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Kündigung wegen Nachstellung einer Kollegin – außerdienstliches Verhalten

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 Sa 276/20 – Urteil vom 11.05.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19. Mai 2020 – 1 Ca 1883/19 – abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 13.800,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. November 2020 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und um Annahmeverzugsvergütung für die Monate Januar bis April 2020.

Der 1987 geborene Kläger war bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 25. November 2015 (Bl. 11 – 16 d. A.) seit dem 01. Januar 2016 als IT Consultant beschäftigt. In der Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag – Homeoffice – vom 27. November 2015 (Bl. 34, 35 d. A.) ist zwischen den Parteien vereinbart worden, dass der Kläger „allgemeine Tätigkeiten in Abstimmung mit dem Arbeitgeber von seinem derzeitigen Wohnort aus bearbeiten kann, sofern dies organisatorisch bzw. aufgrund der Projektsituation und/oder Kundenanforderung möglich ist“.

Die Beklagte wurde im Jahr 2010 als Tochterunternehmen der C. systems AG (Konzernmuttergesellschaft) gegründet. Im Marktsegment der IT-Services ist die Beklagte an insgesamt zehn Standorten in Deutschland tätig. Unternehmensweit beschäftigte sie Ende 2019 insgesamt 575 Arbeitnehmer. Die Personal- und Rechtsangelegenheiten werden in der Regel zentral durch Beschäftigte der Konzernmuttergesellschaft wahrgenommen. Bei der Beklagten wurde ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat errichtet. Für Personalangelegenheiten hat der Betriebsrat einen Personalausschuss eingerichtet und diesem die Beteiligung in Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zur selbständigen Erledigung übertragen.

Zu den Schwerpunkten der Tätigkeit des Klägers gehörten die Beratung und Unterstützung von Kunden der Beklagten im Bereich IT-Infrastruktur und Virtualisierung. Dabei war er für die Beklagte auf wechselnden Projekten tätig. Unter Verwaltungsgesichtspunkten (Ermittlung von Reisekosten, Zuordnung zum Feiertagskalender usw.) war der Kläger dem Standort C-Stadt zugeordnet. Auch die das Arbeitsverhältnis des Klägers betreffenden Weisungen wurden im Wesentlichen von dort aus erteilt. Fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzter des Klägers war zuletzt Herr E..

Ab dem 02. Mai 2019 war der Kläger für ein IT-Projekt des Bundesamts für Güterverkehr, einem Kunden der Beklagten, in K-Stadt eingesetzt. Teil des Projektteams war die bei der Konzernmuttergesellschaft angestellte Mitarbeiterin G.. Vor Projektbeginn waren sich der Kläger und Frau G. nicht bekannt.

Mit Schreiben vom 12. September 2019 (Bl. 36, 37 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung:

„Abmahnung – Respektloser Umgang

Sehr geehrter Herr A.,

leider sehen wir uns gezwungen Sie aus folgendem Grund abzumahnen:

Am Donnerstag, 05.09.2019 haben Sie gegenüber Ihrer Kollegin G. in der Mittagspause folgende Äußerungen getätigt:

· „Ich muss mich zurückhalten, dich nicht zu überfallen.“

· „Ich würde dich so gerne küssen.“

· „Wir haben uns ja noch nie berührt.“

Dieses Verhalten in Form von respektlosen Äußerungen und Belästigung ihrer Kollegin gegenüber stellt eine schwerwiegende Verletzung der vertrauensvollen Zusammenarbeit und ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Wir können dieses respektlose Verhalten ihrerseits gegenüber ihrer Kollegin nicht unbeanstandet hinnehmen, da Sie damit gegen unsere Unternehmenswerte „Respekt“ und „Kollegialität“, die gemäß Ihres Arbeitsvertrages Basis für unser Denken und Handeln sind, sowie gegen den Code of Conduct des Unternehmens verstoßen. Der Code of Conduct der C. ist ein Verhaltenscodex und drückt unser Selbstverständnis eines wertschätzenden und fairen Umgangs miteinander aus. Diskriminierung oder Belästigung lassen wir dabei in keiner Form zu; weder bei uns im Unternehmen noch in Beziehung zu unseren Kunden, Partnern, Lieferanten oder Dritten.

Wir sind nicht gewillt, oben geschildertes Verhalten von Ihnen und die damit verbundene Respektlosigkeit und Belästigung von anderen Beschäftigten zu tolerieren und mahnen Sie deshalb hiermit ab.

Wir fordern Sie hiermit ausdrücklich auf, das oben dargestellte Verhalten sowie gleichartiges Verhalten zu unterlassen und sich zukünftig sowohl gegenüber internen und externen Kollegen als auch gegenüber Führungskräften nach unseren Unternehmenswerten und dem Code of Conduct respektvoll, kollegial und sachlich zu verhalten. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, müssen Sie im Wiederholungsfall mit einer Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.

Wir haben Sie als engagierten Mitarbeiter kennen und schätzen gelernt und wir sind zuversichtlich, dass wir unsere konstruktive Zusammenarbeit auch künftig konstruktiv weiterführen können.

Wir bitten Sie, uns den Erhalt dieser Abmahnung, die wir zu Ihrer Personalakte nehmen werden, auf dem beigefügten Zweitexemplar zu bestätigen.“

Die Abmahnung wurde dem Kläger am 16. September 2019 übergeben. Seitdem wurde der Kläger von der Beklagten nicht mehr auf dem Projekt in K-Stadt eingesetzt. Mit Schreiben vom 23. September 2019 (Bl. 38, 39 d. A.) gab der Kläger eine Gegendarstellung zur Abmahnung vom 12. September 2019 ab, auf die Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 15. November 2019 (Bl. 33 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2019.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 29. November 2019 eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt und die Entfernung der ihm mit Schreiben vom 12. September 2019 erteilten Abmahnung aus der Personalakte begehrt. Klageerweiternd hat er u.a. – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung verlangt.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 19. Mai 2020 – 1 Ca 1883/19 – Bezug genommen.

Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15. November 2019 nicht aufgelöst worden ist, und die Beklagte verurteilt, an den Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Monate Januar bis April 2020 in Höhe von 13.800,00 EUR brutto zu zahlen, während es im Übrigen die Klage abgewiesen hat. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 31. August 2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. September 2020, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. November 2020 mit Schriftsatz vom 16. November 2020, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich die Kündigung vom 15. November 2019 selbst bei Wahrunterstellung ihres Vortrags als nicht sozial gerechtfertigt erweise. Dabei habe es die Anforderungen an die Betriebsbezogenheit der unerwünschten Verhaltensweisen des Klägers überspannt. Das Bundesarbeitsgericht habe eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) aufgrund eines außerdienstlichen Fehlverhaltens bereits für den Fall angenommen, dass das Verhalten einen Bezug zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder der Tätigkeit des Arbeitnehmers habe und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt würden. So verlange das Bundesarbeitsgericht zwar einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers, der aber bereits dann gegeben sei, wenn das außerdienstliche Verhalten des gekündigten Mitarbeiters negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis habe. Weiterhin sei ein außerdienstliches Fehlverhalten insbesondere dann kündigungsrelevant, wenn es unter Nutzung von Betriebsmitteln begangen werde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass etwa auch außerdienstliche Handlungen wie grobe Beleidigungen von Vorgesetzten oder Kollegen in sozialen Medien grundsätzlich als Anknüpfungspunkt für eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen könnten. Dies wäre nicht der Fall, wenn man für eine entsprechende Vertragsverletzung des gekündigten Arbeitnehmers stets voraussetzen würde, dass sich die unerwünschte Handlung während einer laufenden räumlichen oder fachlichen Zusammenarbeit zwischen Täter und Opfer ereignet habe. Das etwa den Opfern von Nachstellung und Stalking in diesem Zusammenhang ein geringerer Schutz zukommen solle bzw. die Anforderungen an die Betriebsbezogenheit der Verhaltensweisen hier strenger sein sollten als bei Mitarbeitern, die groben Beleidigungen oder Ehrverletzungen ausgesetzt seien, sei nur schwer nachzuvollziehen. Dies zeige, dass die Sichtweise des Arbeitsgerichts an dieser Stelle deutlich zu eng sei mit der Folge, dass die Anforderungen an die Betriebsbezogenheit der Kündigungsvorwürfe überspannt worden seien. Die kündigungsrelevanten Verhaltensweisen des Klägers in der Zeit vom 18. September 2019 bis 06. November 2019 hätten zwar in keinem räumlichen, aber immer noch in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit seiner vorherigen Zusammenarbeit mit Frau G. aus dem gemeinsamen Projekt für das Bundesamt für Güterverkehr in K-Stadt gestanden, die erst am 16. September 2019 geendet habe. Auch nach Erhalt der Abmahnung am 16. September 2019 habe der Kläger nicht damit aufgehört, Frau G. zu bedrängen. Nachdem sie allerdings verfügt habe, den Kläger mit Wirkung ab dem 16. September 2019 aus dem gemeinsamen Projekt mit Frau G. und damit auch räumlich aus dem Büro in K-Stadt abzuziehen, hätten sich die Kontaktversuche des Klägers ab diesem Zeitpunkt in die virtuelle Welt verlagert. Der Kläger habe ab dem 18. September 2019 unter Einsatz verschiedenster Telekommunikationsmittel auf den unterschiedlichsten Kanälen seine Kollegin Frau G. gegen deren ausdrücklichen Willen mit den vorgelegten Nachrichten im kündigungsrelevanten Zeitraum bis zum 06. November 2019 (Anlagen B3 bis B6 und B8 bis B11 zum Schriftsatz vom 02. März 2020) bedrängt. Frau G. sei nicht irgendeine Dritte, sondern eine Arbeitnehmerin der C.-Unternehmensgruppe, gegenüber der arbeitgeberseits entsprechende Schutz- und Fürsorgepflichten zu wahren seien. Auch wenn Frau G. bei ihr nicht formell angestellt gewesen sei, sondern als Angestellte der Konzernmuttergesellschaft C. systems AG mit dem Kläger zusammengearbeitet habe, mache das für die Beurteilung des Verhaltens des Klägers keinen Unterschied. Die formalrechtliche Zuordnung der Arbeitsverhältnisse innerhalb der C.-Unternehmensgruppe sei aus Sicht des Klägers völlig zufällig. Sie könne deshalb für die Pflichtwidrigkeit der Handlungen des Klägers nicht ausschlaggebend sein, zumal ihr Verhaltenskodex unternehmensübergreifend für sämtliche Unternehmen der C.-Unternehmensgruppe gelte. Die Notwendigkeit der einheitlichen Anwendung des Verhaltenskodexes zeige sich daran, dass die verschiedenen Gruppengesellschaften der C.-Gruppe immer wieder unternehmensübergreifend zusammenarbeiten würden, wie z. B. in Projektteams, die regelmäßig aus verschiedenen Unternehmensgesellschaften zusammengestellt würden, und auch über die Zentralfunktionen wie den jeweils abgegrenzten Bereich Legal oder Personal, die beide jeweils zentral bei der Muttergesellschaft C. systems AG aufgehängt seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe ein Arbeitgeber ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Zusammenarbeit von Arbeitskräften im Betrieb insgesamt nicht beeinträchtigt werde, was auch Übergriffe gegen Arbeitskräfte anderer Arbeitgeber, einschließlich Leiharbeitnehmer, ausschließe. Der Kläger habe mit den behaupteten unerwünschten Verhaltensweisen nicht nur gegen abstrakte Rechtsgrundsätze in Bezug auf das Verhalten der Mitarbeiter untereinander verstoßen. Vielmehr hätten diese auch in Widerspruch zu konkreten Weisungen gestanden, die sie ausdrücklich und eigens in Form des vorgelegten Verhaltenskodexes, der Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sei, erteilt habe (Anlagen B1 und B2 zum Schriftsatz vom 02. März 2020). Der Kläger habe für die behaupteten unerwünschten Verhaltensweisen als Betriebsmittel jedenfalls auch das ihm überlassene Diensthandy genutzt und als Empfangsgerät auch das Firmenhandy von Frau G. in Anspruch genommen, was in besonderer Weise für eine Betriebsbezogenheit spreche. Die unerwünschten Verhaltensweisen des Klägers hätten sich auch auf die betrieblichen Abläufe ausgewirkt. Die unzähligen, nicht enden wollenden Kontaktversuche und Nachrichten des Klägers gegen den mehrfach erklärten Willen von Frau G. und die diffusen, völlig aus der Luft gegriffenen Aussagen des Klägers über angebliche finanzielle bzw. gesundheitliche Notlagen von Frau G. hätten bei dieser ein starkes Gefühl von Angst und Beklemmung ausgelöst. Insbesondere sei Frau G. infolge der Verhaltensweisen nicht mehr imstande gewesen, ihre Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Diese habe aus Angst vor einem Kontakt mit dem Kläger häufiger von zu Hause aus gearbeitet und sei seltener ans Telefon gegangen, was die dienstliche Kommunikation und die Abstimmung mit ihr erschwert habe. Zudem seien durch das Verhalten des Klägers diverse Dispositionen veranlasst worden (Bürowechsel einschließlich Abzug des Klägers aus dem Projekt und Neubesetzung der Projektstelle), mit denen für das Projekt für das Bundesamt für Güterverkehr Effizienzverluste einhergegangen seien. Die einzelnen Verhaltensweisen des Klägers seien entgegen der Würdigung des Arbeitsgerichts nicht isoliert zu betrachten, sondern im Rahmen einer Gesamtschau zu bewerten. Denn für die dem Kläger vorgeworfenen Verhaltensweisen, welche in ihrem äußeren Erscheinungsbild am ehesten einer Nachstellung (§ 238 StGB) bzw. einer Belästigung (§ 3 Abs. 3 AGG) entsprechen würden, sei es geradezu typisch, dass den einzelnen Handlungen bei isolierter Betrachtung kein gesteigerter Unwertgehalt zukomme. In der Gesamtbetrachtung des behaupteten Verhaltens des Klägers seit Beginn der Zusammenarbeit mit Frau G. im Mai 2019 bis zur Eskalation der Ereignisse nach der Abmahnung des Klägers vom 12. September 2019 zeige sich ein beanstandungswürdiges Fehlverhalten, das in seinem Erscheinungsbild sowie in seinen Auswirkungen weit über unangemessene Avancen hinausgehe. Die Trennlinie zwischen einem noch hinzunehmenden sozialadäquaten Verhalten und dem Fehlverhalten eines Mitarbeiters sei dort zu ziehen, wo eine bestimmte Verhaltensweise von dem betroffenen Gegenüber als unerwünscht wahrgenommen werde. Im vorliegenden Fall seien die behaupteten Verhaltensweisen des Klägers gegenüber Frau G. eindeutig unerwünscht gewesen, was der Kläger auch gewusst habe. Schon zu einem frühen Zeitpunkt der Zusammenarbeit habe Frau G. den Kläger darauf hingewiesen, dass sie über die zwingend notwendige berufliche Interaktion hinaus kein Umgang mit ihm wünsche. Dieser ausdrücklichen Aufforderung sei der Kläger bereits vor dem Vorfall vom 05. September 2019 in keiner Weise nachgekommen. Weiterhin habe der Kläger in Kenntnis der Unerwünschtheit seiner Handlungen sein Verhalten auch nach Erhalt der Abmahnung fortgesetzt. Frau G. habe den Kläger auf ihrem Firmenhandy ab dem 18. September 2019 blockiert, was ein eindeutiges Zeichen dafür gewesen sei, dass sie keinen Umgang mit dem Kläger gewünscht habe. Dies habe aber auf Seiten des Klägers nur dazu geführt, dass er auf andere Telekommunikationsmittel und Kanäle ausgewichen sei. Dem Kläger sei auch bewusst gewesen, dass Frau G. ihn auf ihrem Firmenhandy blockiert habe, weil er hierauf in seiner Facebook-Nachricht vom 26. September 2019 (Anlage B5) ausdrücklich eingegangen sei. Am 03. Oktober 2019 habe Frau G. in einer Telegram-Nachricht an den Kläger ein letztes Mal erklärt, dass sie keinen Kontakt zu ihm wolle und es dabei auch bleiben werde (Anlage B6). Allerdings habe der Kläger auch nach dieser eindeutigen Mitteilung nicht damit aufgehört, die Kollegin wegen des von ihm gewünschten privaten Kontakts weiter zu bedrängen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Häufigkeit und Intensität seien die Beeinträchtigungen vorliegend von erheblicher Natur gewesen. Die Intensität, mit der der Kläger seine Kollegin bedrängt habe, habe nach der Abmahnung mit