➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Sa 358/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht:
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Urlaubsanspruch nach Elternzeit: Arbeitgeber muss Kürzung klar kommunizieren
- ✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht München
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Welche Rechte habe ich bezüglich meines Urlaubsanspruchs während der Elternzeit?
- Kann mein Arbeitgeber meinen Urlaubsanspruch während der Elternzeit kürzen?
- Was muss mein Arbeitgeber tun, um den Urlaub während der Elternzeit wirksam zu kürzen?
- Kann ich auf meinen Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses verzichten?
- Was sollte ich tun, wenn ich glaube, dass mein Urlaubsanspruch unrechtmäßig gekürzt wurde?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht München
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Die Klägerin forderte die Abgeltung von nicht genommenem Urlaub während ihrer Elternzeit.
- Arbeitgeber und Arbeitnehmerin stritten über die Berechnung des Urlaubsanspruchs und dessen Abgeltung.
- Kernproblem war, ob der Arbeitgeber zur Kürzung des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit berechtigt ist.
- Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch für die Dauer der Elternzeit anteilig kürzen darf.
- Die Entscheidung basierte auf den Bestimmungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG).
- Das Gericht stellte klar, dass die Kürzung des Urlaubsanspruchs nur dann zulässig ist, wenn sie im Voraus ausdrücklich erklärt wird.
- Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass ihr Urlaubsanspruch während der Elternzeit eingeschränkt werden kann.
- Arbeitgeber müssen darauf achten, die Kürzung rechtzeitig und korrekt zu kommunizieren.
- Wichtige Erkenntnis: Urlaub, der vor der Elternzeit nicht genommen wurde, kann anteilig gekürzt und nicht unbedingt vollständig abgegolten werden.
- Das Urteil betont die Notwendigkeit für klare vertragliche Regelungen und eine transparente Kommunikation im Vorfeld der Elternzeit.
Urlaubsanspruch nach Elternzeit: Arbeitgeber muss Kürzung klar kommunizieren
Viele Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob Mitarbeiter in Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt sind. Allerdings kann es zu Komplikationen kommen, wenn Eltern eine Elternzeit in Anspruch nehmen. In solchen Fällen können Arbeitgeber den Urlaubsanspruch anteilig kürzen. Hierbei gilt es jedoch einiges zu beachten.
Die rechtlichen Grundlagen zu Urlaubsanspruch und Kürzungen bei Elternzeit sind komplex. Arbeitnehmer müssen ihre Rechte kennen, um bei Differenzen mit dem Arbeitgeber gerüstet zu sein. Im Folgenden soll ein aktuelles Gerichtsurteil zu diesem Thema vorgestellt und analysiert werden.
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✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht München
Landesarbeitsgericht München entscheidet über Kürzung des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit
Das Landesarbeitsgericht München hat in seinem Urteil vom 12.01.2023 (Az.: 3 Sa 358/22) über einen Fall entschieden, bei dem es um die Kürzung des Urlaubsanspruchs einer Arbeitnehmerin während der Elternzeit und die Wirksamkeit einer Abgeltungsklausel in einem Aufhebungsvertrag ging.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.11.2016 beschäftigt. Nach der Geburt ihres Kindes nahm sie ab Mitte Dezember 2019 eine zweijährige Elternzeit in Anspruch. Im Anschluss daran kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis, was jedoch durch einen gerichtlichen Vergleich gegenstandslos wurde. Schließlich einigten sich die Parteien auf einen Aufhebungsvertrag, nach dem das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit am 15.10.2021 endete. Der Vertrag enthielt eine Abgeltungsklausel, wonach mit der Zahlung einer Abfindung alle gegenseitigen Forderungen abgegolten sein sollten.
Arbeitnehmerin fordert Abgeltung von 92 Urlaubstagen
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte die Klägerin von der Beklagten die Abgeltung von insgesamt 92 Urlaubstagen für die Jahre 2018 bis 2021. Dies wurde von der Beklagten unter Verweis auf die Abgeltungsklausel im Aufhebungsvertrag abgelehnt. Die Klägerin erhob daraufhin Klage.
Das Arbeitsgericht Rosenheim gab der Klage teilweise statt. Es sprach der Klägerin eine Abgeltung für 60 Tage gesetzlichen Mindesturlaub aus den Jahren 2019 bis 2021 zu. Einen Anspruch auf Abgeltung der darüber hinaus gehenden vertraglichen Urlaubstage verneinte das Gericht aufgrund der Abgeltungsklausel. Gegen diese Entscheidung legten beide Parteien Berufung zum Landesarbeitsgericht ein.
Keine wirksame Kürzung des Urlaubs durch den Arbeitgeber
Das Landesarbeitsgericht München wies die Berufungen zurück. Es bestätigte, dass der Klägerin ein Abgeltungsanspruch für 60 Tage gesetzlichen Mindesturlaub zustehe. Der vertragliche Mehrurlaub sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelungen nicht abzugelten.
Die Beklagte habe den Urlaub der Klägerin während der Elternzeit nicht wirksam nach § 17 Abs. 1 BEEG gekürzt. Dafür hätte es einer ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Erklärung des Arbeitgebers bedurft, die der Klägerin auch zugegangen sein müsste. Ein bloßer Vorschlag der Aufnahme einer Abgeltungsklausel reiche dafür nicht aus.
Verzicht auf gesetzliche Urlaubsabgeltung während Arbeitsverhältnis unzulässig
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs auch nicht durch die Abgeltungsklausel im Aufhebungsvertrag verfallen. Nach der Rechtsprechung des BAG könne während des laufenden Arbeitsverhältnisses nicht wirksam auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs verzichtet werden. Dies widerspräche dem Zweck des § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG. Ein Abgeltungsanspruch entstehe auch erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht bereits bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Abgeltungsklausel.
Die Geltendmachung der Urlaubsabgeltung durch die Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Es habe keine Pflicht der Klägerin bestanden, die Beklagte von sich aus auf bestehende Urlaubsansprüche hinzuweisen. Vielmehr wäre es Sache des Arbeitgebers gewesen, etwaige Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung abschließend zu klären.
Das Urteil zeigt, dass Urlaubsabgeltungsansprüche für den gesetzlichen Mindesturlaub nicht ohne weiteres durch Aufhebungsverträge abbedungen werden können. Solange das Arbeitsverhältnis noch besteht, ist ein Verzicht auf die Abgeltung gesetzlichen Urlaubs unzulässig. Arbeitgeber sollten offene Urlaubsansprüche daher rechtzeitig und abschließend klären. Zudem müssen Kürzungen des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit dem Arbeitnehmer eindeutig mitgeteilt werden.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil stellt klar, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht ohne weiteres durch Aufhebungsverträge abbedungen werden kann. Ein Verzicht auf die Abgeltung ist während des laufenden Arbeitsverhältnisses unzulässig, da dies dem Zweck des § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG widerspräche. Zudem müssen Kürzungen des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit dem Arbeitnehmer eindeutig mitgeteilt werden, da ein bloßer Vorschlag einer Abgeltungsklausel nicht ausreicht.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Urlaubsanspruch während Elternzeit wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Welche Rechte habe ich bezüglich meines Urlaubsanspruchs während der Elternzeit?
