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Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Inanspruchnahme Elternzeit

ArbG Dortmund – Az.: 6 Ca 2366/17 – Urteil vom 25.09.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Der Streitwert wird auf 6.511,19 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im beendeten Arbeitsverhältnis um die Kürzung des Urlaubsanspruchs aus Anlass der Inanspruchnahme von Elternzeit.

Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis als Pflegedienstleitung zu einem Bruttomonatsverdienst von 2.828,55 EUR und einem Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen in der Fünf-Tage-Woche.

Die Klägerin befand sich vom 24.03.2015 bis zum 24.03.2017 in Elternzeit.

Im Schreiben vom 23.04.2015 der Beklagten an die Klägerin, auf das im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 24 d. A.) heißt es:

„[…]

Den von Ihnen gewünschten Zeitraum der Elternzeit vom 24.03.2015 – 23.03.2017 bewilligen wir Ihnen gerne.

Der Urlaubsanspruch für das Jahr 2015 beläuft sich auf 12,5 Tage, das entspricht 100 Stunden. Die Hälfte der Urlaubsstunden haben wir Ihnen mit Monat März abgerechnet, den Rest zahlen wir Ihnen mit der nächsten Abrechnung aus.

[…]“

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit ordentlich zum 30.04.2017. Nach Rückkehr aus der Elternzeit war die Klägerin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgängig arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Abrechnung für den Monat April 2017 zahlte die Beklagte Urlaubsabgeltung in Höhe von 490,50 EUR brutto.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.05.2017 machte die Klägerin Urlaubsabgeltung für 30 Tage 2016 (3.916,50 EUR brutto) und anteilige zehn Tage 2017 (1.305,84 EUR brutto) abzüglich der gezahlten 490,50 EUR brutto, mithin insgesamt 4.731,98 EUR brutto geltend. Die Beklagte zahlte weitere 815,34 EUR brutto, mithin insgesamt die Forderung für das Jahr 2017.

Die Klägerin verfolgt den verbliebenen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.916,50 EUR brutto für das Jahr 2016 mit der vorliegende, am 04.07.2017 bei Gericht eingegangenen Klage weiter.

Die Klägerin behauptet, eine Kürzungserklärung habe die Beklagte zu keiner Zeit abgegeben, insbesondere nicht durch mündliche Erklärungen des Ehemannes der Beklagten. Eine behauptete Erklärung nach Mitteilung der Schwangerschaft sei fernliegend, da ihr Kind zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal geboren war.

Auch die Klägerin habe in ihrer Eigenschaft als Pflegedienstleitung nie Kürzungserklärungen für die Beklagte abgegeben. Eine Mitarbeiterin T als behauptete Empfängerin einer solchen Erklärung durch sie sei ihr nicht bekannt.

Sie ist der Ansicht, das Schreiben der Beklagten vom 23.04.2015 sei nicht als Kürzungserklärung zu verstehen. Durch dieses Schreiben solle der anteilige Jahresurlaub bis zum Beginn der Elternzeit abgegolten werden. Hieraus lese die Klägerin nicht, dass der Urlaub im Übrigen gekürzt werden soll.

Die Klägerin erweitert mit Schriftsatz vom 10.08.2017 ihre Klage um Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zur verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.916,50 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2017 zu zahlen und eine Lohnabrechnung zu erteilen.

2. die Beklagte zur verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 in Höhe von 2.284,63 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen und bei Zahlung eine Abrechnung darüber zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, im Betrieb der Beklagten sei wiederholt und fortwährend kommuniziert worden, dass Ansprüche auf Urlaub während der Elternzeit entsprechend gekürzt werden. Diese Erklärung sei ausdrücklich auch gegenüber der Klägerin abgegeben worden. Nach den langen Jahren des Laufs des Arbeitsverhältnisses könne ein konkretes Datum nicht mehr vorgetragen werden. Sie stellt aber unter Zeugenbeweis durch ihren Ehemann, dass die Erklärung auch gegenüber der Klägerin mehrfach abgegeben worden sei, zuletzt in einem Gespräch nach Mitteilung der Schwangerschaft in den Büroräumen der Beklagten.

Die Klägerin selbst habe Kürzungserklärungen gem. § 17 Abs. 1 BEEG im Rahmen ihrer Tätigkeit als Pflegedienstleitung wiederholt für die Beklagte gegenüber nachgeordneten Mitarbeiterinnen, u. a. einer schwangeren Mitarbeiterin T abgegeben.

