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Kündigungszugang durch Einwurf in Hausbriefkasten

ArbG Bonn, Az.: 3 Ca 2965/15, Urteil vom 15.09.2016

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund der Kündigung der Beklagten nicht außerordentlich ohne Einhaltung einer Frist, sondern fristgemäß zum 31. Dezember 2015.

2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin 7.313,34 EUR (i.W. siebentausenddreihundertdreizehn Euro, Cent wie nebenstehend) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.513,34 EUR (i.W. fünftausendfünfhundertdreizehn Euro, Cent wie nebenstehend) brutto seit dem 1. Dezember 2015 sowie aus weiteren 1.800,00 EUR (i.W. eintausendachthundert Euro, Cent wie nebenstehend) brutto seit dem 1. Januar 2016.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 14 % und die Beklagte zu 86 %.

5. Streitwert: 12.713,34 EUR.

6. Eine gesonderte Zulassung der Berufung gem. § 64 Abs. 3 ArbGG erfolgt nicht.

Tatbestand

Die Parteien schlossen am 07.06.2015 einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Danach war die Klägerin vom 17.08.2015 bis zum 20.08.2015 für die Beklagte tätig. Am 20.08.2016 gegen 16:40 Uhr verließ die Klägerin die Q. der Beklagten während der Arbeitszeit. Die weiteren Umstände sind zwischen den Parteien streitig. Am 21.08.2015 kehrte die Klägerin nochmals in die Q. der Beklagten zurück.

Mit der bei Gericht am 16.12.2015 eingegangenen Klage und nachfolgenden Klageerweiterungen wendet sich die Klägerin gegen eine von der Beklagten auf den 20.08.2015 datierte Kündigung und macht Vergütungsansprüche für die Zeit bis zum 31.12.2015 geltend.

Die Klägerin behauptet, dass sie am 20.08.2015 von der Beklagten aufgefordert worden sei, die Q. zu verlassen. Sie sei dann am 21.08.2015 nochmals bei der Beklagten erschienen, um mit dieser zu sprechen. Sie habe dann allerdings Hausverbot erhalten. Die Beklagte habe erklärt, dass sie die Klägerin nicht mehr sehen wolle.

Eine Kündigung habe die Klägerin am 20.08. oder zeitnah danach nicht erhalten. Erst nach Geltendmachung der Entgeltansprüche durch anwaltliches Schreiben habe die Beklagte der Klägerin eine Kopie der Kündigung übermittelt, die bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27.11.2015 eingegangen ist.

Kündigungszugang durch Einwurf in Hausbriefkasten
Symbolfoto: l i g h t p o e t/Bigstock

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. August 2015, zugegangen am25. November 2015, nicht außerordentlich und ohne Einhaltung einer Frist, sondern zum 31. Dezember 2015 beendet worden ist.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ausstehendes Gehalt für den Zeitraum vom 20.08.2015 bis 30.11.2015 in Höhe von 5.513,34 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.12.2015 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ausstehendes Gehalt für den Zeitraum 01.12. bis 31.12.2015 in Höhe von 1.800,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass zunächst eine Auszubildende aufgrund einer Anweisung erklärt habe, dass sie am liebsten nach Hause gehe. Die Beklagte habe daraufhin erklärt, dass die Auszubildende dann nach Hause gehen solle. Daraufhin habe die Klägerin erklärt, dass sie ebenfalls nach Hause gehen werde, und habe die Q. ebenfalls verlassen. Am darauffolgenden Tag seien beide Mitarbeiterinnen nochmals in die Q. zurückgekehrt, um ihre Bewerbungsmappen abzuholen.

Noch am 20.08.2016 habe die Beklagte dann die Kündigung verfasst und wegen der Schließung des nächstgelegenen Postamtes in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen.

Den zunächst von der Klägerin gestellten Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses haben beide Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Gericht hat Beweis erhoben über den Zugang der Kündigung durch die Vernehmung der Zeugin .. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

1. Soweit sich die Klägerin gegen die ausgesprochene Kündigung wendet, ist die Klage zulässig und begründet, da eine rechtswirksame Kündigung der Klägerin nicht zugegangen ist.

Der von der Beklagten behauptete Zugang einer Kündigung am 20.08.2016 durch Einwurf in den Hausbriefkasten steht nach Durchführung der Beweisaufnahme nach Auffassung der Kammer nicht fest.

