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Kündigungsschreiben – Zugang per Einwurfeinschreiben – Beweislast

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 2 Sa 139/18 – Urteil vom 12.03.2019

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um die Frage, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht, was wesentlich davon abhängt, ob dem klagenden Arbeitnehmer, die unter dem Datum des 28. August 2017 erstellte Kündigung der Beklagten tatsächlich zugegangen ist. Außerdem streiten die Parteien noch um die Frage, ob die Beklagte dem Kläger vorvertraglich aufgewendete Fortbildungskosten in Höhe von rund 290 Euro zu ersetzen hat.

Die Beklagte mit Stammsitz im hiesigen Gerichtsbezirk betreibt ein Architektur- und Ingenieurbüro mit Niederlassungen in mehreren deutschen Großstädten. Einer der Schwerpunkte der Geschäftstätigkeit sind Bauvorhaben am und im Schienennetz der Deutschen Bahn AG.

Der 1959 geborene Kläger war bei der Beklagten ab November 2016 zu einem Bruttomonatsentgelt von rund 4.700 Euro angestellt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 2016 war der Kläger im Wesentlichen dem Büro B. zugeordnet und hatte deutschlandweit wechselnde Projekte zu betreuen. Dabei war der Kläger als Bauüberwacher Bahn (BÜB) und als Fachbauüberwacher (FBÜ) jeweils für die Fachbereiche Leitungs- und Sicherheitstechnik (LST), Oberleitungsanlagen (OLA) und 50 Hz (Energieanlagen) auf den Baustellen im Schienennetz der Deutschen Bahn AG tätig.

Bereits vor dem Beginn der beiderseitigen Zusammenarbeit hatte der Kläger am 21. Oktober 2016 zwei Seminare beim Verband Deutscher Eisenbahnfachschulen e.V. mit den Bezeichnungen FIT 2016 – Bauüberwacher – Elektrotechnik und FIT 2016 – Anlagenbeauftragter für Arbeiten an Oberleitungsanlagen besucht. Der Seminaranbieter hat ihm hierfür insgesamt 287,50 Euro in Rechnung gestellt (Teil der Anlage K 9, hier Blatt 39 f). Mit Mail vom 25. Oktober 2016 hatte der Kläger die Beklagte gebeten, diesen Betrag direkt an den Schulungsträger zu überweisen. Da die Beklagte dem nicht nachgekommen war, hat der Kläger die Rechnung über die Seminarteilnahme selbst bezahlt.

Kündigungsschreiben – Zugang per Einwurfeinschreiben - Beweislast
(Symbolfoto: Von Kzenon/Shutterstock.com)

Im Arbeitsverhältnis der Parteien entstanden schon im ersten Jahr der Zusammenarbeit Spannungen, die sich – nach Darstellung des Klägers – insbesondere aus einer unterschiedlichen Interpretation der Vorgaben der Deutschen Bahn AG für die Bauvorhaben und Baustellen in ihrem Schienennetzwerk ergaben. Die vom Kläger gesehenen Regelverstöße waren für ihn nach seinen Angaben so belastend, dass er sich schon im Sommer 2017 entschlossen hatte, das Arbeitsverhältnis zur Beklagten aufzugeben und einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Der Kläger hat im Juli und August 2017 Bewerbungsgespräche bei anderen Arbeitgebern geführt und ist seit dem 1. November 2017 bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt.

Die Beklagte berühmt sich des Ausspruchs einer schriftlichen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger unter dem Datum des 28. August 2017 zum 30. September 2017, die durch die Deutsche Post am Wohnsitz des Klägers durch Einwurf-Einschreiben zugestellt worden sein soll. Der Kläger bestreitet den Zugang dieser Kündigung.

