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Kündigung- Zurückweisung nach § 174 BGB – Bestreiten der Vertretungsmacht

Landesarbeitsgericht Köln, Az.: 6 Sa 958/17

Urteil vom 02.03.2018

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Kündigungen aus den ersten sechs Monaten des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses, um Annahmeverzugslohn, Abrechnungserteilung, Urlaubsgewährung, Aufwendungsersatz, Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Kündigung- Zurückweisung nach § 174 BGB - Bestreiten der Vertretungsmacht
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Der Kläger war bei Klageerhebung 59 Jahre alt, verheiratet und aus seiner Lohnsteuerkarte ergab sich ein halber Kinderfreibetrag. Er war seit dem 16.01.2017 aufgrund Arbeitsvertrag vom 10.01.2017 als Submission Officer beschäftigt gegen ein Bruttomonatsentgelt iHv 2.080,00 EUR. Vereinbart war eine Probezeit von 6 Monaten mit einer Kündigungsfrist von 2 Wochen. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das als Dienstleister für die Bearbeitung und Weiterleitung von Visaanträgen für andere Staaten tätig ist. Am 16.01.2017, also am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses, hatte die Beklagte mit dem Kläger eine Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob für Fahrten zur Botschaft ein Taxi genommen werden müsse oder nicht. Am gleichen Tag wurde der Kläger von seiner Vorgesetzten aufgefordert, sich an den Empfang zu setzen, was er nicht tat. Ebenfalls am 16.01.2017 wurde der Kläger aufgefordert, Reisepässe zu scannen. Auch diese Anweisung befolgte er nicht. Ob der in London ansässige Geschäftsführer der Beklagten am Folgetag, dem 17.01.2017, eine Vollmachtsurkunde zur Erklärung einer Probezeitkündigung unterzeichnete (Bl. 70 d.A.), ist zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom darauffolgenden Tag, dem 18.01.2017, dem Kläger am gleichen Tag von der Büroleiterin übergeben, kündigte die Beklagte, unterzeichnet von dieser Büroleiterin, das Arbeitsverhältnis in der Probezeit. Im Briefkopf des Schreibens heißt es statt „ “ in falscher Reihenfolge: „ “. Der Kündigung war der E-Mail-Ausdruck einer Vollmacht der Zeugin L beigefügt. Die Zeugin führt bei der Beklagten den Titel „Landesleiterin“. Wörtlich heißt es in dem Kündigungsschreiben:

„Sehr geehrter Herr . ,

hiermit kündige ich den am 18.01.2017 mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist im Rahmen der Probezeit gemäß § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, hilfsweise zum nächsten möglichen Termin. Sie sind hiermit mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt.

Mit freundlichen Grüßen

( K )

Anlage: Vollmacht von Frau L “.

Der Übergabe des Kündigungsschreibens ging ein Gespräch voraus, im Rahmen dessen die Zeugin dem Kläger die Aushändigung des Kündigungsschreibens angekündigt hatte. Zwischen diesem Gespräch und der Übergabe der Kündigung verging eine erhebliche Wartezeit, nach Darstellung des Klägers sogar drei Stunden. Welche Worte der Kläger dann bei Übergabe des Schreibens geäußert hat, ist zwischen den Parteien streitig. Insbesondere ist streitig, ob bei dieser Gelegenheit die Worte „Vollmachtsurkunde“ und/oder „Vertretungsmacht“ fielen. Auf das Kündigungsschreiben wie auch auf die ihm gleichzeitig übergebene und von Frau L als „Landleiterin von “ unterzeichnete Vollmacht schrieb der Kläger wörtlich (Rechtschreibfehler sind hier übernommen):

„Sehr geehrter Herr D , sehr geehrte Frau R

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mit der willkürlicher Kündigung und m der Reistellung von Arbeit ausdrücklich nicht einverstanden bin und fechte diese ab sofort an. Bevor ich weitere rechtliche Schritte einleite, bitte ich Sie um eine kurzfristiger Klärung der Sache.“

Mit Anwaltsschreiben vom 25.01.2017, das der Beklagten frühestens am 26.01.2017 zuging, wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Kündigung gemäß § 174 BGB zurück mit der Begründung, zusammen mit der Kündigung sei keine Originalvollmacht vorgelegt worden. Mit weiterem Schreiben ohne Datum, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.02.2017 zuging kündigte die Beklage durch die Zeugin L erneut „im Namen der “.

