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Kündigungsschutzklage – Erkrankung des Arbeitnehmers – Nachträgliche Zulassung

Landesarbeitsgericht München, Az.: 5 Ta 105/75, Beschluss vom 03.11.1975

1.) Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 7.7.1975 – 23 Ca 12701/74 – wird mit der Maßgabe auf seine. Kosten zurückgewiesen, dass Ziffer 2) des Beschlusses aufgehoben wird.

Gründe

I.

1.) Der Kläger hat am 23.12.1974 Kündigungsschutzklage gegen eine ihm am 17.9.1974 zugegangene fristlose Entlassung eingereicht und um nachträgliche Zulassung dieser Klage gebeten, weil es ihm infolge einer mit Bettlägrigkeit verbundenen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich gewesen sei, die Klage rechtzeitig zu erheben.

2.) Der am 00.00.1920 geborene Kläger steht seit 1954, zuletzt im Angestelltenverhältnis gegen ein Monatsgehalt von DM 1.675.– in den Diensten des beklagten Verlagsunternehmens, das etwa 40 Arbeitnehmer beschäftigt. Er ist geschieden und wohnt allein in seiner Wohnung, über einen Fernsprechanschluss verfügt er nicht. Für die Zeit ab 13.9.1974 bis zur Einreichung der Klage ist ihm ärztlicherseits Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden, erstmals festgestellt am 16.9.1974.

Am 18.9.1974, dem Tage nach Erhalt der Kündigung führte der Kläger mit der Beklagten in deren Betrieb ein längeres Gespräch.

Am 14.10.1974 richtete der Kläger an die Beklagte ein handschriftliches Schreiben (Anl. zu Bl. 32/34 der Akten), in dem er Tilgungsvorschläge für ein ihm gewährtes Arbeitgeberdarlehen unterbreitete.

Am 28.10. und am 7.11.1974 führte der Kläger Ferngespräche mit der Beklagten.

II.

Kündigungsschutzklage - Erkrankung des Arbeitnehmers - Nachträgliche Zulassung
Symbolfoto: Morganka/Bigstock

Das Erstgericht hat die nachträgliche Zulassung der Klage mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf die von ihm angeführten Erwägungen wird Bezug genommen.

Zur Glaubhaftmachung seines Antrages auf nachträgliche Zulassung der Klage hatte der Kläger zunächst sich auf 3 ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bezogen, die seiner Klage in Ablichtung beigefügt waren, und lediglich die jeweilige voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bestätigten.

Mit Eingang am 22.1.1975 hat der Kläger eigene eidesstattliche Versicherung (Anl. 1 zu Bl. 6) vorgelegt, in welcher er an Eides statt versichert, alleinlebend und ohne Telefonanschluss, ferner infolge seiner Erkrankung außerstande gewesen zu sein, sich wegen der Kündigung fristgemäß an einen Anwalt zu wenden, da ihm strengste Bettruhe verordnet gewesen sei. Hierauf wird Bezug genommen.

Im Gütetermin vom 27.1.1975 hat der Kläger seinen Vortrag hinsichtlich der krankheitsbedingten Verhinderung präzisiert und ärztliche Bescheinigung vom 23.1.1975 nach – gereicht, derzufolge er seit 1.10.1974 wegen eines schweren rezidivierenden Harnwegsinfekts bei chronischer Pyelonephritis, Nierenstein, Prostata-Adenom mit Harnsperre und Dauerkatheterbehandlung behandlungsbedürftig und einer sehr schlechten gesundheitlichen Verfassung gewesen sei, sodass Bettruhe geboten und Verhandlungsfähigkeit nicht gegeben gewesen sei.

Hierauf (Bl. 14 a der Akten) wird verwiesen.

Diesen Vortrag hat der Kläger nach dem Gütetermin dahin präzisiert, dass er auch psychisch durch seine Erkrankung in der Entscheidungsfähigkeit über die zur Rechtswahrung erforderlichen Schritte beeinträchtigt gewesen sei, da er durch schmerzstillende Mittel psychisch entscheidungsunfähig gewesen sei.

Als Mittel zur Glaubhaftmachung benannte der Kläger hierzu drei Ärzte als sachverständige Zeugen.

