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Kündigung wegen privater Internetnutzung

ArbG Stuttgart – Az.: 24 Ca 2/17 – Urteil vom 31.07.2017

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.12.2016 nicht beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Ausgleich für die Entziehung des Dienstwagens in Höhe von EUR 10.528,19 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 315,71 seit 01.01.2015, aus jeweils EUR 425,52 seit 01.02.2015, seit 01.03.2015, seit 01.04.2015, seit 01.05.2015, seit 01.06.2015, seit 01.07.2015, seit 01.08.2015, seit 01.09.2015, seit 01.10.2015, seit 01.11.2015, seit 01.12.2015, seit 01.01.2016, seit 01.02.2016, seit 01.03.2016, seit 01.04.2016, seit 01.05.2016, seit 01.06.2016, seit 01.07.2016, seit 01.08.2016, seit 01.09.2016, seit 01.10.2016, seit 01.11.2016, seit 01.12.2016 und seit 01.01.2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Verzugspauschalen in Höhe von EUR 240,00 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 % tragen.

6. Der Streitwert wird auf EUR 77.433,29 festgesetzt.

7. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 15.12.2016 sowie diverse Zahlungsansprüche.

Der am …1965 geborene Kläger ist seit 01.04.1996 bei der Beklagten beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Automobilhersteller, der weit mehr als zehn Mitarbeiter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes beschäftigt, mit Sitz in S.. Der Kläger ist schwerbehindert und hat keine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten. Zuletzt war der Kläger im Bereich X bei der Beklagten auf der Ebene 4 zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von ca. EUR 8.333,33 beschäftigt. Dem Kläger ist ein Anspruch auf variable Vergütung von 10% des Jahreszieleinkommens eingeräumt. Die variable Vergütung besteht bei Zielerreichung von 100% aus einer sog. Ziel-Tantieme in Höhe von EUR 5.040,00 und einer Erfolgsbeteiligung in Höhe von EUR 2.160,00. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 16.09.2003 (Anlage K 17 zum Schriftsatz des Klägers vom 19.05.2017, ABl. 565 – 569 d. Gerichtsakte) sieht unter Ziff. 4 „Vergütung bei Krankheit“ folgende Regelungen vor:

„Im Falle von Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall erhalten Sie Entgeltfortzahlung entsprechend den gesetzlichen bzw. ggf. den tariflichen Bestimmungen. Für die Variable Vergütung gilt bei längerer Erkrankung folgendes:

Die Festlegung der Tantieme erfolgt stets entsprechend dem Grad der Zielerreichung, sie beträgt mindestens 50% der Ziel-Tantieme.

Die Erfolgsbeteiligung erfährt nur dann einen Abzug, wenn die Krankheit insgesamt über 6 Monate andauert; der Abzug erfolgt für jeden weiteren vollen nicht gearbeiteten Monat 1/12 der Erfolgsbeteiligung. …“

Dem Kläger wurde während seiner Tätigkeit bei der Beklagten ein Kraftfahrzeug Typ …, dessen Kraftstofftank ein Nennvolumen von 93 Litern aufweist, zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen. Für die Privatnutzung wurde ein geldwerter Vorteil in Höhe von monatlich EUR 425,52 veranschlagt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Konditionen der Dienstwagennutzung wird auf die Anlage B 12 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017, ABl. 298-305 d. Gerichtsakte Bezug genommen.

Neben seiner Anstellung bei der Beklagten war der Kläger im Zeitraum von Mai 2008 bis ins Jahr 2013 Geschäftsführer der R. GmbH, deren Gesellschafterin die ehemalige Lebensgefährtin des Klägers, Frau M., ist. Seit November 2012 betreibt der Kläger mit seinen Geschwistern R. und H. die S. GbR, deren Gesellschaftszweck u.a. die Bewirtschaftung eines Gewerbegrundstücks und der Betrieb einer Photovoltaikanlage ist.

Im Jahr 2013 verdächtigte die Beklagte den Kläger, Inhalte des internen Audit-Berichts über Privatflüge des Vorstandsvorsitzenden … an externe Dritte weitergegeben zu haben. Deshalb wurde dem Kläger am 02.05.2013 seitens der Herren He. und Ho., Mitarbeiter der internen Revision, sowie des Herrn S., Vorgesetzten des Klägers, mitgeteilt, dass der dienstliche Rechner und das dienstliche Mobiltelefon einer Untersuchung unterzogen werden sollen. Der Kläger gab den Dienstrechner und Mobiltelefon heraus.

Die Beklagte beauftragte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der computerforensischen Untersuchung des Laptops des Klägers. Im Rahmen der Auswertung kam bei der Beklagten der Verdacht auf, dass der Kläger während der Arbeitszeit gewerblichen Nebentätigkeiten nachgehe. Zu diesem Vorwurf wurde der Kläger am 04.06.2013 seitens der Beklagten angehört. Im weiteren Verlauf erweiterte die Beklagte die Untersuchung gegen den Kläger im Hinblick auf den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges insbesondere wegen einer Häufung privater Zugriffe auf das Internet mittels des dienstlichen Internetanschlusses.

In der von der Beklagten vorgelegten sog. „Internet- und E-Mail-Richtlinie“ (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 11.07.2017, ABl. 796 – 801) ist insbesondere folgende Regelung unter Ziff. 3. „Prinzipien der Internet- und E-Mail-Nutzung“ enthalten:

„Internet und E-Mail-Systeme werden im Rahmen der betrieblichen Aufgabenstellung durch das Unternehmen zur Verfügung gestellt. Somit sind sie Arbeitsmittel bzw. Unternehmensressource.

Die Nutzung des betrieblichen Internetzuganges sowie der E-Mail-Systeme ist für geschäftliche Zwecke vorgesehen. Eine private Nutzung ist nur erlaubt, soweit dadurch die Arbeitsaufgabe bzw. Aufgabenerfüllung nicht beeinträchtigt wird sowie betriebliche Belange und Abläufe nicht gestört werden. Sie ist daher nur mit Zustimmung des Vorgesetzten zulässig. Die vom Unternehmen zur privaten Nutzung außerhalb der Arbeitszeit angebotenen Internetzugänge bleiben hiervon unberührt. …“

Entgegen des Inhaltes der vorgenannten Internet- und E-Mail-Richtlinie ist bei der Beklagten eine explizite Zustimmung des Vorgesetzten für die private Internetnutzung während der Arbeitszeit nicht üblich. Vielmehr kann eine private Nutzung auch ohne diese Zustimmung erfolgen.

Neben der Feststellung der Häufung von privaten Internetzugriffen wurde im Rahmen der Auswertung des Dienstrechners des Klägers eine Aufstellung im Ordner „DW“ über die Betankungen des Dienstwagens des Klägers (vgl. Anlage B 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017, ABl. 286-291 d. Gerichtsakte) vorgefunden, der für die Beklagte den Vorwurf bzw. zumindest den Verdacht des Tankbetruges nahelegte. Im Zeitraum Februar 2012 bis Januar 2013 wurde der Dienstwagen des Klägers 89 Mal betankt. Es liegen dabei 14 Betankungen mit einem Füllvolumen von mehr als 93 Litern vor, davon zwei Fälle mit einer Füllmenge von mehr als 99,5 Litern aber weniger als 101 Litern und zwei Vorgänge mit einer Füllmenge von etwas mehr als 101 Litern. Dabei wurden 11 der 14 Betankungen mit einem Volumen von mehr als 93 Litern an Wochenenden, Feiertagen oder während des Urlaubs des Klägers vorgenommen. 88 der insgesamt 89 Betankungen erfolgten entgegen der Vorgaben der Beklagten nicht an internen Tankstellen der Beklagten, sondern an externen. In insgesamt acht Fällen wurde der Dienstwagen am selben Tag intern bei der Beklagten gewaschen, aber extern betankt.

Des Weiteren befand sich auf dem Dienstrechner des Klägers neben einigen anderen Dokumenten für die S. GbR eine Aufstellung zu „Sonderbetriebsausgaben“ (vgl. Anlage B 13 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017, ABl. 305 f. d. Gerichtsakte), in der insgesamt zehn Fahrten für einen PKW mit einem anderen Kennzeichen als demjenigen des dienstlichen Fahrzeugs des Klägers von L. nach U. und zurück aufgelistet sind.

Kündigung wegen privater Internetnutzung
(Symbolfoto: Von Dragon Images/Shutterstock.com)

Im Juni 2013 wurde beim Kläger eine Leukämieerkrankung sowie eine psychische Erkrankung diagnostiziert. Der Kläger war im Zeitraum vom 10.06.2013 bis 08.12.2014 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nach Anhörung des Betriebsrates sprach die Beklagte erstmals eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 13.08.2013 aus. Im Anschluss an die Kündigung gab der Kläger auf Aufforderung der Beklagten den Dienstwagen am 06.09.2013 an die Beklagte heraus.

