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Kündigung wegen Betriebsübergangs

ArbG Köln – Az.: 9 Ca 5496/16 – Urteil vom 08.03.2017

1. Das 1. Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln(9 Ca 5496/16) vom 23.09.2016 wird aufrechterhalten.

2. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin137,80 Euro netto offene Arbeitsvergütung für Juni und Juli 2016 zu zahlen.

3. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin1.488,00 Euro brutto als Urlaubsabgeltung zu zahlen.

4. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 73% und die Beklagte zu 1. zu 23% und die Beklagte zu 2. trägt keine Kosten des Rechtsstreits.

7. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.662,76 Euro festgesetzt.

8. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt über die Wirksamkeit einer Kündigung, einen Betriebsübergang, die Weiterbeschäftigung der Klägerin, diverse Zahlungsansprüche sowie die Erteilung eines Zeugnisses.

Die Klägerin, geb. am … war bei der Beklagten zu 1 ab dem Jahre 2013 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 05.11.2013/08.04.2014 als kaufmännische Angestellte in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 22 Stunden beschäftigt, wobei das durchschnittliche Bruttogehalt zuletzt 1.317,- Euro brutto (= 1.240,- Euro [Grundgehalt] + 42,- Euro [Fahrkostenzuschuss] + 35,- Euro [Essensgeld]) betrug. Darüber hinaus erhielt die Klägerin ein monatliches Jobticket iHv. 69,90 Euro, für das ihr der Betrag jeweils vom Nettolohn abgezogen wurde. Insofern behauptet die Klägerin, dass das Jobticket einem Bruttolohn iHv. 100,- Euro entsprechen würde. Der Arbeitsvertrag enthält in § 14 eine Ausschlussfristenregelung. Der jährliche Urlaubsanspruch beträgt 28 Urlaubstage. Bzgl. der weiteren arbeitsvertraglichen Regelungen wird auf Bl. 16-19, 73a, 101-105 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die unter … Geschäftsführer der Beklagten zu 1 ist Herr … . Beklagte zu 1 ist laut Handelsregister: „Die Unternehmensberatung, vorbereitende Buchhaltung, Beteiligung an Unternehmen, Gründung von Unternehmen, Beratung ausländischer Unternehmen zu Geschäftserweiterung, Business Service, Verkauf von Geschäftsanteilen nicht börsennotierter Unternehmen“. Die Beklagte zu 1 ist ein Kleinbetrieb.

Mit Schreiben vom 31.05.2016 (Bl. 21 d.A.), der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte zum 31.07.2016.

Die Klägerin war vom 13.-24.06.2016 und vom 04.-29.07.2016 arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen liegen der Beklagten zu 1 vor.

In den Monaten Juni und Juli 2016 erhielt die Klägerin kein Jobticket, die Beklagte nahm gleichwohl den Abzug iHv. 69,90 Euro netto vor.

Die Beklagte zu 1 zahlte der Klägerin für Juni 2016 nur einen Vorschuss iHv. 500,- Euro netto. Für Juli 2016 zahlte die Beklagte zu 1 kein Gehalt.

Die Klägerin hatte am 31.07.2016 noch insgesamt 24 restliche Urlaubstage, wobei die Klägerin insofern einen Tagessatz iHv. 62,- Euro rechnerisch darlegt (siehe Bl. 2 d.A.).

Aufgrund eines Bewilligungsbescheids erhält die Klägerin seit August 2016 kalendertäglich Arbeitslosengeld iHv. 17,95 Euro.

