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Kündigung wegen Auftragsrückgang – Sozialauswahl

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 744/11 – Urteil vom 03.04.2012

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.11.2011 – 9 Ca 1258/11 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie darum, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Weiterbeschäftigung des Klägers fortbesteht.

Der am 03. Dezember 1953 geborene, verheiratete Kläger ist seit 12. Januar 1998 bei der Beklagten aufgrund zunächst befristeten Arbeitsvertrags vom 08. Januar 1998 (Bl. 4 – 6 d. A.) und dann unbefristeten Arbeitsvertrags vom 09. Juli 1998 (Bl. 7 – 9 d. A.) als Maschinenschlosser beschäftigt. In Ziffer 1 des zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrages der Parteien vom 09. Juli 1998 (Bl. 7 – 9 d. A.) ist u.a. folgendes geregelt:

„Herr C. wird ab 01. Juli 1998 als Maschinenschlosser auf unbestimmte Zeit in die Dienste des Arbeitgebers übernommen.

Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare Arbeit im gleichen Betrieb zuzuweisen, die seinen Vorkenntnissen und Fähigkeiten entspricht, sowie das Aufgabengebiet aus organisatorischen Gründen zu ändern.

(…)“

Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Maschinenschlosser. Er ist bei der Beklagten im Wesentlichen in dem Bereich „Sägen und Entgraten“ eingesetzt. Zeitweise war er in der Vergangenheit auch in anderen Abteilungen beschäftigt.

Die Beklagte beschäftigte vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung zuletzt 35 Arbeitnehmer. Für ihren Betrieb war in der Zeit von März 2009 bis November 2010 Kurzarbeit angeordnet.

Mit Schreiben vom 29. März 2011 (Bl. 10, 11 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. August 2011. Neben dem Kläger kündigte sie aus betriebsbedingten Gründen auch zwei weiteren Arbeitnehmern.

Mit seiner am 07. April 2011 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass „das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die am 29. März 2011 erklärte Kündigung der Beklagten zum 31. August 2011 nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht.“ Mit seiner Klageerweiterung vom 10. Juni 2011 hat der Kläger seine Weiterbeschäftigung als Maschinenbauer verlangt.