Schreiben vom 12. September 2019 noch zugenommen. Wie von ihr im Einzelnen ausgeführt, habe der Kläger ab dem 18. September 2019 über einen Zeitraum von mehreren Wochen vor allem unter dem massiven Einsatz von Telekommunikationsmitteln auf unterschiedlichsten Kanälen Kontakt zu Frau G. aufgenommen, zuweilen sogar mehrfach täglich. Abgesehen davon, dass diese Kontaktaufnahmen allesamt unerwünscht gewesen seien, hätten sie somit auch quantitativ ein Ausmaß angenommen, welches weit über das hinausgehe, was im Umgang zwischen Arbeitskollegen noch als sozialadäquat hingenommen werden müsste. Auch in ihrer Art und Weise seien die Verhaltensweisen des Klägers nicht hinnehmbar gewesen und hätten jedes noch akzeptable Maß für den Umgang von Arbeitskollegen überschritten. Dabei sei der Kläger weitgehend systematisch und planmäßig vorgegangen, was die Art der Kontaktaufnahme, aber auch die hierzu genutzten Mittel betreffe. Nachdem seine bisherigen Kontaktversuche nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt hätten, sei der Kläger im November 2019 dazu übergegangen, Anlässe zu erfinden und selbst Vorwände zu schaffen, um mit Frau G. in Kontakt zu treten. So habe die Kontaktaufnahme vom 05. November 2019 über den Messenger-Dienst Telegram auf dem Vorwand beruht, dass die Abmahnung des Klägers angeblich entfernt worden sei (Anlage B8). Zudem habe der Kläger eine finanzielle Notlage der Kollegin erfunden, um ihr im nächsten Schritt seine Hilfe anzubieten (Anlagen B10 und B11). Überhaupt habe der Kläger mit einer Taktik von Zuckerbrot und Peitsche versucht, die Kollegin für sich zu gewinnen, und zwar mit abwechselnden Hilfsangeboten sowie Drohgebärden, wie die Mitteilung am 05. November 2019 an Frau G., dass er nach der angeblich zurückgenommenen Abmahnung „die Möglichkeit weiterer Strafanträge“ gegen sie in Betracht ziehe (Anlage B8). Auch bei den Mitteln der Kontaktaufnahme zeige sich ein systematisches, planmäßiges und berechnendes Agieren des Klägers. Nachdem sie den Kläger von dem gemeinsamen Projekt sowie aus den Räumlichkeiten in K-Stadt abgezogen habe, sei er ab Mitte September 2019 auf die Nutzung von Telekommunikationsmitteln ausgewichen und habe dabei geschickt zwischen einzelnen Kommunikationsmitteln und Kanälen gewechselt. Zur vollständigen Beurteilung des Verhaltens des Klägers seien schließlich auch die Inhalte der Nachrichten in den Blick zu nehmen, die der Kläger an seine Arbeitskollegin Frau G. gesandt und die diese an sie weitergeleitet habe. Der Kläger und Frau G. seien nach ihren Erkenntnissen einfache Arbeitskollegen gewesen, die sich erst im Mai 2019 aufgrund des gemeinsamen Kundenprojekts in K-Stadt kennengelernt hätten und die zu keinem Zeitpunkt mehr als nur beruflich miteinander verbunden gewesen seien. Vor diesem Hintergrund seien die auch nach der Abmahnung vom 12. September 2019 getätigten Erklärungen des Klägers, dass er Frau G. liebe und alles für sie tun würde (Nachrichten vom 03. Oktober und 06. November 2019, Anlagen B6 und B11), als Äußerungen gegenüber einer schlichten Arbeitskollegin von einer anmaßenden Distanzlosigkeit geprägt und als solche völlig unangemessen, zumal Frau G. zuvor mehrfach erklärt habe, keinen privaten Umgang mit dem Kläger zu wollen. Weiterhin verstöre, dass der Kläger seine Interaktion mit Frau G. anscheinend auch mit einer Art Spiel begreife. Denn in seinen Nachrichten an Frau G. würden immer wieder „Spiel“-Begrifflichkeiten auftauchen wie z. B. in der Nachricht vom 26. September 2019 (Anlage B5: „Ich weiß es ist geschummelt, aber ich will unbedingt gewinnen.“). Zudem falle auf, dass es dem Kläger trotz des einigermaßen freundlich gehaltenen Grundtons seiner Nachrichten gelinge, durch seine Äußerungen ein verstörendes, geradezu angsteinflößendes Bild von der Lage von Frau G. zu zeichnen. Die düsteren Assoziationen, die der Kläger im Subtext seiner Nachrichten produziere, seien in erster Linie verstörende Bilder von finanziellem Niedergang und gesundheitlichem Verfall. Der Kläger zeichne das Bild einer Frau, die finanziell nicht mehr „auf eigenen Beinen“ stehen könne (SMS vom 06. November 2019, Anlage B10) und die sich ihre „Haare abrasiert“ (Xing-Nachricht vom 06. November 2019, Anlage B11). Es seien Bilder von maximaler Hilflosigkeit in scheinbar ausweglosen Notlagen, die ein perfektes Anknüpfungsmoment für zukünftige persönliche Abhängigkeit schaffen würden. Zugleich würden die vom Kläger produzierten Bilder vom wirtschaftlichen und gesundheitlichen Niedergang der Arbeitskollegin den passgenauen Prolog zu ihrem späteren Tod durch Suizid bilden, den der Kläger in seiner Klageschrift ebenfalls wahrheitswidrig in düsteren Worten beschrieben habe. Die ungeheuerlichen Ausführungen des Klägers zum frei erfundenen Tod der Kollegin würden den neutralen Beobachter geradezu fassungslos zurücklassen. Auch wenn diese Äußerungen erst nach Ausspruch der Kündigung gefallen sein, würden sie doch die Vehemenz der Grenzüberschreitungen verdeutlichen, durch die der Umgang des Klägers mit Frau G. bis zuletzt gekennzeichnet gewesen sei. Die Kündigung sei insbesondere auch ein geeignetes Mittel gewesen, um Vertragsstörungen durch den Kläger zukünftig auszuschließen. Mit der Kündigung hätten nach ihrer eigentlichen Zielrichtung jedenfalls in erster Linie nicht zukünftige Rechtsverletzungen des Klägers gegenüber Frau G., sondern zukünftige Pflichtverletzungen des Klägers ihr gegenüber ausgeschlossen werden sollen. Das Arbeitsgericht habe in diesem Zusammenhang verkannt, dass sie für etwaige zukünftige Rechtsverletzungen des Klägers im Verhältnis zu Frau G. keine Mitverantwortung mehr tragen würde. Insbesondere würde sie in diesem Fall nicht mehr der Vorwurf treffen, dass sie ihre Fürsorge- und Schutzpflichten gegenüber Frau G. verletze, weil die Rechtsbeziehungen zwischen ihren Arbeitnehmern und unternehmensfremden Dritten grundsätzlich weder ihrem Verantwortungs- noch ihrem Einflussbereich unterliegen würden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass sie in den Wochen und Monaten vor der Kündigung bereits mehrerer Maßnahmen zur Beseitigung der Vertragsstörung ergriffen habe, die jedoch wirkungslos geblieben seien. Zudem zeige gerade auch das Verhalten des Klägers nach seiner Rückversetzung ins Homeoffice zum 16. September 2019, dass eine Tätigkeit des Klägers ausschließlich unter seiner Wohnadresse keine Gewähr für zukünftige Vertragstreue biete. Unabhängig davon wäre es ihr nach Lage der Dinge aber auch nicht zuzumuten gewesen, den Kläger zukünftig ausschließlich im Homeoffice zu beschäftigen. Da der Kläger im Schwerpunkt IT-Infrastrukturprojekte betreut habe, würden Arbeitseinsätze direkt beim Kunden und die Mitarbeit in Projektteams vor Ort gewissermaßen zur Stellenbeschreibung des Klägers gehören. Eine dauerhafte Beschäftigung des Klägers lediglich im Homeoffice hätte sie in der Ausübung ihres Direktionsrechts in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger durch sein Fehlverhalten ihr Vertrauen in seine zukünftige Vertragstreue unwiederbringlich zerstört habe. Sie habe vor Ausspruch der Kündigung das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß durchgeführt. Der Betriebsrat bzw. dessen Personalausschuss, auf den der Betriebsrat die Beteiligungsrechte nach § 102 BetrVG zur selbständigen Erledigung übertragen habe, sei zusätzlich zum Anhörungsschreiben in einer Besprechung mit dem Vorgesetzten des Klägers, Herrn E., umfassend und eingehend über den Sachverhalt, der zur Kündigungsabsicht geführt habe, unterrichtet worden. Im Rahmen der am 07. November 2019 mit der Vorsitzenden des Betriebsrats, Frau F., geführten Telefonbesprechung habe Herr E. nicht nur über die Abmahnung und die Gegendarstellung des Klägers, sondern auch über die bereits ergriffenen Maßnahmen, wie den Abzug des Klägers aus dem gleichen Büro wie Frau G., den Abzug des Klägers aus dem Projekt und die vorübergehende Tätigkeit des Klägers im Homeoffice informiert. Weiterhin sei die Betriebsratsvorsitzende auch darüber unterrichtet worden, dass die Maßnahmen nicht dazu geführt hätten, dass der Kläger von Frau G. abgelassen habe, sondern sie seitdem fortwährend über das Geschäftshandy und andere verschiedene Online-Kanäle unerwünscht ohne betrieblichen Bedarf kontaktiert habe. Hierbei sei auch der Inhalt der Kontaktversuche (Nachrichten über Xing, Facebook, Messenger, Telegram), wie sie Frau G. vom Kläger erhalten habe, erwähnt worden. Herr E. habe bei dem Telefonat die Zusammenstellung der Nachrichten, wie sie ihr von Frau G. und deren Vorgesetzten übergeben worden seien, vor sich gehabt, mit allen Screenshots, die zum Zeitpunkt des 07. November 2019 vorgelegen hätten, zu denen Herr E. berichtet habe. Die Unterrichtung habe auch darüber stattgefunden, dass Frau G. sich durch die unerwünschten Kontaktversuche des Klägers belästigt gefühlt habe und in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sehe. Auch die formale Anstellung von Frau G. bei ihrer Muttergesellschaft sei erwähnt worden. Im Nachgang zur mündlichen Anhörung habe sie das Anhörungsschreiben vom 08. November 2019 (Anlage B15) erstellt und hierin auch auf die mündlich bereits stattgefundene Anhörung ergänzend Bezug genommen. Es hätten daher nicht mehr alle Details schriftlich festgehalten werden müssen, zumal auch die schriftliche Anhörung den Kündigungssachverhalt zutreffend und ausreichend wiedergebe. Nach der vom Personalausschuss am 11. November 2019 abgegebenen Zustimmungserklärung habe die Kündigung wirksam erklärt werden können. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2019 habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Gehaltszahlungen für die Monate Januar bis April 2020. Vielmehr sei der Kläger nach § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO zur Rückzahlung der von ihr zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil geleisteten Zahlung in Höhe von 13.800,00 EUR verpflichtet.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19. Mai 2020 – 1 Ca 1883/19 – abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen,