Die Beklagte zu 2 ist eine Kommanditgesellschaft, die am 23.09.2016 gegründet wurde und die ebenfalls unter “ … firmiert. Die Geschäftsanschrift der Beklagten zu 2 laut Handelsregister war zwischenzeitlich mit derjenigen der Beklagten zu 1 identisch. Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft (B & G Management GmbH) ist Herrn … , ein ehemaliger Auszubildender der Beklagten zu 1. Kommanditistin der Beklagten zu 2 ist die … , deren Unternehmensgegenstand laut Handelsregister folgender ist: „Die Verwaltung eigenen Vermögens, die Beteiligung an anderen Unternehmen, die Unternehmensberatung und die Übernahme von Treuhandpositionen in Gesellschaften, soweit nicht genehmigungsbedürftig. Ferner ist Gegenstand die Gründung von Unternehmen sowie der Verkauf von Geschäftsanteilen nicht börsennotierter Unternehmen“. Letztliche Gesellschafterin der Beklagten zu 2 ist ebenso wie bei der Beklagten zu 1 eine … ., deren Director wiederum Herr … ist.

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagten kollusiv und zum Zwecke der Gläubigerbenachteiligung handeln würden. Sie behauptet, dass bereits bei Zugang der Kündigungserklärung am 31.05.2016 die Beklagte zu 1 die Absicht gehabt habe, den Kundenstamm und die Arbeitnehmer an die Beklagte zu 2 rechtsgeschäftlich zu übertragen. Dies sei der Klägerin jedoch verschwiegen worden und ihr gegenüber eine Betriebsstilllegung behauptet worden. Die Kündigung verstoße gegen § 613a Abs. 4 BGB. Aus unionsrechtlichen Gründen müsse daher dem Antrag der Klägerin gem. § 5 KSchG stattgegeben werden. Bezüglich der Zahlungsansprüche würden beide Beklagte als Gesamtschuldner haften, die Beklagte zu 2. jedenfalls aufgrund Betriebsübergangs ab dem 23.09.2016. Insofern behauptet die Klägerin, dass das bisherige Geschäft der Beklagten zu 1 unter derselben Kölner Anschrift mit auch ansonsten – bis auf die konkrete Firmierung und Rechtsform – identischem Tätigkeitsgebiet und Erscheinungsbild ohne besondere Kenntlichmachung auf die Beklagte zu 2 übertragen wurde (Bl. 189 d.A.).

Nachdem die Beklagte zu 1 im Gütetermin am 23.09.2016, zu dem sie ordnungsgemäß geladen war, nicht erschienen war, erging antragsgemäß ein 1. Teil-Versäumnisurteil gegen die Beklagte (zu 1), da die Klägerin ua. den zwischenzeitlichen angekündigten Kündigungsschutzantrag nicht stellte, mit folgendem Tenor:

„1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.317,00 Euro brutto abzüglich bereits erhaltener 500,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.07.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.317,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.134,00 Euro festgesetzt.“

Dieses Versäumnisurteil wurde der Beklagten zu 1 am 05.10.2016 zugestellt (Bl. 270 d.A.). Am 14.10.2016 legte die Beklagte zu 1 Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Nachdem ein zwischenzeitlich geschlossener Vergleich widerrufen worden war, wurde Einspruchstermin von Amts wegen anberaumt.

Nachdem die Klägerin ihre Klageanträge zunächst noch in anderer Form angekündigt hatte, hat sie zuletzt unter Rücknahme der Klage im Übrigen beantragt,

1. das 1. Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln (9 Ca 5496/16) vom 23.09.2016 aufrecht zu erhalten;

2. festzustellen, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 31.05.2016 nicht aufgelöst wurde;

3. die Kündigungsschutzklage gem. Ziff. 2 gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen;

4. festzustellen, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. vormals bestehende Arbeitsverhältnis seit dem 23.09.2016 wegen eines Betriebsübergangs nunmehr zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. besteht;

5. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, als Gesamtschuldnerin neben der Beklagen zu 1. die im 1. Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln (9 Ca 5496/16) vom 23.09.2016 gem. Ziff. 1 gegen die Beklagte zu 1. titulierten Forderungen an die Klägerin zu zahlen;

