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Kürzung tarifvertraglicher Sonderzahlung wegen Krankengeldbezug – Tarifauslegung

ArbG Frankfurt (Oder) – Az.: 7 Ca 231/19 – Urteil vom 23.05.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 492,00 Euro brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2019.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 492,00 Euro festgesetzt.

4. Für die Beklagte wird die Berufung zugelassen.

Tatbestand

Im Streit steht die ungekürzte Zahlung einer tarifvertraglich geregelten Sonderzahlung.

Die Beklagte beschäftigt den Kläger seit dem 10.10.1996 in ihrer Betriebsstätte in Freienbrink als Absetzer.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der zwischen dem Arbeitgeberverband Gewerblicher Verbundgruppen e.V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene „Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer der gewerblichen Verbundgruppen in Brandenburg“ vom 31.08.2011 (im Folgenden: MTV Verbundgruppen) Anwendung.

Der Kläger war seit dem 11.12.2017 arbeitsunfähig erkrankt. Er bezog vom 22.01.2018 bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 26.08.2018 Krankengeld.

Für 2018 zahlte die Beklagte dem Kläger 351 Euro als tarifvertragliche Sonderzuwendung. Im Schreiben an den Kläger vom 06.02.2019 führte sie aus, die Sonderzahlung sei im Hinblick auf den Zeitraum des Krankengeldbezugs von 843 Euro um fünf Zwölftel auf den ausgezahlten Betrag zu kürzen.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 21.02.2018 machte der Kläger die Zahlung weiterer 492 Euro Sonderzuwendung für 2018 geltend.

Diesen Anspruch verfolgt der Kläger mit der der Beklagten am 05.03.2019 zugestellten Klage weiter. Er ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf die volle Sonderzahlung für 2018. Die tarifvertraglichen Voraussetzungen für eine Kürzung seien nicht gegeben. Das Arbeitsverhältnis habe während des Zeitraums der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht geruht. Mit dem Krankengeld habe er eine Lohnersatzleistung bezogen, wie sie gemäß der tarifvertraglichen Regelung eine Kürzung hindere.

Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 492 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2019 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, sie habe in Anwendung von § 17 Nr. 6 MTV Verbundgruppen die an den Kläger für 2018 zu zahlende Sonderzahlung zu Recht gekürzt. Das bezogene Krankengeld stelle keine Lohnersatzleistung dar, deren Bezug nach der genannten Vorschrift eine Kürzung hindere. Hierzu verweist die Beklagte auf eine von ihr eingereichte Entscheidung des Arbeitsgerichts Oldenburg zu einer wortidentischen Vorschrift in einem anderen Tarifvertrag, wonach mit den die Kürzung hindernden Lohnersatzleistungen nur Lohnersatzleistungen des Arbeitgebers gemeint seien. Die dortigen Auslegungserwägungen seien auf die Auslegung des hiesigen Tarifwerks anzuwenden.

Entscheidungsgründe

I.

Das angerufene Arbeitsgericht ist gemäß der Regelung in § 48 Abs. 1a ArbGG im Hinblick auf den in seinem Zuständigkeitsbezirk gelegenen Arbeitsort des Klägers für dessen Klage örtlich zuständig.

II.

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 492 Euro als tarifvertragliche Sonderzuwendung für 2018.

1.

Anspruchsgrundlage ist § 17 MTV Verbundgruppen. Die Vorschrift lautet:

㤠17

Sonderzahlungen

1. Arbeitnehmer/innen und Auszubildende erhalten eine Sonderzahlung entsprechend den folgenden Bestimmungen:

2. Der Anspruch entsteht nach einer sechsmonatigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit.

Die Sonderzahlung wird jeweils mit dem Novembergehalt des Jahres nach Entstehung des Anspruchs fällig, sofern durch Einzelvereinbarungen oder Betriebsvereinbarung keine abweichende Regelung getroffen ist.

3. Die Sonderzahlung beträgt 35% des Tarifentgeltes für November.

4. Teilzeitbeschäftigte erhalten eine Sonderzahlung im Verhältnis ihrer regelmäßigen Arbeitszeit zur Tariflichen Arbeitszeit.

5. In dem Jahr, in dem der/die Arbeitnehmer/in oder Auszubildende auf eigene Veranlassung den Betrieb verlässt oder das Arbeitsverhältnis durch verhaltensbedingte Kündigung beendet wird, besteht kein Anspruch auf eine Sonderzahlung. Ausnahmen bilden die Arbeitnehmer/innen, die wegen Invalidität, Erreichung der Altersgrenze bzw. Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes in der 2. Jahreshälfte ausscheiden. Diese Arbeitnehmer/innen haben vollen Anspruch auf eine Sonderzahlung.