2. den Kläger zu verurteilen, an sie 13.800,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. November 2020 zu zahlen,

3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag auf Abweisung der Kündigungsschutzklage das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 31. Dezember 2019 gegen Festsetzung einer an den Kläger zu zahlenden Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welche jedoch einen Betrag in Höhe von 4.140,00 EUR brutto nicht überschreiten sollte, aufzulösen.

Der Kläger beantragt, die Berufung und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Der Kläger erwidert, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Kündigung vom 15. November 2019 unwirksam sei. Gemäß der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts bestehe kein ausreichender betrieblicher Bezug. Ein großer Teil des Vortrags der Beklagten beschäftige sich damit, dass er mehrfach über für jedermann öffentliche und auch sperrbare Plattformen wie Facebook oder Xing Kontakt aufgenommen haben solle. Obwohl das Arbeitsgericht die von ihm allesamt bestrittenen Behauptungen angeblicher Kontaktaufnahmen sogar als wahr unterstellt habe, sei dennoch die rechtliche Würdigung zu Recht zulasten der Beklagten ausgegangen. Die Mehrzahl der von der Beklagten angeführten Fälle beschränke sich auf bloße Anfragen, ohne dass damit überhaupt Nachrichten oder unangemessene Inhalte verbunden gewesen wären. Ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers könne eine Kündigung nur dann sozial rechtfertigen, wenn das Arbeitsverhältnis konkret berührt werde. Denn zwischen dienstlichem und privatem Lebensbereich des Arbeitnehmers sei grundsätzlich klar zu trennen. Ein außerdienstliches Verhalten könne eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen nur rechtfertigen, wenn es sich dabei zugleich um ein vertragswidriges Verhalten handele. Wie er mehrfach betont habe, seien er und Frau G. bei zwei unterschiedlichen Arbeitgebern beschäftigt, wobei lediglich eine kurzzeitige räumliche Zusammenarbeit erfolgt sei. Er habe mit Frau G. lediglich einmaligen Kontakt aufgrund räumlichen Zusammenhangs gehabt. Alles Weitere sei im privaten Kontext geschehen, wobei die Behauptungen der Beklagten zu den angeblichen Belästigungen im Nachgang zur Abmahnung nach wie vor bestritten würden und hiervon nicht erfasst seien. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts erschöpfe sich der betriebliche Bezug der behaupteten Kündigungsvorwürfe im Wesentlichen darin, dass er und Frau G., die noch nicht einmal Mitarbeiterin der Beklagten sei, sich ursprünglich dienstlich veranlasst kennengelernt hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei ein Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit erforderlich, den es hier – abgesehen von dem betrieblich veranlassten Kennenlernen – nicht gegeben habe. Entgegen den Ausführungen der Beklagten könne dieser Zusammenhang nur räumlich oder fachlich gemeint sein. Die Beklagte scheine eine erstaunlich weite Sichtweise ihrer Fürsorge zu sehen. Die arbeitsrechtliche Pflicht zur Fürsorge sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, deren Inhalt sich weitgehend abschließend durch öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschriften bestimme. Wie der Formulierung der konkretisierenden Regelung des § 618 Abs. 1 BGB zu entnehmen sei, bestehe die Pflicht zur Fürsorge für die Person des Arbeitnehmers offensichtlich nicht unbeschränkt. Auch hier zeige sich noch einmal, dass der Bezug auf den räumlichen und beruflichen Zusammenhang beschränkt sei. Alles andere wäre grenzen- und uferlos, weshalb die Beklagte hier eine zu weite Auffassung der Betriebsbezogenheit ansetze. Spätestens nach der räumlichen Trennung zu Frau G. und der Beendigung der gemeinsamen Arbeit in einer Räumlichkeit habe für die Beklagte überhaupt kein Bedürfnis mehr bestanden, in irgendeiner Weise einzuschreiten. Vielmehr habe die Beklagte hier in seine Privatsphäre eingegriffen, was dem Arbeitgeber untersagt sei. Weiterhin habe das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass dienstliche Auswirkungen oder etwaige Zusammenhänge zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen auch nicht dadurch hergestellt werden könnten, dass Frau G. angeblich ihre Arbeit nur noch eingeschränkt habe verrichten können. Der entsprechende Vortrag insbesondere auch zum Kausalzusammenhang und zu den Gesamtumständen sei unsubstantiiert und damit prozessual nicht beachtlich. Unabhängig davon seien die Vorwürfe der Beklagten zu den angeblichen Verhaltensweisen nach der Abmahnung unzutreffend. Die in der Berufungsbegründung vorgetragenen und von ihm jeweils mit Nichtwissen bestrittenen Auswirkungen seien unsubstantiiert und die Beklagte diesbezüglich beweisfällig geblieben. Die möglicherweise verschlechterten Arbeitsergebnisse und die Behauptungen der Beklagten zu seiner Verantwortlichkeit könnten auf vielerlei Alternativursachen beruhen. Mit der Abmahnung vom 12. September 2019 sowie der nachfolgenden räumlichen Trennung sei ihm die unangemessene Kommunikation gegenüber Frau G. zum Vorwurf gemacht und – unabhängig von dessen Rechtswidrigkeit – arbeitsrechtlich ausschöpfend sanktioniert worden. Das Arbeitsgericht habe hier auch die Rechtmäßigkeit der Abmahnung in seinem Urteil festgestellt. Die Äußerungen seien allerdings streitig, ebenso wie der Kontext der Behauptungen. Er habe die Abmahnung und die Feststellungen des Arbeitsgerichts nur deshalb hingenommen, weil er den tatsächlichen Verlauf nicht nachweisen könne. Darüber hinaus verkenne er nicht, dass diese Aussagen ohne Kenntnis des Kontextes, der für ihn nicht nachweisbar sei, von der Beklagten falsch verstanden werden könnten. Mit der Abmahnung habe die Beklagte alle in ihrer Fürsorgepflicht stehenden Verhaltensweisen, die einen betrieblichen Bezug aufweisen würden, ausreichend sanktioniert. Der Vortrag zu den weiteren Geschehensabläufen nach Erhalt der Abmahnung sei erheblich bestritten und würde ohnehin nicht ausreichen, um eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Zusätzlich habe die Beklagte ihn nach den abgemahnten Vorkommnissen unstreitig räumlich weit von Frau G. getrennt, so dass die behaupteten Ängste von Frau G. absolut unverständlich und überflüssig gewesen seien. Weiterhin habe das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass in den übrigen angeführten Behauptungen keine Aussagen von rechtlich relevanter Qualität zu finden seien. Anhaltspunkte für eine rechtswidrige persönliche oder räumliche Näherung gebe es nicht und sei auch nicht behauptet worden. Selbst unter Zugrundelegung des von ihm bestrittenen Vortrags der Beklagten hätte es sich zu keinem Zeitpunkt um Beleidigungen gehandelt und – wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe – auch nicht um offensichtliche Drohungen oder Nachrichten mit einem eindeutig sexuellen Bezug. Unter Heranziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Begriff des Mobbings würden die von der Beklagten behaupteten Verhaltensweisen nicht einmal genügen, um auf dieser Grundlage etwaige arbeitsrechtliche Maßnahmen, schon gar keine Kündigung, zu begründen. Vielmehr würde es sich allenfalls um eine private, zwischenmenschliche Kommunikation handeln, die gemäß der Benennung des Arbeitsgerichts maximal eine „unglückliche Verliebtheit“ darstellen würde. Die Beklagte habe in ihrer Berufungsbegründung einen völlig missverständlichen und unzutreffenden Sachverhalt vorgetragen. Der Ablauf der Geschehnisse zur Abmahnung vom 16. September 2019 sei so gewesen, wie er ihn unter Ziffer II 1 a seiner Berufungserwiderung (Seiten 14 – 16 = Bl. 867 – 869 d. A.), auf die verwiesen wird, geschildert habe. Der von der Beklagten nach der Abmahnung geschilderte Verlauf entbehre jeglichen Wahrheitsgehalts. Auch die Ausführungen zu den angeblichen virtuellen Belästigungen seien unwahr. Entsprechend seinen erstinstanzlichen Ausführungen könnten die von der Beklagten geschilderten Kontaktaufnahmen in den streitgegenständlichen Portalen bzw. über die angeführten Telekommunikationsmittel nicht von ihm stammen. In diesem Zusammenhang habe er noch während des erstinstanzlichen Verfahrens Strafanzeige insbesondere gegen die Syndikusrechtsanwältin der Beklagten wegen der angeführten Diskrepanzen der vorgelegten Beweismittel erstattet; wegen der Einzelheiten wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers unter Ziffer II 1 c der Berufungserwiderung (Seiten 18 – 20 = Bl. 871 – 873 d. A.) Bezug genommen. Die Tatsache, dass nicht einmal die Staatsanwaltschaft wegen eines Deliktes (wie etwa der behaupteten Nachstellung) einen Anfangsverdacht gesehen, sondern das aufgrund der Strafanzeige von Frau G. gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren nach seiner Befragung zu den behaupteten Vorwürfen eingestellt habe, zeige deutlich, dass in keiner Weise ein schuldhaftes Verhalten von ihm gesehen worden sei. Auch wenn die arbeitsrechtliche und strafrechtliche Würdigung voneinander zu unterscheiden sei, stelle sich dennoch die Frage, welche Pflicht er schuldhaft verletzt haben solle, wenn die Polizei sowie die Staatsanwaltschaft in den vorgeworfenen schwerwiegenden Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Stalking bzw. Nachstellung noch nicht einmal einen Anfangsverdacht erblicken könnten. Vielmehr seien selbst die Behörden nach den Angaben von Frau G. von seiner Unschuld ausgegangen. Folgerichtig könnten aus dem in Rede stehenden Verhalten auch aus arbeitsrechtlicher Sicht keine negativen Schlüsse zu seinen Lasten gezogen werden. Eine negative Zukunftsprognose sei nicht begründet, zumal der Sachverhalt aus der ausgesprochenen Abmahnung sicherlich nicht als besonderes schwerwiegende Pflichtverletzung angesehen werden könne. Wie er vorgetragen habe, seien die Aussagen im völlig falschen Kontext betrachtet und daher gänzlich missverstanden worden. Jedenfalls sei es nachfolgend nicht zu den von der Beklagten behaupteten Verhaltensweisen gekommen. Unabhängig davon hätten die behaupteten Kontaktversuche nicht die Qualität einer Belästigung oder Nachstellung und könnten nicht zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung und einer Negativprognose ausreichen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht hinterfragt, ob und warum eine Kündigung überhaupt irgendeine schützende Wirkung für Frau G. hätte entfalten können, was vorliegend nicht der Fall sei. Der Vortrag der Beklagten zu ihrer Interessenabwägung zeige, dass sie sich nicht einmal im Rahmen der Berufungsbegründung mit seinen Interessen auseinandergesetzt habe. Die von ihm vorgebrachten erheblichen Einwände seien in keiner Weise berücksichtigt worden, wie z. B. der Umstand, dass die zwischenmenschlichen Avancen von Frau G. ausgegangen seien bzw. vor dem gegenständlichen Treffen in der Mittagspause die Initiative von dieser ergriffen worden sei, die Beklagte zu jeder Zeit mit seiner Arbeit zufrieden gewesen sei und es keinerlei andere Beschwerden ihm gegenüber gegeben habe. Die Feststellung einer Verhältnismäßigkeit hätte einer beiderseitigen Abwägung der zugrundeliegenden Behauptungen bedurft, was im gesamten Verfahren nicht im Ansatz zu finden sei. Soweit die Beklagte weiter behaupte, dass aufgrund angeblich irrationalen Verhaltens auch gegenüber anderen Mitarbeitern derartiges Verhalten zu befürchten gewesen sein solle und dies das Vertrauen in die künftige Vertragstreue zerstört habe, gehe dies im Hinblick auf die rechtlichen Voraussetzungen der Negativprognose gänzlich vorbei. Zwischen ihm und anderen Mitarbeitern habe es zu keinem Zeitpunkt bedenklichen Kontakt gegeben, was auch nicht vorgetragen worden sei. Die Beklagte habe ihn aufgrund eines banalen Ereignisses in der Mittagspause abgemahnt und ihn sogar ins Homeoffice versetzt, ohne dass es hier ernstliche Beschwerden von seiner Seite gegeben hätte. Mit ihrem Vortrag, dass die Zielrichtung der ausgesprochenen Kündigung zukünftige Pflichtverletzungen ihr gegenüber ausschließen solle, widerspreche sich die Beklagte eklatant. Die Kündigungsbegründung beschreibe ausschließlich den streitigen Sachverhalt im Zusammenhang mit Frau G.. Nunmehr beziehe sich die Beklagte auf zukünftige Pflichtverletzungen, ohne dass es hierfür irgendwelche Anhaltspunkte gegeben hätte. Soweit sich die Beklagte im weiteren Verlauf der Berufungsbegründung nach Ausspruch der Kündigung nicht mehr für Frau G. verantwortlich sehe, widerspreche dies der zuvor geäußerten Haltung, nach der die Beklagte ihre Fürsorgepflicht noch sehr weit interpretiert habe. Im Hinblick auf ein milderes Mittel könne die Beklagte gerade nicht darauf verweisen, dass ihre Maßnahmen in den Wochen vor der Kündigung wirkungslos geblieben wären. Vielmehr habe er seine Arbeit nach der Abmahnung und Versetzung in das Homeoffice ordnungsgemäß erledigt. Im Übrigen hätte er jederzeit auch an einem anderen Ort und auch künftig in örtlichen Projekten eingesetzt werden können. Mithin sei der Ausspruch der Kündigung unverhältnismäßig gewesen. Die Heranziehung des Verhaltenskodexes durch die Beklagte unter Zitierung des sich hieraus ergebenden wertschätzenden und fairen Umgangs sei vor dem Hintergrund, dass sie völlig einseitig zu seinen Lasten ermittelt habe und ihm Straftaten vorwerfe, äußerst fragwürdig und rechtswidrig. Wer selbst gegen eine vermeintliche Rechtsgrundlage verstoße, könne sich bei seiner eigenen Begründung nicht auf eine solche berufen. Ferner möge die Beklagte erläutern, was genau an den von ihr behaupteten und von ihm bestrittenen Aussagen gegenüber Frau G. abwertend, unfair und respektlos sein solle. Wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden habe, wäre die Beklagte durch Aussprache der Abmahnung sowie durch seine räumliche Trennung ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Frau G. ausreichend nachgekommen, und zwar unabhängig davon, dass auch die Abmahnung seiner Auffassung nach bereits dem Grunde nach rechtswidrig gewesen sei. Darüber hinaus sei auch die Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß erfolgt. Er bestreite nicht die Anhörung an sich, sondern die Ordnungsgemäßheit der Anhörung sowie den Inhalt des Gesprächs zwischen Herrn E. und der Betriebsratsvorsitzenden am 07. November 2019. Die schriftliche Anhörung des Personalausschusses sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Darlegung des Sachverhalts an den Betriebsrat bzw. den Personalausschuss sei unter einseitiger und absolut unvollständiger Mitteilung der Geschehensabläufe erfolgt. Die eigentliche Sachverhaltsschilderung im Anhörungsschreiben vom 08. November 2019 sei in zwei Absätzen unter Hinweis auf die beigefügte Abmahnung vom 12. September 2019 und seine Gegendarstellung erfolgt. Der Personalausschuss sei in keiner Weise in der Lage gewesen, eine eigene tragfähige Entscheidung zu treffen, weil diesem der vollständige Sachverhalt nach der erfolgten Abmahnung unbekannt gewesen sei. Die Beklagte habe sich auf die Mitteilung beschränkt, dass er Frau G. weiterhin nahezu täglich kontaktiert habe und sich diese belästigt fühle. Der Personalausschuss hätte eine vollständig andere Entscheidung getroffen, wenn diesem bekannt gewesen wäre, dass er lediglich in der abgemahnten Situation Kontakt mit Frau G. gehabt habe, nachfolgend ins Homeoffice versetzt worden sei und weiterhin völlig unbeanstandete Arbeit geleistet habe. Doch selbst dann, wenn der vollständige Sachverhalt, von dem die Beklagte ausgegangen sei, eröffnet worden sei, hätte der Personalausschuss gänzlich anders entschieden. Wenn schon das Arbeitsgericht den streitigen Vortrag zu seinen Gunsten als „unglückliche Verliebtheit“ qualifiziere, wäre auch der Betriebsrat zu diesem Ergebnis gekommen. Abgesehen davon, dass die Sitzung und Beschlussfassung des Personalausschusses im Rahmen einer zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zulässigen Telefonkonferenz stattgefunden habe, sei die Anhörung des Personalausschusses nicht ordnungsgemäß erfolgt. Aus dem vorgelegten Protokoll ergebe sich keineswegs ein umfassender mündlicher Austausch zwischen der Betriebsratsvorsitzenden und Herrn E.. Gerade die für die Kündigung erforderlichen umfassenden Geschehensabläufe und die erheblichen Zweifel an den Behauptungen von Frau G. könnten nicht Gegenstand der Anhörung gewesen seien, weil dies umfassend dokumentiert worden wäre. Derartige Anhörungen würden nicht in einem Flurgespräch stattfinden, sondern erfolgten schriftlich unter Darlegung sämtlicher Tatsachen und einer erforderlichen Interessenabwägung, zumal die Beklagte kein kleines Unternehmen sei und sicherlich auch in solchen Angelegenheiten durch professionellen Rechtsbeistand vertreten werde. Die oberflächliche Widergabe des Unterhaltungsinhalts durch die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 27. April 2021 würde dies untermauern. Es sei erstaunlich, was nach dem in jeglicher Hinsicht unglaubhaften Vortrag der Beklagten in einem Telefonat am 07. November 2019 alles besprochen worden sein solle. Allein die detaillierte Aufzählung suggeriere, dass die Beklagte hier offensichtlich angebliche Besprechungsinhalte diktiere. In diesem Zusammenhang frage sich, ob die Beklagte als Konzern derart komplexe Kündigungssachverhalte immer mündlich mit dem Betriebsrat bespreche. Eine ordnungsgemäße Anhörung hätte bei einem derartigen Sachverhalt umfassenden Schriftverkehr beinhaltet, zumal dies bei einem Unternehmen mit einem Zentralbereich für Personalfragen zu erwarten sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beklagte die ordnungsgemäße Anhörung versäumt habe. Aufgrund der unwirksamen Kündigung vom 15. November 2019 habe er unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges der Beklagten Anspruch auf Fortzahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung in der zuerkannten Höhe für die Monate Januar bis April 2020.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gem. § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Kündigungsklage ist unbegründet. Die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 15. November 2019 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zu dem im Kündigungsschreiben angegebenen Termin (31. Dezember 2019) beendet. Deswegen besteht kein Anspruch des Klägers auf die erstinstanzlich zuerkannte Annahmeverzugsvergütung für die Monate Januar bis April 2020. Der Kläger ist zur Rückzahlung des von der Beklagten zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil gezahlten Betrags von 13.800,00 EUR verpflichtet.