Dieser Schriftsatz ist am 14.2.1975 bei Gericht eingegangen.

Im Termin vom 26.2.1975, zu dem Zeugen nicht geladen worden waren, übergab der Kläger ärztliche Bescheinigung des benannten Zeugen Z. vom 26.2.1975, in der ausgeführt ist:

„… sein Krankheitszustand …. erforderte schmerzlindernde Medikamente in hoher Dosierung (Baralgin comp. Supp., Pelerol, Dalmadorm).

Wie bereits in meinem Schreiben vom 23.1.1975 beschrieben, war der Patient in der Zeit von September bis Ende Dezember 1974 durch sehr schlechten Allgemeinzustand, dadurch erforderliche Einnahme von starken schmerzlindernden Medikamenten verhandlungsunfähig.“

Die Kammer erließ daraufhin Beweis-Beschluss darüber, dass der Kläger auf Grund der Krankheit und der in diesem Zusammenhang verordneten Medikamente psychisch außerstande gewesen sei, sich mit seinen Angelegenheiten, insbesondere der Frage der Kündigung zu befassen, durch Äußerung des sachverständigen Zeugen Z. Zur Anhörung des Zeugen wurde neuer Termin bestimmt auf 7.7.1975, der Zeuge wurde zum Termin mit der Maßgabe geladen, dass er vom Erscheinen unter der Voraussetzung einer schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage entbunden werde.

Zum Termin ist der Zeuge nicht erschienen. Er hat innerhalb der gesetzten Frist eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage eingereicht (Bl. 40 d.Akten), die zu dem Ergebnis kommt:

„Aufgrund der Befunde war der Patient sicher vom 1.10.1974 bis mindestens 19.12.1974 bettlägrig, arbeits- und verhandlungsunfähig.“

Der Zeuge bestätigte, dass auf Grund der für glaubhaft gehaltenen Angaben des Patienten auch in der Zeit vom 17.9. bis 1.10.1974 Bettlägerigkeit sowie Verhandlungsunfähigkeit vorgelegen habe.

Die Beklagte hat demgegenüber auf die persönliche Vorsprache des Klägers am Tage nach der Kündigung, sowie auf die schriftliche Äußerung vom 14.10.1974 und auf die fernmündlichen Anrufe vom 28. und 31.10.1974 sowie 7.11.1974 verwiesen und diese unter Beweis gestellt durch Vernehmung des Zeugen Y. und Vernehmung der Frau X..

 

Der Zeuge Y. bestätigte, dass der Kläger am 18.9.1974 zu einer Aussprache in den Verlag gekommen sei, er, der Zeuge, sei auch später noch Zeuge eines Ferngespräches gewesen, bei dem Frau X. zum Kläger gesagt habe, sie habe nichts dagegen, dass er sich an das Arbeitsgericht wende, das sei seine Sache.

Frau X. habe dem Zeugen weiterhin erzählt, dass der Kläger noch zwei Mal im Verlag angerufen habe. Dabei sei expressis verbis vom Arbeitsgericht die Rede gewesen.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 7.7.1975 verwiesen.

Die Kammer hat daraufhin die Vernehmung von Frau X. als Partei angeordnet. Diese bekundete uneidlich, der Kläger habe bei einem Ferngespräch am 7.11.1974 erklärt, man habe ihm geraten, zum Arbeitsgericht zu gehen. Sie habe daraufhin gesagt; das sei Sache des Klägers.

Wegen der Einzelheiten ihrer Bekundungen wird ebenfalls auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

III.

Mit der am 14.10.1974 um eingelegten sofortigen Beschwerde bittet der Kläger nachträgliche Zulassung seiner Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung. Der angefochtene Beschluss war der Klagepartei am 30.9.1974 zugestellt.

Wegen der vom Beschwerdeführer angeführten Erwägungen wird auf Abschnitt III. der Beschwerdeschrift verwiesen.

IV.

1.) Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft und in der gesetzlichen Form eingelegt, in der Sache erweist sie sich jedoch als unbegründet.

2.) Ein unter das Kündigungsschutzgesetz fallender Arbeitnehmer kann gegen eine fristlose Entlassung nur binnen 3 Wochen nach Kündigungszugang Klage erheben, wenn er die Kündigung für unbegründet hält. Das gehört zum selbstverständlichen Grundwissen, das nach ständiger Rechtsprechung bei jedem Arbeitnehmer vorausgesetzt werden muss.

