung eines sachlich unrichtigen Widerspruchsbescheides besteht jedenfalls nicht. Es wäre in der gegebenen Konstellation Sache des Beklagten gewesen, rechtmäßige Zustände herzustellen, indem er den Widerspruchsbescheid aufhebt. Das wäre ihm übrigens auch noch vor Erhebung der Klage ohne weiteres möglich gewesen, nachdem die Klägerin ihm mit Schreiben am 17. März 2015 Mitteilung von dem arbeitsgerichtlichen Vergleich gemacht hatte.
Etwas anderes gilt – entgegen der Auffassung des Beklagten – auch nicht deshalb, weil in der vorliegenden Konstellation der die Zustimmung zur Kündigung erteilende Ausgangsbescheid bei isolierter Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Umständen einen negativen Rechtsschein zu Lasten der Beigeladenen erzeugen kann. Streitgegenstand ist und bleibt allein der Widerspruchsbescheid vom 12. März 2015.
3. Vor dem dargelegten Hintergrund kommt es auf die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob der Widerspruchsbescheid inhaltlicher Korrektur bedurft hätte, nicht an.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie keinen Antrag gestellt und sich demgemäß keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.