- Kann mein Arbeitgeber meinen Urlaubsanspruch während der Elternzeit kürzen?
- Was muss mein Arbeitgeber tun, um den Urlaub während der Elternzeit wirksam zu kürzen?
- Kann ich auf meinen Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses verzichten?
- Was sollte ich tun, wenn ich glaube, dass mein Urlaubsanspruch unrechtmäßig gekürzt wurde?
Welche Rechte habe ich bezüglich meines Urlaubsanspruchs während der Elternzeit?
Während der Elternzeit bleibt der Urlaubsanspruch grundsätzlich bestehen, jedoch kann der Arbeitgeber den Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Diese Kürzungsmöglichkeit ist im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber diese Kürzung aktiv erklären muss; sie erfolgt nicht automatisch.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Hat ein Arbeitnehmer einen Jahresurlaubsanspruch von 30 Tagen und nimmt vier volle Monate Elternzeit, kann der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch um 10 Tage kürzen. Der verbleibende Urlaubsanspruch beträgt dann 20 Tage.
Der Urlaubsanspruch verfällt während der Elternzeit nicht. Resturlaub, der vor der Elternzeit nicht genommen wurde, kann nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr genommen werden. Sollte das Arbeitsverhältnis während oder am Ende der Elternzeit enden, muss der Arbeitgeber den noch bestehenden Resturlaub abgelten.
Während des Mutterschutzes bleibt der Urlaubsanspruch in voller Höhe erhalten und darf nicht gekürzt werden. Dies gilt für die gesetzlichen Schutzzeiten vor und nach der Geburt sowie für darüber hinausgehende Beschäftigungsverbotszeiten.
Ein Beispiel: Eine Arbeitnehmerin hat vor der Elternzeit 15 Tage Resturlaub. Nach der Elternzeit kann sie diesen Resturlaub im laufenden oder nächsten Urlaubsjahr nehmen. Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit, muss der Arbeitgeber die 15 Tage Resturlaub auszahlen.
Die gesetzlichen Regelungen stellen sicher, dass Arbeitnehmer durch die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht schlechter gestellt werden. Der Urlaubsanspruch bleibt bestehen und kann nach der Elternzeit oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden.
Kann mein Arbeitgeber meinen Urlaubsanspruch während der Elternzeit kürzen?
Arbeitgeber dürfen den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern während der Elternzeit kürzen. Dies ist im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt. Für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit kann der Jahresurlaubsanspruch um ein Zwölftel gekürzt werden. Diese Kürzung erfolgt jedoch nicht automatisch. Der Arbeitgeber muss eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben, die dem Arbeitnehmer zugehen muss. Diese Erklärung kann vor, während oder nach der Elternzeit erfolgen, jedoch nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Wichtig ist, dass die Kürzung nur für volle Kalendermonate der Elternzeit gilt. Beginnt oder endet die Elternzeit innerhalb eines Monats, darf für diesen Monat keine Kürzung vorgenommen werden. Zudem bleibt der Resturlaub, der vor der Elternzeit entstanden ist, erhalten und kann nach der Elternzeit genommen werden.
Arbeitgeber müssen die Kürzung klar und verständlich erklären. Eine bloße Angabe in der Gehaltsabrechnung reicht nicht aus. Die Erklärung sollte schriftlich erfolgen, idealerweise im Zusammenhang mit der Bestätigung der Elternzeit.
Während des Mutterschutzes hingegen bleibt der Urlaubsanspruch ungekürzt bestehen. Dies gilt für die gesetzlichen Schutzzeiten vor und nach der Geburt sowie für darüber hinausgehende Beschäftigungsverbote.
Die rechtlichen Grundlagen und die Anforderungen an die Kürzungserklärung sind durch mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts bestätigt worden. Arbeitgeber sollten daher sorgfältig vorgehen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Was muss mein Arbeitgeber tun, um den Urlaub während der Elternzeit wirksam zu kürzen?
Um den Urlaubsanspruch während der Elternzeit wirksam zu kürzen, muss der Arbeitgeber eine Kürzungserklärung abgeben. Diese Erklärung ist notwendig, da die Kürzung nicht automatisch erfolgt. Der Arbeitgeber muss klar und eindeutig mitteilen, dass er den Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzt. Diese Erklärung muss dem Arbeitnehmer zugehen, bevor das Arbeitsverhältnis endet.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Arbeitnehmer hat einen Jahresurlaubsanspruch von 24 Tagen und nimmt sechs volle Monate Elternzeit. Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch um sechs Zwölftel, also um 12 Tage, kürzen. Der verbleibende Urlaubsanspruch beträgt dann 12 Tage. Der Arbeitgeber muss dies dem Arbeitnehmer schriftlich mitteilen, beispielsweise durch ein Schreiben oder eine E-Mail.
Wichtig ist, dass die Kürzungserklärung vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Kürzung nicht mehr möglich. Zudem muss die Erklärung so formuliert sein, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen möchte. Dies kann auch implizit geschehen, etwa durch die Genehmigung eines gekürzten Urlaubs.
Ein weiteres Beispiel: Eine Arbeitnehmerin befindet sich vom 1. Januar bis zum 31. Dezember in Elternzeit. Der Arbeitgeber erklärt im Januar schriftlich, dass der Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt wird. Somit wird der Urlaubsanspruch für das gesamte Jahr um 12 Zwölftel, also vollständig, gekürzt.
Die rechtliche Grundlage für diese Kürzung ist § 17 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Diese Regelung ermöglicht es dem Arbeitgeber, den Urlaubsanspruch an die während der Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht anzupassen.
Falls der Arbeitgeber die Kürzungserklärung nicht abgibt, bleibt der volle Urlaubsanspruch bestehen. Arbeitnehmer können dann den nicht gekürzten Urlaub nach der Elternzeit oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen.
Kann ich auf meinen Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses verzichten?
Ein Verzicht auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist nicht zulässig. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub hat, und dieser Anspruch kann nicht durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgehoben oder eingeschränkt werden. Dies dient dem Schutz der Gesundheit und Erholung der Arbeitnehmer.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Arbeitnehmer kann nicht rechtswirksam erklären, dass er auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen bei einer Fünf-Tage-Woche verzichtet. Selbst wenn der Arbeitnehmer dies freiwillig anbietet, ist eine solche Vereinbarung unwirksam.