I. Die ordentliche Kündigung vom 15. November 2019 ist wirksam.

1. Die Kündigung ist aus den von der Beklagten vorgetragenen verhaltensbedingten Gründen i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

a) Eine Kündigung ist i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen (BAG 16. Dezember 2021 – 2 AZR 356/21 – Rn. 12). Stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin unter Missachtung ihres entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nach, ist dies an sich sogar als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. In einem derartigen Verhalten liegt nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB, der die Integritätsinteressen seiner Mitarbeiter zu schützen hat. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung (vgl. § 238 StGB) an (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 33).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt im Streitfall ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG vor. Der Kläger hat trotz der ihm erteilten einschlägigen Abmahnung vom 12. September 2019 die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt, indem er im kündigungsrelevanten Zeitraum nach Übergabe der Abmahnung am 16. September 2019 in der Folgezeit bis zum 06. November 2019 der Zeugin G. unter bewusster Missachtung ihres entgegenstehenden Willens beharrlich nachgestellt hat.

aa) Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) fest, dass der Kläger die von der Beklagten vorgelegten Nachrichten (Anlagen B3 – B6 und B8 – B11 zum Schriftsatz vom 02. März 2020) in der Zeit vom 18. September 2019 bis 06. November 2019 an die Zeugin G. übersandt hat.

Die Zeugin G., die im Hinblick auf ihr Schreiben vom 25. November 2021 im Wege der Videovernehmung gemäß § 128a Abs. 2 ZPO vernommen worden ist, hat bekundet, sie sei damals ab etwa März/April 2019 als Unternehmensberaterin der C. systems AG beim Bundesamt für Güterverkehr in K-Stadt in einem Projekt eingesetzt worden, bei dem sie den ebenfalls in dem Projekt tätigen Kläger kennengelernt habe. Bereits vor der Abmahnung habe sich der Kläger, der zunächst mit ihr in einem Büro zusammenarbeitet habe, ihr gegenüber recht aufdringlich verhalten. Einmal habe sie ihn zufällig in einem Fitnessstudio getroffen, wo er sie angesprochen und auch ihren Körper kommentiert habe. Während der Zusammenarbeit habe er sie mehrfach nach Treffen bzw. Dates gefragt, die sie aber abgelehnt habe. Ihr Vorgesetzter, Herr F., sei bereits über das auffällige Verhalten des Klägers im Bilde gewesen. Später seien sie im 6. Obergeschoss in Büros nebeneinander tätig gewesen. Der Kläger sei des Öfteren bei ihr vorbeigekommen, so dass sie schon genervt gewesen sei. An einem Tag habe der Kläger in Anwesenheit ihrer Kollegin, Frau N., seine Liebe ihr gegenüber gestanden. Ihre Kollegin habe ihr geraten, mit dem Kläger mal einen Kaffee zu trinken, um ihm dann wertschätzend Grenzen zu setzen. Entsprechend dem Rat ihrer Kollegin sei sie dann in der Mittagspause mit dem Kläger zu einem Café gegangen. Dabei habe der Kläger die von ihr zu Protokoll erklärten Äußerungen getätigt, wobei sie heute nicht mehr genau sagen könne, ob dies auf dem Weg zum Café oder auf dem Weg von dort zurück der Fall gewesen sei. Dabei seien die Äußerungen gefallen, wie er müsse sich zurückhalten, sie nicht zu überfallen, er würde sie gerne küssen und sie hätten sich ja noch nie berührt. Sie habe ihm gesagt, dass das mit ihm nichts werde, was sie ihm auch schon vorher mehrfach gesagt habe. Sie habe sein Verhalten als aufdringlich und flehend bzw. mitleiderregend empfunden. Sie habe sich dann an ihren Vorgesetzten gewandt und ihm gesagt, dass das Verhalten Konsequenzen haben müsse. Ihr Vorgesetzter sei schon vorher über das Verhalten informiert gewesen. Nach den Äußerungen habe sie ihn dann wiederum auf das Verhalten angesprochen und ihm die Äußerungen des Klägers mitgeteilt. Im Hinblick darauf, dass sie teilweise alleine im 6. Obergeschoss tätig gewesen sei, habe sie die Sache als sehr dringlich angesehen, weil sie Angst gehabt habe, dass der Kläger zu ihr ins Büro komme. Ihr Vorgesetzter habe sich dann an den Vorgesetzten des Klägers gewandt, der eine Abmahnung ausgesprochen habe. Sie könne heute nicht mehr genau sagen, auf welche Weise sie von der Abmahnung erfahren habe. Für sie sei wichtig gewesen, dass der Kläger danach in ein weit entferntes Büro versetzt worden sei. Sie wisse heute nicht mehr genau, wie das ihr gegenüber kommuniziert worden sei. Letztlich sei der Kläger dann aus dem Projekt raus gewesen und sie weiterhin bei dem Kunden. Dann hätten die Kontaktaufnahmen über verschiedene Kanäle stattgefunden. Über ihr Firmenhandy, über Xing, über Facebook usw.. Sie habe die Kontaktanfragen des Klägers ignoriert und ihn in ihren Kontakten auf ihrem Firmenhandy blockiert. Einmal habe sie ihm unmissverständlich geantwortet, dass sie mit ihm nichts zu tun haben wolle und ansonsten rechtliche Schritte einleiten werde. Sie habe ein Protokoll erstellt, in das sie alle Nachrichten eingefügt habe. Sie habe immer einen Screenshot erstellt und dies dann in das Protokoll eingefügt, das sie an Frau L. und Frau W. übergeben habe. Darin seien alle Nachrichten in der Zeit vom September bis November 2019 aufgeführt gewesen. Zu den ihr vorgehaltenen Anlagen B3 – B6 und B8 – B11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02. März 2020 hat die Zeugin erklärt, sie habe diese Nachrichten erhalten, bzw. die ihr ausgedruckt vorliegenden Nachrichten auch selbst vorgelesen. Dabei habe es sich um die Nachrichten gehandelt, die sie in einem Protokoll Frau L. und Frau W. weitergegeben habe. Sie habe bei der Polizei Anzeige erstattet und der Polizei auch das Protokoll mit den Nachrichten übergeben. Sie sei letztlich zur Polizei gegangen, weil sie Angst bekommen habe. Da sie ständig solche Nachrichten erhalten habe, habe sie auch nicht mehr konzentriert arbeiten können. Sie habe Angst gehabt, auf die Straße zu gehen und dass ihr dort aufgelauert werde. Die Nachrichten hätten einen bedrohlichen Charakter gehabt, so dass sie sich dadurch bedroht gefühlt habe. Insbesondere die Nachricht über Telegram vom 05. November 2019, in der es heiße, dass die Abmahnung entfernt worden sei und er durchaus die Möglichkeit weiterer Strafanträge in Betracht ziehe, sowie auf ein angebliches Verhältnis mit einem Kollegen T. verwiesen werde, habe sie als sehr bedrohlich empfunden. Sie habe sich in der Folge nicht mehr getraut, vom Kunden alleine nach Hause zu fahren. Da der Kläger gewusst habe, wo sie arbeite, habe sie aus Angst vermehrt im Homeoffice gearbeitet. Sie habe ihr Firmenhandy dann auch ausgetauscht.

