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Kündigungsschutzgesetz – Kleinbetrieb

Sächsisches Landesarbeitsgericht – Az.: 1 Sa 110/20 – Urteil vom 20.09.2021

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 06.03.2020 abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Die Klägerin war bei der beklagten Steuerberatungsgesellschaft seit dem 01.12.2004 als Lohnbuchhalterin für zuletzt 1.559,00 € brutto/Monat mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche beschäftigt. Die Beklagte betreibt eine Niederlassung in G, in der regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer tätig sind. In N, das von G etwa 20 km entfernt ist, betreibt die F – Steuerberatungsgesellschaft eine Niederlassung, in der mehr als 10 Arbeitnehmer tätig sind. Sowohl die Beklagte, als auch die F. Steuerberatungsgesellschaft gehören der bundesweit tätigen E-Gruppe an. Zum Zwecke der Rechnungslegung an Mandanten wird innerhalb der E-Gruppe einheitlich die konzerneigene Software ETAX genutzt. Die F – Steuerberatungsgesellschaft nutzt ETAX in ihrer Niederlassung N auch für die gegenüber ihren Mandanten als Dienstleistung erbrachte Buchhaltungstätigkeit. Die Beklagte nutzt in ihrer Niederlassung in G für die als Dienstleistung erbrachte Buchhaltungstätigkeit dagegen die Software DATEV. Die in N tätigen Mitarbeiter der F – Steuerberatungsgesellschaft sind mangels entsprechender Anwenderkenntnisse nicht in der Lage, Buchhaltungsdienstleistungen mit DATEV zu erbringen. Die Mitarbeiter der Beklagten und der F – Steuerberatungsgesellschaft verfügen über Zugriffsrechte auf die in der eigenen Niederlassung genutzte Buchhaltungssoftware. Sie können dagegen nicht auf die in der anderen Niederlassung eingesetzte Buchhaltungssoftware zugreifen. Eine gegenseitige Vertretung der Mitarbeiter der Niederlassungen findet nicht statt. Die Niederlassung verfügen über getrennte Telefonanlagen. Sowohl die Niederlassung der Beklagten in G, als auch die Niederlassung der F – Steuerberatungsgesellschaft in N werden in Personenidentität von Herrn GN geleitet. Dieser ist sowohl mit der Beklagten, als auch mit der F – Steuerberatungsgesellschaft als atypisch stiller Gesellschafter vertraglich verbunden.

Am 01.03.2019 stellte die Beklagte, die eine Stelle in ihrer Niederlassung in G ausgeschrieben hatte, die Lohnbuchhalterin T ein. Diese wohnt in L, einer Nachbarstadt von N . In den ersten zwei Monaten ihres Arbeitsverhältnisses wurde Frau T in der Niederlassung der Beklagten in G eingearbeitet. Ab Mitte Mai 2019 wurde ihr wegen des deutlich kürzeren Weges zum Kindergarten und Wohnort mit Billigung des Niederlassungsleiters ein Computerarbeitsplatz in der Niederlassung N der F – Steuerberatungsgesellschaft zur Verfügung gestellt. Um ihre Buchhaltungstätigkeit für die Beklagte zu verrichten, verbindet sich Frau T von diesem Computerarbeitsplatz aus über eine geschützte Internetverbindung mit dem DATEV-System der Beklagten. Kosten für die Bereitstellung des Computerarbeitsplatzes in der Niederlassung N stellt die F – Steuerberatungsgesellschaft der Beklagten nicht in Rechnung.

Die Beklagte und die F – Steuerberatungsgesellschaft haben aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur E-Gruppe dieselbe Umsatzsteueridentifikationsnummer. Die Betriebssteuernummern der Niederlassung der Beklagten in G und der Niederlassung der F – Steuerberatungsgesellschaft in N sind dagegen nicht identisch.

Mit Schreiben vom 31.01.2019, das der Klägerin an diesem Tage zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2019. Die Kündigungsschutzklage der Klägerin ging am 12.02.2019 beim Arbeitsgericht ein.