Die formellen Anforderungen an eine Kündigungsschutzklage sind denkbar einfach. Zur Klageerhebung genügt, dass der Kläger dem Arbeitsgericht schriftlich oder zu Protokoll mitteilt, dass er von dem ladungsfähig zu bezeichnenden Arbeitgeber entlassen sei und seine Kündigung für ungerechtfertigt erachte.

3.) Eine nachträgliche Zulassung der Klage ist nur dann möglich, wenn der Gekündigte trotz Anwendung aller nach Lage der Dinge zuzumutenden Sorgfalt an der fristgerechten Klageerhebung verhindert war. Es liegt bei der Unkompliziertheit des Klagevorganges auf der Hand, dass ein Arbeitnehmer nur durch eine äußerst schwere und nachhaltige gesundheitliche Verhinderung daran gehindert sein kann, die zur Klageerhebung erforderlichen einfachen Formalitäten erfüllen. Dabei kann auch eine durch eine erforderliche medikamentöse Behandlung ausgelöste Beeinträchtigung der psychischen Entschlussfähigkeit als Hinderungsgrund in Betracht kommen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer zunächst zur Klageerhebung nicht außerstande ist, im weiteren Verlauf der Klagefrist aber eine solche, für ihn nicht voraussehbare Behinderung eintritt.

Ein Arbeitnehmer darf die kurz bemessene Klagefrist von 3 Wochen grundsätzlich voll als Überlegungsfrist ausschöpfen.

Eine erst gegen Ende der Klagefrist eintretende Verhinderung ist ihm daher jedenfalls dann nicht anzulasten, wenn er mit ihrem Eintritt nicht zu rechnen brauchte.

Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage ist somit an sich nicht deswegen unschlüssig, weil der Kläger am Tage nach der Kündigung noch voll verhandlungsfähig war, wie sich aus seiner Vorsprache bei der Beklagten ergibt, und er sofort das Arbeitsgericht angerufen hat.

4.) Eine durch medikamentöse Behandlung bedingte Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit, wie sie der behandelnde Arzt in seiner schriftlichen Aussage für die Zeit ab 1.10.74 bekundet und für die davor liegende Zeit auf Grund der für glaubwürdig erachteten Angaben des Patienten vermutet hat, könnte somit eine nachträgliche Zulassung zu der Klage rechtfertigen.

5.) Beantragt ein Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, so hat er innerhalb der 2- Wochenfrist des § 5 Abs. 3 KSchG darzulegen, dass ihm die rechtzeitige Klageerhebung trotz Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt unmöglich war und hat die Mittel zur Glaubhaftmachung dieses Vortrages in dem Antrag zu bezeichnen. Eine Ergänzung der Bezeichnung der Mittel zur Glaubhaftmachung nach Ablauf der 2-Wochenfrist ist ausgeschlossen.

Der Kläger hat innerhalb der 2-Wochenfrist lediglich geltend gemacht, er sei durch Krankheit an der Fristwahrung verhindert gewesen und hat hierzu als Mittel der Glaubhaftmachung auf die ärztl. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verwiesen.

Arbeitsunfähig ist ein Arbeitnehmer, wenn er außerstande ist, die vereinbarten Dienste überhaupt oder doch nicht ohne Gefahr unzumutbarer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu erbringen. Arbeitsunfähigkeit ist somit mit der Unfähigkeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen, nicht schlechthin gleichzusetzen.

Hat ein Arbeitnehmer jedoch seinen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung mit Krankheitsbedingter Verhinderung begründet und sich hierzu fristgemäß auf ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bezogen, so kann er seinen Vortrag auch nach Ablauf der Frist des § 5 Abs. 3 KSchG noch näher präzisieren und sich zur Glaubhaftmachung auf das Zeugnis der Ärzte beziehen, deren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen er zunächst als Mittel der Glaubhaftmachung fristgerecht bezeichnet hatte.