Der Kläger hat am 26.01.2017 Kündigungsschutzklage erhoben, die er rechtzeitig gegen die weitere Kündigung erweitert hat. Außerdem hat er mit der Klage Annahmeverzugsansprüche für die Zeit vom 02.02.2017 bis zum 31.07.2017 geltend gemacht, Erholungsurlaub in Natur gefordert sowie Aufwendungsersatz für die Anschaffung von Arbeitskleidung.

Der Kläger hat vorgetragen, bereits am 18.01.2017 bei Übergabe des ersten Kündigungsschreibens habe er die Kündigung mündlich mangels Vorlage einer Originalvollmacht zurückgewiesen. Jedenfalls habe er die Zeugin K aufgefordert, eine Vollmacht des Geschäftsführers vorzulegen. Die Kündigung sei darüber hinaus altersdiskriminierend. Die Zeugin K habe bei Kündigungsübergabe gesagt „ich muss den Alten loswerden“.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.01.2017 nicht beendet worden ist;

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1): festzustellen dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die datumslose, dem ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.02.2017 zugegangene Kündigung der Beklagten nicht beendet worden ist;

3. für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1) und 2): Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.376,00 EUR brutto zu zahlen (Annahmeverzugslohn vom 02.02.2017 bis 31.07.2017);

4. für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 3: Die Beklagte zu verurteilen, ihm bei jeder auf die unter Ziffer 3 genannte Zahlung eine entsprechende Abrechnung zu erteilen;

5. für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1) und 2): Die Beklagte zu verurteilen, ihm Erholungsurlaub im Umfang von 13 Tagen zu gewähren;

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 170,00 EUR als Aufwendungsersatz für Arbeitskleidung/Berufskleidung zu zahlen;

7. für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1) und 2). Die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als „Submission Officer“ weiter zu beschäftigen;

8. für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1) und 2): die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Zurückweisung der Kündigung durch das Anwaltsschreiben, das erst am 26.01.2017 bei ihr eingegangen sei, sei zu spät gewesen, jedenfalls nicht mehr unverzüglich. Am Tag der Übergabe des Kündigungsschreibens habe der Kläger nicht gerügt, eine Originalvollmacht liege nicht vor. Er habe auch den Mangel einer Vertretungsmacht nicht gerügt.

Das Arbeitsgericht hat nach einer Berichtigung des Rubrums die Klage mit dem am 23.08.2017 verkündeten Urteil abgewiesen mit der Begründung, die Kündigung vom 08.01.2017 habe das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Probezeitkündigungsfrist beendet. Die Zurückweisung nach § 174 BGB sei zu spät erfolgt, nämlich mehr (um einen Tag mehr) als eine Woche. Dass der Kläger selbst die Kündigung wegen des Fehlens einer Originalvollmacht zurückgewiesen hätte, sei nicht ersichtlich, jedenfalls sei der Kläger beweisfällig geblieben. Selbst wenn die das Kündigungsschreiben unterzeichnende Zeugin K im Zeitpunkt der Erklärung nicht bevollmächtigt gewesen sei, so sei die Willenserklärung spätestens mit dem Klageabweisungsantrag im vorliegenden Verfahren genehmigt. Die Kündigung sei auch nicht deshalb unwirksam, weil sie eine Altersdiskriminierung darstelle. Der Kläger habe für seine Behauptung, die Zeugin habe „vom Alten“ gesprochen keinen Beweis angetreten. Daher sei nicht einmal vom Vorliegen eines Indizes auszugehen und die Beweislastumkehr des § 22 AGG greife nicht.

Gegen das ihm am 09.09.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.10.2017 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.12.2017 am 23.11.2017 begründet.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, er sei weiterhin der Auffassung, die Kündigung sei sowohl nach § 174 BGB (Rüge wg. fehlender Originalvollmacht) wie auch nach § 180 BGB (Rüge der Vertretungsmacht) unwirksam. Am 18.01.2017 habe ihn die Zeugin K in ihr Büro gebeten und sie habe ihm dort eröffnet, dass ihm gegenüber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werde und er nun das Haus zu verlassen habe. Er habe sich dem widersetzt und eine schriftliche Bestätigung aus London vom Geschäftsführer der Beklagten verlangt. Daraufhin habe er sich in den Besucherbereich begeben. Um ca. 12:00 Uhr sei die Zeugin K erschienen und habe ihm das Kündigungsschreiben überreicht. Darauf habe er die Zeugin sofort nach der Vollmacht gefragt. Als die Zeugin ihm sodann eine Faxkopie einer Vollmacht durch die Zeugin L vorgelegt habe, habe er sofort geäußert, er wolle die Vollmacht des Geschäftsführers D sehen.