In den Rechtsstreit hat die Beklagte die Kopie einer schriftlichen Kündigungsurkunde eingeführt (Anlage B1, hier Blatt 152), nach der die Beklagte dem Kläger unter dem 28. August 2017 eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung zum 30. September 2017 ausgesprochen hat. Außerdem ist in den Rechtsstreit eingeführt die Kopie eines Einlieferungsbelegs der Deutschen Post, nach dem diese oder eine ihrer beauftragten Agenturen am 29. August 2017 eine Sendung in Empfang genommen hat mit dem Auftrag, diese beim Kläger in der Form eines Einwurf-Einschreibens zuzustellen (ebenfalls Blatt 152). Schließlich ist als Anlage B 3 (hier Blatt 185) ein als Formular aufgebauter Beleg in Kopie zur Akte gelangt, in der ein oder eine Bedienstete der Deutschen Post durch ihre Unterschrift und mit dem Datum des 30.08.2017 zu der Sendungsnummer, die die Beklagte bei Einlieferung der Sendung erhalten hat, das Folgende bescheinigt: „Ich habe die o.g. Sendung dem Empfangsberechtigten übergeben, bzw. das Einschreiben Einwurf in die Empfangsvorrichtung des Empfängers eingelegt.“

Die tatsächliche Zusammenarbeit der Parteien ist im Laufe des September 2017 schließlich gänzlich zum Erliegen gekommen. Zunächst nahm der Kläger ab dem 4. September 2017 Urlaub, der allerdings zum Teil noch durch einzelne stundenweise Arbeitseinsätze für die Beklagte unterbrochen war. Ab dem 25. September 2017 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Bemühungen der einen oder der anderen Partei, das Arbeitsverhältnis aktiv weiterzuführen, gab es bis zur Aufnahme der Arbeit seitens des Klägers bei seinem neuen Arbeitgeber am 1. November 2017 keine mehr.

der beiden Parteien, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzuheben bzw. ein Einvernehmen über die Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses herzustellen. Für die Beklagte hat an diesen Telefonaten der kaufmännische Leiter Herr R. teilgenommen und am 12. September 2017 auch der Geschäftsführer der Beklagten persönlich. Zwischen den Parteien ist streitig geblieben, ob der Kläger in einem oder in mehreren dieser Gespräche den Zugang der Kündigung eingeräumt hat. – Die Bemühungen beider Parteien sich über die Beendigung bzw. die Modalitäten der Beendigung zu einigen endeten schließlich ergebnislos.

Erst am 22. Dezember 2017 ist beim Arbeitsgericht die Zahlungs- und Bestandsschutzklage des Klägers eingegangen. Sie wurde der Beklagten am 3. Januar 2018 zugestellt.

Das Arbeitsgericht Rostock hat nach Vernehmung des kaufmännischen Leiters der Beklagten als Zeugen mit Urteil vom 28. Juni 2018 (1 Ca 1606/17) den Bestandsschutzantrag des Klägers als unbegründet abgewiesen und auch die Übernahme der vorvertraglich aufgewendeten Seminarkosten des Klägers abgelehnt. Den übrigen Teil der Zahlungsklage hat das Arbeitsgericht zugesprochen. Soweit das Arbeitsgericht der Klage entsprochen hat, ist seine Entscheidung rechtskräftig geworden. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Bezüglich des Bestandsschutzantrages hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Kündigung vom 28. August 2017 dem Kläger am 30. August 2017 durch Einwurf in den Briefkasten an seinem Wohnsitz zugegangen ist. Das sei durch die Dokumentation dieses Vorgangs seitens der mit der Beförderung des Dokuments durch „Einschreiben – Einwurf“ beauftragten Deutschen Post ausreichend belegt (Verweis auf BGH 27. September 2016 – II ZR 299/15 – NJW 2017, 68). Da der Kläger diese Kündigung nicht rechtzeitig mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen habe, sei die Kündigung nach § 7 KSchG wirksam geworden. Sie habe das Arbeitsverhältnis wie in der Kündigung ausgewiesen zum 30. September 2017 beendet.

Bezüglich der Übernahme der vorvertraglich angefallenen Seminarkosten hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, da eine vertragliche oder gesetzliche Grundlage für die Übernahme der vom Kläger auch in seinem eigenen Interesse aufgewendeten Kosten nicht gegeben sei.

Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgerecht begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Bestandsschutzbegehren sowie sein Zahlungsbegehren bezüglich der vorvertraglich aufgewendeten Seminarkosten unverändert weiter.

Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe den Bestandsschutzantrag – der vom Berufungsgericht zutreffend als allgemeiner Feststellungsantrag im Sinne von § 256 ZPO gesehen werde – zu Unrecht abgewiesen.

Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass ein ordnungsgemäß dokumentiertes Einwurfeinschreiben einen Anscheinsbeweis dafür liefere, dass die aufgegebene Sendung beim Empfänger angekommen sei, denn es gäbe immer wieder Sendungen, die gar nicht ankommen würden. Außerdem sei der Standpunkt des Arbeitsgerichts nicht mit § 130 BGB zu vereinbaren. Im Streitfall müsse der, der eine Willenserklärung abgibt (hier die Beklagte), den Vollbeweis dafür erbringen, dass die Willenserklärung beim Erklärungsempfänger (hier dem Kläger) auch zugegangen sei. Dieser Beweis sei hier gerade nicht erbracht. Der Auslieferungsbeleg des Zustellers belege letztlich nur, dass der Zusteller einen Auslieferungsbeleg erstellt habe. Er belege jedoch nicht, dass der Zusteller wie im Text des Dokuments bescheinigt die Sendung zugestellt habe (Verweis auf LAG Hamm 5. August 2009 – 3 Sa 1677/08 und auf LAG Rheinland-Pfalz 23. September 2013 – 5 Sa 18/13).

Außerdem stehe nach wie vor in Frage, welchen Inhalt die Sendung gehabt habe, die dem Kläger nach Auffassung der Beklagten per Einwurfeinschreiben am 30. August 2017 zugestellt worden sei. Insoweit sei die Beweisaufnahme unergiebig gewesen. Der als Zeuge vernommene kaufmännische Leiter habe bei seiner Vernehmung einräumen müssen, dass er lediglich den Auftrag erteilt habe, eine Kündigung zu erstellen und diese sodann zustellen zu lassen. Dass die Weisung tatsächlich so umgesetzt wurde, könne der Kläger daher nach wie vor mit Nichtwissen bestreiten.

Das Arbeitsgericht habe auch den Zahlungsantrag nicht abweisen dürfen. Der Anspruch auf Ersatz der vorvertraglich aufgewendeten Seminarkosten ergebe sich aus § 670 BGB in direkter oder analoger Anwendung. Das habe das Arbeitsgericht verkannt. Dazu behauptet der Kläger, der Besuch der Seminare sei für die Aufnahme der Tätigkeit bei der Beklagten erforderlich gewesen. Außerdem sei der Besuch der Seminare „ausschließlich auf die Tätigkeit bei der Beklagten gerichtet“ gewesen (Seite 4 der Berufungsbegründung, hier Blatt 235). Ergänzend behauptet der Kläger dort ohne Vortrag dazu passender Einzelheiten, die Einstellung des Klägers sei vor der Teilnahme an den Seminaren erfolgt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 28.06.2018, Az.: 1 Ca 1606/17, abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 01.11.2016 unverändert fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 287,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts und wiederholt ihre erstinstanzlichen Behauptungen zum Zugang des Kündigungsschreibens.

Zutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass ein ordnungsgemäß dokumentierter Sendungsvorgang in Form des Einwurfeinschreibens den Anscheinsbeweis dafür liefere, dass die aufgegebene Sendung den Empfänger erreicht habe. Zutreffend habe das Arbeitsgericht auch die Behauptung der Beklagten seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, mit der Sendung sei die in den Rechtsstreit eingeführte Kündigungsurkunde transportiert und zugestellt worden. Der als Zeuge vernommene kaufmännische Leiter der Beklagten habe zwar die Kündigung weder selbst erstellt noch in den Briefumschlag eingelegt. Bei der Beklagten sei es – wie vom Zeugen ausgeführt – jedoch üblich, ein Postbuch zu führen, und wenn dort im Postausgang vom 29. August 2017 ein Brief an den Kläger mit der Bezeichnung Kündigung verzeichnet sei, sei dies ein zusätzliches Indiz für die Behauptung der Beklagten.

Im Übrigen habe der Kläger mit dem kaufmännische Leiter der Beklagten am 31. August 2017 gegen 11:00 Uhr telefoniert und in dem Gespräch mitgeteilt, dass er seine Kündigung erhalten habe und nunmehr über die Modalitäten der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses sprechen wolle.

Ein Anspruch auf Erstattung der vorvertraglichen Seminarkosten bestehe nicht, da es hierzu keine vertragliche Regelung gebe. Das habe das Arbeitsgericht überzeugend begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die klägerische Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der im Berufungsrechtszug weiter verfolgten Klageanträge zutreffend als unbegründet abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Ausführungen, die sich das Berufungsgericht zu eigen macht, Bezug genommen. In Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich einige Ergänzungen angebracht.

I.