Gemäß Aufforderung der Beklagten ist der Kläger über den 31. August 2011 hinaus weiterbeschäftigt worden, ohne dass hierüber eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien abgeschlossen worden ist. Daraufhin hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 08. November 2011 darauf berufen, dass sich sein Arbeitsverhältnis aufgrund seiner vorbehaltlosen Weiterbeschäftigung über den 31. August 2011 hinaus fortgesetzt habe, so dass der Klage ohne weiteres stattzugeben sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Auftragslage zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei gut gewesen. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Material sei der Monatsumsatz in den Kalendermonaten Januar, Februar und März 2011 in jedem einzelnen Monat höher als in den vorangegangenen zwölf Monaten gewesen, was im Übrigen auch für den Auftragseingang gelte. Die bis November 2010 andauernde Kurzarbeit sei beendet worden, weil sich die Auftragslage nachhaltig verbessert habe. Soweit die Beklagte darauf verwiesen habe, dass es einen erneuten Auftragseinbruch gegeben habe, so könne er dies nicht bestätigen. Vielmehr habe er wegen der aus seiner Sicht enormen Auftragslage wie auch schon in der Vergangenheit in anderen Abteilungen wieder aushelfen müssen. Der Vortrag der Beklagten sei bezüglich der dringenden betrieblichen Erfordernisse nicht schlüssig. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, wie mit den verbleibenden Mitarbeitern die Aufträge ohne überobligatorische Beanspruchung erledigt werden könnten, zumal nicht nur er, sondern auch viele seiner Arbeitskollegen auch noch zusätzlich samstags gearbeitet hätten. Die Beklagte habe auch keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt. Mit Ausnahme der in der Verwaltung tätigen Mitarbeiter hätten alle anderen Mitarbeiter in die Sozialauswahl mit einbezogen werden müssen. Insbesondere sei er mit allen Mitarbeitern in den Abteilungen F1, F2 und F3 vergleichbar. Bei den meisten im Betrieb der Beklagten ausgeführten Tätigkeiten handele es sich um sog. Anlerntätigkeiten, die er als Maschinenschlosser sofort oder mit kurzer Anlernzeit ausüben könne. In der Vergangenheit sei er bis auf den Bereich Lasermaschine und Tischmontage an quasi allen Positionen im Produktionsablauf aller drei Abteilungen und auch in der Abteilung Versand eingesetzt worden, so dass er mit allen dort anfallenden Arbeiten vertraut sei oder diese nach kurzer Einarbeitungszeit erbringen könne. Im Hinblick darauf, dass er entsprechend seinem Berufsbild über Grundkenntnisse im Schweißen verfüge, könne er nach Absolvierung eines Schweißlehrgangs in kurzer Zeit im Betrieb auch Schweißtätigkeiten ausüben. Insbesondere könne er auch die Arbeiten ausführen, die von den Mitarbeitern S., K., N., Si. und E. ausgeübt würden. Diese Mitarbeiter, die allesamt aufgrund ihrer geringeren Punktezahl vor ihm hätten gekündigt werden müssen, könnten nicht aufgrund einer besonderen Qualifikation aus der Sozialauswahl herausgenommen werden. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche besondere Qualifikation welcher Mitarbeiter besitzen solle. So ergebe sich in Bezug auf den als Einrichter eingesetzten Herrn Si. aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen, dass er dessen Tätigkeit auch nach kürzester Einarbeitungszeit übernehmen könne, zumal die angeführten Seminare jeweils nur wenige Tage gedauert hätten. Die von Herrn Si. bedienten und eingerichteten Maschinen könnten nach kurzer Anlernzeit von jedermann bedient werden. Auch wenn der Mitarbeiter E. zwischenzeitlich wohl zum Anlagenführer aufgerückt sei, ergebe sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht, welche Kenntnisse man benötige, um die Pulverbeschichtungsanlage zu führen. Er sei jedenfalls der Auffassung, dass er aufgrund seiner Kenntnisse nach adäquater Einarbeitungszeit auch die Pulverbeschichtungsanlage bedienen könne. Weiterhin könne er auch die Anlerntätigkeit des Herrn K. an der Punktschweißmaschine nach kurzer Einarbeitungszeit ausführen und ebenso wie dieser als Springer an der Pulverbeschichtungsmaschine eingesetzt werden, zumal er an der Pulverbeschichtungsmaschine schon gearbeitet habe. Aus dem Vortrag der Beklagten ergebe sich nicht, welche speziellen Kenntnisse erforderlich sein sollen, um eine Maschine zu bedienen, die nach kurzer Einarbeitungszeit von jedem normal begabten Menschen bedient werden könne. Herr S. arbeite quasi als Hausmeister, so dass er selbstverständlich auch dessen Tätigkeiten ausüben könne. Unabhängig davon sei der Klage bereits deshalb ohne weiteres stattzugeben, weil er nach entsprechender Aufforderung von seinem unmittelbaren Vorgesetzten Anfang August 2011 in Rücksprache mit dem Personalleiter über den 31. August 2011 hinaus vorbehaltlos weiterbeschäftigt worden sei. Es sei auch kein Prozessrechtsarbeitsverhältnis vereinbart worden, was im Übrigen auch an der mangelnden Schriftform scheitern würde.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die am 29. März 2011 erklärte Kündigung der Beklagten zum 31. August 2011 nicht aufgelöst ist, sondern ungekündigt fortbesteht, die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenschlosser weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in ihrem Betrieb entgegenstünden, bedingt. Bei ihr bestehe aufgrund massiven Auftragsrückgangs schon seit geraumer Zeit ein großer Rückgang des Arbeitsanfalls. Auch nach der zweijährigen Kurzarbeit sei erneut ein massiver Auftragsrückgang eingetreten, welcher zu einem entsprechenden Rückgang des Arbeitsanfalls geführt habe. Die Gründe hierfür lägen in der Insolvenz der Tochtergesellschaft T. durch einen Einbruch der Tischfertigung und eines ihrer wichtigsten Kunden, der Firma O. AG. Aufgrund des Wegfalls von Aufträgen der bisherigen Fertigungslinie habe die Produktion nicht nur eingeschränkt, sondern auch auf neue Produkte und Aufträge umgestellt werden müssen. So seien auch Lohnfertigungen, etwa von Blechteilen spezieller Art, in das Produktionsprogramm aufgenommen worden. Nachdem sich die Auftragslage im Jahr 2011 zunächst deutlich verbessert habe, sei es dann zu einem erneuten Auftragseinbruch gekommen, welcher die Geschäftsleitung zum Handeln gezwungen habe. Wie das vorgelegte Balkendiagramm (Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 20. Juli 2011 = Bl. 87 d. A.) nebst D. (Anlage B 8 zum Schriftsatz vom 20. Juli 2011 = Bl. 88 – 103 d. A.) zeige, seien Auftragseingang und Umsatz bei ihr ab April 2011 deutlich zurückgefallen. Der Rückgang sei dramatisch gewesen. Zu den Zahlen sei festzustellen, dass bereits im März 2011 und sogar schon früher ihrer Geschäftsleitung klar gewesen sei, dass es im April einen ganz erheblichen Einbruch von Auftragseingang und Umsatz geben würde, wobei völlig offen gewesen sei, wie lange dieser Einbruch anhalten würde. Schließlich sei auch keine fehlerhafte Sozialauswahl getroffen worden. Bei