Nach Feststellung der Schwerbehinderung des Klägers beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamtes zur beabsichtigten weiteren außerordentlichen und ordentlichen Kündigung des Klägers. Am 19.09.2013 gab der Kläger in einem Termin vor dem Integrationsamt eine Stellungnahme zu den ihm beklagtenseits vorgeworfenen Pflichtverletzungen ab. Nach Zustimmung des Integrationsamtes und Anhörung des Betriebsrates kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26.09.2013 nochmals fristlos und mit Schreiben vom 28.10.2013 hilfsweise ordentlich.

Das Bundesarbeitsgericht stellte am 22.09.2016 fest, dass sämtliche vorgenannten Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hatten (BAG, Urteil vom 22.09.2016 – 2 AZR 700/15). Die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13.08.2013 waren mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes gemäß §§ 85, 91 SGB IX unwirksam. Die fristlose Kündigung vom 26.09.2013 sowie hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.10.2013 scheiterten an einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 28.07.2016 die Zustimmung zur erneuten (nunmehr streitgegenständlichen) ordentlichen Kündigung des Klägers. Mit Bescheiden vom 17.11.2016 erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses als Tatkündigung (Anlage B 15 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017, ABl. 313 ff.) sowie als Verdachtskündigung (Anlage B 16 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017, ABl. 326 ff.). Mit Schreiben vom 19.09.2016 hörte die Beklagte den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung zur beabsichtigten Kündigung an. Der Betriebsrat äußerte mit Datum vom 21.09.2016 gegen die beabsichtigte Kündigung Bedenken. Die Schwerbehindertenvertretung nahm mit Schreiben vom 26.09.2016 Stellung. Die Beklagte ergänzte die Anhörungen am 07.12.2016. Der Betriebsrat gab hierzu keine Erklärung ab. Die Schwerbehindertenvertretung nahm mit Schreiben vom 14.12.2016 erneut Stellung. Hinsichtlich des Inhaltes der Anhörungen nebst Ergänzungen wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017 B 17 (ABl. 339 ff. d. Gerichtsakte) und B 19 (ABl. 379 ff.) sowie B 20 (ABl. 382 ff. d. Gerichtsakte) und B 22 (ABl. 421 d. Gerichtsakte) Bezug genommen. Bezüglich der Stellungnahme des Betriebsrates wird auf Anlage B 18 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017 (ABl. 375 ff. d. Gerichtsakte), bezüglich der Stellungnahmen der Schwerbehindertenvertretung auf Anlagen B 21 und B 23 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017 (ABl. 417 ff. bzw. ABl. 424 f. d. Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Schreiben vom 15.12.2016 (vgl. Anlage K 1 zur Klage vom 30.12.2016, ABl. 13 d. Gerichtsakte), dem Kläger zugegangen am 16.12.2016, sprach die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses „unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendermonats zum nächstmöglichen Termin“ aus. Gegen diese Kündigung wendet der Kläger sich mit seiner am 30.12.2016 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Kündigungsschutzklage. Neben einem allgemeinen Feststellungsantrag hat der Kläger zudem diverse Zahlungsanträge geltend gemacht.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung unwirksam sei. Dies folge schon daraus, dass die Beklagte die gesetzliche Mindestkündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende nicht gewahrt habe und eine Umdeutung des Kündigungsschreibens aufgrund der eindeutigen Formulierung ausscheide. Auch genüge die Betriebsratsanhörung nicht den Anforderungen an § 102 Abs. 1 BetrVG. Die Beklagte habe es insbesondere unterlassen, dem Betriebsrat entlastende Argumente mitzuteilen. Mit dem Verweis auf einen Papierstapel von Anlagen, der mehr als zweitausend Seiten Umfang habe, genüge die Beklagte ihrer Mitteilungspflicht jedenfalls nicht. So sei es dem Betriebsrat nicht zumutbar, sich aus diesem Anlagenpaket den Sachverhalt selbst zusammenzusuchen.

Die Kündigung sei zudem nicht sozial gerechtfertigt. So sei die Beklagte schon nicht berechtigt, die Ergebnisse der Untersuchungen des Dienstrechners im vorliegenden Verfahren zur Rechtfertigung der Kündigung heranzuziehen. Es habe schon kein konkreter Anfangsverdacht einer Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung seitens des Klägers vorgelegen. Vielmehr habe die Beklagte aus eigenem Antrieb den dienstlichen und privaten E-Mail-Verkehr sowie den dienstlichen und privaten Internetzugriff des Klägers einer Analyse unterzogen, in der Erwartung, einen Sachverhalt zu ermitteln, der es rechtfertige, dem Kläger zu kündigen. Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch mit dem Gebot des milderen Mittels nicht zu vereinbaren, insbesondere da der Kläger bei der Auswertung nicht hinzugezogen worden sei. Auch habe die Beklagte die von ihr selbst erstellten Regeln zur Durchführung von Internet- und E-Mail-Kontrollen grob missachtet und den Betriebsrat nicht eingebunden. Ein Verwertungsverbot zum Schutze des Persönlichkeitsrechts des Klägers sei vorliegend anzunehmen.

Des Weiteren rügt der Kläger, dass dem Zahlenwerk der Beklagten eine gewisse Beliebigkeit zugrunde liege und die Auswertung insgesamt fehlerbehaftet sei. Er macht sich diesbezüglich die Ausführungen des von ihm beauftragten Gutachters für Anwendungssoftware und IT-Systeme Prof. C.H. vom 27.04.2017 (vgl. Anlage K 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 19.05.2017, ABl. 483 ff. d. Gerichtsakte) zu eigen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz des Klägervertreters vom 19.05.2017, Seite 16-21 (ABl. 444-449 d. Gerichtsakte) verwiesen. Darüber hinaus meint der Kläger, dass ein Arbeitszeitbetrug schon deshalb nicht vorliegen könne, da er nicht ausreichend ausgelastet gewesen sei. Durch die Entziehung von diversen Aufgaben seitens seiner Vorgesetzten habe er sich ausgegrenzt gefühlt und keinen ausgefüllten Arbeitstag mehr habt. Aufgrund dieser Situation am Arbeitsplatz habe der Kläger unter Depressionen, Apathie, Antriebslosigkeit und weiteren psychischen Beschwerden gelitten und sich in psychologische Hände begeben.

Soweit die Beklagte den Arbeitszeitbetrug auf die gewerbliche Nebentätigkeit für die R. GmbH stützt, verweist der Kläger auf den privaten Charakter der E-Mails, die zwischen ihm und seiner damaligen Lebensgefährtin, Frau M., ausgetauscht worden seien. Die Speicherung von Dokumenten zur S. GbR auf seinem Dienstrechner sei seiner privaten Lebensführung zuzurechnen, da die mit seinen Geschwistern gegründete GbR kein Gewerbebetrieb im eigentlichen Sinne sei. Im Hinblick auf den abonnierten Informationsdienst OS-Trade GOST teilt der Kläger mit, dass er die meisten dieser E-Mails nicht zur Kenntnis genommen habe, da er sich im Rahmen seiner privaten Börsengeschäfte ausschließlich mit Wertpapieren zum DAX-Index befasst habe. Letztlich habe er seine private Börsentätigkeit nur im Rahmen der bei der Beklagten gültigen Internetgestattung durchgeführt. Einkaufs- oder Verkaufsgeschäfte auf den Seiten verschiedener Online-Handelshäuser habe der Kläger in dem von der Beklagten dargestellten Zeitraum nicht getätigt. Allenfalls könne es sein, dass der Kläger sich hin und wieder kurzzeitig auf diesen Seiten befunden habe, was nicht zu beanstanden sei.

Im Hinblick auf den Vorwurf des Tankbetrugs teilt der Kläger mit, dass er zu keinem Zeitpunkt zu Lasten der Beklagten ein anderes Fahrzeug als das Dienstfahrzeug betankt habe. Er verweist insofern insbesondere auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten vom 29.08.2013 von Herrn Dipl. Ing. K.B. (Anlage K 13 zum Schriftsatz des Klägers vom 19.05.2017, ABl. 528 ff. d. Gerichtsakte) sowie ein Ergänzungsgutachten desselben Sachverständigen vom 12.03.2015 (Anlage K 14 zum Schriftsatz des Klägers vom 19.05.2017, ABl. 551 ff. d. Gerichtsakte), wonach ein Nachfolgemodell des vom Kläger genutzten Dienstwagens gleicher Bauart und gleichen Typs mit 102,42 Litern befüllt werden konnte. Zudem verweist der Kläger auf Erfahrungen anderer Fahrzeugführer, die ebenfalls ihre baugleichen Fahrzeuge mit mehr als 93 Liter betankt haben wollen. Es sei offenkundig, dass der Tank, der im Fahrzeug des Klägers eingebaut gewesen sei, mit deutlich mehr Kraftstoff als mit den von der Beklagten behaupteten 93 Litern habe betankt werden können. Auch die unterschiedlichen durchschnittlichen Verbrauchswerte seien bei einem SUV, der weit über zwei Tonnen wiege und völlig unterschiedlich bewegt werden könne, fahrzeugtypisch.

Der Vorwurf der Nutzung des Dienstwagens zu gewerblichen Zwecken für die S. GbR sei unzutreffend, da der Kläger die besagten Fahrten unternommen habe, um seine Mutter in der Nähe von U. in der Klinik zu besuchen. Durch die Nutzung der dienstlichen SIM-Karte auf dem privat angeschafften Smartphone sei der Beklagten jedenfalls kein Schaden entstanden.