Der Kläger hat erst nach Ablauf der Frist des § 5 Abs. 3 KSchG durch eidesstattliche Erklärung glaubhaft zu machen versucht, dass er allein wohne und über keinen Fernsprechanschluss verfüge, sodass die mit Bettruhe verbundene Arbeitsunfähigkeit ihn an der fristgerechten Klageeinreichung behindert habe. Diese nachträgliche Bezeichnung eines Mittels zur Glaubhaftmachung ist ausnahmsweise als bloße Präzisierung seines durch ärztl. Atteste als Mittel der Glaubhaftmachung untermauerten Sachvortrages zuzulassen. Der Kläger hat weiter im Gütetermin ärztl. Bescheinigung vom 23.1.1975 in Vorlage gebracht, in der bestätigt wird, dass er seit 1.10.1974 „sicherlich nicht verhandlungsfähig“ war.

Er hat weiter nach dem Gütetermin zur Vorbereitung der Kammerverhandlung die Ärzte, auf deren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als Mittel zur Glaubhaftmachung er sich bereits in seiner Antragsschrift bezogen hatte, als Zeugen benannt und neuerliche Bescheinigung des Z. vom 26.2.1975 in Vorlage gebracht, derzufolge der Kläger infolge der behandlungsbedingten Einnahme von starken schmerzlindernden Medikamenten verhandlungsunfähig gewesen sei. Dies ist als bloße Vervollständigung und Präzisierung der bereits fristgerecht angebrachten Mittel zur Glaubhaftmachung unbedenklich. Ihr steht auch nicht entgegen, dass die Ärzte erst nach Durchführung der Güteverhandlung vor dem Vorsitzenden in Vorbereitung des Kammertermines als Zeugen benannt wurden.

Über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entscheidet, -abgesehen von Fall des § 55 Abs. 2 ArbGG – nach mündlicher Verhandlung die vollbesetzte Kammer und nicht der Vorsitzende des Arbeitsgerichts allein. Eine Beweisaufnahme kann daher im Sinne des § 294 Abs. 2 ZPO dann „sofort“ erfolgen, wenn die Beweismittel im Kammertermin zur Verfügung stehen, mögen sie auch im Gütetermin vor dem Vorsitzenden nicht präsent gewesen sein.

6.) Der die nachträgliche Zulassung der Klage betreibende Arbeitnehmer hat glaubhaft zu machen, dass er zur Fristwahrung außerstande war. Hierzu kann er sich aller zulässigen Beweismittel, auch der Versicherung an Eides statt bedienen.

Eine Beweisaufnahme zur Glaubhaftmachung durch nicht präsente Beweismittel ist jedoch unstatthaft (§ 294 Abs. 2 ZPO).

Das Erstgericht hat seine Entscheidung zutreffend nicht allein auf die eidesstattliche Versicherung des Klägers selbst gestützt. Eidesstattliche Versicherungen der Parteien selbst als Mittel der Glaubhaftmachung sind stets mit besonderer Sorgfalt auf ihren Überzeugungswert hin zu prüfen.

Angesichts der durch die weitere Beweisaufnahme erwiesenen Tatsache, dass der Kläger sehr wohl zur Führung von Korrespondenz und zur Durchführung von Telefongesprächen außer Haus in der Lage war, hat das Erstgericht es zutreffend abgelehnt, seine eidesstattliche Versicherung als zur Vermittlung eines hinlänglichen Grades von Wahrscheinlichkeit geeignet zu bewerten.

Soweit der Kläger als Mittel der Glaubhaftmachung Zeugen benannt hat, oblag es ihm diese erforderlichenfalls im Termin zu stellen.

Zwar ist der Vorsitzende des Arbeitsgerichts nicht gehindert, ordnungsgemäß als Mittel der Glaubhaftmachung benannten Zeugen gem. § 56 ArbGG nach pflichtgemäßem Ermessen zum Termin zu laden.

Ob eine solche Pflicht des Gerichts allein daraus folgt, dass der Vorsitzende andere von der Partei benannte Mittel der Glaubhaftmachung, insbesondere deren eidesstattliche Versicherung und bloße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ohne nähere Diagnose nicht als ausreichend bewertet, einen hinlänglichen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Behauptung des Arbeitnehmers zu begründen, kann unentschieden bleiben. Erhält der Kläger, der Zeugen als Mittel zur Glaubhaftmachung benannt hat, keine Benachrichtigung gem.. § 56 Satz 3 ArbGG für eine vom Vorsitzenden verfügte Ladung der Zeugen, so muss er damit rechnen, dass er für deren Stellung im Termin selbst zu sorgen hat.