Die Klägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Kündigung sei nach dem Maßstab des § 1 KSchG sozialwidrig und unwirksam. Das Kündigungsschutzgesetz sei anwendbar, weil es sich bei den Niederlassungen der Beklagten in G und der F – Steuerberatungsgesellschaft in N um einen Gemeinschaftsbetrieb handele, in dem insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt seien. Herr GN sei für beide Niederlassungen befugt, personelle als auch wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Dazu zähle die Befugnis Einstellungen und Kündigungen vorzunehmen, über Urlaubsanträge zu entscheiden, Überstunden zu genehmigen, die Höhe von Prämienzahlungen zu bestimmen sowie Arbeits- und Pausenzeiten zu regeln. Sein Arbeitsplatz sei geteilt, er sei Dienstag, Donnerstag und Freitag in G, Montag und Mittwoch in N tätig. In Verantwortung des Niederlassungsleiters gebe es einen regen Personalaustausch. Frau B, Arbeitnehmerin der Niederlassung G, sei in der 4. KW zur Einarbeitung der Frau H, einer Arbeitnehmerin der Niederlassung N, in N tätig gewesen. Frau H wiederum sei ab 14.02.2019 kurzzeitig auf dem Arbeitsplatz der Klägerin in G beschäftigt worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.01.2019 nicht beendet wird,

2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lohnbuchhalterin weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar, weil im Betrieb der Beklagten in G weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigt seien. Die Niederlassungen der Beklagten in G und diejenige der F – Steuerberatungsgesellschaft in N bildeten keinen gemeinschaftlichen Betrieb der beiden Unternehmen. Zwar sei Herr GN der Leiter beider Niederlassungen. Er führe die Niederlassungen aber eigenständig und voneinander unabhängig. Darauf, dass er neben fachlichen Aufgaben in jeder Niederlassung die Tätigkeit des Dienstvorgesetzten verrichte, komme es nicht an, weil die Beklagte in ihrer Niederlassung G und die F – Steuerberatungsgesellschaft in deren Niederlassung in N keine gemeinsamen arbeitstechnischen Zwecke verfolgten. Den von der Klägerin behaupteten regen Personalaustausch zwischen den Niederlassungen gebe es nicht. Zwar habe Herr GN einmal erwogen, auch in der NL N der F – Steuerberatungsgesellschaft für buchhalterische Dienstleistungen die Anwendung DATEV einzusetzen. In diesem Zusammenhang sei Frau B an einem einzigen Tag für drei Stunden nach N entsandt worden, um der dort tätigen Frau H Einblick in die Nutzung von DATEV zu geben. Da die Mitarbeiter der Niederlassung N der F – Steuerberatungsgesellschaft jedoch keine Bereitschaft zeigten, auf ein anderes Buchhaltungssystem umzustellen, sei von dem Gedanken, in der Niederlassung N DATEV einzusetzen, Abstand genommen worden. Die Niederlassung G der Beklagten sei ein Kleinbetrieb mit weniger als 10 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern. Deshalb sei das Kündigungsschutzgesetz unanwendbar und die Kündigung der Klägerin bedürfe als Wirksamkeitsvoraussetzung nicht der sozialen Rechtfertigung.

Das Arbeitsgericht hat aufgrund eines am 13.02.2020 verkündeten Beweisbeschlusses Frau T als Zeugin zur Frage vernommen, ob sie in N eingestellt wurde und dort für die Beklagte Tätigkeiten verrichtete. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 06.03.2020 Bezug genommen.

In seinem am 06.03.2020 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag der Klägerin erkannt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung und die Kündigung sei sozialwidrig. Die Niederlassungen der Beklagten in G und der F – Steuerberatungsgesellschaft in N bildeten einen gemeinschaftlichen Betrieb in dem insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmer regelmäßig tätig seien. Herr GN treffe alle personellen, organisatorischen und sozialen Entscheidungen in beiden Gesellschaften. Der Einsatz der Mitarbeiterinnen werde zentral bestimmt. Die Mitarbeiterin der Beklagten Frau T erbringe ihre Arbeitsleistung für die Beklagte in den Räumen der F – Steuerberatungsgesellschaft in N. Sie nutze dort Toilette und Küche und habe auch an einer Weihnachtsfeier der Steuerkanzlei in N teilgenommen.

Gegen das ihr am 15.04.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.04.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15.07.2020 an diesem Tag begründet.