Der Kläger meint, dass ihm als Entschädigung für die Entziehung des Dienstwagens für den Zeitraum vom 07.09.2013 – 31.12.2016 insgesamt EUR 16.935,70 zustehen. Auch begehrt er wegen verspäteter Gehaltszahlungen für jeden Monat des Annahmeverzuges bis einschließlich Dezember 2016, insgesamt für 28 Monate, eine Verzugspauschale von EUR 40,00 monatlich, insgesamt einen Betrag i.H.v. EUR 1.120,00. Im Hinblick auf die variable Vergütung ist der Kläger der Auffassung, dass ihm für die Jahre 2013 – 2015 im Hinblick auf die persönlichen Ziele unter Heranziehung von 100% Zielerreichung jeweils EUR 5.040,00, mithin EUR 15.120,00 bezahlt werden müssten. Hinsichtlich der Unternehmensziele seien infolge der Übererfüllung (200%) in den Jahren 2013-2015 jeweils EUR 4.320,00 zu veranschlagen, mithin EUR 12.960,00. Daraus ergebe sich ein Anspruch auf variable Vergütung von EUR 28.080,00 abzüglich bezahlter EUR 19.080,00. Zudem fordert der Kläger die Begleichung von vier Rechnungen für Betankungen seines Firmenfahrzeuges am 16.08.2013, 22.08.2013, 25.08.2013 und 29.08.2013 im Wert von insgesamt EUR 377,59. Die infolge der Sperrung der Tankkarte entstandenen Kosten seien von der Beklagten zu tragen.

Die Parteien haben im Kammertermin den Rechtsstreit bezüglich der ursprünglichen Klageanträge Ziff. 3, Ziffer 4, Ziffer 8 und Ziff. 9 sowie hinsichtlich Antrag Ziff. 7 im Umfang von EUR 19.080,00 brutto übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung im Schreiben vom 15. Dezember 2016 zum 30. Juni 2017 nicht beendet wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, Schadensersatz zu bezahlen in Höhe von 16.935,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

  • 340,42 € seit 01. Oktober 2013
  • 425,52 € seit 01. November 2013
  • 425,52 € seit 01. Dezember 2013
  • 425,52 € seit 01. Januar 2014
  • 425,52 € seit 01. Februar 2014
  • 425,52 € seit 01. März 2014
  • 425,52 € seit 01. April 2014
  • 425,52 € seit 01. Mai 2014
  • 425,52 € seit 01. Juni 2014
  • 425,52 € seit 01. Juli 2014
  • 425,52 € seit 01. August 2014
  • 425,52 € seit 01. September 2014
  • 425,52 € seit 01. Oktober 2014
  • 425,52 € seit 01. November 2014
  • 425,52 € seit 01. Dezember 2014
  • 425,52 € seit 01. Januar 2015
  • 425,52 € seit 01. Februar 2015
  • 425,52 € seit 01. März 2015
  • 425,52 € seit 01. April 2015
  • 425,52 € seit 01. Mai 2015
  • 425,52 € seit 01. Juni 2015
  • 425,52 € seit 01. Juli 2015
  • 425,52 € seit 01. August 2015
  • 425,52 € seit 01. September 2015
  • 425,52 € seit 01. Oktober 2015
  • 425,52 € seit 01. November 2015
  • 425,52 € seit 01. Dezember 2015
  • 425,52 € seit 01. Januar 2016
  • 425,52 € seit 01. Februar 2016
  • 425,52 € seit 01. März 2016
  • 425,52 € seit 01. April 2016
  • 425,52 € seit 01. Mai 2016
  • 425,52 € seit 01. Juni 2016
  • 425,52 € seit 01. Juli 2016
  • 425,52 € seit 01. August 2016
  • 425,52 € seit 01. September 2016
  • 425,52 € seit 01. Oktober 2016
  • 425,52 € seit 01. November 2016
  • 425,52 € seit 01. Dezember 2016
  • 425,52 € seit 01. Januar 2017.

4. Die Beklagte wird verurteilt, pauschalen Verzugsschaden in Höhe von 1.120.00 € zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.080,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.360,00 € seit 01. April 2014, aus 9.360,00 € seit 01. April 2015, aus 9.360,00 € seit 01. April 2016 zu bezahlen abzüglich am 30.04.2017 bezahlter EUR 19.080,00.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 377,59 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31. Dezember 2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die ordentliche Kündigung für wirksam. Die Kündigungsfrist sei gewahrt, da aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die tarifliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende nach § 4 Ziff. 4.5.2 des Manteltarifvertrages für Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie Nord-Württemberg/Nord-Baden einschlägig sei. Selbst wenn die gesetzliche Kündigungsfrist Geltung beanspruchen sollte, folge hieraus keine Unwirksamkeit der Kündigung, da diese jedenfalls als Kündigung zum zutreffenden Zeitpunkt ausgelegt bzw. entsprechend umgedeutet werden könne.

Die Beklagte hält zudem die Betriebsratsanhörung für ordnungsgemäß. So habe die Beklagte dem Betriebsrat diejenigen Umstände mitgeteilt, die ihren Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Diese seien im Wesentlichen dieselben wie im Jahr 2013 gewesen. Somit habe sie auf die frühere Betriebsratsanhörung verweisen und sich darauf beschränken dürfen, notwendige Korrekturen und Ergänzungen vorzunehmen. Da die Beklagte den Betriebsrat trotz der notwendigen Konzentration auf das Wesentliche dennoch habe vollständig unterrichten wollen und müssen, sei ihr nur die Möglichkeit geblieben, dem Betriebsrat für den Fall des Interesses an weiteren Einzelheiten sämtliche Unterlagen vollständig vorzulegen. Im Übrigen gebe es auch keine „Obergrenze“ für den Umfang einer Betriebsratsanhörung.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger massiv gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe. So sei er u.a. während der Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten und gewerblichen Tätigkeiten nachgegangen, was einen Arbeitszeitbetrug begründe. Zudem habe er einen Tankbetrug begangen, indem er in mehreren Fällen die ihm zur Verfügung gestellte Tankkarte genutzt habe, um ein anderes Fahrzeug zu betanken bzw. ein anderes Gerät zu betreiben. Darüber hinaus seien weitere Pflichtverletzungen des Klägers nachgewiesen. Rein vorsorglich stütze die Beklagte die Kündigung auch auf den Verdacht entsprechender Verstöße.

Den Arbeitszeitbetrug begründet die Beklagte im Wesentlichen damit, dass die Auswertungen des Dienstrechners des Klägers ergeben haben, dass er allein im Zeitraum vom 25.03.2013 – 02.05.2013 2.135 nicht dienstlich veranlassten Aktivitäten im Internet mit einem Zeitaufwand von insgesamt 38 Stunden und 53 Minuten nachgegangen sei.

Ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Auswertungen des Dienstrechners des Klägers bestehe nicht. Der Kläger sei durch die Untersuchungshandlungen der Beklagten nie beeinträchtigt worden. Zudem habe er vorab von der Untersuchung gewusst und habe in Kenntnis der geplanten Untersuchung den Dienstrechner und die Passwörter freiwillig herausgegeben. Unerheblich sei der Anlass der Untersuchung, auch bei „Zufallsfunden“ sei grundsätzlich von einer Verwertbarkeit auszugehen. Der Kläger sei nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Allen Mitarbeitern stehe es offen, Daten als „privat“ zu kennzeichnen, damit diese von einer Überprüfung ausgenommen werden. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht. Auch liege – entgegen der Behauptung des Klägers – kein Verstoß gegen interne Richtlinien und Vorgaben hinsichtlich der Durchführung der Untersuchung vor.

Die Beklagte meint, dass der Kläger insbesondere durch ausschweifende private Internetaktivitäten während der Arbeitszeit einen Arbeitszeitbetrug begangen habe, weil er die Zeiten als Arbeitszeiten im Zeiterfassungssystem der Beklagten gebucht habe, obwohl er nicht gearbeitet habe. Auch sei der Kläger während der Arbeitszeit beispielsweise gewerblichen Nebentätigkeiten für die R. GmbH nachgegangen, indem er E-Mail-Korrespondenz und Telefonate geführt und Dokumente für die R. GmbH auf seinem Dienstrechner bearbeitet und gespeichert habe. Ebenso sei er für die S. GbR während der Arbeitszeit aktiv gewesen. Insofern wird im Wesentlichen auf verschiedene E-Mails, die Nutzung des Tools „Solar-Log“ sowie die Speicherung von Dokumenten auf dem Dienstrechner verwiesen. Die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger während der Arbeitszeit in erheblichem Umfang dem Börsen- und Aktienhandel nachgegangen sei. So habe der Kläger mehrmals täglich, teilweise stündlich, über den Arbeitstag verteilt auf das Online-Tool „Flatex Trader“ zugegriffen. Auch habe er – was zwischen den Parteien unstreitig ist – täglich zahlreiche Emails des kostenpflichtigen Informationsdienstes OS-Trader Gost „Projekt GodmodeTrader Premium Service“ empfangen. Des Weiteren verweist die Beklagte darauf, dass – was ebenfalls unstreitig ist – auf dem Desktop des Dienstrechners des Klägers Internetverknüpfungen zu sechs unterschiedlichen Banken als „Favoriten“ gespeichert gewesen seien. Auch habe sich der Kläger während der Arbeitszeit Einkaufs- und Verkaufsaktivitäten über die Internetadressen „ebay.de“, „arlt.de“, „conrad.de“ sowie „pollin.de“ gewidmet. Auf eine mangelnde Auslastung könne der Kläger sich nicht berufen. So habe der Kläger im April 2013 – was unstreitig ist – bei einer Sollarbeitszeit von 176 Stunden 182,32 Stunden als Arbeitszeit „erfasst“. Wenn sich der Kläger nicht ausgelastet gefühlt habe, so habe dies daran gelegen, dass er einen Teil seiner Aufgaben, die ihm nicht gefallen haben, ignoriert habe.