der von ihr vorgenommenen Punktebewertung gemäß der vorgelegten Liste zur Sozialauswahl (Anlage B 2 zum Schriftsatz vom 23. Mai 2011 = Bl. 39 d. A.) sei die Herausnahme der Leistungsträger aus der Sozialauswahl nach Maßgabe der vorgelegten Auswahlliste (Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 23. Mai 2011 = Bl. 45 – 50 d. A.) zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich, dass der Kläger zu den relativ wenig flexiblen Mitarbeitern gehöre, während andere Mitarbeiter durch ihre umfassenden Qualifikationen auch auf anderen Kostenstellen einsetzbar seien. Hiernach zähle der Kläger nicht zu den Leistungsträgern und sei auch im Hinblick auf seine Qualifikation auf anderen Kostenstellen nur wenig einsetzbar. Aus der vorgelegten Auswahlliste werde ersichtlich, dass unter Berücksichtigung der einzelnen Komponenten für Leistungsträger im Betrieb niemand mit dem Kläger vergleichbar sei, womit praktisch die soziale Auswahl entfalle. Ausweislich der Tabelle der Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 23. Mai 2011 (Bl. 45 – 50 d. A.) sei der Kläger ebenso wie die beiden anderen gekündigten Mitarbeiter nicht auf anderen Arbeitsplätzen einsetzbar. Der Bereich Sägen und Entgraten, in welchem der Kläger beschäftigt sei, diene ausschließlich der Vorratsfertigung. Aufgrund des zum Kündigungszeitpunkt vorhandenen und auch jetzt noch teilweise vorhandenen Arbeitsmangels könnten die in diesem Bereich anfallenden Arbeiten bei Bedarf von anderen qualifizierten Mitarbeitern übernommen werden. Die vom Kläger namentlich aufgeführten Mitarbeiter hätten allesamt spezielle Kenntnisse und Aufgabenbereiche, welche der Kläger nicht besitze bzw. welche er nicht übernehmen könne. So sei Herr A. N. einer der erfahrensten Monteure der gesamten Produktpalette motorisch verstellbarer Systeme und sowohl im Telefonservice als auch im bundesweiten Vorortservice eingesetzt sowie als qualifizierter Schweißer einsetzbar. Herr Si. sei als besonders ausgebildeter Presseneinrichter tätig und habe hierzu diverse Weiterbildungsmaßnahmen gemäß den vorgelegten Unterlagen (Anlagen B 5 und B 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20. Juli 2011 = Bl. 83 – 86 d. A.) besucht. Herr E. sei Anlagenführer an der Pulverbeschichtungsmaschine mit genauen Kenntnissen im Auftragen optisch ansprechender Pulverlackschichten sowie Kenntnissen in der Wartung, Filterreinigung, Schichtdicke und Materialkunde. Darüber hinaus habe er Kenntnisse in der Programmierung und Bedienung von CNC-Abkantpressen, Tafelschere sowie sonstigen CNC-Bearbeitungszentren. Herr K. bediene die Punktschweißmaschine und werde als Springer an der Pulverbeschichtung eingesetzt. Als Punktschweißer habe er spezielle Kenntnisse in der Einrichtung und Bedienung der Widerstandspunktschweißmaschinen, welche nicht „gerade nebenbei“ erworben werden könnten. Herr K. beherrsche die Einstellung von über 80 verschiedenen Artikeln, welche in der Fertigung benötigt würden. Herr S. sei hauptsächlich für die Instandhaltung der Anlagen und Gebäude (Maler-, Anstreich- sowie Verputzerarbeiten, Wartungs- und Reparaturarbeiten am Gebäude) sowie als LKW-Fahrer und Maschinenbediener nach Bedarf eingesetzt. Bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter habe sie neben deren Sozialdaten die Überlegung anstellen müssen, welche Mitarbeiter am ehesten entbehrlich und welche Mitarbeiter aufgrund ihrer Spezialkenntnisse und breiten Einsatzmöglichkeiten im Betrieb nicht entbehrlich seien. Diese Überlegungen habe sie in der Auswahl richtig angestellt und daher entsprechend handeln müssen. Die teilweise unberechenbare Entwicklung der betrieblichen Auslastung zwinge den Arbeitgeber dazu, diejenigen Mitarbeiter im Betrieb zu halten, welche aufgrund ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten flexibel ein breites Band von Aufgabenstellungen abdecken könnten und daher nicht entbehrlich seien. Das betriebliche Interesse an der Herausnahme der Leistungsträger und das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers seien gegeneinander abzuwägen. Hier sei von entscheidender Bedeutung, dass neben den anderen gekündigten Mitarbeitern nur der Kläger für eine weitere Kündigung in Frage gekommen sei.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10. November 2011 verwiesen. Mit Urteil vom 10. November 2011 – 9 Ca 1258/11 – hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31. August 2011 beendet worden sei, weil die Parteien eine vertragliche Vereinbarung über die befristete Beschäftigung des Klägers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anhängige Kündigungsschutzklage getroffen hätten und die Befristung mangels Einhaltung der in § 14 Abs. 4 TzBfG vorgeschriebenen Schriftform unwirksam sei. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist eine vertragliche Vereinbarung zugrunde liege und diese eine Befristung zum Gegenstand habe, sei nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts durch Auslegung der ausdrücklichen und konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln. Nach den Bekundungen des vernommenen Zeugen B. sei davon auszugehen, dass die Weiterbeschäftigung des Klägers auf vertraglicher Grundlage erfolgt sei, weil in der Aufforderung zur weiteren Arbeitsleistung ein Angebot der Beklagten zu sehen sei, welches der Kläger konkludent angenommen habe. Dabei sei dem Kläger ausdrücklich mitgeteilt worden, dass die Weiterbeschäftigung „bis zum Abschluss des Verfahrens“ erfolgen solle, womit der Kläger einverstanden gewesen sei. Nach den Erörterungen im Termin habe die Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten insbesondere auch ergeben, dass die Beklagte den Kläger zum damaligen Zeitpunkt gerade wegen der guten Auftragsauslastung für weitere Arbeiten benötigt habe und damit eine vertragliche Grundlage für die Beschäftigung des Klägers habe schaffen wollen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte den Kläger lediglich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungsurteil habe beschäftigen wollen, weil im Hinblick auf die damals bereits erfolgte Terminsverlegung des ursprünglich auf den 04. August 2011 anberaumten Kammertermins noch keine Zwangsvollstreckung aus einem evtl. Weiterbeschäftigungsurteil gedroht habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei auch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Abschluss eines anhängigen Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer Kündigung ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag, durch den die Arbeitsvertragsparteien für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung im laufenden Verfahren eine arbeitsvertragliche Grundlage schaffen würden. Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarung der Parteien eine Befristung zum Gegenstand gehabt habe, hätte diese gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform bedurft, woran es vorliegend fehle.