Auch im Falle einer vom Vorsitzenden des Arbeitsgericht gem. § 56 ArbGG verfügten Ladung benannter Zeugen oder Sachverständiger ..ist eine Vertagung wegen Nichterscheinens des geladenen Zeugen und mit dem Ziele eines späteren Beweisaufnahme des nicht präsenten Beweismittels unstatthaft. (§ 294 Abs. 2 ZPO). Das Risiko, dass ein nicht vom der Partei zum Termin „gestelltes“ Beweismittel als nicht sofort erhebbar unberücksichtigt bleiben muss, trägt allein der Kläger.

Auch die Herbeischaffung eines etwaigen Sachverständigengutachtens als Mittel der Glaubhaftmachung ist grundsätzlich Sache des Klägers. Auch hier ist zwar eine Anordnung des Gerichts gem. § 56 ArbGG nicht schlechthin ausgeschlossen. Ein Arbeitnehmer kann jedoch ohne entsprechende Mitteilung des Gerichts nicht darauf vertrauen, dass das Gericht seiner Anregung entsprechend durch vorbereitende Verfügung des Vorsitzenden die Einholung eines Sachverständigengutachtens veranlasst, zumal, wenn der Kläger eine hierzu erforderliche Bereitschaft, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nicht ausdrücklich erklärt, oder aber, wie im vorliegenden Fall, die Vernehmung von 3 Ärzten als sachkundige Zeugen beantragt hat.

Das Gericht konnte vielmehr davon ausgehen, dass dem Kläger angesichts des mit einem solchen Beweisantritt verbundenen Kostenrisikos die Entscheidung überlassen bleiben solle, welche Zeugen er im Termin tatsächlich stellen wolle.

Zu Unrecht hat der Beschwerdeführer daher gerügt, dass das Erstgericht es unterlassen habe, sich durch Erholung eines Sachverständigen-Gutachtens Gewissheit über die psychische Fähigkeit des Klägers zur Entscheidung und Entschließung über eine rechtzeitige Klageerhebung zu verschaffen.

Das Erstgericht hätte im Kammertermin vom 26.2.1975 wie es- nach Richterwechsel – selbst zutreffend feststellt, an Hand der zu diesem Zeitpunkt präsenten Beweismittel darüber entscheiden müssen, ob die Behauptung des Klägers glaubhaft gemacht ist. Dabei war es nicht gehindert, die vom Kläger bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu berücksichtigen.

Zwar sind ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen grundsätzlich lediglich Beweismittel mit dem beschränkten Inhalt des § 416 ZPO, ihre Verwertung im Rahmen der Beweiswürdigung des § 294 Abs. 1 ZPO begegnet jedoch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Glaubhaftmachung erstrebt die Begründung eines geringeren Grades von Wahrscheinlichkeit, etwa die gute Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen habe, an. Bei der Bewertung der hierzu angebotenen Beweismitteln ist das Gericht nicht an die Form der ZPO gebunden.

Dies gestattet auch eine Berücksichtigung lediglich privatschriftlicher ärztlicher Bescheinigungen, die nicht den Anforderungen an eine schriftliche Zeugenaussage gem. § 377 Abs.. 3 ZPO genügen.

Das Erstgericht hielt die bis zu diesem Zeitpunkt vom Kläger beigebrachten Beweismittel offenbar und mit Recht nicht für geeignet, die hinlängliche Wahrscheinlichkeit der Sachdarstellung des Klägers zu begründen.

Bei dieser Sachlage hätte es an Stelle einer Vertagung abschließend und abschlägig über den Antrag des Klägers befinden müssen.

Es hat demgegenüber den Zeugen Z., wie aus Bl. 40 der Akten ersichtlich, schriftlich gem. § 377 Abs..3 ZPO vernommen. Der Zeuge hat wiederum bestätigt, dass der Kläger ab 1.7.1974 bis mindestens 19.12.1974 bettlägerig, arbeits- und verhandlungsunfähig gewesen sei.