Er habe die Kündigung, also sowohl mangels Vorlage einer Originalvollmacht wie auch mangels Vertretungsmacht beanstandet und zurückgewiesen. Jedenfalls die Rüge seines Prozessbevollmächtigten sei noch rechtszeitig gewesen. Nach seiner Fristberechnung habe vor dem 26.01.2017 die Wochenfrist noch nicht ablaufen können. Außerdem gebe es einen hinreichenden Grund, an die Verlängerung der Wochenfrist zu denken: Durch die verschiedenen Formen der Beklagten an verschiedenen Orten in Deutschland und England sei die Lage insgesamt ein wenig unübersichtlich. Er gehe davon aus, dass die Unterschrift des Geschäftsführers D unter der Vollmachtsurkunde nicht echt sei. Das von ihm beauftragte Privatgutachten komme zu dem Ergebnis, dass die Unterschrift mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Geschäftsführer D stamme.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.08.2017 – 4 Ca 184/17 – abzuändern und wie folgt zu erkennen:

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.01.2017 nicht beendet worden ist;

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1): festzustellen dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die datumslose, dem ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.02.2017 zugegangene Kündigung der Beklagten nicht beendet worden ist;

3. für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1) und 2): Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.376,00 EUR brutto zu zahlen (Annahmeverzugslohn vom 02.02.2017 bis 31.07.2017);

4. für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 3): Die Beklagte zu verurteilen, ihm bei jeder auf die unter Ziffer 3 genannte Zahlung eine entsprechende Abrechnung zu erteilen;

5. für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1) und 2): Die Beklagte zu verurteilen, ihm Erholungsurlaub im Umfang von 13 Tagen zu gewähren;

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 170,00 EUR als Aufwendungsersatz für Arbeitskleidung/Berufskleidung zu zahlen;

7. für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1) und 2). Die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als „Submission Officer“ weiter zu beschäftigen;

8. für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1) und 2): die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und betont erneut, dass die Kündigung vom 18.01.2017 nach ihrer Ansicht zu spät zurückgewiesen worden sei und sich der Kläger daher nicht auf § 174 BGB berufen könne. Auch der Mangel der Vertretungsmacht komme nicht in Betracht, weil ein solcher Mangel nicht vorgelegen habe und weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig beanstandet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Blick auf den Antrag zu 6 ist die Berufung unzulässig, weil es an einer Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung fehlt.

Im Übrigen ist die Berufung des Klägers zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung zu Recht die Klage abgewiesen. Die Kündigung vom 18.01.2017 hat das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Probezeitkündigungsfrist beendet und die unechten Hilfsanträge zu 2), 3), 4), 5), 7) und 8) fielen daher nicht zur Entscheidung an.

1. Die Kündigung vom 18.01.2017 hat das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Probezeitkündigungsfrist beendet.

a. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Das Arbeitsverhältnis hat bei Zugang der Kündigung noch nicht mehr als 6 Monate bestanden; es bestand tatsächlich nur zwei Tage.

b. Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Weder ist sie es, weil der Kläger sie gemäß § 174 BGB zurückgewiesen hätte, noch ist sie mangels Vertretungsmacht der Erklärenden unwirksam.

(1.) Die Kündigung ist nicht wegen einer rechtzeitigen Zurückweisung gemäß § 174 BGB unwirksam.

(aa.) Die Zurückweisung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers war zu spät. Hier kann auf die eigentlich nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Arbeitsgerichts Bonn Bezug genommen werden, die hier nur aus dem Eindruck der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer zu vertiefen sind: Nach der – zu Gunsten des Zurückweisenden sehr wohlwollenden – Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 08.12.2011 – 6 AZR 354/10 -) ist unter „unverzüglich“ nicht etwa „sofort“ zu verstehen, wie es dem allgemeinen Sprachverständnis entspräche, sondern „innerhalb einer Woche“. Diese deutlich verlängerte Frist war nach dem Zugang der Kündigung am Montag, dem 18.01.2017, gemäß § 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB am Montag, dem 25.01.2017, um 24:00 Uhr abgelaufen. Die Rüge des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist aber unstreitig erst am 26.01.2017 der Beklagten zugegangen, also einen Tag zu spät. Tatsachen, die eine Verlängerung der Frist rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Vortrag des Klägers hierzu, durch die verschiedenen Formen der Beklagten an verschiedenen Orten in Deutschland und England sei die Lage insgesamt ein wenig unübersichtlich, rechtfertigt jedenfalls keine Verlängerung der Frist, die von der Rechtsprechung bereits auf eine Woche verlängert worden ist, um dem Erklärungsempfänger die Gelegenheit einzuräumen, in Ruhe genau solche „unübersichtlichen“ Sachverhalte zu prüfen.