Der Kläger habe zudem einen Tankbetrug begangen, indem er die ihm zur Verfügung gestellte Tankkarte genutzt habe, um ein anderes Fahrzeug zu betanken bzw. ein anderes Gerät zu betreiben. Die Beklagte verweist insbesondere auf die 14 auffälligen Betankungen von mehr als 93 Litern bei Vorliegen eines Tanks mit einer Kapazität von 93 Litern. So habe der Leiter des Bereichs Energieträgersysteme, Herr K., ausgeführt, dass das Nennvolumen von 93 Litern zwar übertankt werden könne. In der Praxis müsse jemand aber schon sehr lange Kraftstoff tanken und den Kraftstoff buchstäblich schluckweise einfüllen, um überhaupt auf wesentlich mehr als 93 Liter zu kommen. Bereits ab der Entnahme der halben Reservemenge werde keine Restreichweite mehr angezeigt und diese könne nur abgeschätzt werden. Es sei ausgeschlossen, dass der Kläger das Erlöschen der Reichweitenanzeige immer wieder ignoriert habe, um den Tank gewissermaßen bis zum letzten Tropfen leerzufahren. Auf das physikalische, rein theoretische Bruttovolumen des Tanks von knapp unter 106 Litern komme es vorliegend nicht an, da man es in der Praxis unter keinen Umständen erreichen könne. Zum einen befinde sich immer Luft zwischen der Decke des Tanks und dem Kraftstoffpegel, zum anderen lasse sich der Tank im Straßenbetrieb faktisch nicht leerfahren, da sich der Kraftstoff im Tank bewege. Auch sei zu berücksichtigen, dass bereits bei Betankung mit 95 – 97 Litern ein kritischer Zustand eintrete, wobei kritisch bedeute, dass der Kraftstofftank irgendwann so voll sei, dass der Flüssigkeitspegel über der Notentlüftung liege. Dann gehe nichts mehr in den Tank. Das vom Kläger eingereichte Privatgutachten stelle auf realitätsferne Bedingungen ab, da der Tank mittels einer Kraftstoffpumpe völlig entleert worden sei und die Zapfpistole während der Betankung von Hand gedrosselt worden sei. Es sei ausgeschlossen, dass der Kläger sein Fahrzeug auf diese Weise betankt habe. Neben dem Tankvolumen sei zudem auffällig, dass der Kläger entgegen der Vorgabe der Beklagten fast ausschließlich an externen Tankstellen getankt habe – und das zum Teil auch an Tagen, an denen er das Fahrzeug zunächst intern gewaschen hatte. Außerdem lasse sich die Tatsache, dass der Kläger die Aufstellung der Betankungen ohne jeglichen dienstlichen Anlass gefertigt habe, nur damit erklären, dass er habe aufpassen wollen, dass sein Tankbetrug nicht durch überhöhte Verbrauchswerte auffalle. Auch zeige sich der Tankbetrug darin, dass die vom Kläger erstellte Verbrauchsanalyse eine Bandbreite von 8,7 Liter bis 17,4 Liter Durchschnittsverbrauch für das identische Fahrzeug aufweise.

Auch habe der Kläger den Dienstwagen für unerlaubte Fahrten für seine gewerbliche Tätigkeit bei der S. GbR genutzt. Hierfür spreche die Aufstellung „Sonderbetriebsausgaben“ für die S. GbR. Die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger die hierin enthaltenen Fahrten tatsächlich mit seinem Dienstwagen unternommen habe. Sie begründet dies damit, dass gemäß den Tankbelegen des Klägers vier Betankungen des Dienstwagens – unstreitig – an Tagen erfolgt seien, an denen laut der Aufstellung Fahrten von L. (Wohnort des Klägers) nach U. (Standort der Solaranlage der S. GbR) bzw. zurück stattfanden. Dabei seien – ebenfalls unstreitig – Tankstellen genutzt worden, die auf einer potentiellen Fahrtstrecke S. – U. liegen.

Zudem habe der Kläger – was unstreitig ist – sein dienstliches Mobiltelefon ca. ein halbes Jahr nicht mehr genutzt und die dazugehörige SIM-Karte in sein privates Smartphone eingelegt. Des Weiteren habe der Kläger – ebenfalls unstreitig – private Software auf dem Dienstrechner ohne Erlaubnis installiert. Auch bestehe der Verdacht, dass der Kläger sich mit anderen Mitarbeitern unbefugt über vertrauliche Informationen ausgetauscht bzw. solche weitergegeben habe. Zur Begründung wird angeführt, dass der Kläger am 02.05.2011 um 17:14 Uhr von Herrn G. aus der internen Revision einen Arbeitsbericht betreffend ein Audit aus dem Jahre 2009 mit der Bitte um Prüfung erhalten habe. Auch habe der Kläger in einer Email vom 15.02.2013 Herrn G. auf Internetseiten mit pornographischen Inhalt verwiesen. Indem er Mitarbeiter seiner Abteilung sowie Herrn G. über die gegen ihn gerichtete Untersuchung informiert habe, habe der Kläger gegen die Untersuchungsrichtlinie verstoßen. Auch stehe fest, dass er im Rahmen der gegen ihn gerichteten Untersuchung nicht umfassend und wahrheitsgemäß ausgesagt habe. Auch bestehe der Verdacht, dass der Kläger versucht habe, Zeugen für die gegen ihn gerichtete Untersuchung zu beeinflussen. So habe der Kläger seinen Vorgesetzten Herrn S. gefragt, ob dieser die Speicherung von privaten Daten auf dem Dienstrechner nachträglich genehmigen würde. Als Herr S. gefragt habe, wie er sich dies vorstelle, habe der Kläger gesagt, die Genehmigung könne doch bereits mündlich erteilt worden sein.

Hinsichtlich der Zahlungsanträge meint die Beklagte, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch wegen der Entziehung des Dienstwagens zustehe. Der Kläger sei zur Rückgabe des Dienstwagens schon nach Ziff. 3 der Dienstwagenkonditionen verpflichtet gewesen wegen groben Verstoßes gegen Pflichten aus dem Überlassungsverhältnis. Sie begründet dies mit dem Vorwurf des Tankbetruges, der Betankung des Fahrzeuges an externen Tankstellen sowie der gewerblichen Nutzung des Dienstwagens. Jedenfalls könne der Kläger für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes keine Entschädigung verlangen. In Bezug auf die Geltendmachung der Verzugspauschalen ist die Beklagte der Auffassung, dass die Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsverhältnis nicht anwendbar sei. Zumindest falle die Pauschale nur einmal an, wenn der Arbeitgeber über längere Zeit denselben Entgeltbestandteil mit derselben Begründung nicht zahle, was vorliegend der Fall sei. Jedenfalls sei die gesetzliche Regelung erst ab Juli 2016 überhaupt anwendbar, so dass der Kläger allenfalls EUR 240,00 als Pauschale verlangen könne. Im Hinblick auf die variable Vergütung geht die Beklagte davon aus, dass sie den Anspruch des Klägers durch Zahlung von EUR 19.080,00 erfüllt habe. Sie verweist insofern auf Ziff. 4 des Arbeitsvertrages, der spezielle Regelungen für die variable Vergütung bei längerer Erkrankung vorsieht. Die Beklagte kommt zu dem Ergebnis, dass – entgegen der Auffassung des Klägers – für die Jahre 2013 und 2014 jeweils nur 50% der Ziel-Tantieme anfalle. Die Erfolgsbeteiligung für das Jahr 2014 sei auf 1/12, mithin EUR 360,00, zu kürzen. Die Erstattung der Tankkosten könne der Kläger nicht fordern, da sie, die Beklagte, die Tankkarte zu Recht gesperrt habe. Sie verweist zudem darauf, dass die Betankungen im August 2013 nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums erfolgt seien und damit ein Erstattungsanspruch ohnehin ausscheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit Ausnahme von Klageantrag Ziff. 2 zulässig.

Der punktuelle Kündigungsschutzantrag Ziff. 1 ist begründet. Zahlungsantrag Ziff. 3 ist im Umfang von EUR 10.528,19 brutto nebst Zinsen und Zahlungsantrag Ziff. 4 im Umfang von EUR 240,00 begründet. Im Übrigen sind die Zahlungsanträge unbegründet.