Ausnahmen gibt es jedoch bei der Urlaubsabgeltung. Wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Urlaub nicht mehr genommen werden kann, muss der Arbeitgeber den verbleibenden Urlaub finanziell abgelten. Dies ist in § 7 Abs. 4 BUrlG geregelt. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall auf die Abgeltung verzichten, wenn er dies ausdrücklich erklärt und die Möglichkeit hatte, den Anspruch geltend zu machen. Ein Beispiel hierfür wäre ein gerichtlicher Vergleich, in dem der Arbeitnehmer auf die Abgeltung verzichtet, um eine höhere Abfindung zu erhalten.
Ein weiteres Beispiel: Ein Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber einigen sich im Rahmen eines Aufhebungsvertrags darauf, dass der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält und im Gegenzug auf die Abgeltung seines Resturlaubs verzichtet. Diese Vereinbarung ist wirksam, solange der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, den Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend zu machen.
Wichtig ist, dass der Verzicht auf den Urlaubsanspruch während des laufenden Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer ihre gesetzlich garantierte Erholungszeit erhalten. Nur im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann auf die finanzielle Abgeltung des Urlaubs verzichtet werden, wenn dies ausdrücklich vereinbart wird.
Was sollte ich tun, wenn ich glaube, dass mein Urlaubsanspruch unrechtmäßig gekürzt wurde?
Wenn der Verdacht besteht, dass der Urlaubsanspruch unrechtmäßig gekürzt wurde, sind mehrere Schritte zu beachten, um die eigenen Rechte zu schützen und Ansprüche geltend zu machen.
Zunächst sollte geprüft werden, ob der Arbeitgeber eine Kürzungserklärung abgegeben hat. Diese Erklärung muss klar und eindeutig sein und dem Arbeitnehmer vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zugehen. Ohne eine solche Erklärung ist eine Kürzung des Urlaubsanspruchs nicht wirksam.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Arbeitnehmer hat einen Jahresurlaubsanspruch von 24 Tagen und nimmt sechs volle Monate Elternzeit. Der Arbeitgeber muss schriftlich mitteilen, dass der Urlaubsanspruch um sechs Zwölftel, also um 12 Tage, gekürzt wird. Fehlt diese Mitteilung, bleibt der volle Urlaubsanspruch bestehen.
Falls keine Kürzungserklärung vorliegt oder Zweifel an deren Wirksamkeit bestehen, sollte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber schriftlich auffordern, die Kürzung zu begründen und die rechtlichen Grundlagen darzulegen. Dabei ist es wichtig, die eigene Position klar darzustellen und auf die gesetzlichen Regelungen hinzuweisen, insbesondere auf § 17 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG).
Ein Beispiel für ein solches Schreiben könnte wie folgt aussehen: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe festgestellt, dass mein Urlaubsanspruch für das Jahr [Jahr] um [Anzahl] Tage gekürzt wurde. Bitte teilen Sie mir mit, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Kürzung erfolgt ist und ob eine entsprechende Kürzungserklärung vorliegt. Mit freundlichen Grüßen, [Name]“.
Sollte der Arbeitgeber nicht reagieren oder die Kürzung nicht ausreichend begründen können, besteht die Möglichkeit, rechtliche Schritte einzuleiten. Hierzu kann der Arbeitnehmer sich an den Betriebsrat wenden, falls ein solcher existiert, oder eine Beratung bei einer Gewerkschaft oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht in Anspruch nehmen.
Ein Beispiel für eine rechtliche Auseinandersetzung: Ein Arbeitnehmer wendet sich an einen Anwalt, der den Arbeitgeber schriftlich auffordert, die unrechtmäßige Kürzung rückgängig zu machen und den vollen Urlaubsanspruch zu gewähren. Sollte der Arbeitgeber nicht einlenken, kann der Arbeitnehmer Klage beim Arbeitsgericht einreichen.
Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer seine Ansprüche rechtzeitig geltend macht, da es Fristen gibt, innerhalb derer Ansprüche auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung verfallen können. Diese Fristen sind im Arbeitsvertrag, in Tarifverträgen oder im Gesetz geregelt.
Ein Beispiel für eine solche Frist: Der Arbeitnehmer muss seinen Resturlaub bis zum Ende des Kalenderjahres oder spätestens bis zum 31. März des Folgejahres nehmen, sofern keine anderen Regelungen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag bestehen.
Durch diese Schritte kann der Arbeitnehmer sicherstellen, dass seine Urlaubsansprüche gewahrt bleiben und unrechtmäßige Kürzungen angefochten werden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 17 Abs. 1 BEEG (Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit): Die Kürzung des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit ist gesetzlich geregelt. Arbeitgeber sind berechtigt, den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers um jeweils ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit zu kürzen. Dies hat direkten Einfluss auf den Urlaubsanspruch der Klägerin für die Zeit der Inanspruchnahme von Elternzeit.
- § 5 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz): Die anteilige Berechnung des Urlaubsanspruchs bei unterjährigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder bei unterjähriger Aufnahme des Arbeitsverhältnisses findet Anwendung. Dies bildet den allgemeinen gesetzlichen Rahmen für die Berechnung des Urlaubsanspruchs, der durch die Inanspruchnahme von Elternzeit modifiziert werden kann.
- EuGH-Urteil (Europäischer Gerichtshof): In Bezug auf die Übertragbarkeit und Verfall des Urlaubsanspruchs hat der EuGH entschieden, dass nicht genommener Urlaub grundsätzlich nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen kann. Relevanz für den Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Elternzeit nicht in der Lage war, den Urlaub zu nehmen.
- § 7 Abs. 3 BUrlG: Dieser Paragraph regelt, dass Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen ist und eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Dies steht im Zusammenhang zur Frage, wie der Resturlaub der Klägerin, der durch Elternzeit beeinflusst wird, handzuhaben ist.
- § 11 BUrlG: Regelt die Berechnung des Urlaubsentgelts und ist relevant für die Frage der Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin. Gibt die Grundlage für die Ermittlung des Geldwertes des Urlaubsanspruchs im Falle der Abgeltung.
- ArbG Urteil (Arbeitsgericht): Das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 25.05.2022, das vom Landesarbeitsgericht München nicht verändert wurde, ist zentral für die Bestimmung der Ansprüche und Verfahrensweise in diesem konkreten Fall.
- § 1 BUrlG: Legt den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub fest und bildet die Grundlage für die Diskussion um den gesetzlichen Mindesturlaub, der durch Elternzeit beeinflusst wird.