Die Zeugin G. hat den Ablauf des Geschehens glaubhaft geschildert und insbesondere glaubhaft bestätigt, dass sie die vorgelegten Nachrichten des Klägers (Anlagen B3 – B6 und B8 – B11) tatsächlich erhalten und die entsprechenden Screenshots mit dem von ihr erstellten Protokoll an Frau L. und Frau W. übergeben hat. Auf welche Weise der Kläger, der angeblich über keinen eigenen Account bei Facebook, Xing pp. und auch über kein privates Handy bzw. einen Mobilfunkvertrag verfügen will, die Übermittlung der von ihm verfassten Nachrichten veranlasst hat und auf welchen Endgeräten mit welcher darauf installierten Version des Betriebssystems die Zeugin G. die vorgelegten Screenshots erstellt hat, kommt es nicht an. Das Berufungsgericht ist aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin G., an deren Glaubwürdigkeit keinerlei Zweifel bestehen, davon überzeugt, dass jedenfalls die vorgelegten Nachrichten nur vom Kläger stammen können und keine angeblich „gefälschten“ Screenshots vorgelegt worden sind. Im Hinblick auf das zuvor abgemahnte Verhalten des Klägers und die dazu in einem unmittelbaren zeitlichen sowie auch inhaltlichen Zusammenhang stehenden Nachrichten erscheint es als vollkommen lebensfremd, dass eine andere Person als der Kläger der Urheber der Nachrichten sein könnte. In der Klageschrift ist sogar die wahrheitswidrige Behauptung aufgestellt worden, dass sich die Zeugin G. durch einen Sprung aus dem achten Stock der Klinik das Leben genommen habe. Hierzu hat der Kläger im Termin vom 06. Mai 2021 erklärt, er wisse nicht, ob die Zeugin G. noch lebe oder nicht, und wisse angeblich auch nicht, warum seine damalige Prozessbevollmächtigte diese Behauptung in der Klageschrift aufgestellt habe. Auch diese Erklärung ist in keiner Weise nachvollziehbar, zumal der Kläger in dem von ihm selbst verfassten Schriftsatz vom 26. März 2020 (S. 2 = Bl. 322 d.A.) ebenfalls vorgetragen hat, die Beklagte sei „Teil einer Organisation, welche versucht, den Anschein zu wahren, Frau G. sei noch lebendig, und habe gefälschte Beweismittel für dieses Verfahren kreiert.“ Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin G. ist die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe mit den Nachrichten „gefälschte Beweismittel“ vorgelegt, ebenso unzutreffend wie seine wahrheitswidrige Behauptung über den – frei erfundenen – Tod der Zeugin.

bb) Der Kläger hat mit den – nach der ihm erteilten Abmahnung vom 12. September 2019 – versandten Nachrichten an die Zeugin G. im kündigungsrelevanten Zeitraum bis zum 06. November 2019 die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt.

Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden. Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (BAG 10. April 2014 – 2 AZR 684/13 – Rn. 14; BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 31).

Im Streitfall hat der Kläger nach der ihm erteilten Abmahnung vom 12. September 2019 in der Mittagspause am 05. September 2019 gegenüber der Zeugin G., die im Rahmen des gemeinsamen Projektes mit dem Kläger zusammengearbeitet hat, die im Abmahnungsschreiben zitierten Äußerungen getätigt. Der Klageantrag auf Entfernung dieser Abmahnung ist vom Arbeitsgericht mit seinem – insoweit rechtskräftigen – Urteil vom 19. Mai 2020 abgewiesen worden. Damit steht rechtskräftig fest, dass der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Entfernung dieser Abmahnung hat. Unabhängig davon hat das Arbeitsgericht zu Recht das unerwünschte Verhalten des Klägers als unangemessen bewertet und zutreffend ausgeführt, dass dessen Verhalten anlässlich des gemeinsamen Cafébesuchs am 05. September 2019 einen ausreichenden arbeitsrechtlichen Bezug aufweise und dabei nicht von entscheidender Bedeutung sei, dass dieses Treffen unstreitig in einer Arbeitspause und wenige hundert Meter von der gemeinsamen Arbeitsstätte stattgefunden habe und die Zeugin G. eine Angestellte der Konzernmuttergesellschaft sei. Zwischen dem Kläger und der Zeugin G. habe nämlich aufgrund der Zusammenarbeit im Rahmen des gemeinsamen Projektes eine enge berufliche Verbindung bestanden. Die Zeugin G. hat bei ihrer Vernehmung das dem Kläger vorgeworfene Verhalten, das Gegenstand der Abmahnung ist, glaubhaft bestätigt, insbesondere dass der Kläger die von ihr zu Protokoll erklärten Äußerungen getätigt habe, obwohl sie ihre ablehnende Haltung bereits zuvor mehrfach zum Ausdruck gebracht habe. Das nachfolgende Verhalten des Klägers stand im unmittelbaren Zusammenhang zu dem abgemahnten Verhalten gegenüber der Zeugin G. und stellt sich als dessen Fortsetzung mit anderen Mitteln auf virtuellem Weg dar. Dabei ist unerheblich, dass die Zeugin G. formal nicht bei der Beklagten, sondern bei der Konzernmuttergesellschaft angestellt ist. Im Hinblick darauf, dass die Konzernmuttergesellschaft und die Beklagte eng u.a. durch gemeinsam gebildete Projekteams zusammenarbeiten, hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre eigenen Arbeitnehmer nicht nur die Integritätsinteressen der anderen bei ihr selbst angestellten Arbeitnehmer, sondern auch die der ihr übergeordneten Konzernmuttergesellschaft nicht verletzen und diese in ihrer Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt werden. Der Kläger hat ungeachtet der ihm erteilten einschlägigen Abmahnung vom 12. September 2019, die ihm am 16. September 2019 übergeben worden ist, und seines Abzugs aus dem gemeinsamen Projekt im unmittelbaren Anschluss daran sein grenzüberschreitendes Verhalten gegenüber der Zeugin G. nicht etwa eingestellt, sondern vielmehr mit anderen Mitteln fortgesetzt, indem er ihr nunmehr unter bewusster Missachtung ihres entgegenstehenden Willens eine Vielzahl von Nachrichten übersandt hat, die ihrem Inhalt nach als fortgesetzte Verletzung der Rücksichtnahmepflicht zu bewerten sind. So hat der Kläger kurze Zeit später mit seiner SMS vom 18. September 2019 (Anlage B3) die Zeugin G. unter Bezugnahme auf die Abmahnung kontaktiert. Daraufhin hat die Zeugin G. die Rufnummer des Klägers in ihren Kontakten blockiert. In einer weiteren Mitteilung über Facebook am 26. September 2019 (Anlage B5) hat der Kläger die Zeugin G. gleichwohl erneut kontaktiert und selbst darauf verwiesen, dass sie ihn in ihren Kontakten auf dem iPhone blockiert hat. Danach war ihm bewusst, dass die Zeugin G. mit ihm nicht mehr in Kontakt treten will. Trotzdem hat er am 03. Oktober 2019, diesmal über den Messenger-Dienst Telegram, die Zeugin G. erneut kontaktiert. Mit ihrer darauf erfolgten Reaktion (Anlage B6) hat die Zeugin G. unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie keinen Kontakt zum Kläger möchte und sie ihn an anderer Stelle melden werde, wenn er sie weiter ungefragt kontaktieren sollte. Obwohl der Kläger in seiner Antwort darauf versprochen hat, sie nicht mehr zu kontaktieren (Anlage B6), hat er sich am 05. November 2019 erneut über den Messenger-Dienst Telegram an die Zeugin G. mit – auszugsweise – folgender Nachricht gewandt (Anlage B8):

„(…) Melde dich falls du es dir doch noch überlegst meine Abmahnung wurde entfernt, damit ist für mich alles ok obwohl ich durchaus die Möglichkeit weiterer Strafanträge in Betracht ziehe, wäre jetzt ein Kinderspiel. (…)“

Diese Nachricht hat die Zeugin G. nach ihrer Aussage nachvollziehbar als Drohung empfunden. Hierzu hat sie ausgesagt, dass sie insbesondere die Nachricht über Telegram vom 05. November 2019, in der es heiße, dass die Abmahnung entfernt worden sei und er durchaus die Möglichkeit weiterer Strafanträge in Betracht ziehe, sowie auf ein angebliches Verhältnis mit einem Kollegen T. verwiesen werde, als sehr bedrohlich empfunden habe. Neben drei weiteren Telegram-Nachrichten vom 06. November 2019 (Anlage B9) hat der Kläger in einer weiteren SMS vom 06. November 2019 (Anlage B10) ohne nachvollziehbaren Anlass der Zeugin G. mitgeteilt, dass er ihr finanziell helfen wolle, über die Runden zu kommen, bis sie wieder auf eigenen Beinen stehen könne. In einer weiteren Nachricht über Xing vom 06. November 2019 (Anlage B11) hat er dies wiederholt und wiederum ohne nachvollziehbare Erklärung der Zeugin G. mitgeteilt, er habe angeblich gehört, dass sie sich ihre „Haare abrasiert“ und ihm das egal sei. In Anbetracht des verstörenden Inhalts dieser Nachrichten, die von der Zeugin ohne weiteres nachvollziehbar als sehr bedrohlich empfunden worden sind, hat sie aus Angst letztlich die Polizei aufgesucht und Anzeige erstattet. Dabei ist unerheblich, dass das eingeleitete Ermittlungsverfahren im Hinblick darauf, dass bereits die Befragung des Klägers durch die Polizei eine ausreichend abschreckende Wirkung habe, letztlich eingestellt worden ist, zumal es auf die strafrechtliche Bewertung nicht entscheidend ankommt. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger trotz der ihm erteilten einschlägigen Abmahnung unter bewusster Missachtung des ausdrücklich geäußerten entgegenstehenden Willens der Zeugin G. dieser weiterhin nachgestellt hat. Die oben dargestellten Nachrichten des Klägers mit ihrem zuletzt verstörenden Inhalt und bedrohlichen Charakter haben gemäß den glaubhaften Angaben der Zeugin G. dazu geführt, dass sie Angst bekommen hat und deshalb auch in ihrer Arbeitsleistung beeinträchtigt war. Die Zeugin G. hat hierzu ausgesagt, dass sie letztlich zur Polizei gegangen sei, weil sie Angst bekommen habe. Da sie ständig solche Nachrichten erhalten habe, habe sie auch nicht mehr konzentriert arbeiten können. Die Nachrichten, insbesondere die von ihr zuletzt angeführte Nachricht über Telegram vom 05. November 2019 hätten einen bedrohlichen Charakter gehabt, so dass sie sich dadurch bedroht gefühlt habe. Sie habe sich in der Folge nicht mehr getraut, vom Kunden alleine nach Hause zu fahren. Da der Kläger gewusst habe, wo sie arbeite, habe sie aus Angst vermehrt im Homeoffice gearbeitet. Das eindeutig grenzüberschreitende Verhalten des Klägers, das in einem unmittelbaren Zusammenhang zu dem abgemahnten Verhalten im Rahmen der gemeinsamen Projekttätigkeit stand, hat sich danach auch nachteilig auf die Arbeitstätigkeit der Zeugin G. ausgewirkt. In Anbetracht des danach gegebenen Bezugs zur dienstlichen Tätigkeit liegt hierin nicht nur eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Zeugin G., sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der Beklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB.