Gegen das ihr am 14. Dezember 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 27. Dezember 2011 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20. Januar 2012, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 23. Januar 2012 eingegangen, begründet.

Die Beklagte trägt vor, sie sei davon ausgegangen, dass sie ohne rechtliche Nachteile dem Kläger die Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Rechtsstreits der ersten Instanz erlauben könne, weil mit einem klageabweisenden Urteil dann das Beschäftigungsverhältnis automatisch enden würde. Sie habe damit verhindern wollen, dass sie im Falle eines klagestattgebenden Urteils dem Kläger den Lohn für die Zeit nach dem 31. August 2011 weiterzahlen müsste, obwohl er in der Zwischenzeit nicht mehr beschäftigt gewesen sei. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts liege ein befristeter Arbeitsvertrag nur bei einer kalendermäßigen Befristung vor. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Entscheidung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2003 sei rechtsdogmatisch falsch, weil bei einer mündlichen Vereinbarung über die Weiterbeschäftigung kein befristeter Arbeitsvertrag vorliege, sondern ein faktisches Arbeitsverhältnis bestehe. Richtig sei vielmehr die Entscheidung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Januar 1986, der zur auflösend bedingten Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses der Auffassung sei, dass eine schriftliche Vereinbarung über die Weiterbeschäftigung bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht notwendig sei, sondern die Rechtsbeziehung der Parteien nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses abzuwickeln sei. Dem folge auch die von ihr zitierte wissenschaftliche Literatur.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10. November 2011 – 9 Ca 1258/11 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, das Arbeitsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Form einer befristeten Beschäftigung vereinbart hätten. Er habe die Arbeitsaufforderung der Beklagten aus Sicht eines objektiven Empfängers nur dahingehend verstehen können, dass diese das zum 31. August 2011 beendete Arbeitsverhältnis unter Vereinbarung einer Zweckbefristung fortsetzen oder ein neues befristetes Arbeitsverhältnis begründen wolle, bis Klarheit darüber bestehe, ob die im Kündigungsschutzverfahren angegriffene Kündigung vom 29. März 2011 wirksam sei, zumal die Beklagte ihn aufgrund der guten Auftragslage benötigt habe. Entgegen der Annahme der Beklagten liege ein befristeter Arbeitsvertrag nicht nur im Falle einer kalendermäßigen Befristung vor. Aus §§ 3 Abs. 1 S. 2, 15 Abs. 2 TzBfG gehe hervor, dass ein Arbeitsvertrag auch zweckgebunden befristet werden könne, was vorliegend der Fall gewesen sei. Im Übrigen erfordere auch die Wirksamkeit einer auflösenden Bedingung die Einhaltung der Schriftform gemäß §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG. Unabhängig davon übersehe die Beklagte, dass die fehlende soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung deren Wirksamkeit entgegenstehe und somit das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. August 2011 beendet worden sei. Einen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist habe die Beklagte bereits durch ihr eigenes Verhalten widerlegt. Bei Ablauf der Kündigungsfrist habe die Beklagte über eine so gute Auftragslage verfügt, dass seine Weiterbeschäftigung notwendig gewesen sei. Bereits aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung könne im vorliegenden Fall die Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts nicht herangezogen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und erweist sich auch ansonsten als zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kündigung vom 29. März 2011 ist nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, weil sie sowohl nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG als auch nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Die Beklagte hat dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in ihrem Betrieb entgegenstehen, nicht ausreichend dargetan. Weiterhin hat die Beklagte bei der Auswahl des Klägers die sozialen Gesichtspunkte im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt. Aufgrund der unwirksamen Kündigung ist die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits verpflichtet. Unabhängig davon, dass die Klage bereits aufgrund der unwirksamen Kündigung begründet ist, ergibt sich der unveränderte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts auch daraus, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Prozessbeschäftigung nicht formwirksam (§ 14 Abs. 4 TzBfG) befristet worden ist.