Die vom Kläger begehrte Feststellung zum Bestand des Arbeitsverhältnisses kann nicht getroffen werden.

Der Kläger begehrt im Sinne von § 256 ZPO die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Das hat der Kläger auf eine Anfrage des Kammervorsitzenden klargestellt. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn das Gericht feststellen kann, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – hier also im März 2019 – zwischen den Parteien noch ein Arbeitsverhältnis besteht.

Das Berufungsgericht kann die begehrte Feststellung nicht treffen, da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten unter dem Datum des 28. August 2017 wie dort erklärt mit Ablauf des 30. September 2017 sein Ende gefunden hat.

1.

Dass das Arbeitsverhältnis der Parteien für den Fall des Zugangs der streitigen Kündigung am 30. August 2017 inzwischen beendet wäre, wird vom Kläger nicht in Frage gestellt. Eine nicht durch eine Kündigungsschutzklage angegriffenen Kündigung gilt nach § 7 KSchG als wirksam. Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

2.

Die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass dem Kläger am 30. August 2017 die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 28. August 2017 zugegangen ist, hält den Angriffen der Berufung stand.

a)

Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass der Zugang einer schriftlichen Willenserklärung bereits dann bewirkt ist, wenn das Dokument mit der Willenserklärung in den Briefkasten am Wohnsitz des Erklärungsempfängers gelangt ist. Dieser Rechtsstandpunkt wird von den Parteien nicht in Frage gestellt, so dass wegen der Einzelheiten auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen werden kann.

Auf den akademischen Streit, ob eine auf diese Art übermittelte Willenserklärung sofort im Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten zugeht oder erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Briefkasten üblicherweise das nächste Mal geleert wird, kommt es hier nicht an. Denn die Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage wäre auch dann versäumt, wenn man zu Gunsten des Klägers annehmen würde, dass die Kündigung wegen des Zeitpunkts der üblichen nächsten Leerung des klägerischen Briefkastens erst einen Tag später zugegangen wäre.

b)

Die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass der oder die Bedienstete der Deutschen Post dem Kläger am 30. August 2017 eine Briefsendung in den Briefkasten gelegt hat, die von der Beklagten stammt, wird durch die Berufung nicht in ausreichendem Maße angegriffen.

Der Hinweis des Klägers auf die öffentlich zugänglichen Statistiken zur Anzahl der Postsendungen, die ihren Empfänger nie erreichen, kann im vorliegenden Falle die gerichtliche Feststellung, dass die streitige per Einwurfeinschreiben von der Post transportierte Sendung tatsächlich durch Einwurf in den Briefkasten ausgeliefert wurde, nicht in Frage stellen.

Für den Absender (hier die Beklagte) streitet beim Einwurf-Einschreiben nach Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist, wenn das vorbeschriebene Verfahren eingehalten wurde. Das wurde vom Bundesgerichtshof so entschieden (BGH 27. September 2016 – II ZR 299/15 – NJW 2017, 68 Randnummer 33; ebenso LAG Hamm 26. März 2014 – 5 Sa 1556/13 – Randnummer 37). Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. In der Entscheidung des BGH ging es zwar um die etwas anders gelagerte Frage, ob das gesetzliche Merkmal des eingeschriebenen Briefes aus § 21 Absatz 1 Satz 2 GmbHG auch durch Zustellung per Einwurf-Einschreiben gewahrt ist, was der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung bejaht hat. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu dem Beweiswert eines ordentlich durchgeführten Zustellauftrags in Form des Einwurf-Einschreibens sind jedoch so allgemein gehalten, dass sie auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden müssen.

Nach den vorliegenden Dokumenten ist davon auszugehen, dass der von der Post übernommene Auftrag der Beklagten, die Sendung dem Kläger per Einwurf-Einschreiben zuzustellen, ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Das wird zum einen durch den Einlieferungsbeleg (Kopie hier Blatt 152) belegt, mit dem die Sendungsnummer vergeben wird und auf dem handschriftlich das Einlieferungsdatum und der Name des Sendungsempfängers hinzugefügt ist.