cc) Bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls ist der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers über die Kündigungsfrist hinaus nicht mehr zumutbar. Zwar scheidet eine Kündigung aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Das ist aber hier nicht der Fall. Vielmehr ist der Kläger mit der einschlägigen Abmahnung vom 12. September 2019 bereits vergeblich abgemahnt worden. Der hiergegen gerichtete Klageantrag auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist vom Arbeitsgericht mit seinem insoweit rechtskräftigen Urteil abgewiesen worden. Unabhängig davon hat die Zeugin G. gemäß den obigen Ausführungen das zu Recht abgemahnte Verhalten des Klägers glaubhaft bestätigt. Die Beklagte hat darüber hinaus den Kläger aus dem Projekt in K-Stadt abgezogen und ihn einstweilen im Homeoffice weiterbeschäftigt. Gleichwohl hat er trotz der ihm erteilten Abmahnung und unter bewusster Missachtung des entgegenstehenden Willens der Zeugin G. dieser mit den vorgelegten Nachrichten weiter nachgestellt. Das beharrlich fortgesetzte grenzüberschreitende Verhalten des Klägers ist als schwerwiegende Verletzung der ihm obliegenden Rücksichtnahmepflicht zu bewerten, die in Anbetracht des dargestellten Inhalts insbesondere der zuletzt übersandten Nachrichten mit teils verstörendem Inhalt und bedrohlichem Charakter zu nachteiligen Folgen für die Zeugin G. geführt hat, die auch in ihrer Arbeitsleistung dadurch beeinträchtigt worden ist. Auf die Frage, ob und inwieweit durch eine Kündigung ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger weiterhin der Zeugin G. nachstellt, kommt es nicht an. Der Beklagten ist es nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger weiter fortzusetzen, nachdem dieser trotz der ihm erteilten Abmahnung weiterhin der Zeugin G., die mit ihm in einem gemeinsamen Projekt eingesetzt war, beharrlich nachgestellt hat, wenn auch nunmehr auf virtuellem Weg. Das beharrliche Verhalten des Klägers zeigt, dass eine Wiederholungsgefahr keinesfalls ausgeschlossen werden kann, insbesondere auch nicht gegenüber anderen Mitarbeiterinnen. Der Beklagten ist es auch nicht zuzumuten, den Kläger künftig nur noch im Homeoffice einzusetzen. Die vertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers umfasst auch unter Berücksichtigung der Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag – Homeoffice – vom 27. November 2015 auch den Einsatz in Projekten bei Kunden, wie dies zuletzt in K-Stadt der Fall war. Die Zusatzvereinbarung sieht lediglich vor, dass der Kläger allgemeine Tätigkeiten in Abstimmung mit dem Arbeitgeber von seinem derzeitigen Wohnort aus bearbeiten kann, sofern dies organisatorisch bzw. aufgrund der Projektsituation und/oder Kundenanforderung möglich ist. Eine dauerhafte Einschränkung des Direktionsrechts der Beklagten auf einen Einsatz im Homeoffice infolge des vertragswidrigen Verhaltens des Klägers ist ihr bei Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar. Auch wenn man davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers seit dem 01. Januar 2016 vor dem beanstandeten Verhalten im Rahmen des Projektes in K-Stadt gegenüber der Zeugin G. beanstandungsfrei verlaufen war, überwiegt in Anbetracht von Ausmaß und Intensität der Pflichtverletzung sowie deren Folgen das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses.

2. Die Kündigung ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats bzw. des von ihm gebildeten Personalausschusses nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

a) Der Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können. Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen – und damit irreführenden – Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann. Allerdings darf der Arbeitgeber ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, d.h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 05. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 – Rn. 43 und 44). Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht allerdings nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess. Die Anhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (BAG 26. März 2015 – 2 AZR 417/14 – Rn. 46). Der Arbeitgeber ist daher auch nicht verpflichtet, dem Betriebsrat Unterlagen oder Beweismaterial zur Verfügung zu stellen. § 102 Abs. 1 BetrVG enthält für das Anhörungsverfahren keine Formvorschrift. Weder aus der vom Arbeitgeber gewählten schriftlichen Form der Anhörungseinleitung noch aus der Komplexität des Kündigungssachverhalts folgt eine Verpflichtung des Arbeitgebers, sich auf schriftliche Informationen zu beschränken oder gar vorhandene schriftliche Unterlagen dem Betriebsrat auszuhändigen (BAG 6. Februar 1997 – 2 AZR 265/96 – Rn. 21).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Personalausschuss ordnungsgemäß über den aus ihrer subjektiven Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt unterrichtet.

Der im Jahr 2018 gewählte neunköpfige Betriebsrat hat das Beteiligungsrecht nach § 102 BetrVG ausweislich des vorgelegten Protokolls vom 17. Mai 2018 nebst der als dessen Bestandteil beigefügten Sitzungsniederschrift (Anlage BK 23) auf den von ihm gebildeten Personalausschuss zur selbständigen Erledigung übertragen, was gemäß § 28 Abs. 1 BetrVG zulässig ist. Die Beklagte hat mit ihrem an den Vorsitzenden des Personalausschusses gerichteten Anhörungsschreiben vom 08. November 2019 (Anlage B15) den Personalausschuss unter Angabe der Sozialdaten des Klägers über die von ihr beabsichtigte verhaltensbedingte Kündigung unterrichtet und hierzu sowohl die Abmahnung vom 12. September 2019 als auch die Gegendarstellung des Klägers vom 23. September 2019 beigefügt. Im Anhörungsschreiben hat sie hinsichtlich der Einzelheiten des angeführten Kündigungssachverhalts auf die Besprechung mit dem Betriebsrat verwiesen, in der die Kündigungsgründe durch den Zeugen E. eingehend erläutert worden seien. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass der Vorgesetzte des Klägers, Herr E., am 07. November 2019 in einer Telefonbesprechung mit der Vorsitzenden des Betriebsrats, Frau F., diese über den Sachverhalt bzw. die Gründe für die beabsichtigte Kündigung des Klägers mit dem dargestellten Inhalt eingehend mündlich unterrichtet habe, insbesondere auch über die bereits ergriffenen Maßnahmen und über den Inhalt der angeführten Kontaktversuche bzw. Nachrichten anhand der ihm bei dem Telefonat vorliegenden Zusammenstellung der Nachrichten. Der Kläger hat zuletzt mit Schriftsatz vom 03. September 2021 erklärt, dass er nicht die Anhörung an sich, sondern die Ordnungsgemäßheit der Anhörung sowie den Inhalt des Gesprächs zwischen dem Zeugen E. und der Betriebsratsvorsitzenden am 07. November 2019 bestreite. Aufgrund der danach durchgeführten Beweisaufnahme steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) fest, dass die Zeugin F. als Vorsitzende des Betriebsrats durch den Zeugen E. über den maßgeblichen Kündigungssachverhalt ausreichend unterrichtet und danach der Personalausschuss in die Lage versetzt worden ist, sich ein eigenes Bild über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu machen.

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er als disziplinarischer Vorgesetzter des Klägers nach der im September 2019 ausgesprochenen Abmahnung immer in engem Kontakt mit ihrer Rechtsabteilung gestanden habe. Am 06. November 2019 habe ihn die Rechtsabteilung angerufen und ihm gesagt, dass Frau G. die Polizei eingeschaltet habe und unterbinden wolle, dass der Kläger zu ihr weiter in Kontakt trete. Deshalb hätten sie sich zu einer Kündigung entschieden und er sei in Kontakt zum Betriebsrat getreten. Die Nachrichten, die Frau G. erhalten habe, seien zwar nicht an ihn selbst weitergeleitet worden. Sie hätten sich aber über das Videokonferenzsystem Teams die Nachrichten des Klägers gemeinsam angeschaut. Ihm sei der Inhalt der Nachrichten deshalb bekannt gewesen, auch wenn ihm die Nachrichten selbst nicht übermittelt worden seien. Am 07. November 2019 habe er die Vorsitzende des Betriebsrats, Frau F., angerufen. Die ihm vorliegenden Informationen habe er dieser sehr detailliert geschildert. Ihm sei bewusst gewesen, dass es sich um ein sehr sensibles Thema handele. Deswegen habe er die Informationen so detailliert wie möglich Frau F. geschildert. Er habe ihr die Abmahnung dargestellt, bei der es sich um die erste von ihm ausgesprochene Abmahnung gehandelt habe. Ferner habe er auch die Gegendarstellung des Klägers geschildert und die bereits ergriffenen Maßnahmen, wie der Abzug aus dem Projekt und die daraufhin erfolgte Tätigkeit im Homeoffice. Nach dem kurzfristigen Abzug aus dem Projekt habe er zunächst keine andere Projekttätigkeit für den Kläger gehabt. Er habe geschildert, dass die Kontaktversuche nach der Abmahnung nicht aufgehört hätten. Im Hinblick darauf, dass ihm unmittelbar zuvor der Inhalt der Nachrichten bzw. Kontaktversuche des Klägers von der Rechtsabteilung mitgeteilt worden sei, sei ihm bei dem Gespräch am 07. November 2019 deren Inhalt geläufig gewesen, den er dann Frau F. auch geschildert habe. Den gesamten Sachverhalt habe er Frau F. chronologisch geschildert. Ihm sei noch in Erinnerung, dass der Kläger in einer Mitteilung an Frau G. angegeben habe, die Abmahnung sei entfernt worden, er sei aber nicht sauer und wünsche wieder Kontakt. Weiterhin die Nachricht des Klägers, dass er Geld habe und Frau G. unterstützen könne, und die von Frau G. erstattete Strafanzeige wegen der fortdauernden Kontaktversuche. Er habe Frau F. auch die Auswirkungen auf Frau G. geschildert. Frau G. habe sich auch in ihren beruflichen Verpflichtungen gegenüber den Kunden durch die fortlaufenden Kontaktversuche beeinträchtigt gesehen, zumal diese auch über ihr Diensthandy erfolgt seien. Frau G. habe sich beispielsweise nicht getraut, beim Kunden alleine vor die Tür zu gehen. Sie habe dann vermehrt im Homeoffice gearbeitet, was damals nicht üblich gewesen sei. Bei dem Telefonat mit Frau F. habe er die Nachrichten des Klägers nicht vor sich liegen gehabt. Vielmehr habe er den ihm damals präsenten Inhalt der Nachrichten zitiert bzw. widergegeben. Jedenfalls könne er sich nicht mehr daran erinnern, dass ihm die Nachrichten bzw. Mitteilungen in irgendeiner Form bei dem Telefonat selbst vorgelegen hätten. Ihm sei noch das Bild der verschiedenen Mitteilungen bewusst. Er habe ein gutes Gedächtnis und habe jedenfalls den Inhalt der Nachrichten bzw. Mitteilungen zitieren können. Bei dem Telefonat habe Frau F. ihm gegenüber nicht widersprochen, sondern ihr Verständnis geäußert und gesagt, dass sie dies mit in den Personalausschuss nehme. Frau F. habe dann mit Frau G. selbst telefoniert und der Vorsitzende des Personalausschusses, Herr V., mit dem Kläger. Er habe Frau F. in dem Telefonat bereits gesagt, dass sie wegen des von ihm geschilderten Sachverhalts die Kündigung des Klägers beabsichtigen würden und hierzu noch ein Schreiben der Rechtsabteilung mit Unterlagen komme.