I.

Der unter Ziff. 2 gestellte allgemeine Feststellungsantrag ist unzulässig. Es fehlt am gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Neben der mit der punktuellen Kündigungsschutzklage angegriffenen Kündigung vom 15.12.2016 sind keine weiteren Beendigungstatbestände ersichtlich. Somit war der allgemeine Feststellungsantrag als unzulässig abzuweisen.

II.

Dem Kündigungsschutzantrag Ziff. 1 war stattzugeben. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.12.2016 aufgelöst. Die Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

1. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht – in der Regel schuldhaft – erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 12.01.2006 – 2 AZR 21/05 – abrufbar bei juris). Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt dabei das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips (BAG, Urteil vom 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 – abrufbar bei juris sowie NZA 2007, 922-925).

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 – abrufbar bei juris sowie NZA 2007, 922-925) kommt als kündigungsrelevante Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internet oder des Dienst-PCs u.a. in Betracht:

– das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensystem („unbefugter Download“), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des – betrieblichen – Systems verbunden sein könne oder andererseits von solchen Daten, bei der Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise, weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden;

– die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise – zusätzliche – Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel – unberechtigterweise – in Anspruch genommen hat;

– die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets oder anderer Arbeitsmittel während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet oder einer intensiven Betrachtung von Videofilmen oder -spielen zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt und sie verletzt.

Nur im Fall einer sogenannten exzessiven Nutzung des Mediums, die eine schwere Vertragspflichtverletzung darstellen würde, kann – ohne dass der Arbeitgeber vorher irgendwelche Beschränkungen angeordnet hat – davon ausgegangen werden, dass allein die Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten ohne Abmahnung zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann (BAG, Urteil vom 31.05.2007 – 2 AZR 200/06 – abrufbar bei juris sowie NZA 2007, 922-925). Bei einer „schweren Pflichtverletzung“ ist nämlich regelmäßig dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handelns ohne Weiteres genauso erkennbar, wie der Umstand, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 10.02.1999 – 2 ABR 31/98 – abrufbar bei juris sowie BAGE 91, 30).

3. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 – abrufbar bei juris). Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, Urteil vom 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – abrufbar bei juris). Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG, Urteil vom 18.06.2015 – 2 AZR 256/14 – abrufbar bei juris sowie NZA 2016, 287-293).

Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (vgl. BAG, Urteil vom 27.11.2008 – 2 AZR 98/07 – abrufbar bei juris). Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, – wäre es erwiesen – sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“ (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 – abrufbar bei juris sowie NZA 2014, 243-250). Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, dass selbst als erwiesenes nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz des entsprechenden Verdachts zuzumuten (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 – abrufbar bei juris sowie NZA 2014, 243-250).

4. Die Kündigung des Klägers ist nicht unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszeitbetruges oder eines entsprechenden Verdachtes begründet.

a) Die Beklagte stützt den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges im Wesentlichen auf die Ergebnisse der Auswertungen des Dienstrechners des Klägers. Vorliegend kann offenbleiben, ob die hierdurch ermittelten Daten einem Verwertungsverbot unterliegen. Jedenfalls kann vorliegend nicht dem aus der Datenerhebung seitens der Beklagten ermittelten Ergebnis gefolgt werden, dass dem Kläger allein im Zeitraum vom 25.03.2013 – 02.05.2013 2.135 nicht dienstlich veranlasste Aktivitäten im Internet mit einem Zeitaufwand von insgesamt 38 Stunden und 53 Minuten vorzuwerfen seien.

Für das Gericht bleibt es offen, wie viel Zeit der Kläger tatsächlich für private Internettätigkeit während der Arbeitszeit aufgebracht hat und inwiefern er hierdurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben mag. Das Gericht hat erhebliche Zweifel, dass die Beklagte mit ihrer Auswertung der Daten des Internet Explorers ein zuverlässiges Abbild der tatsächlichen Internetnutzung des Klägers geschaffen hat. So wurde seitens des Sachverständigen Prof. H. im Gutachten vom 27.04.2017 unter Ziff. 3 (Anlage K 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 19.05.2017, ABl. 485) darauf hingewiesen, dass der Internet Explorer nicht dazu gebaut sei, um Zugriffsdaten und Zugriffsdauern zu dokumentieren. Die Liste der Zugriffe geben kein verlässliches Abbild der Wirklichkeit. Zur Erläuterung wird ausgeführt, dass der Aufruf einer Webseite schnell mal 10-100 Folgerequests erzeugen kann (z.B. eingebettete Bilder, sog. Stylesheets). Demnach könne eine Internetseite eigenständig eine andere Internetseite aufrufen. Eine „sehr dynamische“ Seite könne – solange diese offen sei – immer wieder Inhalte nachladen. So hat auch die Beklagtenseite im Kammertermin bestätigt, dass die von ihr bezeichneten „Aktivitäten“ nicht in jedem Fall vom Kläger selbst ausgelöst worden sein müssten. Es komme auch in Betracht, dass Aktivitäten zum Teil automatisiert erfolgt seien.

Demnach kann das Gericht vorliegend in der von der Beklagten erfolgten Auswertung keine verlässliche Grundlage für die Verweildauer des Klägers im Internet zu privaten Zwecken erkennen. Es wäre von der Beklagten nachvollziehbar darzulegen gewesen, welche tatsächlichen Aktivitäten des Klägers (unter Ausschluss der automatisierten Aktivitäten des Systems) in welchen zeitlichen Abständen sich aus den vorhandenen Daten entnehmen lassen und welche Nutzungszeiten hieraus resultieren. Vorliegend kann jedoch unter Einbeziehung von systemeigenen, nicht vom Kläger stammenden Aktivitäten nicht darauf geschlossen werden, dass die Angabe der Privatnutzung von 38 Stunden und 53 Minuten im überprüften Zeitraum überhaupt ein einigermaßen zuverlässiges Ergebnis darstellt. Darüber hinaus sei angemerkt, dass auch hinsichtlich der Vorgehensweise der Beklagten Bedenken bestehen, Zeitspannen in denen der Kläger „immer wieder und regelmäßig“ auf das Internet zugriff, durchgängig als Zeit der privaten Internetnutzung zu bewerten. Zumindest wenn zwischen einer „Aktivität“ und der nächsten eine Zeitspanne von mehreren Minuten liegt, dürfte es durchaus fraglich sein, ob auch diese mehrminütigen Zwischenzeiträume als Internetzeit verbucht werden können. Exemplarisch wird auf die beklagtenseits veranschlagte Internetnutzung von 1 Stunde und 29 Minuten bei 55 Aktivitäten für den 09.04.2013 im Zeitraum von 16:19 – 17:48 verwiesen. Hier wird aus dem Anlagenkonvolut B 2 (vgl. ABl. 194 f.) ersichtlich, dass immer wieder Zeitspannen von ca. 8 bis 18 Minuten zwischen einzelnen Aktivitäten des Klägers gelegen haben sollen. Diesbezüglich erscheint es gerade im Hinblick auf die üblicherweise anzutreffende Nutzungsweise des Internets, die sich in einem recht zügigen Wechsel von Seiten und schnellen Aktivitäten hintereinander auszeichnet, bedenklich, diese Zeitspanne durchweg als Zeiten der Internetnutzung zu bewerten.

Somit hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger während der Arbeitszeit das Internet ausschweifend für private Zwecke nutzte. Infolge der aufgezeigten Unklarheiten, in welchem Rahmen der Kläger das Internet tatsächlich für private Zwecke genutzt haben mag, kommt vorliegend auch keine Verdachtskündigung in Betracht. Der Verdacht muss – wie unter Ziff. II, 3 dargelegt – auf konkrete vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt sein und muss ferner dringend sein. Es kann vorliegend nicht mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Kläger das Internet in dem von der Beklagten geschilderten Rahmen genutzt und infolge einer exzessiven Internetnutzung einen Arbeitszeitbetrug begangen hat.

Angemerkt sei, dass im Kammertermin unstreitig gestellt worden ist, dass die private Internetnutzung bei der Beklagten – entgegen der sog. „Internet- und E-Mail-Richtlinie“ – während der Arbeitszeit auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Vorgesetzten erfolgen kann. Dies bedeutet, dass die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit nicht per se eine Pflichtverletzung darstellt. Nach Mitteilung der Beklagten kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Arbeitsaufgabe bzw. Aufgabenerfüllung durch die private Nutzung nicht beeinträchtigt werden darf. Vorliegend ist somit davon auszugehen, dass im Fall einer Nutzung des Internets über einen angemessenen zeitlichen Rahmen hinaus, es grundsätzlich zunächst einer Abmahnung des pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers bedürfte. Nur im Fall einer sog. exzessiven Nutzung des Internets, die eine schwere Vertragspflichtverletzung darstellen würde, kann das Abmahnungserfordernis wegfallen. Eine derartige exzessive Nutzung bzw. der entsprechende Verdacht konnte aber – wie bereits festgehalten – beklagtenseits nicht hinreichend dargelegt werden.

b) Auch vermag die Beklagte die Kündigung nicht mit dem Vorwurf des Arbeitszeitbetruges vor dem Hintergrund der gewerblichen Nebentätigkeit für die R. GmbH oder die S. GbR zu begründen.