- Abgeltungsklauseln im Arbeitsvertrag: Die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel zur Urlaubsregelung (Zusatzurlaub, Berechnung der Urlaubstage) hat Relevanz, da sie über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Vereinbarungen regelt. Die Interpretation dieser Klausel im Kontext mit Elternzeit muss im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht München
Landesarbeitsgericht München – Az.: 3 Sa 358/22 – Urteil vom 12.01.2023
1. Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 25.05.2022 – 1 Ca 1284/21 – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu 35/100 und die Beklagte zu 65/100 zu tragen.
3. Die Revision wird für die Beklagte, nicht aber für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.11.2016 beschäftigt, und zwar zuletzt als Head of Product Management zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 4.166,00 €. Der Arbeitsvertrag vom 29.08.2016 enthielt folgende Urlaubsregelungen:
„§ 11 Urlaub
(1) Dem Arbeitnehmer steht der gesetzliche Mindesturlaub von 20 Tagen bei einer Beschäftigung an 5 Tagen pro Woche zu. Darüber hinaus gewährt der Arbeitgeber einen zusätzlichen vertraglichen Urlaub von 10 Tagen pro Kalenderjahr. Erhöht sich der allgemeine gesetzliche Mindesturlaub, so verringert sich der zusätzliche vertragliche Urlaubsanspruch in gleichem Umfang; Sonderurlaub besonders geschützter Personengruppen wird nicht angerechnet. Der gesetzliche Urlaubanspruch wird, wenn nicht schriftlich etwas Abweichendes vereinbart wird, jeweils zuerst in Anspruch genommen und gewährt.
(2) Der Urlaub ist im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen. Er wird nur dann auf das nächste Kalenderjahr übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der zusätzliche vertragliche Urlaub in den ersten 3 Monaten des nächsten Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Ansonsten verfällt er jeweils mit Ablauf des 31.3. dieses nächsten Kalenderjahrs; dies gilt auch für Fälle, in denen der Arbeitnehmer den zusätzlichen vertraglichen Urlaub aufgrund von Krankheit nicht in Anspruch nehmen kann. Wird der zusätzliche vertragliche Urlaub nicht nach Maßgabe der vorstehenden Sätze auf das Folgejahr übertragen, dann verfällt er mit Ablauf des 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres. Die Übertragung des gesetzlichen Urlaubs richtet sich nach den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen.
(1) Kann der gesetzliche Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er nach Maßgabe der jeweils gültigen gesetzlichen Regelung abzugelten. Eine Abgeltung des zusätzlichen vertraglichen Urlaubsanspruchs ist ausgeschlossen.
(2) Im Ein- und Austrittsjahr wird der vertragliche Urlaub jeweils zeitanteilig gewährt. Für den gesetzlichen Urlaubsanspruch gelten insofern die gesetzlichen Bestimmungen. Soweit der gesetzliche Anspruch auch zeitanteilig zu gewähren ist, sind in Ansehung der Rundungsregel in § 5 Abs. 2 BUrlG der gesetzliche und der vertragliche Urlaubsanspruch zu addieren, sodann aus der Summe die zeitanteilige Quote zu ermitteln und erst im letzten Schritt die vorgenannte Rundungsregel anzuwenden.
…
(2) Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.“
Spätere Ergänzungen des Arbeitsvertrags ließen diese Urlaubsregelungen unberührt.
Im Anschluss an die Geburt ihres Kindes am 00.00.0000 und den Mutterschutzfristen nahm die Klägerin ab Mitte Dezember 2019 eine zweijährige Elternzeit ohne Arbeitsleistung. Mit Schreiben vom 25.05.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.01.2022. Durch gerichtlichen Vergleich vom 07.09.2021 im Verfahren vor dem Arbeitsgericht München – 13 Ca 5926/21 – vereinbarten die Parteien, dass die während der Elternzeit erklärte Kündigung gegenstandslos sei. In der Folge kam es zwischen der Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, und der Beklagten zu verschiedenen Telefonaten und Korrespondenzen über die Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses, für deren Inhalt auf die Anlagen KK1 bis KK9 (= Bl. 267 – 278 d. A.) Bezug genommen wird. Nachdem die Beklagte mit E-Mail vom 13.10.2021 (vgl. Anl.e KK7 = Bl. 275 d. A.) noch die Aufnahme einer Abgeltungsklausel gefordert hatte, schlossen die Parteien unter dem 13.10.2021 einen Aufhebungsvertrag (vgl. Anl. K1 = Bl. 6 f. d. A.; Anl. KK10 = Bl. 279 f. d. A.). Danach endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Elternzeit der Klägerin am 15.10.2021. Im Übrigen wurde dort u.a. bestimmt:
„…
4.) Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Erstellung und Übersendung eines wohlwollenden, qualifizierten, bei Leistung und Verhalten jeweils „sehr guten“ Arbeitszeugnisses und mit der Tätigkeitsbezeichnung „Head of Project Management“, im Übrigen auf der Basis des am 07.10.2021 übersandten Zwischenzeugnisses/Entwurf, mit einer „sehr guten“ Schlussformulierung (Bedauern, Dank und gute Wünsche).
5.) Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Zahlung einer Abfindung an die Arbeitnehmerin in Höhe von € 6.000,00 brutto gemäß §§ 9, 10 KSchG als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, fällig am 31.10.2021.
6.) Hiermit sind alle gegenseitigen Forderungen der Parteien, gleichwohl aus welchem Rechtsgrund, abgegolten.
…“
Die Beklagte leistete die Abfindung noch im Oktober 2021.
Mit Schreiben vom 08.12.2021 machte die Klägerin Urlaubsabgeltung für 92 Tage in Höhe von 17.689,48 € brutto, und zwar für 2 Tage aus 2018 und für je 30 Tage aus den Jahren 2019 bis 2021, geltend (vgl. Anl. K4 = Bl. 12 ff. d. A. und die Aufstellung im Einzelnen im Schriftsatz vom 23.02.2022, S. 3 = Bl. 93 d. A.). Dies wies die Beklagte unter Hinweis auf Ziff. 6 des Aufhebungsvertrags zurück (Anl. K5 = Bl. 17 d. A.).
Mit ihrer Klage vom 16.12.2021 verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses stünden ihr Urlaubsabgeltungsansprüche im Umfang von 92 Urlaubstagen zu.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an sie 17.689,48 Euro brutto zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16.10.2021.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte habe den Urlaub der Klägerin konkludent i. S. d. § 17 Abs. 1 BEEG gekürzt. Etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche seien aufgrund der Abgeltungsklausel in Ziff. 6 des Aufhebungsvertrags erloschen. Die Geltendmachung der Ansprüche sei rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB.