6. hilfsweise für den Fall des klägerseitigen Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 5. festzustellen, dass die Beklagte zu 2. – neben der Beklagen zu 1. – bzgl. der im 1. Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln (9 Ca 5496/16) vom 23.09.2016 gem. Ziff. 1 gegen die Beklagte zu 1. titulierten Forderungen gegenüber der Klägerin zur gesamtschuldnerischen Zahlung verpflichtet ist;

7. die Beklagten zu 1. und 2. gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin

a) 592,26 Euro brutto offene Arbeitsvergütung für das nicht gewährte Jobticket

b) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Buchst. a. 413,40 Euro netto offene Arbeitsvergütung für das nicht gewährte Jobticket

c) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Buchst. b. Schadensersatz iHv. 592,26 Euro

nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

8. hilfsweise für den Fall des klägerseitigen Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 7. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin

a) 197,42 Euro brutto offene Arbeitsvergütung für Juni und Juli 2016

b) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Buchst. a. 137,80 Euro netto offene Arbeitsvergütung für Juni und Juli 2016

c) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Buchst. b. Schadenersatz iHv. 137,80 Euro

zu zahlen und die Beklagte zu 2. verurteilen, an die Klägerin

a) 394,84 Euro brutto bezogen auf das von August bis November 2016 nicht gewährte Jobticket,

b) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Buchst. a. 275,60 Euro netto bezogen auf das von August bis November 2016 nicht gewährte Jobticket,

c) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Buchst. b. bezogen auf das von August bis November 2016 nicht gewährte Jobticket Schadenersatz in Höhe von 394,84 Euro

zu zahlen.

9. die Beklagten zu 1. und zu 2. gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin

a) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.09.2016;

b) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.10.2016;

c) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.11.2016;

d) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.2016

zu zahlen;

10. hilfsweise für den Fall des klägerseitigen Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 9. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin

a) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.09.2016;

b) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.10.2016;

c) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.11.2016;

d) 1.317 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengelds iHv. 538,50 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.2016

zu zahlen;

11. hilfsweise für den Fall des klägerseitigen Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 2 die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an die Klägerin 1.488,00 Euro brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen;

12. hilfsweise für den Fall des klägerseitigen Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 2 die Beklagte zu 1. zu verurteilen, der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt;

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1 behauptet unter Bezugnahme auf diverse Lohnabrechnungen, dass sie die Lohnansprüche für Juni und Juli 2016 erfüllt habe. Im Übrigen habe die Klägerin „ihre Leistungen nicht bzw. nicht vollständig erbracht“ (siehe Bl. 109 d.A.).

Die Klage wurde am 01.08.2016 beim erkennenden Gericht durch die Klägerin persönlich erhoben. Die ursprüngliche Klage wurde der Beklagten zu 1 am 19.08.2016 zugestellt. Mit Klageerweiterung vom 01.09.2016, der Beklagten zu 1 am 09.09.2016 zugestellt (Bl. 40 d.A.), wandte sich die Klägerin gegen das Schreiben der Beklagten vom 31.05.2016. Den diesbezüglichen Kündigungsschutzantrag nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.10.2016 zurück. Mit Schriftsatz vom 01.12.2016 erweiterte die Klägerin die Klage, wobei der Schriftsatz der Beklagten zu 1 am 09.12.2016 (Bl. 246 d.A.) und der Beklagten zu 2, zu Händen des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft, am 19.01.2017 (Bl. 265 d.A.) zugestellt wurde. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf den Akteninhalt einschließlich der Sitzungsniederschriften Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet und im Übrigen unbegründet, so dass sie insofern abzuweisen ist.