Im Hinblick auf die R. GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger unstreitig im Zeitraum von Mai 2008 bis ins Jahr 2013 war, stützt sich die Beklagte im Wesentlichen darauf, dass sie 37 E-Mails von Frau M. im Zeitraum vom Juni 2011 bis Juli 2012 im dienstlichen E-Mail-Account des Klägers vorgefunden habe und der Kläger zumindest in vier Fällen, nämlich am 07.09.2011, 12.08.2011, 26.07.2011 und 15.07.2011 auch auf E-Mails von Frau M. geantwortet habe. Auf den Einwand des Klägers, dass Frau M. seine damalige Lebensgefährtin sei und es sich somit um private E-Mails gehandelt haben kann, hat die Beklagte keinen substantiierten Vortrag geleistet, der die klare Zuordnung zur gewerblichen Tätigkeit zulassen würde. Auch kann die Beklagte nicht mit dem Verweis auf abgespeicherte Dokumente im Ordner „Xport“ belegen, dass der Kläger hierbei einer gewerblichen Tätigkeit nachgegangen ist.

Im Hinblick auf die S. GbR ist seitens des Klägers die Speicherung von verschiedenen Dokumenten im Ordner „Solaranlage Halle“ am 05.11.2012, am 23.11.2012 und am 04.03.2013 auf dem dienstlichen Rechner zwischen den Parteien unstreitig erfolgt. Auch hat der Kläger offenbar gelegentlich E-Mailkorrespondenz und Telefonate für die S. GbR während der Arbeitszeit geführt, insbesondere hat er Kreditangebote für Solaranlagen eingeholt. Zudem erfolgte ein Ablesen der Leistung seiner Solaranlage über das Internet mittels „Solar-Log“. Vorliegend ist jedoch auch unter Berücksichtigung dieser Umstände nicht davon auszugehen, dass die Kündigung des Klägers ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt wäre. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger sich so zeitintensiv mit seiner Nebentätigkeit während der Arbeitszeit beschäftigte, dass ein schwere Vertragspflichtverletzung vorliegen würde, die eine Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung rechtfertigen würde.

c) Ebenso verhält es sich mit dem Vorwurf des Börsen- und Aktienhandels sowie der Aktivitäten bei Online-Versandhäusern. Selbst wenn der Kläger derartigen Aktivitäten während der Arbeitszeit nachgegangen ist, so gibt es keine verlässlichen zeitlichen Angaben, die für eine derart ausschweifende Aktivität sprechen, dass eine Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung greifen würde. Hinsichtlich der Bedenken zur zeitlichen Auswertung der Internetaktivitäten wird auf die Ausführungen unter Ziff. II, 4 a) verwiesen. Unter der Prämisse, dass die Beklagte die Internetnutzung während der Arbeitszeit nicht grundsätzlich verboten hat, kann auch bei mehrmaligen täglichen Zugriffen auf den „Flatex Trader“ oder Online-Konten keine Pflichtverletzung gesehen werden, soweit es sich um kurzweilige Zugriffe gehandelt hat.

Seitens des Gerichts wird es zwar für äußerst bedenklich gehalten, dass der Kläger sich insbesondere die E-Mails seines abonnierten Informationsdienstes OS-Trade GOST auf seinen dienstlichen Rechner hat schicken lassen. Allerdings fehlen auch hier verlässliche Angaben, in welchem zeitlichen Umfang er sich mit diesen Emails während der Arbeitszeit befasst haben mag.

5. Die Beklagte dringt auch nicht mit dem Vorwurf des Tankbetruges bzw. eines entsprechenden Verdachtes durch.

Vorliegend wäre ein zu Lasten der Beklagten begangener Tankbetrug an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche, fristlose Kündigung darzustellen. Demzufolge kann auch der Verdacht des Tankbetruges zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung herangezogen werden.

Das Gericht geht jedoch davon aus, dass der Verdacht des Tankbetruges vorliegend nicht dringend ist. Der Beklagten mag darin zuzustimmen sein, dass es zunächst verdächtig anklingt, dass der Kläger bei einem Tank mit einem Nennvolumen von 93 Litern 14 Betankungen mit einem Füllvolumen von mehr als 93 Litern vorgenommen haben will. Besonders hervor stechen dabei die vier Fälle, in denen zwischen ca. 99,6 und ca. 101,4 Liter getankt wurden. Allerdings hält das Gericht es für nicht ausgeschlossen, dass eine derartige Betankung des Fahrzeuges über das Nennvolumen hinaus physikalisch möglich ist.

Hierfür spricht zum einen das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B. vom 29.08.2013, wonach in ein baugleiches Fahrzeug mit gleichem Tank ein Volumen von 102,42 Litern eingefüllt werden konnte. Soweit die Beklagte meint, dass die in dem Gutachten aufgeführten Bedingungen realitätsfern seien, wird dem seitens des Gerichts nicht gefolgt. Die Entleerung des Fahrzeuges mittels Kraftstoffpumpe diente – wie sich dem Ergänzungsgutachten vom 12.03.2015 entnehmen lässt – dazu, dass im Anschluss die maximal mögliche Kraftstoffmenge ermittelt werden konnte. Auch das Drosseln während der Betankung sowie das Weiterbefüllen nach dem automatischen Abschalten der Zapfsäule werden nicht als realitätsferne Szenarien bewertet, sondern können durchaus eine Vorgehensweise darstellen, um möglichst viel Kraftstoff in den Tank zu bekommen. Nachdem der Tankversuch des Gutachters eine Füllmenge von 102,42 Litern ergeben hat, hält es das Gericht nicht für ausgeschlossen, dass der Kläger die besagten hohen Mengen um die 101 Liter in sein Dienstfahrzeug einfüllen konnte, wenn er jeweils mit einem nahezu leeren Tank an der Tankstelle angekommen ist. So ist es auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass mit dem Risiko des Liegenbleibens „gespielt“ und auch noch im „Reservebereich“ weitergefahren wird, gerade in dem Wissen, dass selbst wenn keine Restkilometer mehr angezeigt werden, noch eine gewisse Reserve vorhanden ist.

Auch die Ausführungen der Beklagten lassen keinen Rückschluss zu, dass die hohen Tankmengen tatsächlich ausgeschlossen wären. So führt die Beklagte an, dass es ein „rein theoretisches Bruttovolumen“ von knapp unter 106 Litern gebe, das aber unter keinen Umständen getankt werden könne. Hinsichtlich eines genauen maximalen Tankvolumens wollte oder konnte sich die Beklagte jedoch nicht festlegen, sondern beteuerte, dass dies von Fließgeschwindigkeit des Kraftstoffs, der Temperatur und Schaumbildung abhänge. Sie führt aus, dass jemand in der Praxis schon sehr lange Kraftstoff tanken und den Kraftstoff „buchstäblich schluckweise“ einfüllen müsse, um überhaupt „auf wesentlich mehr als 93 Liter“ zu kommen. Es sei bereits schwierig, überhaupt die 93 Liter zu erreichen, da spätestens ab der Entnahme der halben Reservemenge keine Restkilometer mehr angezeigt werden und die Restreichweite nur noch abgeschätzt werden könne. Des Weiteren wurde auf einen „kritischen Zustand“ bei einer Betankung mit 95-97 Litern verwiesen, wobei kritisch bedeuten solle, dass der Kraftstofftank irgendwann so voll sei, dass der Flüssigkeitspegel über der Notentlüftung liege, und dann nichts mehr in den Tank gehe.

In Anbetracht dessen, dass die Beklagte wohl über das beste fachliche Knowhow verfügt, um plausibel zu begründen, welche Tankmengen beim Dienstwagen des Klägers tatsächlich realistisch sind, erscheinen die obigen Ausführungen äußerst vage. Dass das Nennvolumen von 93 Litern „übertankt“ werden kann, räumt auch die Beklagte selbst ein. Sie hält es zumindest bei einer untypischen sehr langsamen Betankung für möglich, „auf wesentlich mehr als 93 Liter“ zu kommen. Wo jedoch eine konkrete Obergrenze liegen könnte, erschließt sich dem Gericht nach den Ausführungen der Beklagten nicht. Sollte die Beklagte meinen, dass jedenfalls bei 95-97 Litern der kritische Zustand erreicht wäre, bei dem nichts mehr in den Tank geht, so fragt sich, weshalb im Rahmen des Tankversuchs des Sachverständigen diese Menge übertroffen werden konnte. Alles in allem können die Ausführungen der Beklagten das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Befüllung des Dienstwagens mit den besagten Tankmengen physikalisch ausgeschlossen wäre.