Das Arbeitsgericht Rosenheim hat durch Urteil vom 25.05.2022 – 1 Ca 1284/21 – die Beklagte zur Zahlung von 11.536,80 € brutto nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Abgeltung ihres gesetzlichen Urlaubsanspruchs im Umfang von insgesamt 60 Urlaubstagen auf der Basis von 20 Urlaubstagen für die Jahre 2019, 2020 und 2021 in unstreitiger Höhe von 11.536,80 € brutto gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Die Beklagte habe den Urlaubs- oder den Urlaubsabgeltungsanspruch während der Elternzeit der Klägerin in 2020 und 2021 nicht bzw. nicht wirksam gemäß § 17 Abs. 1 BEEG gekürzt. Ein Vorabverzicht der Klägerin auf die gesetzlichen Urlaubsabgeltungsansprüche sei im laufenden Arbeitsverhältnis nicht möglich. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 247 BGB. Demgegenüber könne die Klägerin für die vertraglichen Urlaubsansprüche keine Abgeltung verlangen. Diese seien aufgrund Ziff. 6 des Aufhebungsvertrags verfallen.
Das Urteil wurde beiden Parteien am 30.06.2022 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am 04.07.2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.2022 am 27.09.2022 begründet. Die Beklagte hat die Berufung am 28.07.2022 eingelegt und begründet.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Annahme des Erstgerichts, ihr stünde eine Abgeltung ihrer vertraglichen Urlaubsansprüche wegen Ziff. 6 des Aufhebungsvertrags vom 13.10.2021 nicht zu. Die Auslegung der Abgeltungsklausel auf der Grundlage der von den Parteien geführten Email-Korrespondenz zeige vielmehr, dass die Parteien damit keinen Verzicht auf Urlaubsabgeltung vereinbart hätten. Der Aufhebungsvertrag vom 13.10. / 14.10.2021 regele nicht ausdrücklich den Urlaub und die Urlaubsabgeltung, weder in den drei Entwurfsfassungen noch in der abschließenden vierten Version. Auch in der telefonischen und schriftlichen Korrespondenz habe das Thema „Urlaub und Urlaubsabgeltung“ keine Rolle gespielt. Es gebe auch keinen Hinweis auf eine konkludente Regelung zu Urlaub und Urlaubsabgeltung. Es sei Sache des Arbeitgebers, auf eine rechtswirksame, nach vertraglichem und gesetzlichem Urlaub, nach Urlaub vor oder in der Elternzeit differenzierte Klärung der Ansprüche auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung in einem Aufhebungsvertrag zu dringen. Auch hätten am 13.10. / 14.10.2021 Urlaubsabgeltungsansprüche nicht geregelt werden können, da sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrags noch nicht bestanden hätten; sie seien erst nach dem 15.10.2021 entstanden. Im Übrigen sei im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung am 13.10.2021 noch offen gewesen, ob und in welchem Umfang Urlaubsabgeltungsansprüche mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen würden. Die beklagte Arbeitgeberin hätte die Kürzungserklärung nach § 17 Abs. 1 BEEG in dem bis zum 15.10.2021 laufenden Arbeitsverhältnis noch gegenüber der Klägerin oder ihrem Bevollmächtigten abgeben können. Dies hätte sich auf den gesamten gesetzlichen und vertraglichen Urlaub beziehen können, nicht aber auf den noch offenen Urlaub aus der Zeit vor der Elternzeit (2 Tage).
Aus diesen Gründen sei auch die Berufung der Beklagten unbegründet. Es sei insbesondere zu bestreiten, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch rechtlich bereits vor Vertragsende entstehe und damit der Abgeltungsklausel unterfiele. Im laufenden Arbeitsverhältnis könne auch nicht auf Mindesturlaub verzichtet werden. Die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs sei auch nicht treuwidrig, § 242 BGB. Mangels Bestehens hätte die Klägerin den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht schon zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrags geltend machen können. Etwaige Erwartungen der Beklagten, die die Abgeltungsklausel selbst vorgeschlagen habe, seien rechtlich nicht geschützt. Es habe auch keine Vereinbarung gegeben, die finanziell ein Urlaubsvolumen von 92 Tagen bzw. vier Monate Gehalt adäquat kompensiert hätte. Soweit die Beklagte eine Kürzung des Urlaubs nach § 17 Abs. 1 BEEG behauptet, fehle es an einer entsprechenden konkludenten Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 25.05.2022, Az: 1 Ca 1284/21, wird in Ziff. 2 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 6.152,68 brutto zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16.10.2021.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, und im Rahmen ihrer Berufung,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 25.05.2022 abzuändern und
2. die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte habe den Urlaub während der Elternzeit in 2019, 2020 und 2021 wirksam und rechtzeitig i.S.d. § 17 Abs. 1 BEEG gekürzt. Ausreichend für die Kürzungserklärung als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung sei bereits, dass dem Klägervertreter gemäß § 164 Abs. 1 und 3 BGB zugegangene Angebot des Geschäftsführers der Beklagten, in dem Aufhebungsvertrag vom 13.10.2021 eine Abgeltungsklausel aufzunehmen. Hierdurch habe der Geschäftsführer der Beklagten, auch für die Klägerin erkennbar, zum Ausdruck gebracht, dass er der Klägerin keine weiteren Ansprüche gewähren wolle, worin die konkludente Erklärung enthalten sei, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub, der während der Elternzeit erworben werde, soweit wie möglich gekürzt werde. Am 13.10.2021 sei das Arbeitsverhältnis der Parteien noch nicht beendet gewesen. Darüber hinaus habe die Klägerin durch Ziff. 6 des Aufhebungsvertrags auf ihre Urlaubsabgeltungsansprüche – nicht Urlaubsansprüche – wirksam verzichtet. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Urlaubsanspruch zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch werde, wenn die Gewährung von Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmöglich werde. Im vorliegenden Fall hätte bereits am 13.10.2021 festgestanden, dass der vollständige Urlaub von 92 Tagen nach den Berechnungen der Klägerin nicht bis zum eigentlichen Vertragsende am 15.10.2021 in Natura hätte gewährt werden können. Dies sei tatsächlich unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB gewesen. Auch nach Wortlaut und Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 BEEG seien am 13.10.2021 die Urlaubsansprüche in Urlaubsabgeltungsansprüche aufgrund der Unmöglichkeit der Freistellung als Gewährung des Urlaubs in Natura umgewandelt worden. Wenn zudem § 17 Abs. 1 BEEG eine einseitige Kürzungsmöglichkeit des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit durch den Arbeitgeber zulasse, müsse erst recht dieser Urlaubsanspruch bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch in beiderseitigem Einvernehmen durch eine Abgeltungsklausel in einem Aufhebungsvertrag beseitigt werden können. Der Verzicht auf Urlaubsabgeltung sei auch zulässig, weil der Urlaubsabgeltungsanspruch nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein reiner Geldanspruch und kein Surrogat des Urlaubsanspruchs sei. Jedenfalls sei die Geltendmachung des Anspruchs auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB. Es wäre redlich gewesen, die im Ausmaß bekannten Urlaubsabgeltungsanspruch im Rahmen der Verhandlung über den Aufhebungsvertrag offen anzusprechen. Stattdessen habe die anwaltlich vertretene Klägerin einen Aufhebungsvertrag mit Abgeltungsklausel abgeschlossen. Die Beklagte habe aufgrund des eindeutigen Wortlauts und der Zustimmung durch die Klägerin darauf vertrauen dürfen, dass keine weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht würden. Durch die Erklärung zum Abschluss des Aufhebungsvertrags habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin auf ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung verzichte in Folge der Auszahlung einer Abfindung und der Ausstellung eines „sehr guten“ qualifizierten Arbeitszeugnisses.