(bb.) Eine frühere mündliche Zurückweisung der Kündigung durch den Kläger selbst, die den Vorgaben des § 174 BGB entspräche, hat nicht stattgefunden. Sie ergibt sich jedenfalls nicht aus den Darlegungen des Klägers. Bei der Lektüre der Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Klägers einerseits und der eigenhändigen zur Akte gereichten Erklärungen des Klägers andererseits, fallen Diskrepanzen auf. Insbesondere bildet sich bei den Darlegungen des Klägers eine ausschmückende Tendenz, die im Laufe des Rechtsstreits zunimmt. Dabei fehlt es, trotz Rüge der Arbeitgeberin und trotz Rüge des Arbeitsgerichts, nach wie vor an jedem Beweisantritt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt die Voraussetzungen der benannten Rechtsnormen im Einzelnen vor: zu § 174 BGB: „Zurückweisung“, „Originalvollmacht“ und „ohne schuldhaftes Zögern“; zu § 180 BGB: „Vertretungsmacht“, „Rüge“ und „bei Vornahme“. In den schriftlichen Erklärungen des Klägers findet sich dem gegenüber eine Mischung aus allem und in erster Linie ein Zurückweisen der Kündigung im Allgemeinen:

in der Anlage K 3 (Bl. 19 d.A.): „Zurückweisung der Kündigung“ weder mangels Vollmachtsurkunde noch mangels Vertretungsmacht;

In der Anlage „Beweis 3“ zum Schreiben des Klägers vom 11.07.2017 (Bl. 113 d.A.): E-Mail an den Geschäftsführer in London, er sei mit der „willkürlichen Kündigung“ … „ ausdrücklich nicht einverstanden“ die Worte „Vertretungsmacht“ oder „Vollmachtsurkunde“ fallen nicht;

im Schreiben des Klägers vom 11.07.2017 (Bl. 93 d.A.): „Zurückweisung nach § 174 BGB“, weil die Zeugin „nicht vertretungsberechtigt“ gewesen sei;

im gleichen Schreiben auf Seite 4 (Bl. 95 d.A.) „Zurückweisung“ und „unverzüglich“ mit Blick auf die Kündigung allgemein, ohne dass die Worte „Vollmachtsurkunde“ oder „Vertretungsmacht“ fielen;

im Schreiben vom 20.08.2017 (Bl. 158 d.A.) ist zwar die Rede von „§ 174 BGB“ und „Vollmachtsurkunde“, aber ohne ausdrücklichen Vortrag dazu, was wann mündlich oder schriftlich geäußert bzw. gerügt worden sein soll (die Kündigung allgemein? Die fehlende Vollmachtsurkunde? Die fehlende Vertretungsmacht?);

schließlich heißt es im Schreiben vom 07.11.2017 (Bl. 228 d.A.), also nach zwei mündlichen Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht, nach Lektüre des erstinstanzlichen Urteils und nach Beratung durch zwei Anwälte erstmals (Tippfehler wie hier): „Ich sagte Frau K , dass ihr Kündigungsschreiben die Originalvollmacht des Geschäftsführers, Herrn D , benötigt um die tatsächliche Übertragung der Vertretungsmacht an Frau L nachzuweisen. […] Ich teilte ihr mit, dass ich die Frau L nicht kenne und ich nicht weis ob diese Frau über die Vertretungsmacht auch verfügt.“