Das Erstgericht hat zu Recht im folgenden Kammertermin am 26.2.1975 die Beklagte zum Gegenbeweis zugelassen und das Beweisergebnis dahin gewürdigt, dass der Kläger entgegen der ärztlichen Bescheinigung zur Klageerhebung in der Lage gewesen sei.

Der Zeuge Z. hat dem Kläger Bettlägrigkeit und Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt, die konkrete Frage, ob der Kläger zur schriftlichen Einreichung der Klage befähigt gewesen sei, jedoch nicht beantwortet.

Seine Bescheinigungen differieren im einzelnen; während er in der 1. Bescheinigung vom 23.1.1975 eine zunehmende Besserung erst seit 14.1.1975 erwähnte und er in seiner Bescheinigung vom 25.2.1975 betonte, der Patient sei in der Zeit bis Ende Dezember 1974 verhandlungsunfähig gewesen, schränkt er in seiner schriftlichen Aussage die Verhandlungsunfähigkeit auf die Zeit bis mindestens „19.12.1974“ ein, also zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger zugegebenermaßen beim Anwalt war.

Der Kläger kann nicht bestreiten, dass er am 14.10.1974 in seiner Darlehenssache mit der Beklagten korrespondiert und detaillierte Vorschläge für die Darlehenstilgung gemacht hat. Er war also in der Lage, in einer solchen Angelegenheit sich konkrete Vorstellungen zu machen, diese schriftlich niederzulegen und den Brief zur Post zu befördern.

Der Zeuge Y. hat weiter glaubwürdig bestätigt, dass der Kläger nach dem 18,9.1974 bei der Beklagten in seiner Angelegenheit telefonisch vorstellig geworden war. Daraus folgt, dass der Kläger sehr wohl seine Wohnung verlassen und fernmündliche Unterhaltungen führen konnte.

Da Ferngespräche lediglich am 28.10., 31.10. und 7.11.1974 stattgefunden haben, kann die vom Zeugen Y. bestätigte fernmündliche Unterhaltung, ebenso wie das Schreiben vom 14.10.1974, nur nach dem Zeitpunkt stattgefunden haben, zu dem nach Ansicht des Zeugen Z. der Kläger bettlägrig und verhandlungsunfähig war.

Der Zeuge Y. hat weiter bestätigt, dass ihm die Geschäftsführerin X. von 2 weiteren Anrufen des Klägers berichtet habe und zwar jeweils unmittelbar nach dem jeweiligen Gespräch.

Da damit eine hinlängliche Wahrscheinlichkeit für den Sachvortrag der Beklagten und für die Unwahrheit des klägerischen Vortrages begründet war, hat das Erstgericht Frau X. uneidlich als Partei vernommen. Diese hat ausdrücklich bekundet, dass der Kläger am 7.11.1974 angegeben habe, man habe ihm geraten, zum Arbeitsgericht zu gehen. Daraus folgt, dass der Kläger sehr wohl in seiner Sache Gelegenheit hatte, mit Dritten Fühlung zu nehmen.

Bei dieser Sachlage ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts voll zutreffend, dass dem Kläger nicht mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit darin gefolgt werden kann, dass er an der rechtzeitigen Klageerhebung verhindert gewesen sei.

Zumindest ab 7.11.1974, wenn nicht schon ab 14.10.1974 bestand danach die Möglichkeit für den Kläger, schriftlich Klage einzureichen.

Bei dieser Sachlage bleibt die sofortige Beschwerde erfolglos ohne dass es weiter darauf ankommen kann, ob, wie in der von der Beklagten vorgelegten Aktennotiz vom 28.10.1974 festgehalten, der Kläger bei seinem Anruf an diesem Tage erklärt hat, er sei den ganzen Tag unterwegs.

Da somit die Beschwerde erfolglos bleibt, hat der Kläger die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens erscheint mit 2 Monatsgehältern (DM 3.300.–) angemessen bewertet.

Das Erstgericht hat in seinen die nachträgliche Zulassung der Klage ablehnenden Beschluss eine Kostenentscheidung aufgenommen.

Insoweit war die Vorentscheidung von Amts wegen aufzuheben, da die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits dem Schlussurteil des Arbeitsgerichts vorzubehalten ist.

Gegen diese Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt.

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