6. Ruhen die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis, z. B. bei Wehrdienst, Zivildienst, Elternzeit oder besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt, Ausbildungsvergütung, Lohnersatzleistungen von mehr als zwei Wochen im Kalendermonat, so ermäßigt sich der Anspruch um 1/12 je Kalendermonat.

7. Sonderleistungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlussvergütungen, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Jahresergebnisbeteiligungen, Jahresprämien und Ähnliches, gelten als Sonderzahlung im Sinne dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch, soweit sie die Höhe der tariflich zu erbringenden Leistungen erreichen. Als Sonderzahlung im Sinne dieser Vereinbarung gelten nicht solche Leistungen, deren Höhe durch die individuelle Leistung bestimmt ist, sowie das tarifliche Urlaubsgeld.“

2.

In Anwendung der zitierten Vorschrift, die gemäß der Regelung in § 4 Abs. 1 TVG zwischen den Parteien im Hinblick auf die beidseitige Mitgliedschaft in den jeweils abschließenden Verbänden unmittelbar und zwingend gilt, ist dem Kläger ein voller Anspruch auf Sonderzuwendung für 2018 in Höhe von 843 Euro entstanden. Die erforderliche Zeit der Betriebszugehörigkeit weist der Kläger auf, so dass die Entstehungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die geltend gemachte Höhe entspricht der von der Beklagten in dem Schreiben vom 06.02.2018 vorgenommenen Berechnung und ist im gerichtlichen Verfahren unbestritten geblieben. Erfüllt hat die Beklagte von dem Anspruch nur die darauf gezahlten 351 Euro.

3.

Entgegen der Auffassung der Beklagten, ist die Sonderzuwendung des Klägers für 2018 nicht im Hinblick auf den Zeitraum des Krankengeldbezugs zu ermäßigen. Gemäß § 17 Nr. 6 MTV Verbundgruppen unterbleibt eine Ermäßigung, solange der Arbeitnehmer Lohnersatzleistungen bezieht und es zu keinem Ruhen des Arbeitsverhältnisses gekommen ist. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht stellt die erkrankungsbedingte Arbeitsunfähigkeit eine Leistungsstörung auf Seiten des Arbeitnehmers dar, die auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums nach § 3 Abs. 1 EFZG kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses begründet (BAG, 25.09.2013 – 10 AZR 850/12, NZA 2014, 52, Rn 14). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch die zweite Alternative der Ermäßigungsvoraussetzungen aus § 17 Nr. 6 MTV Verbundgruppen nicht erfüllt. Mit dem Krankengeld hat der Kläger Lohnersatzleistungen im Sinne der tarifvertraglichen Vorschrift erhalten. In Anwendung der genannten Vorschrift begründen Zeiten, für die ein Anspruch auf Krankengeld besteht, keine Ermäßigung der Sonderzahlung. Dies ergibt die Auslegung der Tarifvorschrift.

a)

Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, 02.11.2016 – 10 AZR 615/15, juris Rn. 14; BAG, 28.01.2009 – 4 ABR 92/07, juris Rn 28).

b)

Der Tarifwortlaut als Ausgangspunkt der Auslegung spricht für die Einordnung des Krankengelds als Lohnersatzleistung.

aa) Der Begriff Lohnersatzleistung bezeichnet gemeinhin Geldleistungen, die an die Stelle ausbleibenden Arbeitsentgelts treten. Um die Definition aus einem weithin verwandten Fachlexikon wiederzugeben: Lohnersatzleistungen bezeichnen als Oberbegriff diejenigen monetären Kompensationsleistungen, die Entgeltersatzfunktion haben (Griese, in: Küttner, Personalbuch 2019, Lohnersatzleistungen, Rn 1).

bb) Krankengeld gehört zu den in diesem Sinn verstandenen Lohnersatzleistung (vgl. Griese, in: Küttner, Personalbuch 2019, Lohnersatzleistungen, Rn 1). Es handelt sich um eine Geldleistung. Sie tritt an die Stelle des infolge der Erkrankung ausbleibenden Arbeitsentgelts. Nach der gesetzlichen Regelung in § 44 SGB V ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und die darauf beruhende Arbeitseinstellung führen vorbehaltlich der Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes zum Fortfall des Anspruchs auf Arbeitsentgelt.

c)