I. Die Kündigung ist nicht aufgrund eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – Rn. 12, NZA 1999, 1098) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Wenn sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände beruft, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im Einzelnen darlegen (substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können (BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – Rn. 13, NZA 1999, 1098).

Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auswirken. Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlass das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt. Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt; eine solche unternehmerische Entscheidung ist selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – Rn. 13, NZA 1999, 1098).

Ein betriebsbedingter Kündigungsgrund kann sich auch aus außerbetrieblichen Umständen ergeben, wenn nämlich der Arbeitgeber, wie im Falle eines schlichten Auftragsverlustes, die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar an die verbliebene bzw. vorhandene Arbeitsmenge anpassen will, die sich aus dem verringerten Auftragsbestand und dem daraus resultierenden verringerten Arbeitsvolumen ergibt. Ein Auftragsrückgang stellt insoweit ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung dar, wenn der Arbeitsanfall so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung mehr besteht. Behauptet der Arbeitgeber, allein der außerbetriebliche Grund habe das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung entfallen lassen, bindet er sich also selbst an die von ihm so gesehenen Sachzwänge, kann das Gericht in vollem Umfang nachprüfen, ob die vom Arbeitgeber behaupteten außerbetrieblichen Umstände für die Kündigung zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorlagen und zukünftig zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen. Dabei muss der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags dem Umstand Rechnung tragen, dass die Einschätzung des zukünftigen – gesunkenen – Beschäftigungsbedarfs und -volumens prognostischen Charakter hat. Der Arbeitgeber muss deshalb den Rückgang des Beschäftigungsvolumens nachvollziehbar darstellen, beispielsweise durch eine Darstellung der Entwicklung und einen Vergleich des Auftrags- und Beschäftigungsvolumens in Referenzperioden (BAG 18. Mai 2006 – 2 AZR 412/05 – Rn. 17, DB 2006, 1962). Ein Auftragsrückgang stellt in der Regel erst dann einen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar, wenn dies zu einem derartigen Rückgang des Arbeitsanfalles führt, dass dadurch für einen oder mehrere Arbeitnehmer ein Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt, d.h. es kommt maßgeblich darauf an, ob durch eine Verschlechterung der Auftragslage ein Überhang an Arbeitskräften entstanden ist, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen ist. Der Arbeitgeber, der sich auf einen Auftragsrückgang als Kündigungsgrund beruft, genügt seiner Darlegungslast nicht schon dann, wenn er lediglich die rückläufigen Umsatzzahlen vorträgt; erforderlich ist vielmehr die substantiierte und nachvollziehbare Darlegung, dass hierdurch mangels ausreichenden Arbeitsanfalles ein Arbeitskräfteüberhang entsteht (LAG Rheinland-Pfalz 14. Juli 2010 – 8 Sa 128/10 – Rn. 32, [juris]).