I. Die Klage und der beschrittene Rechtsweg sind zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für die Änderungskündigungsschutzklage gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit b.) ArbGG und für die weiteren Klageanträge gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit a.) ArbGG gegeben, da es sich im Übrigen um Ansprüche aus einem bestehenden/beendeten Arbeitsverhältnis handelt. Das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Kündigungsschutzantrag liegt vor, da es der klagenden Partei unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer ordentlichen (Änderungs-)Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigungserklärung gerichtlich geltend zu machen. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 48 Abs. 1a ArbGG, da die Klägerin ihre Arbeitsleistung regelmäßig im Bezirk des erkennenden Gerichts erbringt. Die Klageänderungen iSv. § 263 ZPO sind zumindest gem. § 267 ZPO zulässig, da die Beklagten sich hierauf eingelassen haben.

II. Der Klageantrag zu Ziff. 1 ist begründet, so dass das 1. Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln (9 Ca 5496/16) vom 23.09.2016 aufrecht zu erhalten ist. Der Einspruch der Beklagten zu 1 ist zunächst verfristet und damit unzulässig, da das Versäumnisurteil am 05.10.2016 zugestellt wurde, der Einspruch aber erst am 14.10.2016 eingelegt wurde. Er ist aber auch darüber hinaus unbegründet. Die Beklagte zu 1 hat unstreitig für die Monate Juni und Juli 2016 weder Lohn noch Entgeltfortzahlung im (vollem) Umfang von 1.317 Euro pro Monat gezahlt. Substantiierte Einwendungen hat die Beklagte zu 1 nicht erhoben.

III. Der Klageantrag zu Ziff. 2 ist unbegründet, wobei es dahinstehen kann, ob die Kündigungsschutzklage – nachdem die Klägerin diese zwischenzeitlich bereits verfristet erhoben und später wieder zurückgenommen hat – gem. § 5 KSchG nachträglich zuzulassen ist (siehe Antrag zu Ziff. 3), da die Kündigungsschutzklage in jedem Fall aus anderen Gründen unbegründet ist. Die Kündigung vom 31.05.2016 ist aufgrund des Kleinbetriebs der Beklagte zu 1 nicht am Maßstab des KSchG zu prüfen.

Ein Verstoß gegen § 613a Abs. 4 BGB liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht einmal ansatzweise das Vorliegen eines Betriebsübergangs gem. § 613a BGB – zumal auch noch genau zum Gründungsdatum der Beklagten zu 2 am 23.09.2016 – dargetan.

Nach der Rechtsprechung des 8. Senats des BAG liegt ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB – wie auch iSd. Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) – vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13, Rn. 35 mwN, juris). Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13, Rn. 36 mwN, juris). Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden ((BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13, Rn. 37 mwN, juris). Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13, Rn. 38 mwN, juris). Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 409/13, Rn. 39 mwN, juris).

Hieran gemessen ist vorliegend ein Betriebsübergang nicht zu erkennen, zumal die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Klägerin ihren prozessualen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Soweit sie in diesem Zusammenhang behauptet, dass das bisherige Geschäft der Beklagten zu 1 unter derselben Kölner Anschrift mit auch ansonsten – bis auf die konkrete Firmierung und Rechtsform – identischem Tätigkeitsgebiet und Erscheinungsbild ohne besondere Kenntlichmachung auf die Beklagte zu 2 übertragen worden sei (Bl. 189 d.A.), ist dies eher als Funktionsnachfolge, wenn überhaupt, zu verstehen, zumal nicht zu erkennen ist, welche Arbeitnehmer der Beklagten zu 1 zur Beklagten zu 2 gewechselt haben sollen. Hinzu kommt, dass entgegen der Ansicht der Klägerin die jeweiligen Unternehmenszwecke zwar teilidentisch, aber eben nicht vollkommen identisch sind. Eines Schriftsatznachlasses bedurfte es in diesem Fall nicht, denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, unschlüssige Klagen durch Schriftsatznachlässe schlüssig zu machen.

IV. Der Klageantrag zu Ziff. 4 ist unbegründet, da mangels eines Betriebsübergangs auch kein Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2 besteht bzw. ein solches nicht von der Beklagten zu 1 auf die Beklagte zu 2 übergegangen ist.