Daneben gibt es auch keine weiteren konkreten Umstände, die den Verdacht des Tankbetruges näher begründen könnten. Die Aufzeichnungen des Klägers über seine Betankungen, Durchschnittsverbrauch etc. lassen nicht den Rückschluss auf einen Tankbetrug zu. Es kann durchaus viele unterschiedliche Beweggründe für derartige Aufzeichnungen geben (z.B. Feststellung der Einsparung eigener Kraftstoffkosten durch die Bereitstellung des Dienstfahrzeugs, technisches Interesse an Verbrauchsdaten) ohne dass hier die Verschleierung eines betrügerischen Verhaltens das naheliegendste Motiv wäre. Auch das Betanken an externen Tankstellen ist seitens des Klägers quasi durchgängig erfolgt und nicht mit den überdurchschnittlich hohen Tankmengen in Verbindung zu bringen. Insofern kann dieses Verhalten auch keinen Verdacht des Tankbetruges erhärten. Ebenso wenig überzeugt der Verweis der Beklagten auf die sehr schwankenden durchschnittlichen Verbrauchswerte. Je nach Fahrweise können die Verbrauchswerte eben auch sehr stark variieren.

Das Gericht kann es zwar nicht ausschließen, dass der Kläger ggf. auch ein anderes Fahrzeug als sein Dienstfahrzeug betankt hat. Aufgrund der beklagtenseits vorgebrachten Umstände sieht es jedoch den Verdacht des Tankbetrugs nicht als erdrückend an. Mangels Dringlichkeit des Verdachts stellt sich die Verdachtskündigung als nicht sozial gerechtfertigt dar. Da der Tankbetrug nicht erwiesen ist, ist auch die Tatkündigung unwirksam.

6. Soweit die Beklagte die Kündigungen auf weitere diverse Pflichtverletzungen des Klägers stützt, sind die Pflichtverletzungen entweder schon nicht erwiesen oder als solche nicht geeignet, die Kündigung des Klägers ohne vorherige einschlägige Abmahnung zu rechtfertigen.

a) Im Hinblick auf den Vorwurf der unzulässigen Nutzung von Dienstrechner, E-Mail-Account und dienstlichen Telefonanschluss für private und/oder gewerbliche Zwecke kann offenbleiben, ob die jeweilige Nutzung generell unzulässig oder zumindest im geringfügigen Rahmen erlaubt war. Jedenfalls ist diesbezüglich keine derartige ausschweifende Nutzung erwiesen, die die ordentliche Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung zu rechtfertigen vermag.

Hinsichtlich der behaupteten unerlaubten Nutzung des Dienstwagens für privat-gewerblich veranlasste Fahrten für die S. GbR hat die Beklagte kein geeignetes Beweismittel angeboten. Die Aufstellung „Sonderbetriebsausgaben“ sowie die Tankaufstellungen können allenfalls einen derartigen Verdacht begründen. Dem Einwand des Klägers, dass er zu den besagten Terminen seine erkrankte Mutter in der Nähe von U. besucht habe, hat die Beklagte jedoch nicht entkräften können. Insofern fehlt es jedenfalls an einem dringenden Verdacht hinsichtlich der unzulässigen privat-gewerblichen Nutzung des Dienstwagens.

b) Bei der Nutzung der dienstlichen SIM-Karte im privaten Smartphone sowie der Installation von privater Software auf dem Dienstrechner ist zwar von Pflichtverletzungen seitens des Klägers auszugehen. Allerdings wiegen diese nicht so schwer, dass sie eine Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung rechtfertigen würden. So ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer entsprechenden Abmahnung sein Verhalten umstellen würde.

c) Soweit die Beklagte von dem Verdacht ausgeht, dass der Kläger sich mit anderen Mitarbeitern unbefugt über vertrauliche Informationen ausgetauscht bzw. solche weitergegeben habe, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darstellung entsprechender konkreter Tatsachen, die den Verdacht begründen könnten. Der Verweis auf eine einzige E-Mail des Kollegen Herrn G. an den Kläger vom 02.05.2011 mit einem Arbeitsbericht betreffend ein Audit aus dem Jahr 2009 vermag einen dringenden Verdacht nicht zu begründen. Es ist auch nicht ersichtlich, an wen der Kläger zu welchem Zeitpunkt unbefugt welche vertraulichen Informationen weitergegeben haben soll.

d) Auch die beklagtenseits behaupteten Pflichtverletzungen, die die Beklagte unter die Kategorie „Haltung zu Unternehmenswerten und Verhalten im Rahmen der Untersuchung“ fasst, vermögen die Kündigung des Klägers nicht zu rechtfertigen.

In der E-Mail des Klägers an den Kollegen Herrn G. vom 15.03.2013, in der offenbar auf Internetseiten verwiesen wird, auf denen unbekleidete Frauen zu sehen sind, ist keine derart schwere Pflichtverletzung zu sehen, die eine Kündigung rechtfertigen würde.

Auch kann das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der gegen ihn gerichteten Untersuchung die Kündigung nicht rechtfertigen. Vorliegend ist nicht erwiesen, dass der Kläger hinsichtlich seiner Tätigkeit für die R. GmbH während der Arbeitszeit vorsätzlich falsche Angaben gemacht hätte. Auch der Verdacht, dass der Kläger versuchte, Zeugen für die gegen ihn gerichtete Untersuchung zu beeinflussen, vermag die Kündigung nicht zu begründen. Es ist keine ausreichende Tatsachengrundlage gegeben, die den Verdacht einer rechtswidrigen Zeugenbeeinflussung nahelegt. Die von der Beklagte behaupteten Äußerungen des Klägers gegenüber Herrn S. lassen jedenfalls Raum für unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten. Auch dass der Kläger mit Kollegen über die gegen ihn laufende Untersuchung redete, mag zwar einen Verstoß gegen die Untersuchungsrichtlinie darstellen, allerdings liegt keine derart schwerwiegende Pflichtverletzung vor, die die Kündigung des Klägers zu rechtfertigen vermag.

7. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Kündigung unwirksam ist. Auch soweit Pflichtverletzungen des Klägers tatsächlich vorliegen, sind diese weder für sich genommen noch in ihrer Summe geeignet, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen einschlägiger Abmahnungen sozial zu rechtfertigen.

8. Die Betriebsratsanhörung bedurfte somit keiner näheren Überprüfung, da die Kündigung sich schon nicht als sozial gerechtfertigt darstellt.

III.

Klageantrag Ziff. 3 ist in dem aus dem Tenor ersichtlich Umfang begründet.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Entschädigung für die entzogene private Nutzung des Dienstwagens in Höhe von EUR 10.528,19 brutto für den Zeitraum vom 09.12.2014 bis 31.12.2016 gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete gemäß § 615 Satz 1 BGB für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Annahmeverzug setzt das Leistungsvermögen des Arbeitnehmers voraus, § 297 BGB. Somit schließt die Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch aus Annahmeverzug aus. Durch die unwirksamen Kündigungen aus dem Jahr 2013 ist die Beklagte in den Zeiträumen in Annahmeverzug geraten, in denen die Arbeitsfähigkeit des Klägers vorgelegen hat, mithin vom 09.12.2014 bis 31.12.2016. Dem Kläger steht insofern eine Nutzungsausfallentschädigung zu. Die Beklagte war arbeitsvertraglich verpflichtet, dem Kläger einen Dienstwagen mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung hatte Entgeltcharakter und war Hauptleistungspflicht. Die Möglichkeit, einen Dienstwagen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auch für private Fahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für geschuldete Arbeitsleistung (vgl. BAG, Urteil vom 25.01.2001 – 8 AZR 412/00 – abrufbar bei juris). Da die Beklagte durch die unwirksamen Kündigungen in Annahmeverzug geraten ist, blieb der Erfüllungsanspruch des Klägers, einschließlich des Anspruchs auf den Dienstwagen zur privaten Nutzung als vereinbarter Naturallohn gemäß § 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB erhalten. Da die vereinbarte Naturalvergütung für die Vergangenheit nicht nachholbar ist, tritt an ihre Stelle der Wert, den die Naturalvergütung verkörpert. Der Anspruch auf Gewährung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung wandelt sich gemäß §§ 249, 251 BGB in einen Zahlungsanspruch um (BAG, Urteil vom 27.05.1999 – 8 AZR 415/98 – abrufbar bei juris). Hierbei wird der für die Privatnutzung veranschlagte geldwerte Vorteil als Grundlage herangezogen. Der Anspruch beläuft sich für den Monat Dezember 2014 anteilig auf EUR 315,71 (EUR 425,52 x 23 ./.31), für die darauffolgenden 24 Monate auf jeweils EUR 425,52. Im Ergebnis ergibt sich damit ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von EUR 10.212,48 brutto. Da der Kläger die private Nutzungsmöglichkeit zu versteuern hatte, ist auch der an die Stelle des Naturallohnanspruchs tretende Entschädigungsanspruch steuerlich in gleicher Weise zu behandeln.