2. Der Sachvortrag der Beklagten genügt den dargestellten Anforderungen an die ihr gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG obliegende Darlegungslast nicht.

Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher greifbaren Anhaltspunkte sie im Kündigungszeitpunkt welchen – dauerhaften – Auftragsrückgang prognostiziert haben will, der sich als außerbetrieblicher Umstand auf welche Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb in welcher Weise auswirken soll. Die notwendigen Tatsachen zur Beurteilung eines zukünftig dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarfs hat die Beklagte nicht hinreichend dargestellt. Das vorgelegte Balkendiagramm (Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 20. Juli 2011 = Bl. 87 d. A.) lässt ohne eine spezifizierte Darstellung, wie sich die Aufträge und insbesondere die hiermit verbundenen Einsatzmöglichkeiten entwickelt haben sollen und nach welcher Prognose zukünftig entwickeln werden, nicht erkennen, weshalb danach von einem dauerhaften Wegfall welcher Beschäftigungsmöglichkeiten auszugehen sein soll. Gleiches gilt für das als Anlage B 8 zum Schriftsatz vom 20. Juli 2011 (Bl. 88 – 103 d. A.) vorgelegte Zahlenmaterial. Allein der pauschale Verweis da-rauf, dass der Geschäftsleitung der Beklagten angeblich schon im März 2011 bzw. sogar noch früher klar gewesen sein soll, dass es im April einen ganz erheblichen Einbruch von Auftragseingang und Umsatz geben würde, beinhaltet keine nachvollziehbare Prognose zur Begründung eines dauerhaften Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs. Soweit die Beklagte lediglich pauschal angeführt hat, dass „völlig offen“ gewesen sei, wie lange dieser Auftragseinbruch anhalten würde, vermag allein die bloße Ungewissheit, wie sich die Auftragslage entwickeln wird, keine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

Die Beklagte hat auch keine innerbetrieblichen Umstände, insbesondere keine bestimmte unternehmerische Organisationsentscheidung dargelegt. Diesbezüglich hat sie lediglich schlagwortartig darauf verwiesen, dass aufgrund des Wegbrechens von Aufträgen der bisherigen Fertigungslinie die Produktion nicht nur eingeschränkt, sondern auch auf neue Produkte und Aufträge (u.a. Aufnahme von Lohnfertigungen in das Produktionsprogramm) habe umgestellt werden müssen. Daraus lässt sich nicht einmal ansatzweise entnehmen, wann welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen mit welchen Auswirkungen auf welche Beschäftigungsmöglichkeiten getroffen worden sein sollen.

Mithin lässt sich auf der Grundlage des Vortrags der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten bereits ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung nicht feststellen.

II. Weiterhin fehlt es auch an einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 05. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – Rn. 18, NZA 2008, 1120) bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht einer Vergleichbarkeit nicht entgegen („qualifikationsmäßige Austauschbarkeit“). An einer Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund des zugrunde liegenden Arbeitsvertrags nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann („arbeitsvertragliche Austauschbarkeit“).

Nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sind in die Sozialauswahl an sich vergleichbare Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. In dem der Gesetzgeber das bloße betriebliche Interesse nicht ausreichen lässt, sondern weiter fordert, das Interesse müsse „berechtigt sein“, gibt er zu erkennen, dass auch ein vorhandenes betriebliches Interesse „unberechtigt“ sein kann. Das setzt voraus, dass nach dem Gesetz gegenläufige Interessen denkbar und zu berücksichtigen sind, die einer Ausklammerung von sog. Leistungsträgern aus der Sozialauswahl auch dann entgegenstehen können, wenn sie bei einer isolierten Betrachtung des betrieblichen Interesses gerechtfertigt wären. Bei diesen gegenläufigen Interessen kann es sich angesichts des Umstands, dass § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG eine Ausnahme vom Gebot der Sozialauswahl statuiert, nur um die Belange des sozial schwächeren Arbeitnehmers handeln. Die Interessen müssen berechtigt im Kontext mit der Sozialauswahl sein. Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG demnach gegen das betriebliche Interesse an einer Herausnahme sog. Leistungsträger abzuwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, um so gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein. Nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG bleibt es deshalb dabei, dass die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten die Regel darstellt, die Ausklammerung sog. Leistungsträger nach Satz 2 der Norm hingegen die Ausnahme bleiben soll (BAG 05. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – Rn. 20, NZA 2008, 1120).