Die Zeugin F., die zum damaligen Zeitpunkt Vorsitzende des im Jahr 2018 gewählten neunköpfigen Betriebsrats war, hat bei ihrer Vernehmung bekundet, dass am 07. November 2019 Herr E. sie angerufen und ihr mitgeteilt habe, dass der Betriebsrat einen Anhörungsbogen erhalten würde und er ihr schildern wolle, aus welchen Gründen die Kündigung ausgesprochen werden solle. Herr E. habe ihr erklärt, dass er in Kontakt mit der Rechtsabteilung des Zentralbereichs stehe und es zu einer Strafanzeige der Frau G. bei der Polizei gekommen sei. Ihr sei das Thema vorher nicht bekannt gewesen. Herr E. habe ihr erzählt, was vorher vorgefallen worden sei, nämlich dass der Kläger und Frau G. zusammen in einem Bürogebäude in K-Stadt in einem Projekt zusammengearbeitet hätten und es dort bereits zu ersten Belästigungen des Klägers gegenüber Frau G. gekommen sei, woraufhin der Kläger eine Abmahnung erhalten habe. Dabei habe er ihr ausführlich den Inhalt der Abmahnung geschildert, die sie dann auch mit dem Anhörungsbogen erhalten hätten. Herr E. habe ihr auch gesagt, dass der Kläger aus dem Projekt abgezogen und ins Homeoffice geschickt worden sei. Dann habe Herr E. ihr erklärt, dass ihn die Rechtsabteilung informiert habe, dass der Kläger Frau G. über verschiedene Kanäle kontaktiert und belästigt habe. Herr E. habe ihr gesagt, dass er über Teams bei der Rechtsabteilung die einzelnen Nachrichten gesehen habe, deren Inhalt er ihr auch geschildert habe. Unter anderem habe eine Nachricht den Inhalt gehabt, dass der Kläger Geld habe und Frau G. finanziell unter die Arme greifen könne. Der genaue Inhalt der Nachrichten sei ihr heute nicht mehr präsent. Auf jeden Fall habe Herr E. ihr aber den Inhalt der einzelnen Nachrichten geschildert. Sie sei darüber erschrocken und schockiert gewesen. Einen solchen extremen Fall hätten sie noch nicht gehabt. Herr E. habe ihr gesagt, dass deshalb eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden solle und dazu ein Anhörungsbogen von der Personalabteilung zum Betriebsrat geschickt werde. Gerade weil der Fall für sie auch neu gewesen sei, habe sie die entsprechenden Nachfragen gestellt. Am Freitagvormittag sei dann der Anhörungsbogen von der Personalabteilung gekommen, dessen Empfang sie mit ihrer Unterschrift auf dem Anhörungsschreiben bestätigt habe. Sie habe sich dann mit dem Vorsitzenden des Personalausschusses, Herrn V., besprochen und ihm den Inhalt des Telefonates mit Herrn E. mitgeteilt. Sie hätten sich auch die Gegendarstellung des Klägers durchgelesen und seien über deren Inhalt irritiert gewesen. Herr V. habe den Kläger angehört und ihr den Inhalt seines Gesprächs mit dem Kläger geschildert. Dieser habe den Eindruck gewonnen, dass der Kläger mit seinem Verhalten nicht aufhören werde und er sich der Tragweite seines Verhaltens nicht bewusst sei. Herr V. habe ihr gesagt, dass der Kläger abschließend ihn darum gebeten habe, dafür zu sorgen, dass er sich mit Frau G. wieder treffen könne. Herr V. und sie hätten dann beschlossen, dass sie mit Frau G. spreche, auch wenn sie eine Mitarbeiterin der C. systems AG sei. Sie habe dann mit Frau G. telefoniert, die ihr geschildert habe, dass sie sich nicht mehr aus dem Haus traue, bei Telefonklingeln Panik bekomme und kaum noch ihrer Arbeit nachgehen könne. Frau G. habe gesagt, dass sie nur noch wolle, dass das aufhöre und sie ihre Ruhe habe. Am 11. November 2019 habe die außerordentliche Personalausschusssitzung stattgefunden, in der sie sich mit jedem einzelnen Punkt des Falles beschäftigt hätten und dann zu dem Ergebnis gekommen seien, dass sie der Kündigung zustimmen würden. Gleich nach der Sitzung habe sie die ihr vorgelegte Zustimmungserklärung unterzeichnet und am gleichen Tag zum einen eingescannt und per E-Mail Frau L. zugeleitet und zum anderen auch im Original noch am gleichen Tag (11. November 2019) im Personalbereich abgegeben. Sie denke, dass das von ihr geschilderte Telefonat mit Herrn E. etwa eine halbe Stunde gedauert habe. Sie hätten eine Kultur des Miteinanderredens. Für sie sei es nicht ungewöhnlich gewesen, sondern anschaulicher, dass ihr der Sachverhalt von Herrn E. persönlich in einem Gespräch im Einzelnen dargestellt worden sei und sie habe Nachfragen stellen können, um sich ein Gesamtbild zu machen. Am Freitag habe sie mit Herrn V. vor Ort gesprochen. Die Personalausschusssitzung am Montag, 11. November 2019, habe virtuell stattgefunden.

Aufgrund der glaubhaften Aussagen des Zeugen E. und der Zeugin F. ist das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der aus Sicht der Beklagten maßgebliche Kündigungssachverhalt, insbesondere auch der Inhalt der Nachrichten des Klägers an die Zeugin G., im Rahmen der Telefonbesprechung vom 07. November 2019 ausreichend mitgeteilt worden ist. Sowohl der Zeuge E. als auch die Zeugin F. haben übereinstimmend und glaubhaft bestätigt, dass die Nachrichten des Klägers an Frau G., deren Inhalt dem Zeugen E. aufgrund seiner zuvor erfolgten Besprechung mit der Rechtsabteilung über das Videokonferenzsystem Teams präsent war, detailliert dargestellt worden sind. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen E. spricht, dass er – insoweit abweichend vom Vortrag der Beklagten – eingeräumt hat, dass er bei dem Telefongespräch vom 07. November 2019 die Nachrichten des Klägers nicht selbst vor sich liegen gehabt habe. Die Rechtsabteilung, mit der er in sehr engem Kontakt gestanden habe, habe aber zuvor mit ihm darüber gesprochen, welche Nachrichten Frau G. vom Kläger bekommen habe, und sie hätten sich über das Videokonferenzsystem Teams die Nachrichten des Klägers gemeinsam angeschaut. Ihm sei deshalb der Inhalt der Nachrichten bekannt gewesen, auch wenn sie ihm selbst nicht übermittelt worden seien. Die Zeugin F. hat ebenfalls bestätigt, dass der Zeuge E. ihr gesagt habe, dass er über Teams bei der Rechtsabteilung die einzelnen Nachrichten gesehen habe und dieser ihr auch den Inhalt der Nachrichten geschildert habe. Auch die weiteren Umstände, wie die bereits ergriffenen Maßnahmen und die Auswirkungen der Nachrichten auf Frau G. sind in dem Telefongespräch am 07. November 2019 dargestellt worden. Nach dieser Schilderung des maßgeblichen Kündigungssachverhalts durch den Zeugen E. hat die Zeugin F. ihm erklärt, dass sie dies mit in den Personalausschuss nehme. Der Zeuge E. hat in dem Telefonat darauf hingewiesen, dass wegen des von ihm geschilderten Sachverhalts die Kündigung des Klägers beabsichtigt sei und hierzu noch ein (Anhörungs-)Schreiben der Rechts-/Personalabteilung übermittelt werde. Weiterhin hat die Zeugin F. glaubhaft bekundet, dass sie nach Erhalt des Anhörungsbogens am Freitag sich vor Ort mit dem Vorsitzenden des Personalausschusses, Herrn V., besprochen und diesem den Inhalt des Telefonates mit dem Zeugen E. mitgeteilt habe. Danach ist der Personalausschuss in die Lage versetzt worden, sich ein eigenes Bild über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu machen. Ausweislich des Protokolls über die Sitzung des Personalausschusses vom 11. November 2019 (Anlage BK 28) hat der Personalausschuss sodann der Kündigung zugestimmt und die Zeugin F. beauftragt, das Anhörungsschreiben entsprechend auszufüllen und bei der Personalabteilung abzugeben. Die Zustimmungserklärung als abschließende Stellungnahme des Personalausschusses (Anlage B 16) hat die damit beauftragte Zeugin F. nach ihrer glaubhaften Aussage am gleichen Tag (11. November 2019) sowohl per Mail als auch im Original der Beklagten übermittelt, womit das Anhörungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung vom 15. November 2019 ordnungsgemäß abgeschlossen war. Soweit der Kläger noch angeführt hat, dass die Sitzung und Beschlussfassung des Personalausschusses im Rahmen einer zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zulässigen Telefonkonferenz stattgefunden habe, ist dies für die Ordnungsgemäßheit der Anhörung unerheblich. Mängel, die im Verantwortungsbereich des Betriebsrats entstehen, führen grundsätzlich auch dann nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Solche Fehler gehen schon deshalb nicht zu Lasten des Arbeitgebers, weil der Arbeitgeber keine wirksamen rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung des Betriebsrats hat (BAG 06. Oktober 2005 – 2 AZR 316/04 – Rn. 21).

II. Aufgrund der danach wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31. Dezember 2019 besteht kein Anspruch des Klägers auf die erstinstanzlich ihm zuerkannte Annahmeverzugsvergütung für die Monate Januar bis April 2020.

III. Der im Berufungsverfahren widerklagend geltend gemachte Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung von 13.800,00 EUR ist nach § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO begründet.

Die Beklagte hat an den Kläger zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil den zuerkannten Betrag in Höhe von 13.800,00 EUR brutto gezahlt. Das Urteil des Arbeitsgerichts war hinsichtlich der in Ziffer 2 des Urteilstenors titulierten Zahlungsverpflichtung gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar. Die Voraussetzungen einer Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der Schuldner leistet „zur Abwendung der Vollstreckung“ und nicht freiwillig, wenn er sich damit einem gegen ihn ausgeübten „Vollstreckungsdruck“ beugt. Vorliegend hat die Beklagte aufgrund der vom Kläger eingeleiteten Zwangsvollstreckung durch den von ihm beauftragten Gerichtsvollzieher zur Abwendung der ihr angedrohten Zwangsvollstreckung den titulierten Betrag von 13.800,00 EUR brutto gezahlt. Der Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO umfasst bei einem zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Entgeltbetrag, wenn der Arbeitgeber – wie hier – zur Zahlung des Bruttobetrags verurteilt worden ist, auch die unstreitig abgeführten Steuern und den Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (BAG 18. September 2012 – 9 AZR 1/11 – Rn. 41 ff.). Der Kläger ist mithin zur Rückzahlung des unstreitig von der Beklagten insgesamt zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrags von 13.800,00 EUR brutto verpflichtet.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 717 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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