Die Beklagte ist der Ansicht, ihr Schreiben vom 23.04.2015 sei als Kürzungserklärung zu verstehen, denn sie habe der Klägerin darin eine Kürzung ihres Urlaubsanspruchs während der Elternzeit für das Jahr 2015 exakt und auf den Tag berechnet mitgeteilt. Damit sei der Klägerin zum einen die Kürzung des Jahresurlaubs für das laufende Jahr 2015 mitgeteilt worden und zum anderen deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass während der Elternzeit eine Kürzung des Urlaubsanspruchs erfolgen wird. Jedenfalls sei für die Klägerin hinreichend deutlich erkennbar gewesen, dass die Beklagte von der ihr zustehenden Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Weitere Voraussetzungen für eine Kürzung des Urlaubsanspruchs seien nicht gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der geäußerten Rechtsansichten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Inanspruchnahme Elternzeit
(Symbolfoto: Von Prostock-studio/Shutterstock.com)

Die Klage ist hinsichtlich der Klage auf zukünftige Leistung unzulässig und im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin mit dem Antrag zu 2. eine Abrechnung bei Zahlung der anteiligen Urlaubsabgeltung 2015 geltend macht.

Mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, erst bei Zahlung eine Abrechnung zu erteilen, begehrt die Klägerin eine zukünftige Leistung, denn die Klägerin berühmt sich insoweit keines bereits jetzt bestehenden Abrechnungsanspruches, sondern eines Abrechnungsanspruchs, der entsteht, wenn die Beklagte zukünftig Zahlungen auf die Klageforderung leistet.

Gemäß § 259 ZPO ist eine Klage auf zukünftige Leistung zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sich der Schuldner der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Schuldner den Anspruch ernsthaft bestreitet (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. November 2016 – 7 Sa 150/16 -, Rn. 69, juris unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 20. Juni 2005 – II ZR 366/03 – NJW-RR 2005, 1518).

Die Beklagte hat einen Abrechnungsanspruch zu keiner Zeit bestritten und, soweit für die Kammer erkennbar, immer dann, wenn sie Zahlungen geleistet hat, auch Abrechnungen erteilt. Nach Lage der Akte sind zwei Zahlungen auf Urlaubsabgeltung geleistet worden. Über diese Zahlungen hat die Klägerin jeweils Abrechnungen der Beklagten vorgelegt, die im Zusammenhang mit der Zahlung erteilt worden sind. Die Kammer hat deshalb keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte der Klägerin keine Abrechnungen erteilen wird, wenn sie im vorliegenden Rechtsstreit letztlich unterliegen und weitere Urlaubsabgeltung zahlen sollte. Umstände, die dieser Erwartung der Kammer entgegenstehen, hat die Klägerin nicht dargetan.

II.

Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet.

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Urlaubsabgeltung für die Jahre 2015 und 2016, denn die Beklagte hat den Urlaubsanspruch der Klägerin während der Elternzeit durch Kürzungserklärung vom 23.04.2015 anteilig wirksam gekürzt.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann,

a.

Eine Kürzungserklärung der Beklagten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, erforderlich.

Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Nach der vollständigen Aufgabe der Surrogatstheorie kann § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG nicht mehr auf den Urlaubsabgeltungsanspruch angewandt werden (BAG, Urteil vom 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 -, AP Nr. 2 zu § 17 BEEG, zitiert nach juris Rn. 13, 16).

b.

Die Beklagte hat eine solche Kürzungserklärung mit Schreiben vom 23.04.2015 gegenüber der Klägerin wirksam abgegeben.

Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub kürzen (so BAG, Urteil vom 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 – aaO. Rn. 12 mit den in diesem Absatz genannten Nachweisen, zitiert nach juris), muss aber von diesem Recht keinen Gebrauch machen (Neumann/Fenski BUrlG 10. Aufl. § 17 BEEG Rn. 3). Will er seine Befugnis ausüben, ist eine (empfangsbedürftige) rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, um den Anspruch auf Erholungsurlaub herabzusetzen (vgl. BAG 23. April 1996 – 9 AZR 165/95 – zu II 1 der Gründe, BAGE 83, 29 [zu § 17 BErzGG]; 27. November 1986 – 8 AZR 221/84 – zu 2 b der Gründe, BAGE 53, 366 [zu § 8d MuSchG aF]; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 17 BErzGG Rn. 5).

Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Es reicht aus, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder ihm erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will (so BAG, Urteil vom 28. Juli 1992 – 9 AZR 340/91 -, AP Nr. 3 zu § 17 BErzGG, Rn. 19, zitiert nach juris unter Hinweis auf Winterfeld, NA, Stand Februar 1990, Teil M, Rz 251; Meisel/Sowka, aaO, § 17 BErzGG Rz 21; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, aaO, § 17 BErzGG Rz 4).

Die Erklärung der Beklagten vom 23.04.2015 ist als Kürzungserklärung auszulegen, denn die Beklagte teilt der Klägerin darin aus Anlass der Bestätigung der Elternzeit mit, dass sich ihr Erholungsurlaub für das Jahr 2015 auf 12,5 Tage beläuft. Dabei berechnet die Beklagte streitlos den für das Jahr 2015 vor Beginn der Elternzeit zustehenden Erholungsurlaub und bringt damit für die Klägerin zweifelsfrei erkennbar zum Ausdruck, dass der Erholungsurlaub für das Jahr 2015 gekürzt werden soll. Es besteht nach dieser Mitteilung gerade kein voller Erholungsurlaubsanspruch mehr, sondern aus Anlass der Elternzeit nur noch ein anteiliger. Diesem Verständnis der Erklärung als Kürzungserklärung steht nicht entgegen, dass die Beklagte im nächstens Satz ihrer Erklärung rechtsirrig davon ausgeht, der anteilige Erholungsurlaub müsse oder könne im laufenden Arbeitsverhältnis abgegolten werden. Indem die Beklagte der Klägerin den Erholungsurlaubsanspruch für das Jahr 2015 mit 12,5 Tagen mitteilt und diesen auszahlt, macht sie unmissverständlich deutlich, dass sie damit den Erholungsurlaubsanspruch für das Jahr 2015 abschließend regeln will. Sie teilt gerade mit, dass der Urlaubsanspruch 2015 nunmehr 12,5 Tage beträgt und nicht, dass der anteilige Anspruch vor der Elternzeit 12,5 Tage beträgt. Anhaltspunkte, dass die Beklagte den Erholungsurlaub für die Dauer der Elternzeit später ggf. anders behandeln will, sind nicht ersichtlich. Indem der Anspruch für 2015 mit 12,5 Tagen mitgeteilt wird, wird zweifelsfrei im Übrigen aus Anlass der Elternzeit gekürzt.

Gleichzeitig musste die Klägerin die Erklärung der Beklagten auch so verstehen, dass ebenso der weitere Urlaubsanspruch für die Dauer der Elternzeit, jedenfalls für das Jahr 2016 anteilig gekürzt werden soll. Wenn die Beklagte von der Kürzungsmöglichkeit aus Anlass der Elternzeit Gebrauch macht, musste die Klägerin diese Erklärung auch so verstehen, dass sich die Kürzung auf die gesamte, bestätigte Elternzeit bezieht. Sie durfte nicht davon ausgehen, dass die Beklagte für das Jahr 2015 nur einen gekürzten Urlaub gewähren will, ihr aber für das Jahr 2016, in welchem sie keine Arbeitsleistung erbringt, der volle Urlaub zustehen soll. Dass für das Jahr 2016 kein Urlaub gewährt werden soll, war für die Klägerin durch Auslegung des Schreibens vom 23.04.2015 zweifelsfrei zu ermitteln.

2.

Der Klägerin steht auch kein mit dem Antrag zu 1. geltend gemachter Abrechnungsanspruch hinsichtlich der Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 zu.

Nach § 108 GewO ist eine Abrechnung erst bei Zahlung geschuldet. Der Abrechnungsanspruch dient der Erläuterung der Nettoauszahlung (BAG, 12.07.2006 – 5 AZR 646/05 – BB 2006, 2536, zitiert nach juris).

Wenn, wie hier, keine Zahlung geleistet worden ist, besteht kein Abrechnungsanspruch. Ein solcher entsteht ggf. dann, wenn die Beklagte aufgrund eines späteren Unterliegens im vorliegenden Rechtsstreit eine Zahlung leisten sollte.

III.

Der Urteilsstreitwert war in Höhe von 6.511,19 EUR im Urteil festzusetzen, § 61 S. 1 ArbGG, wobei die Zahlungsansprüche und für die Abrechnung 5 Prozent des abzurechnenden Betrages zugrunde zu legen waren.

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