Nach diesem widersprüchlichen Vortrag kann nur davon ausgegangen werden, dass der Kläger gegen die Kündigung mündlich protestiert und diesen Protest so formuliert hat, wie er es auch schriftlich auf den Kündigungsschreiben getan hat (vgl. Bl. 19 d.A.). Ein solcher Protest ist keine Zurückweisung im Sinne des § 174 BGB. Nach § 174 BGB muss die Kündigung mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass der Erklärende eine Originalvollmacht nicht vorlegt. Die bloße Rüge, die Kündigung sei rechtswidrig oder willkürlich, oder der Erklärende sei nicht bevollmächtigt, er habe also keine Vertretungsmacht, reicht für eine Zurückweisung nach § 174 BGB nicht aus. Aus dem wechselnden und in dieser Hinsicht teilweise widersprüchlichen Vortrag des Klägers wird deutlich, dass er diesen Unterschied nicht verinnerlicht hat. Die sofortige Rüge, dem Erklärenden fehle die Vertretungsmacht (bei der Vertretungsmacht geht es um ein ggfls. auch nur mündlich oder schlüssig vorgenommenes Rechtsgeschäft, § 167 BGB), ist folgenlos, wenn der Erklärende Vertretungsmacht hatte; die später vorgenommene Rüge gleichen Inhalts ist auch dann folgenlos, wenn der Erklärende keine Vertretungsmacht hatte, das Rechtsgeschäft aber gemäß § 184 BGB durch nachträgliche Genehmigung geheilt wurde; das ohne schuldhaftes Zögern nach § 174 BGB gerügte Fehlen einer Originalvollmacht (hier geht es um eine Verkörperung auf einem Blatt Papier mit eigenhändiger Unterschrift des Vollmachtgebers) ist dagegen nicht heilbar und führt zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, aus seinem Vortrag ginge hervor, er habe mündlich die Kündigung den Vorgaben des § 174 BGB folgend zurückgewiesen, so fehlt es nach wie vor an einem Beweisantritt. Da es nach der allgemeinen Beweisregel der Kläger ist, der die Darlegungs- und Beweislast trägt – denn er ist es, der sich auf seine Behauptung einer unverzüglichen Zurückweisung als Tatbestandsvoraussetzung einer ihm günstigen Norm stützt – muss mangels Beweisantritts davon ausgegangen werden, dass eine mündliche Zurückweisung nach § 174 BGB durch ihn nicht stattgefunden hat.

(2.) Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Unterzeichnerin, die Zeugin L , die Kündigung ohne Vertretungsmacht ausgesprochen hätte (hier geht es jetzt nicht mehr um eine gegenständliche Urkunde, sondern um das Rechtsgeschäft gemäß § 167 BGB mit dem die Vertretungsmacht eingeräumt wird). Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung (Verleihung der Vertretungsmacht) als solche gefehlt haben sollte, wäre die Kündigung zwar grundsätzlich gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist bei einer Kündigung (einseitiges Rechtsgeschäft) eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich aber nicht, dass er die Kündigung „bei der Vornahme“ beanstandet hätte. Nur dann könnte er sich nach § 180 Satz 2 BGB auf die Unwirksamkeit im Prozess berufen. Hier gilt das Gleiche wie das zur Zurückweisung der Kündigung mangels Vorlage einer Originalvollmacht Gesagte entsprechend: Der Vortrag des Klägers ist widersprüchlich und es fehlt an jedem Beweisantritt.

Selbst wenn also die Zeugin L die Kündigung ohne Vertretungsmacht unterzeichnet hätte, wäre die Kündigung – mangels sofortiger Rüge durch den Kläger – in entsprechender Anwendung von § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam und genehmigungsfähig gewesen. Eine solche Genehmigung hat die Beklagte jedenfalls konkludent dadurch erteilt, dass sie im vorliegenden Rechtsstreit die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (BAG 16.12.2010 – 2 AZR 485/08; BAG v. 10.04.2014 – 2 AZR 684/13 -; LAG BW v. 11.02. 2016 – 16 Sa 43/15 –). Auf die Echtheit einer Unterschrift unter einer Vollmachtsurkunde kommt es dann nicht mehr an.

(3.) Wegen der vom Kläger behaupteten Altersdiskriminierung müssen die Ausführungen der ersten Instanz nicht wiederholt werden, denen sich die erkennende Kammer anschließt: Auch hier fehlt es an einem Beweisantritt für den Fall, dass die Darlegung des Klägers als ausreichend konkret erachtet würde.

2. Die unechten Hilfsantrage zu 2), 3), 4), 5), 7) und 8) fielen nicht zur Entscheidung an.

III. Nach allem bleibt es somit bei der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung. Als unterliegende Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

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