Die Beklagte greift das Urteil des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen an. Sie meint, die Tätigkeit der Arbeitnehmerin T in der Niederlassung der F – Steuerberatungsgesellschaft spiele für die Frage des Vorliegens eines Gemeinschaftsbetriebes keine Rolle und belege allenfalls eine unternehmerische Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen. Der Niederlassungsleiter treffe Entscheidungen für beide Unternehmen, die ohne Bezug zueinander seien. Da kein Gemeinschaftsbetrieb vorliege, sei das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar und die Kündigung wirksam.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 06.03.2020, Aktenzeichen 6 Ca 812/19 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Niederlassungen stellten einen gemeinschaftlichen Betrieb zweier Unternehmen dar und verweist darauf, dass es zwischen den beteiligten Unternehmen keine vertragliche Grundlage für die Überlassung des Arbeitsplatzes in der Niederlassung N an die Beklagte gebe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Schriftwechsel der Parteien und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils unter Abweisung der Kündigungsschutzklage.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts findet der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, sodass die Kündigung vom 31.01.2019 nicht am Maßstab des § 1 KSchG gemessen werden kann. Die Niederlassung der Beklagten in G erreicht die für die Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Mindestgröße von regelmäßig 10 Arbeitnehmern nicht. Die Niederlassung der Beklagten in G und diejenige der F – Steuerberatungsgesellschaft in N sind nicht als Gemeinschaftsbetrieb zweier rechtlich selbstständiger Unternehmen anzusehen, so dass es auf die in N tätigen Arbeitnehmer bei der Ermittlung der für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes maßgeblichen betrieblichen Mindestgröße nicht ankommt. Im Einzelnen:

1. Ein Betrieb i. S. von § 23 Abs. 1 KSchG ist nach allgemeiner Ansicht die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt. Von einem Gemeinschaftsbetrieb zweier selbständiger Unternehmen kann dann auszugehen sein, wenn mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen so eng miteinander zusammenarbeiten, dass sie gemeinsam einen einheitlichen Betrieb führen. Dabei ist zu beachten, dass zwei Unternehmen allein dadurch, dass sie ihre betriebliche Tätigkeit in den gleichen Räumen und mit den gleichen sachlichen Mitteln entfalten, noch nicht notwendig einen Gemeinschaftsbetrieb bilden. Auch unter diesen Umständen bleiben die Betriebe selbstständig, wenn jedes der beteiligten Unternehmen seinen eigenen Betriebszweck unabhängig von dem anderen verfolgt, also keine gemeinsame Betriebsleitung besteht. Die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel müssen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst worden sein. Nur wenn die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird und mehrere Unternehmen auf diese Weise in gemeinsamer Arbeitsorganisation und unter einheitlicher Leitungsmacht arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgen, liegt ein gemeinsamer Betrieb i. S. § 23 Abs. 1 KSchG vor (vgl. hierzu Bader in KR, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, § 23 Rnr. 68).

Auch die Rechtsprechung betont, dass von einem gemeinschaftlichen Betrieb mehrerer Unternehmen nur ausgegangen werden kann, wenn die materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird (BAG, Urteil vom 20.5.2021, 2 AZR 560/20 -juris- RdNr.13). Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheit erstrecken. Die beteiligten Unternehmen müssen sich insoweit zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Dabei kann die personelle Identität des Geschäftsführers der beteiligten Unternehmen ein Indiz für einen einheitlichen Leitungsapparat auf betrieblicher Ebene sein. Dieses Indiz spricht aber nicht zwingend für die einheitliche Leitung der Unternehmen in personellen und sozialen Angelegenheiten, denn derselbe Geschäftsführer kann die Unternehmen auch organisatorisch voneinander getrennt leiten. Allein der Umstand, dass zwei Unternehmen durch dieselbe Person geleitet werden, sagt noch nichts darüber aus, dass diese Person ihre Leitungsmacht für beide Unternehmen auch einheitlich ausübt. Es bedarf für einheitliche Ausübung der Arbeitgeberfunktion in sozialen und personellen Angelegenheiten ergänzender Anhaltspunkte (BAG, Beschluss vom 25.02.2005, 7 ABR 38/04, -juris- RdNr. 29)).

Das formale Merkmal des Bestehens einer steuerrechtlichen Organschaft, auf die eine einheitliche Umsatzsteuernummer hinweist, hat dagegen für die Frage des Vorliegens eines einheitlichen Betriebes i.S.v. § 23 Abs.1 KSchG keine ausschlaggebende Bedeutung. Organschaft ist eine wirtschaftliche Unternehmenseinheit, die der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten im Organkreis dient. Umsatzsteuerrechtlich wird die Organgesellschaft als unselbständig behandelt, ihre Umsätze werden dem Organträger zugerechnet (BAG, Beschluss vom 25.2.2005, a.a.O. RdNr. 35 m.w.N.). Das Kündigungsschutzgesetz ist allerdings betriebsbezogen. Es knüpft nicht an die für die steuerrechtliche Organschaft maßgebliche Unternehmensebene an, sondern allein an den Betriebsbegriff, wie er § 23 Abs. 1 KschG und § 1 BetrVG zugrundeliegt.