Die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG liegt gemäß Satz 3 dieser Vorschrift letztlich beim Arbeitnehmer. Allerdings ist auch hier unter Berücksichtigung des Auskunftsanspruchs des Arbeitnehmers von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG liegt hingegen beim Arbeitgeber (BAG 05. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – Rn. 21, NZA 2008, 1120).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt.

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass der Kläger mit den anderen Mitarbeitern der drei Fertigungsbereiche der Produktion nicht vergleichbar ist.

Die arbeitsvertragliche Austauschbarkeit des Klägers als Maschinenschlosser ist nicht auf einen bestimmten Arbeitsplatz bzw. einen bestimmten Bereich beschränkt. Vielmehr hat sich die Beklagte in Ziffer 1 des zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrages vom 09. Juli 1998 ausdrücklich vorbehalten, dem Kläger eine andere zumutbare Arbeit im gleichen Betrieb zuzuweisen, die seinen Vorkenntnissen und Fähigkeiten entspricht, sowie das Aufgabengebiet aus organisatorischen Gründen zu ändern.

Entgegen der Annahme der Beklagten steht die angeblich vielfältigere Einsatzmöglichkeit der anderen Mitarbeiter ihrer grundsätzlichen Vergleichbarkeit mit dem Kläger nicht entgegen. Eine Austauschbarkeit ist erst ausgeschlossen, wenn die betriebliche Spezialisierung und die aktuellen besonderen Umstände einen solchen Grad erreicht haben, dass ein Einsatz der zu kündigenden Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz des „Spezialisten“ auch nach einer angemessenen Einarbeitungszeit nicht möglich ist (BAG 05. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – Rn. 25, NZA 2008, 1120). Ein entsprechender Vortrag der Beklagten fehlt. Ihre Behauptung, die betreffenden Mitarbeiter könnten jeweils bestimmte Maschinen bedienen, die der Kläger nicht bedienen könne, reicht hierzu nicht aus, um zwischen den Mitarbeitern näher zu differenzieren und bestimmte Mitarbeiter aus der Vergleichsgruppe herauszunehmen. Die Beklagte hat nicht gemäß der ihr obliegenden Pflicht zur substantiierten Erwiderung (§ 138 Abs. 2 ZPO) nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher Umstände es sich bei den angeführten Mitarbeitern um Spezialisten handeln soll, die durch den Kläger nicht bzw. nur mit sehr langen Einarbeitungszeiten in deren Tätigkeit zu ersetzen wären. Soweit diese Arbeitnehmer einzelne Tätigkeiten besonders beherrschen bzw. bestimmte Maschinen bedienen können, schließt dies alleine eine Vergleichbarkeit noch nicht aus, sondern könnte allenfalls im Hinblick auf § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG Bedeutung gewinnen (vgl. BAG 05. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – Rn. 24, NZA 2008, 1120). Insbesondere hat die Beklagte nicht dargelegt, welche besonderen Qualifikationen die anderen Mitarbeiter jeweils auf welche Weise erworben haben sollen, die sich der Kläger auch nach einer angemessenen Einarbeitungsfrist nicht aneignen kann. Konkret hat die Beklagte lediglich in Bezug auf den Mitarbeiter Si. bestimmte Qualifikationsnachweise vorgelegt. Bei den angeführten Weiterbildungsmaßnahmen, die dieser Mitarbeiter für seinen Einsatz als Einrichter besucht hat, handelt es sich ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Anlagen B 5 und B 6 zum Schriftsatz vom 20. Juli 2011 = Bl. 81 – 86 d. A.) jeweils lediglich um kurzzeitige Schulungsmaßnahmen, die an wenigen Tagen absolviert worden sind. Weshalb der Kläger als ausgebildeter Maschinenschlosser die von Herrn Si. als Einrichter verrichtete Tätigkeit nach einer angemessenen Einarbeitungszeit bzw. kurzzeitigen Schulungen nicht ebenfalls ausführen können soll, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, zumal der Kläger länger im Betrieb beschäftigt ist und auch in den anderen Abteilungen eingesetzt worden war. In Bezug auf die vom Kläger benannten Mitarbeiter K. und S. hat die Beklagte zur angeblich besonderen Qualifikation dieser Mitarbeiter keine konkreten Angaben gemacht. Die vorgenannten Mitarbeiter weisen jeweils erheblich niedrigere Punktzahlen als der Kläger auf und sind deshalb weit weniger schutzbedürftig als der Kläger.

b) Die Sozialauswahl ist auch nicht deshalb ausreichend, weil nach dem Sachvortrag der Beklagten die mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer als sog. Leistungsträger im Sinne von § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG anzusehen sein sollen.