Die Berufung der Klägerin sei unbegründet. Sämtliche Urlaubsabgeltungsansprüche seien durch einseitige Willenserklärung des Geschäftsführers der Beklagten vollständig gekürzt bzw. durch die Abgeltungsklausel in zulässigerweise erfasst und damit erloschen.
Wegen des Weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 27.09.2022 (Bl. 251-258 u. 259-281 d. A.) und 09.01.2023 (Bl. 296 – 300 d. A.), die Schriftsätze der Beklagten vom 28.07.2022 (Bl. 205 – 244 d. A.) und 20.10.2022 (Bl. 288 – 294 d. A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2023 (Bl. 301 – 304 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen der Parteien sind zulässig, jedoch unbegründet.
i.
Die nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaften Berufung beider Parteien sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.
ii.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf Abgeltung des in § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vereinbarten zusätzlichen vertraglichen Urlaubsanspruch, § 11 Abs. 2 (1) des Arbeitsvertrags.
1. Nach § 11 Abs. 2 (1) S. 1 des Arbeitsvertrags ist der gesetzliche Urlaub nach Maßgabe der jeweils gültigen gesetzlichen Regelung abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Nach S. 2 dieser vertraglichen Regelung ist die Abgeltung des zusätzlichen vertraglichen Urlaubsanspruchs ausgeschlossen.
2. Eine solche Vereinbarung für den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden einzelvertraglichen Urlaubsanspruch ist grundsätzlich zulässig (vgl. BAG, Urteil vom 22.10.2009 – 8 AZR 865/08 – Rn. 24; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, 12. Aufl. 2021, § 7 BUrlG, Rn. 111; Hohmeister in Hohmeister/Oppermann BUrlG, 3. Aufl. 2013, § 13 Rn. 130). Während der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub arbeitsvertraglichen Dispositionen entzogen ist, die sich zu Ungunsten des Arbeitnehmers auswirken (§ 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG), können die Arbeitsvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleisteten und aufgrund der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, dem zufolge der vertragliche Mehrurlaub abweichend von den für den gesetzlichen Mindesturlaub geltenden gesetzlichen Vorgaben geregelt werden soll, müssen allerdings deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf den vertraglichen Mehrurlaub auszugehen (vgl. BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21 – Rn. 38 m.w.Nachw.).
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich die erkennende Kammer an schließt, ist der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung ihres zusätzlichen, einzelvertraglichen Urlaubsanspruchs aus § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags im Umfang von jährlich zehn Urlaubstagen nach § 11 Abs. 2 (1) des Arbeitsvertrags ausgeschlossen. Die Parteien haben in § 11 des Arbeitsvertrags den vertraglichen Mehrurlaub grundsätzlich abweichend von den gesetzlichen Regelungen vereinbart, so dass gegen die Zulässigkeit des vertraglichen Ausschlusses des Abgeltungsanspruchs keine Bedenken bestehen. Solche hat die Klägerin nach Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung auch nicht geltend gemacht.
III.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Abgeltung von 60 Urlaubstagen Mindesturlaub aus 2019, 2020 und 2021 in unstreitiger Höhe von 11.536,80 € brutto gemäß § 17 Abs. 3 BEEG, § 7 Abs. 4 BurlG. Dieser Anspruch ist weder durch die Abgeltungsklausel in Ziff. 6 des Aufhebungsvertrags erloschen noch nach § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen.
1. Wird das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, sondern zum Ende der letzten Elternzeit beendet, oder endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit, hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten, § 17 Abs. 3 BEEG. Kann Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er nach § 7 Abs. 4 BurlG abzugelten. Die Voraussetzungen der § 17 Abs. 3 BEEG, 7 Abs. 4 BUrlG sind vorliegend erfüllt.
a) Der der Klägerin gemäß §§ 1, 3 BUrlG unstreitig zustehende gesetzliche Urlaubsanspruch von 60 Urlaubstagen aus den Jahren 2019 bis 2021 ist nicht aufgrund einer Kürzungserklärung der Beklagten gemäß § 17 Abs. 1 BEEG teilweise untergegangen.
aa) Nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Die in der Vorschrift vorgesehene Kürzungsmöglichkeit setzt neben einem bestehenden Arbeitsverhältnis voraus, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausübt. Dazu ist eine hierauf gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer zugehen muss. Die Kürzungserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Für eine konkludente Erklärung ist es ausreichend, dass dem Arbeitnehmer – abweichend von seinem Urlaubsverlangen – nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn aufgrund sonstiger Umstände erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will. Sowohl für die Abgabe als auch für den Zugang der Kürzungserklärung beim Arbeitnehmer trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG, Urteil vom 05.07.2022 – 9 AZR 341/21 – Rn. 37 – 39 m.w.N.).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte nicht in ausreichendem Maße dargelegt, anlässlich oder mittels des Aufhebungsvertrags eine Kürzungserklärung i.S.d. § 17 Abs. 1 BEEG abgegeben zu haben.