Zum anderen wird die fehlerfreie Durchführung des Auftrags durch den Auslieferungsbeleg (Kopie hier Blatt 185) dokumentiert. Dort taucht dieselbe Sendungsnummer wie bei der Einlieferung auf und die Bedienstete der Post hat den Beleg handschriftlich unterzeichnet. Die vom Kläger zitierte ältere Rechtsprechung, nach der Auslieferungsbeleg streng genommen lediglich dokumentiere, dass die unterzeichnende Person einen Auslieferungsbeleg erstellt habe, hält das Gericht in Hinblick auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin für überholt. Sie kann jedoch auch nicht überzeugen. Denn ohne Anhaltspunkte dafür, dass es bei Auslieferung zu fahrlässigem oder vorsätzlichem Fehlverhalten bei der Herstellung des Zustellbelegs gekommen ist, gibt es keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, dass der oder die Bedienstete wie in dem Dokument durch Vordruck bescheinigt, die Sendung mit der dort bezeichneten Nummer zur Auslieferung gebracht hat. Solche tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der die Auslieferung der Sendung vornehmenden Bediensteten der Deutschen Post sind allerdings nicht vorgetragen.

Dieser Anschein des Zugangs des transportierten Dokuments ist vom Kläger nicht widerlegt worden. Der bloße Hinweis darauf, dass er nie eine Kündigung erhalten habe, ist nicht erheblich. Denn – wie bereits oben unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts hervorgehoben – reicht es für den Zugang der Willenserklärung im Sinne von § 130 BGB aus, wenn die Sendung in den Briefkasten eingelegt wurde. Ob der Sendungsempfänger die Sendung von dort an sich genommen und dann auch tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist dagegen unerheblich. Wenn der Kläger den Anscheinsbeweis des Zugangs der Sendung also hätte erschüttern wollen, hätte er sich näher zu dem Briefkasten an seiner Wohnung einlassen müssen und zwar sinngemäß mit dem Tenor, über den Briefkasten gehe häufig eingeschriebene Post ein und dabei ist noch nie eine Sendung verloren gegangen, da der Briefkasten regelmäßig und zuverlässig geleert werde. Eine solche oder eine ähnlich geartete Einlassung des Klägers fehlt hier, so dass das Arbeitsgericht zutreffend zu der abschließenden Feststellung gelangt ist, dass dem Kläger die Sendung im Sinne von § 130 BGB zugegangen ist.

c)

Auch die Feststellung des Arbeitsgerichts, mit dem eingeschriebenen Brief habe die Beklagte die Kündigung an den Kläger zustellen lassen, hält den Angriffen der Berufung stand.

Möglicherweise wäre für diese Feststellung die Durchführung der Beweisaufnahme gar nicht notwendig gewesen. Denn wenn man – siehe oben – davon ausgehen muss, dass dem Kläger am 30. August 2017 eine Sendung der Beklagten förmlich zugestellt wurde, und sich der Kläger gar nicht dazu äußert, welche Sendung der Beklagten ihn in diesem Zeitraum erreicht hat, hat er möglicherweise die Behauptung der Beklagten, es habe sich um die Kündigung gehandelt, nicht einmal ausreichend bestritten.

Das Arbeitsgericht ist nach Vernehmung des kaufmännischen Leiters der Beklagten als Zeugen zu demselben Ergebnis gelangt. Die Würdigung des erhobenen Beweises durch das Arbeitsgericht unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken.

Es mag sein, dass die Vernehmung des kaufmännischen Leiters der Beklagten als Zeugen bezogen auf den Inhalt der Sendung, die am 29. August zur Post gebracht wurde, nicht gerade ergiebig war, da der Zeuge entgegen dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten in der Akte an der Herstellung der Kündigungsurkunde und an der Vorbereitung der Versendung mit Einwurf-Einschreiben gar nicht unmittelbar beteiligt war. Die Würdigung des Arbeitsgerichts stellt aber auch gar nicht entscheidend auf die Aussage des Zeugen ab, sondern auf sonstige Umstände aus der Akte und aus der mündlichen Verhandlung, die für die Behauptung der Beklagten streiten.

Der Ausgangspunkt der gerichtlichen Würdigung, angesichts der Spannungen in dem Arbeitsverhältnis und der Trennungsabsicht des Klägers habe es nahegelegen, dass auch die Beklagte zum Mittel einer Kündigung greifen könnte, ist vom Kläger nicht in Frage gestellt worden. Zutreffend ist auch die Würdigung des Gerichts, dass die Versendung per Einwurf-Einschreiben im Regelfall nur für Sendungen von besonderer Wichtigkeit, wie eben bei Ausspruch einer Kündigung, verwendet wird. Das ergibt sich schon auf dem damit verbundenen Einlieferungsaufwand und den damit verbundenen Kosten. Auch diese Erfahrungstatsache wird vom Kläger nicht in Frage gestellt.