Unabhängig davon, dass sich mangels substantiierten Vortrags der Beklagten bereits nicht nachvollziehen lässt, welche besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten die betreffenden Mitarbeiter im Einzelnen auf welche Weise erworben haben sollen, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die für § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG notwendige Abwägung stattgefunden hat, wie sie von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefordert wird. Die Beklagte hat diesbezüglich lediglich angeführt, dass von entscheidender Bedeutung sei, dass neben den anderen gekündigten Mitarbeitern nur der Kläger für eine weitere Kündigung in Frage gekommen sei. Weshalb die betrieblichen Interessen gegenüber den Interessen des Klägers vorrangig sein sollen (insbesondere im Verhältnis der Sozialdaten des Klägers mit 152 Punkten im Vergleich zu Herrn Si. mit 32 Punkten), wird von der darlegungspflichtigen Beklagten noch nicht einmal in Ansätzen dargetan.

Danach scheitert die Kündigung auch an der fehlerhaften Sozialauswahl.

III. Die Beklagte ist aufgrund der unwirksamen Kündigung nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 24. Februar 1985 – GS 1/84 – NZA 1985, 702) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenschlosser weiterzubeschäftigen.

IV. Unabhängig davon, dass die Klage bereits aufgrund der unwirksamen Kündigung begründet ist, hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Weiterbeschäftigung des Klägers über den 31. August 2011 hinaus bis zum Abschluss des Verfahrens nicht formwirksam befristet worden ist, so dass sich auch hieraus der unveränderte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ergibt (vgl. hierzu auch LAG Nürnberg 25. Juni 2004 – 9 Sa 151/04 – NZA-RR 2005, 18; LAG Schleswig-Holstein 29. August 2003 – 6 Sa 526/02 – [juris]).

Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend den Klageantrag zu 1) im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 08. November 2011 dahingehend ausgelegt, dass darin neben dem Kündigungsschutzantrag auch ein allgemeiner Feststellungsantrag im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO enthalten ist. Die vorgenommene Antragsauslegung hat sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zurückweisung der Berufung und seinen Ausführungen in der Berufungserwiderungsschrift vom 22. Februar 2012 auch zu eigen gemacht.

Das Arbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger auch und gerade wegen der zum damaligen Zeitpunkt guten Auftragsauslastung bzw. des bestehenden Arbeitsanfalls von Seiten der Beklagten zur weiteren Arbeitsleistung über den 31. August 2011 hinaus bis zum Abschluss des Verfahrens aufgefordert worden ist. Die Beklagte hat auch selbst nicht behauptet, dass sie den Kläger lediglich zur Erfüllung des von ihm mit Schriftsatz vom 10. Juni 2011 gestellten Weiterbeschäftigungsantrags bzw. zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungsurteil weiterbeschäftigen wollte. Vielmehr sollte nach dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung die angebotene Weiterbeschäftigung verhindern, dass sie im Falle eines klagestattgebenden Urteils den Lohn für die Zeit nach dem 31. August 2011 ohne Gegenleistung (Inanspruchnahme der Arbeitsleistung) weiterzahlen muss. Danach ist die einvernehmliche Prozessbeschäftigung des Klägers auf vertraglicher Grundlage erfolgt.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 22. Oktober 2003 – 7 AZR 113/03 – NZA 2004, 1275; 19. Januar 2005 – 7 AZR 113/04 – EzBAT BAT § 53 Beschäftigung Nr. 13) schaffen die Arbeitsvertragsparteien durch die Weiterbeschäftigungsvereinbarung für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage eine arbeitsvertragliche Grundlage, weil sie in dieser Zeit keine Gewissheit darüber haben, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis mit den daraus resultierenden Arbeits- und Beschäftigungspflichten besteht. Hat die Vereinbarung die Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zum – erstinstanzlichen oder rechtskräftigen – Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zum Gegenstand, handelt es sich um eine Zweckbefristung, die gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Daran fehlt es im Streitfall.

Entgegen der Ansicht des Klägers liegt ein befristeter Arbeitsvertrag im Sinne von § 14 Abs. 4 TzBfG nicht nur dann vor, wenn eine kalendermäßige Befristung vereinbart ist. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 TzBfG liegt ein befristeter Arbeitsvertrag auch dann vor, wenn sich seine Dauer aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (zweckbefristeter Arbeitsvertrag). Im Übrigen gilt auch bei Annahme einer auflösenden Bedingung gemäß §§ 21 i. V. m. 14 Abs. 4 TzBfG das Schriftformerfordernis.

Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen sich die Berufungskammer anschließt, ergibt sich mithin der unveränderte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch daraus, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Prozessbeschäftigung nicht formwirksam (§ 14 Abs. 4 TzBfG) befristet worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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