Für den Zugang der Kündigung ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf den Zugang der Kündigung beruft. Hierzu hat die Beklagte behauptet, dass sie zunächst die Kündigung bei einem nächstgelegenen Postamt abgeben wollte. Da dieses jedoch bereits geschlossen war, habe sie die Kündigung sodann noch am 20.08.2016 gegen Abend in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen.

Für diese Behauptung ist die Beklagte beweisfällig geblieben, da die von ihr benannte Zeugin T. die Behauptung der Beklagten bei ihrer Vernehmung nicht bestätigen konnte.

Die Zeugin bekundete, im Übrigen äußerst glaubwürdig und glaubhaft, dass sie sich mit der Klägerin und ihrer Mutter aus privaten Gründen am 20.08.2015 in Bonn getroffen habe. Die Beklagte habe sich in der Nähe der Wohnung der Klägerin von der Gruppe getrennt, um einen Brief einzuwerfen. Die Zeugin erklärte weiter, dass sie den von der Beklagten beabsichtigten Einwurf des Briefumschlags in einen Briefkasten nicht habe beobachten können. Die Beklagte sei allerdings ohne den Briefumschlag in der Hand zu der Gruppe zurückgekehrt. Angaben zu dem Inhalt des Briefumschlags konnte die Zeugin nicht machen.

Unter Würdigung der Aussage kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass auch nach der Aussage der Zeugin nicht feststeht, dass die Beklagte am 20.08.2016 gegen Abend ein Kündigungsschreiben in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen hat. Da die von der Zeugin beschriebenen Örtlichkeiten in der Nähe der Wohnung der Klägerin liegen, kann entsprechend eines normalen Geschehensablaufs zwar vermutet werden, dass die Beklagte einen Briefumschlag in den Hausbriefkasten der Klägerin einwerfen wollte. Der tatsächliche Einwurf in den Briefkasten der Klägerin als Voraussetzung für einen wirksamen Zugang der Kündigung ist von der Zeugin jedoch nicht bestätigt worden. Sie konnte im Übrigen auch keine Angaben zum Inhalt des Briefumschlages machen, den die Beklagte nach der Aussage der Zeugin in der Hand hatte.

Da nach dieser Beweiswürdigung die Beklagte als beweispflichtige Partei den Zugang der Kündigung in den Machtbereich der Klägerin durch Einwurf in den Hausbriefkasten nicht nachweisen konnte, ist eine rechtswirksame Kündigung der Klägerin nicht zugegangen. Nachdem sie am 27.11.2015 nach der anwaltlichen Geltendmachung von Vergütungsansprüchen nur eine Kopie einer Kündigung erhalten hat, ist der Klägerin zu keinem Zeitpunkt eine der Schriftform entsprechende Kündigung zugegangen.

Dem auf den 31.12.2015 begrenzten Feststellungsantrag der Klägerin war daher stattzugeben.

2. Soweit die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 20.08. bis zum 31.12.2015 geltend macht, ist die Klage ebenfalls zulässig und überwiegend begründet.

Die Klägerin kann die ausgeurteilten Vergütungsansprüche verlangen gemäß §§ 615, 611 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag der Parteien.

Die Beklagte befand sich seit dem 21.08.2015 in dem Verzug der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin. Sie war der Auffassung, dass sie das Arbeitsverhältnis außerordentlich am 20.08.2016 gekündigt hatte, sodass die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht mehr anbieten musste.

Die Klägerin kann daher für den Monat August 2015 eine Vergütung i. H. v. 800,00 EUR abzüglich gezahlter 186,66 EUR brutto verlangen, für die Monate September und Oktober jeweils 1.600,00 EUR, für den Monat November1.700,00 EUR und für den Monat Dezember 2015 eine Vergütung i. H. v. 1.800,00 EUR brutto. Damit steht der Klägerin eine Gesamtvergütung i. H. v. 7.313,34 EUR brutto zu. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 284, 285, 286,288 Abs. 1 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 ArbGG i. V. m.§§ 91 Abs. 1 ZPO, 91 a ZPO und § 92 Abs. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wurde festgesetzt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO und § 42 Abs. 2, S. 1 GKG. Dabei wurde der Kündigungsschutzantrag mit drei Gehältern à 1.800,00 EUR, der Zahlungsantrag in der gestellten Höhe und der für erledigt erklärte Zeugnisantrag ebenfalls mit einem Gehalt berücksichtigt.

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