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auslegung ist § 17 Nr. 6 MTV Verbundgruppen nicht in dem Sinn einschränkend auszulegen, dass er auf Lohnersatzleistungen des Arbeitgebers beschränkt sei und deshalb das Krankengeld nicht erfasse. Für eine solche Einschränkung würden angesichts der detaillierten tarifvertraglichen Regelung von Tatbestands- und Ermäßigungsvoraussetzungen besondere Anhaltspunkte erforderlich sein (vgl. BAG, 25.09.2013 – 10 AZR 850/12, NZA 2014, 52, LS 2). Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich der vorliegend auszulegenden Tarifvorschrift nach Wortlaut, Sinnzusammenhang oder einem sonst zu berücksichtigenden Kriterium nicht entnehmen. Den Erwägungen des Arbeitsgerichts Oldenburg aus dem Urteil vom 26.09.2018 – 7 Ca 222/18 (nicht veröffentlicht), weshalb die wortgleiche Vorschrift aus einem anderen Tarifvertrag die Ermäßigung für Zeiten des Krankengeldbezugs erlaube, vermag sich die erkennende Kammer nicht anzuschließen. Folgende Erwägungen sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts für den Einbezug des Krankengelds als Lohnersatzleistung im Sinne der vorliegend anzuwendenden tarifvertraglichen Vorschrift maßgebend:

aa) Krankengeld ist keine seltene Lohnersatzleistung. Hätten die Tarifvertragsparteien für Bezieherinnen und Bezieher dieser Leistung eine Kürzung vorsehen wollen, so läge ein ausdrücklicher oder jedenfalls sonst deutlicher Ausschluss nahe. Wenn statt dessen die Tarifvertragsparteien den Begriff Lohnersatzleistungen ohne Einschränkungen im Wortlaut verwandt haben, so spricht dies für eine uneingeschränkte Verwendung des Oberbegriffs unter Einbeziehung aller Untergruppen, also auch der sozialversicherungsrechtlichen Lohnersatzleistungen einschließlich des Krankengelds.

bb) Der unmittelbare tarifvertragliche Zusammenhang bringt ebenfalls keine entsprechende Einschränkung zum Ausdruck. § 17 Nr 6 MTV Verbundgruppen zählt Lohnersatzleistungen als letztes von drei Elementen auf. Davon haben zwar die beiden zunächst genannten Leistungen Arbeitsentgelt und Ausbildungsvergütung insofern einen anderen Charakter, als sie erbrachte Arbeit unmittelbar vergüten. Dies erlaubt aber nicht den Schluss, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der Lohnersatzleistungen in einer diesem Charakter angenäherten Weise eingeschränkt wissen wollten. Die Aufzählung im Tatbestand einer Vorschrift verbindet die aufgezählten Sachverhalte mit einer in der Vorschrift angeordneten Rechtsfolge. Grundsätzlich bewirkt jedes aufgezählte Element eine Erweiterung des Tatbestands, ohne dass es auf die Unterschiedlichkeit der aufgezählten Sachverhalte ankäme oder eine Ähnlichkeit der aufgezählten Elemente erforderlich wäre. Ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn ein Element einschränkend auf die übrigen Elemente Bezug nimmt etwa durch Beifügungen wie „sonstige“ oder „ähnliche“. Letzteres ist vorliegend aber nicht der Fall.

cc) Ebenso wenig lässt sich aus dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses als alternativem Ermäßigungstatbestand ein Ausschluss des Krankengelds aus den Lohnersatzleistungen herleiten. Wie dargestellt, begründet die erkrankungsbedingte Arbeitsunfähigkeit kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Eine Ähnlichkeit zu Ruhenstatbeständen mag insoweit bestehen, als der Krankengeldbezug im Hinblick auf die vorrangige, grundsätzlich auf sechs Wochen begrenzte Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers (vgl. §§ 49 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V, 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) regelmäßig eine längere Unterbrechung der Arbeitsleistung voraussetzt. Eine Ähnlichkeit reicht aber für die Begründung einer entsprechenden Anspruchseinschränkung nicht aus, zumal diese Ähnlichkeit nicht uneingeschränkt besteht. Es sind nämlich auch nur kurzzeitige Ruhenstatbestände möglich, wie zum Beispiel die für einen kurzen Zeitraum beantragte Elternzeit. Schließlich bliebe eine solche Einschränkung widersprüchlich zu der Annahme des Arbeitsgerichts Oldenburg in den Entscheidungsgründen der zitierten Entscheidung, bei Zahlung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld gemäß § 20 MuSchG trete keine Kürzung ein. Ein solcher Zuschuss kann über deutlich längere Zeiträume als zwei Monate zu zahlen sein.

dd) Aus Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich kein Ausschluss des Krankengelds aus den die Kürzung hindernden Lohnersatzleistungen herleiten.

Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich im Rahmen ihrer Tarifautonomie frei zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Jahressonderzahlung gewährt wird und welche Tatbestände gegebenenfalls zu einer Kürzung führen. Insbesondere sind sie dabei in der Entscheidung frei, ob die Erbringung von Arbeitsleistung Voraussetzung für einen Anspruch ist (BAG, 25.09.2013 – 10 AZR 850/12, NZA 2014, 52, Rn 10).

Anerkanntermaßen können Sonderzuwendungen mit Mischcharakter zugleich erbrachte Arbeitsleistung und Betriebstreue honorieren. Vorliegend weisen von den Voraussetzungen der Sonderzahlung die sechsmonatige Betriebszugehörigkeit (§ 17 Nr. 2 Abs. 1 MTV Verbundgruppen) sowie der Anspruchsausschluss bei arbeitnehmerveranlasster Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 17 Nr. 5 MTV Verbundgruppen) darauf hin, dass die Sonderzuwendung auch die Betriebstreue honorieren soll.

Damit ist die Gewährung einer (ungekürzten) Sonderzuwendung bei fortbestehender Betriebszugehörigkeit und Krankengeldbezug grundsätzlich vom Leistungszweck der Sonderzahlung nach § 17 MTV Verbundgruppen gedeckt. Es kann nicht über die detaillierten ausdrücklichen Regelungen hinaus eine Kürzung wegen jedes Zeitraums der Unterbrechung der Arbeitsleistung angenommen werden.

ee) Ein ausdrücklicher oder sonst deutlicher Ausschluss wäre auch deshalb erforderlich, weil ansonsten unklar bliebe, welche Lohnersatzleistungen ausgeschlossen sein sollen. Die Beklagte will nur „Lohnersatzleistungen des Arbeitgebers“ berücksichtigt wissen. Unklar bliebe, nach welchem Kriterium Lohnersatzleistungen als Lohnersatzleistungen des Arbeitgebers zu erkennen wären. Arbeitsrecht und Sozialrecht enthalten eine Reihe von Vorschriften, die Geldzahlungen für Zeiträume vorsehen, während derer die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis aus unterschiedlichen Gründen die Arbeitsleistung nicht hat erbringen können. Teilweise werden entsprechende Zahlungen, wie zum Beispiel der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld oder das Kurzarbeitergeld, durch den Arbeitgeber ausgezahlt. Dies bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber endgültig mit den Kosten belastet wäre. Wegen des ausgezahlten Zuschusses erwirbt er einen Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 1 Abs. 2 AAG. Das Kurzarbeitergeld ist eine Sozialleistung nach dem SGB III. Der Anspruch besteht gegen die Arbeitsagentur, zur Auszahlung ist aber gemäß der Regelung in § 320 SGB III der Arbeitgeber verpflichtet. Vor diesem Hintergrund wäre eine nähere Bestimmung erforderlich, ob die ausgeschlossenen Lohnersatzleistungen nach der Auszahlung durch den Arbeitgeber, der unmittelbaren Kostenbelastung oder durch das endgültige Tragen der finanziellen Belastung gekennzeichnet sein sollen. Es spricht gegen die von der Beklagten vertretene Auslegung, dass eine solche klare Kennzeichnung der vermeintlich ausgeschlossenen Lohnersatzleistungen fehlt.

ff) Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung des Krankengelds unter die Lohnersatzleistungen im Sinne des § 17 Nr. 6 MTV Verbundgruppen eine praktikable Anwendung erlaubt. In Anwendung der Regelung in § 107 Abs. 2 Satz 1 SGB IV ist die Krankenkasse unaufgefordert verpflichtet, dem Arbeitgeber die Dauer des Krankengeldbezugs mitzuteilen.

4.

Die ausgeurteilten Zinsen kann der Kläger aus § 286 Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen. Im Hinblick auf die tarifvertraglichen Bestimmungen zur Fälligkeit der Sonderzuwendung und der Fälligkeit der Vergütung für den laufenden Monat am letzten Arbeitstag des Monats (§ 8 Nr. 8 Satz 1 MTV Verbundgruppen) befand sich die Beklagte am 01.03.2019 in Verzug mit der Zahlung der eingeklagten Forderung.

5.

Von den Nebenentscheidungen beruht die Entscheidung zur Kostentragungspflicht der mit ihrem Antrag auf Klageabweisung unterlegenen Beklagten auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert bemisst sich in Höhe der eingeklagten Forderung.

Die Berufung war zuzulassen. Die Voraussetzungen hierfür aus § 64 Abs. 3 Ziffer 2 Buchst. b ArbGG sind erfüllt. Die auszulegende Tarifvorschrift gilt wie der Tarifvertrag insgesamt für das gesamte Land Brandenburg und damit für die Bezirke mehrerer Arbeitsgerichte.

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