2. Nach den dargestellten Grundsätzen stellen die Niederlassungen der Beklagten in G und der F – Steuerberatungsgesellschaft in N keinen gemeinschaftlichen, aus zwei räumlich getrennten Betriebsteilen zusammengesetzten Betrieb i. S. des § 23 Abs. 1 KSchG dar. Es fehlt in der Gesamtbewertung aller erkennbaren Umstände mit Blick auf die sozialen und personellen Angelegenheiten der beteiligten Niederlassungen an einer ausreichenden Vereinheitlichung der arbeitsorganisatorischen Zwecke.

a) Beiden Niederlassungen steht mit Herrn GN dieselbe Person vor, was ein Indiz für einen einheitlichen betrieblichen Leitungsapparat darstellt. Der Niederlassungsleiter hat auch einzelne arbeitsorganisatorische und personelle Maßnahmen veranlasst, die auf eine vereinheitlichte Ausübung betrieblicher Leitungstätigkeit hindeuten.

aa) So zielte die Erwägung des Niederlassungsleiters, auch in N DATEV einzuführen, auf den einheitlichen Einsatz von Betriebsmitteln in beiden Niederlassungen ab. Der Niederlassungsleiter hat entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen veranlasst, indem er eine Mitarbeiterin der Niederlassung G zur Einweisung nach N entsandte. Zur Umsetzung des Vorhabens kam es jedoch unstreitig nicht, so dass sich die Überlegung des Niederlassungsleiters nicht zu einem dauerhaften Einsatz einheitlicher Betriebsmittel konkretisierte.

bb) Die Entscheidung, Frau T in N einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, von dem aus sie Buchhaltungstätigkeiten für die Niederlassung der Beklagten in G verrichtete, ist ebenfalls als einheitliche Wahrnehmung einer personellen und sozialen Angelegenheit über die Unternehmensgrenzen hinweg anzusehen, die vom Niederlassungsleiter in Ausübung einheitlicher Leitungsbefugnis veranlasst wurde. Bloße unternehmerische Zusammenarbeit ist dies nicht, schon weil die F – Steuerberatungsgesellschaft der Beklagten die für den „Satellitenarbeitsplatz“ erforderlichen Betriebsmittel ohne vertragliche Grundlage unentgeltlich zur Verfügung stellt.

b) Die genannten Maßnahmen des für beide Niederlassungen zuständigen Leiters reichen allerdings noch nicht aus, um von einem einheitlichen Betrieb der beteiligten Unternehmen ausgehen zu können. Die Maßnahmen prägen das betriebliche Geschehen nicht in einem Maße, dass es erlaubt, von einem geordneten und gezielten Einsatz materieller und immaterieller Betriebsmittel und menschlicher Arbeitskraft zu einem einheitlichen und fortgesetzten arbeitstechnischen Zweck zu sprechen. Das gilt auch vor dem Hintergrund der Vermutungswirkung des § 1 Ab.2 Nr.1 BetrVG, nach der von einem gemeinsamen Betrieb i.S.d. Betriebsverfassungsrechts auszugehen ist, wenn die Betriebsmittel und die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden.

aa) Soziale Angelegenheiten eines Betriebs (vgl. § 87 BetrVG) sind insbesondere Regelungen zur Ordnung im Betrieb, Arbeitszeitregelungen, Urlaubspläne, Nutzung technischer Einrichtungen, die objektiv zur Überwachung der Arbeitsleistung geeignet sind, Sozialeinrichtungen und Entlohnungsgrundsätze zu verstehen. Für die Niederlassung der Beklagten in G und diejenige der F – Steuerberatungsgesellschaft in N sind solche Regelungen nicht einheitlich erlassen worden. So wird in G als Betriebsmittel für die Buchhaltungstätigkeit die Software DATEV eingesetzt, in N dagegen ETAX. Die Überlegung zur Vereinheitlichung der Systeme wurde gerade nicht umgesetzt. Dass es niederlassungsübergreifende, einheitliche Urlaubspläne gibt, ist nicht dargetan. Feststehende Regelungen zum wechselseitigen Einsatz von Arbeitskraft oder zur Vertretung der Arbeitnehmer gibt es nach dem Vortrag der Parteien nicht. Die Bereitstellung des „Satellitenarbeitsplatzes“ beschränkt sich auf den Einzelfall der Frau T und erfolgte nach deren Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht auf ihren eigenen Wunsch wegen der geringeren Entfernung zu Kindergarten und Wohnort.