Die Würdigung des Arbeitsgerichts wird durch die Mitteilung des Zeugen abgerundet, dass sich auch aus dem Postausgangsbuch der Beklagten ein Hinweis auf den Inhalt der Sendung ergebe, da dort die Sendung als Kündigung eingetragen sei. Diese Behauptung ist vom Kläger ebenfalls nicht angegriffen worden. Sie liefert ein weiteres Indiz dafür, dass sich in der fraglichen Sendung die Kündigung befunden hat.

Der Umstand, dass der Kläger in dem Telefonat mit dem Geschäftsführer der Beklagten am 12. September 2017 – unstreitig – den Erhalt einer Kündigung in Abrede gestellt hat, steht der Würdigung des Arbeitsgerichts nicht entgegen. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger in der Zeit zwischen dem 30. August 207 und dem Telefonat am 12 September 2017 entweder in Urlaub war oder auf den auswärtigen Baustellen für die Beklagte tätig war. Es war demnach ohne weiteres möglich, dass er in der gesamten Zeit keine Gelegenheit hatte, die Versendung der Kündigung an seine Heimatadresse zu registrieren. Selbst wenn er sich zwischenzeitlich an seinem Wohnsitz aufgehalten haben sollte, muss das nicht zwingend die Folgerung nahelegen, dass er sich dort dann auch um die gesamte aufgelaufene Post gekümmert hat.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von Kosten für den Besuch der zwei Seminare am 21. Oktober 2016 in Höhe von etwas unter 290 Euro. Zutreffend hat das Arbeitsgericht dafür weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Grundlage gesehen. Dieser Standpunkt wird durch das klägerische Berufungsvorbringen nicht in Frage gestellt.

Eine vertragliche Abrede zur Übernahme der Kosten des Seminarbesuchs am 21. Oktober 2016 ist nicht schlüssig vorgetragen. Der Kläger trägt zwar in der Berufungsbegründung ohne nähere Tatsachen vor, die Fortbildung habe er nach seiner Einstellung besucht, was wohl rechtlich als Behauptung gewertet werden muss, es habe bei der Einstellung eine Absprache über die Übernahme der Seminarkosten gegeben. Diese Behauptung kann dem Urteil aber nicht zu Grunde gelegt werden, da sie in Widerspruch zu den übrigen Behauptungen des Klägers und in Widerspruch zu den vorgelegten Dokumenten steht. Der Arbeitsvertrag der Parteien ist unter dem Datum des 31. Oktober 2016 unterzeichnet, also einem Zeitpunkt rund eine Woche nach dem Besuch der Seminare. Es gibt auch keine mit Tatsachen belegten Hinweise darauf, dass die tatsächliche Einigung über die Zusammenarbeit bereits vor diesem Datum vorhanden gewesen sei.

Zutreffend ist auch die Würdigung des Arbeitsgerichts, dass sich der Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Seminarkosten auch nicht auf § 670 BGB stützen lässt. Das dagegen vorgebrachte Berufungsvorbringen ist unerheblich. Der Kläger betont lediglich, dass der Besuch der Seminare für die Aufnahme der Tätigkeit des Klägers zwingend erforderlich gewesen sei. Dies als zutreffend unterstellt, ergibt sich jedoch allein daraus noch keine Kostenübernahmepflicht der Beklagten. Denn die damit erworbene Fähigkeit des Klägers, als BÜB oder FBÜ am bzw. im Schienennetz der Deutschen Bahn AG eingesetzt werden zu können, dient einerseits dem Interesse der Beklagten, andererseits aber auch dem Interesse des Klägers, da diese Befähigung auch bei anderen Arbeitgebern eingesetzt werden kann. Wenn aber die erworbene Befähigung sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer von Vorteil ist, fehlt es an der Basis für die Schlussfolgerung, der Arbeitgeber müsse mit der Übernahme der Kosten konkludent einverstanden gewesen sein, weil er den Kläger ansonsten gar nicht hätte einsetzen können.

III.

Der Kläger hat die Kosten seiner Berufung zu tragen, da das Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 ZPO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

 

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