Der Anspruch scheidet auch nicht aus in Anwendung der Ziff. 3 der Dienstwagenkonditionen (vgl. Anlage B 12 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2017, ABl. 298-305 d. Gerichtsakte). Gemäß den vorgenannten Bestimmungen hat der Berechtigte auf Aufforderung des Unternehmens den Dienstwagen insbesondere dann zurückzugeben, wenn „in grober Weise gegen Pflichten aus dem Überlassungsverhältnis verstoßen wurde“. Ein großer Verstoß kann vorliegend nicht angenommen werden. Der Vorwurf des Tankbetruges ist nicht erwiesen (vgl. Ziff. II, 5.). Dass der Kläger im Zeitraum von Februar 2012 bis Januar 2013 – entgegen Ziff. 11 der Dienstwagenkonditionen – fast ausschließlich an externen, statt internen Tankstellen betankt hat, kann nicht als Verstoß gegen Pflichten aus dem Überlassungsverhältnis „in grober Weise“ gewertet werden. Auch der Vorwurf der gewerblichen Nutzung des Dienstwagens ist nicht erwiesen (vgl. Ziff. II, 6. a)), weshalb die Berechtigung zur Entziehung auch nicht hierauf gestützt werden kann.

2. Soweit der Kläger für den Zeitraum vom 06.09.2013 bis 08.12.2014 Entschädigung begehrt, war die Klage abzuweisen. Ein Entschädigungsanspruch aus Annahmeverzugsgesichtspunkten scheidet schon infolge der Arbeitsunfähigkeit des Klägers aus. Auch aus Entgeltfortzahlungsgesichtspunkten kann der Kläger keine Entschädigung für die Entziehung des Dienstwagens fordern. Am 06.09.2013 war der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFzG bereits abgelaufen. Mit Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Dienstwagen entschädigungslos entziehen, wenn arbeitsvertraglich nichts anderes vereinbart ist. Die Gebrauchsüberlassung ist als zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung nur so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber überhaupt Arbeitsentgelt leisten muss (vgl. BAG, Urteil vom 14.12.2010 – 9 AZR 631/09 – abrufbar bei juris). Mangels Vorliegens einer abweichenden Vereinbarung konnte die Beklagte somit dem Kläger nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums den Dienstwagen entziehen, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu sein.

3. Soweit dem Kläger die Hauptforderung zusteht, waren ihm auch die Verzugszinsen jeweils ab Monatsersten des Folgemonats zuzusprechen, §§ 288, 286 BGB.

IV.

Klageantrag Ziff. 4 ist in dem aus dem Tenor ersichtlich Umfang begründet.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Verzugspauschalen gemäß § 288 Abs. 5 BGB in Höhe von insgesamt EUR 240,00 für die verspätete Zahlung seiner Vergütung für die Monate Juli 2016 bis Dezember 2016.

2. In Anlehnung an die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 – (abrufbar bei juris sowie ArbR 2016, 579) wird seitens des Gerichts davon ausgegangen, dass die Neuregelung zur Verzugsschadenpauschale in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auch im Arbeitsrecht anwendbar ist, da keine Bereichsausnahme vorliegt. Die Begründung des LAG Baden-Württemberg im vorgenannten Urteil, vgl. Rn. 91-97 (Entscheidungsgründe B III, 3 b)) wird vollumfänglich in Bezug genommen.

3. Gemäß der Art. 229 § 34 EGBGB findet die Vorschrift des § 288 BGB jedoch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien, das vor dem 29.07.2014 entstanden ist, erst ab Juli 2016 Anwendung. Somit kann die Pauschale für die Monate Juli 2016 bis Dezember 2016 jeweils in Höhe von EUR 40,00 verlangt werden. Eine Beschränkung dahingehend, dass die Verzugspauschale allenfalls nur einmal anfallen würde (wie die Beklagte meint), lässt sich mit dem Wortlaut des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB nicht vereinbaren. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte jeden Monat mit einer Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB in Verzug geraten ist und die Pauschale somit auch für jeden Monat erneut anfällt. Soweit der Kläger für die vorangehenden Monate eine Verzugspauschale begehrt, war die Klage abzuweisen.

V.

Klageantrag Ziff. 5 war abzuweisen. Dem Kläger steht kein weitergehender Anspruch auf variable Vergütung in Höhe von (weiteren) EUR 9.000,00 brutto zu.

1. Der Anspruch auf Zieltantieme ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Soweit der Kläger für die Jahre 2013 und 2014 hinsichtlich seiner persönlichen Ziele eine Zielerreichung von 100% in Ansatz bringt und damit weitere EUR 5.040,00 brutto fordert, vermag dies das Gericht nicht zu überzeugen. Es ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im Zeitraum von 10.06.2013 bis 08.12.2014 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Somit ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger meint, ihm wäre eine Zielerreichung im Umfang von 100% ohne Ausspruch der Kündigungen möglich gewesen. Zur tatsächlichen Zielerreichung im Jahr 2013 trägt der Kläger nichts vor. Insofern wird seitens des Gerichts davon ausgegangen, dass dem Kläger die Regelung des Ziff. 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages zugutekommt, wonach er selbst im Fall der langandauernden Erkrankung als Minimum 50% der Zieltantieme beanspruchen kann. In diesem Umfang hat die Beklagte jedoch den Anspruch des Klägers für die Jahre 2013 und 2014 unstreitig erfüllt.

2. Ebenfalls unstreitig dem Grunde nach ist der Anspruch des Klägers auf Erfolgsbeteiligung im Hinblick auf die Erreichung von Unternehmenszielen. Hinsichtlich des Jahres 2014 besteht jedoch Streit darüber, ob der Kläger neben den bezahlten EUR 360,00 brutto weitere EUR 3.960,00 brutto fordern kann. Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass die Beklagte in Anwendung der Regelung von Ziff. 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages infolge der langanhaltenden Erkrankung des Klägers berechtigter Weise Abzüge von der Erfolgsbeteiligung in Höhe von EUR 3.960,00 vorgenommen hat. Die arbeitsvertragliche Regelung sieht vor, dass die Erfolgsbeteiligung nur dann einen Abzug erfährt, wenn die Krankheit insgesamt über 6 Monate andauert; der Abzug beträgt für jeden weiteren vollen nicht gearbeiteten Monat 1/12 der Erfolgsbeteiligung. Danach kann der Kläger für das Jahr 2014 nur 1/12 der Erfolgsbeteiligung verlangen. Die Krankheit des Klägers dauerte ab dem 10. Dezember 2013 „insgesamt über sechs Monate“ im Sinne der Regelung an. Danach sind die Monate Januar 2014 bis November 2014 als weitere volle nicht gearbeitete Monate anzusehen, für die die Kürzungsmöglichkeit folglich besteht. Somit ist der Anspruch des Klägers auf Erfolgsbeteiligung ordnungsgemäß erfüllt worden.

3. Im Hinblick auf den Ausgleich von Zinsverlusten seitens der Beklagten mit Abrechnung von März 2017 ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein weitergehender Zinsanspruch bezüglich der variablen Vergütung zustehen würde.

VI.

Klageantrag Ziff. 6 war abzuweisen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung der Tankkosten im Umfang von EUR 377,59 netto zu.

Die klägerseits geltend gemachten Tankkosten sind dem Kläger im Zeitraum vom 16.08.2013 bis 29.08.2013 entstanden. In diesem Zeitraum war der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum für den Fall der Erkrankung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFzG bereits abgelaufen.

Eine andere Rechtsgrundlage für die Erstattung der Tankkosten ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger nicht näher ausgeführt, weshalb er meint, dass die Beklagte aufgrund der Vereinbarung über die Dienstwagennutzung zur Erstattung verpflichtet sei.

Mangels Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Zinsanspruch zu.

Nebenentscheidungen

Infolge der übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen war eine Kostenmischentscheidung im Urteil zu treffen. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, orientiert sich die Kostenentscheidung an § 91 a ZPO. Nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Vorliegend haben die Parteien die Zahlungsanträge infolge der Erfüllung seitens der Beklagten (teilweise) übereinstimmend für erledigt erklärt. Es ist davon auszugehen ist, dass die nach Klageeinreichung erfüllten Ansprüche ursprünglich begründet waren. Somit waren der Beklagten die diesbezüglichen Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen waren den Parteien im Umfang ihres jeweiligen Obsiegens/Unterliegens die Kosten anteilig aufzuerlegen, § 42 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO. Hieraus ergibt sich im Ergebnis die Kostenquotelung von 80 % zu Lasten der Beklagten und 20% zu Lasten des Klägers.

Die Streitwertentscheidung beruht dem Grunde nach auf § 61 ArbGG. Im Hinblick auf den punktuellen Kündigungsschutzantrag und den allgemeinen Feststellungsantrag (Anträge Ziff. 1 und Ziff. 2) ist jeweils der durchschnittliche Vierteljahresverdienst des Klägers (EUR 25.000,00) maßgeblich, § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG entsprechend. Für die Zahlungsanträge Ziff. 3 bis Ziff. 6 sind die Nennbeträge der zuletzt streitigen Forderungen heranzuziehen, §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO entsprechend. Sämtliche Beträge sind zu addieren. Hieraus ergibt sich der Urteilsstreitwert in Höhe von EUR 77.433,29. Es wird darauf hingewiesen, dass sich vorliegend der Urteilsstreitwert von dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert, der gesondert festgesetzt wird, unterscheidet.

Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung sind vorliegend nicht ersichtlich, § 62 Abs. 3 ArbGG.

 

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