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Leidensgerechte Beschäftigung – Beendigung der Zuweisung gemäß § 44g Abs 5 SGB 2

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 8 Sa 79/13 – Urteil vom 10.04.2014

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.08.2013 (15 Ca 604/12) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die leidensgerechte Beschäftigung des Klägers.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 69 II ArbGG auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts (Bl. 129 – 134 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 134 – 140 d.A.) wird ebenfalls Bezug genommen.

Gegen das am 22.08.2013 verkündete und der Beklagten am 08.10.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.10.2013 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 23.12.2013 – an diesem Tag begründet.

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe tragend auf unzureichende und nicht belegte Feststellungen abgestellt und dabei die fehlende Schlüssigkeit und Substanz des erstinstanzlichen Klägervortrags sowie der in diesem Zusammenhang eingereichten ärztlichen Atteste verkannt. Weiterhin sei das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte habe sich zum Gesundheitszustand des Klägers unzulässiger Weise mit Nichtwissen erklärt. Schließlich enthalte das erstinstanzliche Urteil keine ausreichenden und im Übrigen fehlerhaften Feststellungen zur Frage des Vorliegens einer Ermessenentscheidung auf Null. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung v. 20.12.2013 (Bl. 223 – 236) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.08.2013 (15 Ca 604/12) aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, die Zuweisung des Klägers zur gemeinsamen Einrichtung Jobcenter t. zu beenden, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die Zuweisung des Klägers zur gemeinsamen Einrichtung Jobcenter t. zu beenden. Die Voraussetzungen des § 44g V 1 Nr. 2 SGB II liegen vor (1). Das Ermessen der Beklagten ist auch auf 0 reduziert (2). Die Kammer macht sich die sorgfältige Begründung des Arbeitsgerichts gemäß § 69 II ArbGG zu Eigen. Die Ausführungen der Berufung rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Im Einzelnen:

1. Nach § 44g V 1 Nr. 2 SGB II setzt die Aufhebung der Zuweisung ein Verlangen des betroffenen Arbeitnehmers sowie einen wichtigen Grund voraus.

a) Dass der Kläger bereits am 28.03.2012 mit dem als Anlage K4 (Bl. 12 d.A.) vorgelegten Schreiben die Aufhebung der Zuweisung zum Jobcenter begehrt hat, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

b) Dass Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass das Begehren des Klägers durch einen wichtigen Grund getragen wird. Die Beklagte verkennt, dass die vorliegenden Atteste zweifelsfrei belegen, dass der Kläger im Jobcenter auch mit den ihm seit dem 01.02.2011 zugewiesenen Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr nicht ohne gesundheitliche Gefährdung beschäftigt werden kann. Zwar bezog sich die erste Äußerung des personalärztlichen Dienstes vom 16.08.2010 (Anl. K3, Bl. 10f d.A.) nur auf die Tätigkeit mit hilfsbedürftigem, potentiell aggressivem Klientel. Der Kläger hat jedoch ergänzende Stellungnahmen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. E. vom 17.12.2012 (Anl. K8, Bl. 29 d.A. und Anl. K9, Bl. 68 d.A.) und 06.06.2013 (Anl. K11, Bl. 85 d.A.) zur Akte gereicht, aus der sich ergibt, dass für den Kläger jede Tätigkeit im Jobcenter – ausdrücklich auch eine solche ohne Publikumsverkehr – gesundheitsschädigend und nicht zumutbar ist. Dieser Befund wird durch die psychologische Psychotherapeutin N. vom 14.06.2013 ausdrücklich bestätigt. Ebenso wie für das Arbeitsgericht (vgl. Bl. 11 des angefochtenen Urteil, Bl. 137 d.A.) ist es auch für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Beklagte die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen pauschal bestreitet. Die Auffassung der Berufung, die Ausführungen des Klägers zu seinem Gesundheitszustand seien unsubstantiiert, ist angesichts der von beiden behandelnden Ärzten konkret beschriebenen Auswirkungen einer Beschäftigung in den Räumen des Jobcenters nicht nachvollziehbar. Die behandelnden Ärzte beziehen sich ausdrücklich auf die vom Kläger seit dem 01.02.2011 ausgeübte Tätigkeit (ohne Publikumsverkehr). Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte sich nicht in zulässiger Weise mit Nichtwissen erklären konnte, da sie jederzeit die Möglichkeit hatte, eine aktuelle und ergänzte Stellungnahme des personalärztlichen Dienstes herbeizuführen.

Ganz und gar unverständlich ist schließlich, auf welcher Tatsachengrundlage die Beklagte auch noch angesichts einer auf einer Untersuchung am 21.02.2014 beruhenden gutachtlichen Äußerung des personalärztlichen Dienstes vom 27.02.2014 (Anl. Bg 2, Bl. 269 – 271 d.A.) an ihrer ablehnenden Position festhält, obwohl dort unter Ziffer 3 die Möglichkeit einer weiteren Tätigkeit in den Räumen des Jobcenter explizit ausgeschlossen wird.

2. Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht von einer Ermessensreduzierung auf 0 ausgegangen. Die Beklagte verkennt hier erneut, dass die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Äußerungen den Zusammenhang zwischen seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Tätigkeit im Jobcenter (ohne Publikumsverkehr) unzweideutig herstellen. Unabhängig davon lassen die Ausführungen der Berufung nicht erkennen, welche alternative Maßnahme zur Behebung der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers außer der Aufhebung der Zuweisung zur gemeinsamen Einrichtung die Beklagte überhaupt in Betracht gezogen hat. Ohne die Feststellung einer möglichen Alternativmaßnahme gehen ihre Ausführungen zum Ermessen ins Leere.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.

III.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Die Berufungskammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die rechtlichen Erwägungen, auf denen das Urteil beruht, haben keine grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 72 II Nr. 1 ArbGG.

 

 

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