V. Der Klageantrag zu Ziff. 5 ist unbegründet, da mangels eines Betriebsübergangs die Beklagte zu 2 auch nicht gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1 aus dem Teil-Versäumnisurteil vom 23.09.2016 haftet.

VI. Der Klageantrag zu Ziff. 6 – dessen innerprozessuale Bedingung eingetreten ist – ist unbegründet, da mangels eines Betriebsübergangs die Beklagte zu 2 auch nicht gesamtschuldnerisch zur Zahlung der Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1 aus dem Teil-Versäumnisurteil vom 23.09.2016 verpflichtet ist.

VII. Der Klageantrag zu Ziff. 7 ist unbegründet, da mangels eines Betriebsübergangs zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 keine Gesamtschuldnerschaft besteht.

VIII. Der Klageantrag zu Ziff. 8, Buchst. b – dessen innerprozessuale Bedingung eingetreten ist – ist iHv. 137,80 Euro netto begründet, denn die Beklagte zu 1 hat in den Monaten Juni und Juli 2016 zu Lasten der Klägerin einen Nettoabzug iHv. jeweils 69,90 Euro vorgenommen, ohne der Klägerin das Jobticket zur Verfügung gestellt zu haben. Substantiierte Einwendungen hat die Beklagte zu 1 nicht erhoben. Der Antrag zu Ziff. 8, Buchst. a ist unschlüssig, da die Beklagte eine Nettoabzug und keine reduzierte Bruttozahlung vorgenommen hat. Der Antrag zu Ziff. 8, Buchst. c fällt nicht zur Entscheidung an. Die Beklagte zu 2 ist insofern insgesamt mangels Betriebsübergangs nicht zahlungspflichtig, so dass die Klage insofern unschlüssig ist.

IX. Der Klageantrag zu Ziff. 9 ist unbegründet, da mangels eines Betriebs-übergangs zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 keine Gesamtschuldnerschaft besteht.

X. Der Klageantrag zu Ziff. 10 ist unbegründet, da mangels eines Betriebs-übergangs zwischen der Beklagten zu 2 und der Klägerin ab dem 23.09.2016 kein Arbeitsverhältnis besteht, aus dem die Beklagte zu 2 zur Zahlung von Annahmeverzugslohn unter Anrechnung von Zwischenverdienst verurteilt werden könnte.

XI. Der Antrag zu Ziff. 11 – dessen innerprozessuale Bedingung eingetreten ist – ist begründet. Die Klägerin hat schlüssig vorgetragen, dass ihr angesichts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 1 am 31.07.2016 noch 24 restliche Urlaubstage zustehen, wobei sich insofern eine Tagessatzhöhe iHv. 62,- Euro ergibt, was insgesamt 1.488,- Euro an Urlaubsabgeltung ergibt. Substantiierte Einwendungen hat die Beklagte zu 1 nicht erhoben.

XII. Der Antrag zu Ziff. 12 – dessen innerprozessuale Bedingung eingetreten ist – ist begründet. Die Klägerin hat mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 109 Abs. 1 und Abs. 2 GewO einen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis, das ihr die Beklagte zu 1 bislang nicht erteilt hat.

XIII. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 73% und die Beklagte zu 1 zu 23%, da sie jeweils teil-unterlegen sind, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO und da die Klägerin einzelne Anträge (teilweise) zurückgenommen hat (§ 269 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte zu 2 trägt keine Kosten des Rechtsstreits.

XIV. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstands ist auf 17.662,76 Euro festzusetzen.

XV. Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, liegen nicht vor, insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß §§ 64 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 lit. a.) ArbGG zu. Die ohnehin gegebene Zulässigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit. b.) und lit. C.) ArbGG bleibt hiervon unberührt. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist gemäß § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen.

XVI. Eine Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der nächsten Seite.

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