bb) Personelle Angelegenheiten eines Betriebs (§§ 92 ff BetrVG) umfassen insbesondere die Personalplanung, die innerbetriebliche Ausschreibung von Stellen, das Erlassen von Beurteilungsrichtlinien, die Versetzung und Einstellung von Arbeitnehmern und den Personaleinsatz. Auch insoweit fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine vom Niederlassungsleiter gesteuerte, einheitliche Vorgehensweise in den Niederlassungen der Beklagten in G und der F – Steuerberatungsgesellschaft in N .

(1) Eine wechselseitige Vertretung der Mitarbeiter beider Niederlassungen findet nicht statt. Selbst Frau T, die ihren Arbeitsplatz in N hat, wird nach ihrer Aussage vor dem Arbeitsgericht ausschließlich von Mitarbeitern der Beklagten aus G vertreten. Nach Aussage der Zeugin T in erster Instanz helfen sich die Mitarbeiter der Niederlassungen selbst bei starkem Arbeitsanfall nicht gegenseitig aus.

(2) Auf die in den Niederlassungen für Zwecke der Lohnbuchhaltung genutzte Arbeitsumgebung können die Mitarbeiter nicht wechselseitig zugreifen. Es werden mit DATEV und ETAX nicht nur unterschiedliche Anwendungen genutzt, sondern auch die Zugriffsrechte auf diese Anwendungen sind getrennt administriert. Dass Mitarbeiter beider Unternehmen dieselben Buchhaltungsmandate bearbeiten könnten, ist dementsprechend nicht dargetan.

(3) Frau T wurde auch nicht etwa für einen gemeinschaftlichen Betrieb eingestellt. Die Stellenausschreibung, auf die sich Frau T beworben hat, bezog sich nicht auf Buchhaltertätigkeit in beiden Niederlassungen; die Stelle war nach der erstinstanzlichen Aussage der Zeugin vielmehr „für G ausgeschrieben“. Die Einrichtung des „Satellitenarbeitsplatzes“ in N, der räumlich von der Niederlassung in G unabhängig, aber technisch und organisatorisch dieser Niederlassung fest zugeordnet ist, führt auch nicht etwa zu einer Verklammerung der beiden Niederlassungen zu einem gemeinsamen Betrieb. Ein gemeinsamer Betriebszweck entsteht dadurch nicht. Die wunschgemäße Zuweisung des Arbeitsplatzes in N führt nicht dazu, dass Frau T in einen gemeinschaftlichen Betrieb eingestellt worden wäre. Eine Einstellung iSd. § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Beschluss vom 22.10.2019, 1 ABR 13/18, -juris- RdNr 15) vor, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert wird, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Es blieb aber auch nach Einrichtung des „Satellitenarbeitsplatzes“ dabei, dass die Mitarbeiter der beiden Niederlassungen die ausschließlich dem jeweiligen Unternehmen übertragenen Steuermandate mittels getrennter sächlicher Mittel und in getrennter personeller Zuordnung bearbeiten.

c) Im Ergebnis kann nach einer Gesamtschau aller maßgeblicher Umstände nicht von einem aus zwei räumlich getrennten Betriebsteilen zusammengesetzten Gemeinschaftsbetrieb der Beklagten und der F – Steuerberatungsgesellschaft i.S.d § 23 Abs. 1 KSchG ausgegangen werden. Es kommt deshalb für die Anwendung der dem Arbeitnehmerschutz dienenden Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nur auf die Zahl der in der Niederlassung G beschäftigten Arbeitnehmer an. Die Kündigung kann nicht am Maßstab des § 1 KSchG gemessen werden; auf fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung kann sich die Klägerin nicht berufen.

d) Sonstige Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führen könnten, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Da die am 31.01.2019 zugegangene Kündigung zum 30.06.2019 auch die nach § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB zu beachtende, gesetzliche Kündigungsfrist von fünf Monaten zum Monatsende wahrt, bleibt die Kündigungsschutzklage der Klägerin insgesamt erfolglos.

3. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

4. Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

 

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