Eine ausdrückliche Kürzungserklärung der Beklagten liegt unstreitig nicht vor. Entgegen ihrer Auffassung ist aber auch nicht die Annahme gerechtfertigt, sie habe den Urlaubsanspruch der Klägerin stillschweigend gekürzt. Nach dem unbestrittenen Sachverhalt wurde während der Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag weder seitens der Klägerin noch seitens der Beklagten die Urlaubsansprüche der Klägerin thematisiert. Insbesondere hat der Geschäftsführer der Beklagten in seiner Email vom 13.10.2021 (Anl. KK 7), mit der er die Aufnahme der Abgeltungsklausel in den Aufhebungsvertrag vorschlug, den Urlaub nicht für die Klägerin erkennbar stillschweigend gekürzt. Denn in dieser Email fehlt es an einer Bezugnahme auf ein vorheriges Urlaubsverlangen der Klägerin oder auf ihre Urlaubsansprüche überhaupt. Darüber hinaus kommt die Aufforderung, den Aufhebungsvertrag um die Abgeltungsklausel „bitte zu ergänzen“, in der Rechtsqualität nicht einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung gegenüber dem Arbeitnehmer gleich, die als Gestaltungsrecht dessen Urlaub nach näherer Maßgabe des § 17 Abs. 1 BEEG kürzt. Eine solche Bitte stellt ein Angebot i. S. d. § 145 BGB dar, das seitens des Adressaten – hier der Klägerin – nicht angenommen bzw. abgelehnt werden kann. In diesem Fall wäre es nicht zum Abschluss des Aufhebungsvertrags gekommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt aber auch mit der Vereinbarung der Abgeltungsklausel in Ziff. 6 des Vergleichs keine konkludente Kürzungserklärung i. S. d. § 17 Abs. 1 BEEG vor. Die Klägerin konnte hieraus nicht erkennen, dass die Beklagte von ihrer Befugnis aus § 17 Abs. 1 BEEG Gebrauch machen wollte. Wie die Beklagte selbst angibt, geht daraus lediglich der Wille hervor, „keinerlei Zahlungen mehr vorzunehmen.“ (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 20.10.2022, S. 4 = Bl. 291 d. A.). Etwaige Zahlungsansprüche sollten danach erlöschen. Demgegenüber erlischt nach § 17 Abs. 1 BEEG mit dem Zugang der Kürzungserklärung bei der Arbeitnehmerin lediglich der hiervon erfasste Erholungsurlaub im Umfang von 1/12 des Jahresurlaubs je vollem Monat der Elternzeit. Ein Zahlungsanspruch erwächst hieraus erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe der § 17 Abs. 3 BEEG, § 7 Abs. 4 BUrlG.
2. Der danach grundsätzlich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.10.2021 bestehende Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 17 Abs. 3 BEEG, § 7 Abs. 4 BUrlG ist nicht durch die Abgeltungsklausel in Ziff. 6 des Aufhebungsvertrags zum Erlöschen gebracht worden. Durch die Abgeltungsklausel konnte nicht von dem Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 17 Abs. 3 BEEG, § 7 Abs. 4 BurlG abgewichen werden, § 13 Abs.1 S. 3 BurlG.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt (vgl. BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 278/16 – Rn. 17 m.w.N.). Demgegenüber meinen das LAG Köln (Urteil vom 08.11.2012 – 7 Sa 767/22 – unter II.5.b) cc) d. G.) und ihm folgend das LAG Berlin Brandenburg (Urteil vom 19.02.2016 – 8 Sa 1923/15 – Rn. 23), dass nach Aufgabe der Surrogationstheorie jedenfalls dann, wenn die Urlaubsansprüche, um deren Abgeltung es gehe, im Zeitpunkt des Verzichts bzw. Erlasses bereits entstanden seien und das Arbeitsverhältnis bereits beendet sei oder sein bevorstehendes Ende verbindlich feststehe, es der Vertragsautonomie des Arbeitnehmers überlassen bleiben müsse, über einen solchen Zahlungsanspruch verfügen zu können wie über jeden anderen Zahlungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer könne ohnehin nicht gezwungen werden, seine Urlaubsabgeltungsansprüche geltend zu machen, bevor sie verjährt seien. Auch eröffne die Zulässigkeit eines Verzichts auf Urlaubsabgeltung legitime rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, die sich tendenziell zugunsten des Arbeitnehmers auswirken könnten.
b) Der Auffassung des LAG Köln und des LAG Berlin Brandenburg ist nicht zu folgen.
(ebenso LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.06.2021 – 2 Sa 116/20 – Rn. 30). Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG „kann, abgesehen von § 7 Abs. 2 S. 2, von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.“ Damit ist bestimmt, dass eine Abweichung von der Urlaubsabgeltungsregelung in § 7 Abs. 4 BurlG nicht zulässig ist. Denn von dieser Norm ist in § 13 Abs. 1 S. 3 BurlG nicht „abgesehen“ worden. Aber auch der Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG sprechen dafür, dass auch nach Aufgabe der Surrogatstheorie ein Verzicht auf den Urlaubsabgeltungsanspruch nur zulässig ist, wenn die Vereinbarung nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustande kommt. Denn die Vorschrift will nicht nur sicherstellen, dass der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub hat, sondern sichert auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, den der Arbeitgeber wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewähren kann. Dieser gesetzliche Schutzzweck würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11 – Rn. 13; vom 19.02.2019 – 9 AZR 278/16 – Rn. 17). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 19.06.2012 – 9 AZR 652/10, der zufolge die Surrogatstheorie insgesamt aufgegeben wurde, von einer Änderung des § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG bisher abgesehen hat. Trotzdem der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs nunmehr als reiner Geldanspruch betrachtet wird, wurde über § 13 Abs.1 S. 3 BurlG die zwingende Geltung des § 7 Abs. 4 BurlG beibehalten. Des Weiteren ist der Beklagten nicht darin zu folgen, dass bereits bei Abschluss des Aufhebungsvertrags am 13.10.2021 wegen der Unmöglichkeit, 92 Urlaubstage bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.10.2021 zu gewähren, der Urlaubsabgeltungsanspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sei. § 7 Abs. 4 BUrlG knüpft allein an die durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verursachte Unmöglichkeit an, den noch bestehenden Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers durch bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht zu realisieren. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung setzt somit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist und bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein offener Urlaubsanspruch bestand (vgl. BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 278/16 – Rn. 11 m. w. Nachw.). Hieran ist auch aus Gründen der Rechtsicherheit festzuhalten. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung nicht notwendig feststehen muss, ob und in welchem Umfang ein Urlaubsabgeltungsanspruch besteht. Hätte die Beklagte von der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 BEEG Gebrauch gemacht, wären die Urlaubsansprüche der Klägerin in erheblichen Umfange gemindert. Es hätte kein oder ein geringerer Urlaubsabgeltungsanspruch bestanden.
Schließlich folgt eine andere rechtliche Beurteilung nicht durch die Regelungen in § 17 BEEG. § 17 Abs. 3 BEEG erweitert die Fälle, in denen eine Abgeltung des Urlaubs in Geld stattfindet. Er schränkt insbesondere nicht die Abgeltungsmöglichkeit nach § 7 Abs. 4 BurlG ein. Dies folgt aus einer Zusammenschau des § 17 Abs. 3 BEEG mit § 17 Abs. 2 BEEG. § 17 Absatz 2 BEEG stellt eine Sonderregelung gegenüber § 7 Absatz 3 BUrlG dar. Die Regelung sichert dem Arbeitnehmer, der Elternzeit in Anspruch nimmt, den Urlaubsanspruch über den in § 7 Absatz 3 BUrlG genannten Zeitpunkt hinaus. Ohne die Regelung würde der Urlaubsanspruch nach dem Wortlaut des § 7 Absatz 3 BUrlG zum 31.03. des Folgejahres verfallen, weil der Urlaub aus Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (und die nicht auf einer Arbeitsunfähigkeit beruhen), nicht eingebracht werden konnte. § 17 Absatz 2 BEEG begründet daher einen über § 7 Absatz 3 BUrlG hinausgehenden Übertragungstatbestand. Da § 17 Absatz 2 BEEG auf den Fall abstellt, in dem das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit fortgesetzt wird, hat der Gesetzgeber in § 17 Absatz 3 BEEG auch den Fall geregelt, dass das Arbeitsverhältnis über das Ende der Elternzeit hinaus nicht fortgesetzt wird und der Urlaub daher nicht mehr gemäß § 17 Absatz 2 BEEG gewährt werden kann. Ohne eine spezielle Regelung würde es bei der allgemeinen Bestimmung des § 7 Absatz 4 BUrlG verbleiben, was dazu führen würde, dass Urlaubsansprüche, die bei einer entsprechenden Dauer der Elternzeit nach § 7 Absatz 3 BUrlG verfallen wären, auch nicht mehr abzugelten wären (vgl. LAG Nürnberg, Urteil vom 04.10.2011 – 7 Sa 169/11 – Rn. 27; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16.06.2017 – 4 Sa 7/17 – Rn. 29sNK-ArbR/Stephan Osnabrügge, 1. Aufl. 2016, BEEG § 17 Rn. 23; BeckOK ArbR/Schra- der, 66. Ed. 1.12.2022, BEEG § 17 Rn. 14). Ebenso lässt § 17 Abs. 1 BEEG nicht den Schluss zu, die Abgeltung des noch bestehenden gesetzlichen Urlaubs sei im bestehenden Arbeitsverhältnis abdingbar. § 17 Abs. 1 BEEG gibt dem Arbeitgeber das Recht zur Kürzung des Urlaubs um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit. Eine Aussage zur Zulässigkeit der Abdingbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist damit nicht getroffen. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Elternzeit gelten die Rechtsgrundsätze des § 7 Abs. 4 BurlG (vgl. Neumann/Fenski/Kühn/Fenski, 12. Aufl. 2021, BEEG § 17 Rn. 9; Rancke in Rancke/Pep- ping, Mutterschutz | Elterngeld | Elternzeit | Betreuungsgeld, 6. Auflage 2022, § 17 BEEG Rn. 18 unter der Annahme, dass sich der Urlaubsanspruch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 17 Abs. 3 BEEG in einen Abgeltungsanspruch nach §7 Abs. 4 BUrlG verwandelt).
3. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung ist nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen, § 242 BGB.
a) Treu und Glauben bilden eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich im konkreten Fall aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass eine unzulässige Rechtsausübung u. a. dann vorliegen kann, wenn sich ein Berechtigter auf eine formale Rechtsposition beruft, die er durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2018 – VI ZR 109/17 – Rn. 20 m.w.Nachw.; BAG, Urt. v. 21.09.2017 – 2 AZR 865/16 – 36).
b) Von einem solchen Fall ist vorliegend nicht auszugehen.
Die Klägerin war aufgrund des in § 241 Abs. 2 BGB formulierten Gebots, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, nicht gehalten, von sich aus deren Geschäftsführer auf noch bestehende Urlaubsansprüche hinzuweisen und Urlaubsabgeltungsansprüche zum Gegenstand der Aufhebungsvertragsverhandlungen zu machen. Grundsätzlich hat jede Partei selbst für die Wahrnehmung ihrer Interessen zu sorgen. Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet seine Grenze jedoch in dem schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners. Wo diese Grenze liegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls und mittels einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln. Dabei sind insbesondere das erkennbare Informationsbedürfnis der einen Partei und die Beratungsmöglichkeiten der anderen Partei zu beachten und gegeneinander abzuwägen (vgl. BAG, Urteil vom 22. 1. 2009 – 8 AZR 161/08 – Rn. 28). Aufgrund der vorgebrachten Umstände bestand zugunsten der Beklagten keine Pflicht zu besonderen Hinweisen auf den noch bestehenden Urlaub bzw. entstehender Urlaubsabgeltungsansprüche. Der Beklagten waren die Urlaubsansprüche der Klägerin bekannt. Sie ergaben sich aus dem Arbeitsvertrag, den Personalunterlagen sowie dem Umstand, dass die Klägerin seit 2019 ununterbrochen in Mutterschutz und Elternzeit gewesen war. Darüber hinaus war es der Geschäftsführer der Beklagten, der um die Aufnahme der Abgeltungsklausel in den Aufhebungsvertrag bat. Ihm war mithin bewusst, dass es noch etwaige Zahlungsansprüche der Klägerin geben könnte. Aufgrund dessen wäre es seine Obliegenheit gewesen, solche abschließend und sicher zu klären. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin durch die Erklärung zum Abschluss des Aufhebungsvertrags auf ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung verzichten würde in Folge der Auszahlung einer Abfindung und der Ausstellung eines „sehr guten“ qualifizierten Arbeitszeugnisses. Dazu bestand kein Anlass. Der Klägerin stand vertraglich eine dreimonatige Kündigungsfrist zu, innerhalb derer sie Anspruch auf Zahlung ihrer monatlichen Vergütung von 4.166,00 € hatte. Mit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.10.2021 und der Vereinbarung der Abfindungszahlung in Höhe von 6.000,00 € ersparte sich die Beklagte bereits diese Gehaltszahlungen bis frühestens 31.01.2022 zzgl. eines Arbeitgeberanteils. Schließlich begründet der Umstand, dass die Klägerin bei den Aufhebungsvertragsvereinbarungen anwaltlich war, keine andere Beurteilung. Auf Seiten der Beklagten wurden die Verhandlungen vom Geschäftsführer geführt, dem es zuzumuten gewesen wäre, sich ggf. Rechtsrat einzuholen.
4. Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin ist der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig. Auch hat die Beklagte den Zinsanspruch nicht angegriffen.
IV.
Die Kosten des Berufungsverfahrens waren verhältnismäßig zu teilen, §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
V.
Die Revision war für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor.