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Leidensgerechte Beschäftigung eines Arbeitnehmers- Darlegungs- und Beweislast

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 15 Sa 936/16, Urteil vom 26.10.2016

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.04.2016 – 58 Ca 6143/15 – teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger gemäß den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 22.02.1991 als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin zu beschäftigen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen.

Tatbestand

Leidensgerechte Beschäftigung eines Arbeitnehmers- Darlegungs- und Beweislast
Symbolfoto: Phopthakorn/Bigstock

Die Parteien streiten über die Pflicht zur leidens- und behindertengerechten Beschäftigung des Klägers und über Entgeltansprüche für die Zeit von Dezember 2014 bis März 2016, hilfsweise Schadensersatzansprüche.

Der am ….1964 geborene Kläger ist seit dem 01.03.1991 bei dem beklagten Land als ausgebildeter Gärtner beim Bezirksamt S. beschäftigt. Zu Beginn seiner Tätigkeit führte der Kläger unter anderem Baumkontrollen durch. Er ist kein ausgebildeter Baumkontrolleur. Die Fortbildung zu dieser Tätigkeit wird in 4 Modulen zu je 4 Tagen angeboten und kostet ca. 1.050,00 €. Der Kläger war anfangs in die Lohngruppe IV des BMT-G eingruppiert. Später wurden ihm Tätigkeiten der Lohngruppe V übertragen. Bei dem beklagten Land existiert eine Musterbeschreibung des Aufgabenkreises für diese Tätigkeiten (Anlage BB 4, Bl. 288 ff d. A.). Nach entsprechender Überleitung erfolgt die Vergütung des Klägers nunmehr nach der Entgeltgruppe 6, Stufe 6 des TV-L Berlin. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad von 60.

Unter dem 23.11.2009 erfolgte eine vertrauensärztliche gutachterliche Stellungnahme zur Einsatzfähigkeit des Klägers (Anl. B3, Bl. 49 d. A.). Unter dem 04.06.2010 teilte das Integrationsamt mit, dass für den Kläger keine technische Unterstützung möglich sei (Anl. BB 3, Bl. 287 d. A.). Im Jahr 2011 wurde der Kläger an der Bandscheibe operiert. Unter dem 19.11.2013 erfolgte eine weitere vertrauensärztliche Stellungnahme (Anl. B 4, Bl. 50 d. A.). Ein Personalgespräch wurde am 05.12.2013 unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats durchgeführt. Der Kläger wurde daraufhin bis zu einer beabsichtigten und im Januar 2014 durchgeführten Operation zur Beinumstellung mit gärtnerischen Tätigkeiten auf dem Friedhof In den Kisseln eingesetzt. Am 01.10.2014 kündigte der Kläger an, seine Arbeit zum 30.11.2014 wieder aufnehmen zu wollen. Unter dem 30.10.2014 erfolgt eine letzte vertrauensärztliche Stellungnahme (Anl. K6, Bl. 25 d. A.). Es sei von folgendem positiven Leistungsbild auszugehen:

„leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, Wechsel zwischen sitzenden und stehenden bzw. gehenden Tätigkeiten mit selbst bestimmten Haltungswechseln, Führen von Kraftfahrzeugen“

Das negative Leistungsbild wird wie folgt beschreiben:

„Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken bzw. Arbeiten in ständig gebeugter Haltung, knieende Tätigkeiten, Überkopfarbeiten“

Als der Kläger am 01.12.2014 seine Arbeit aufnehmen wollte, wurde ihm das Schreiben des beklagten Landes vom gleichen Tag (Anl. K8, Bl. 28 f d. A.) übergeben. Seitdem wurde der Kläger nicht mehr beschäftigt und vergütet.

Bis zu diesem Zeitpunkt lagen in der Vergangenheit Arbeitsunfähigkeitszeiten in folgendem Umfang vor:

2011:74 Tage

2012:87 Tage

2013:174 Tage

2014: seit 06.01.2014

Der Kläger hat behauptet, beim Stapeln von Steinen sei es 2012 zu einem Bandscheibenvorfall gekommen. Das beklagte Land habe ihm geeignete Arbeitsmittel immer nur versprochen, aber nicht zur Verfügung gestellt. Nur einmal sei ihm ein verlängerter und leichterer Astkneifer ausgehändigt worden. Es gäbe leichtere Arbeitsmittel, z. B. Rodespaten mit nur 3 kg oder Laubpuster unter 10 kg. Schwerere Arbeitsmittel könnten über eine Laderampe abgeladen oder zu zweit angehoben werden. Das beklagte Land hätte zu keinem Zeitpunkt ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt. Ihm stünden daher Annahmeverzugslohn-, jedenfalls Schadensersatzansprüche zu. Er sei auch bereit, Tätigkeiten der Entgeltgruppe E5 auszuüben. Was er zwischen 2009 und 2014 arbeitsmäßig erbracht habe, könne er auch heute durchführen. Eine Tätigkeit als Baumkontrolleur sei möglich.

Der Kläger hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen,

1. den Kläger gemäß den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 22.02.1991 als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin zu beschäftigen; hilfsweise den Kläger als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin leidensgerecht mit folgenden Tätigkeiten zu beschäftigen:

Fahrzeuge bis 7,5 t bedienen, Strauch- und Heckenschnitt, ggf. mit Motorsäge bei dickem Geäst, Bedienen von Motorsäge, Rasenmäher, Balkenmäher, Laubpuster, Handsense, Handwalze, Spaten, mit Freischneider arbeiten, wechselnd mit anderen Arbeiten mit einer Schaufel oder Hacke Unkraut entfernen, mit der Grabegabel Unkraut auflockern und mit der Hand herausziehen, Sträucher pflanzen und auspflanzen, Rasen ansäen, Rasen reinigen, Rasen mähen, Bäume fällen, Arbeiten mit Motorstangensäge und Handstangensäge, wechselnd mit anderen Tätigkeiten, Arbeiten mit Laubkratzern, die leicht biegsam sind, Arbeiten mit rückentragbaren Laubpustern, Mauern ausbessern und verfugen, Koppelzaunbau, Spielplatzkontrollen, Baumkontrolle, Wässern, Wege fegen; hilfsweise den Kläger als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin leidensgerecht, d.h. unter Ausschluss der Tätigkeiten häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken bzw. Arbeiten in ständig gebeugter Haltung, kniende Tätigkeiten, Überkopfarbeiten zu beschäftigen;

2. an den Kläger 58.148,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 2.899,80 € seit dem 01.01.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.899,80 € seit dem 01.02.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.899,80 € seit dem 01.03.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.04.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.05.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.06.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.07.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.08.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.09.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.10.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.11.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.12.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.01.2016, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.02.2016, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.03.2016, auf den Betrag in Höhe von 3.056,56 € seit dem 01.04.2016 und auf den Betrag in Höhe von 4.533,40 € brutto und 6.150,06 € brutto jeweils seit Rechtshängigkeit unter Abzug erhaltener sozialstaatlicher Zuwendungen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat sich darauf berufen, dass es an einer vollumfänglichen Leistungsfähigkeit des Klägers fehle. Er könne keine schweren körperlichen Tätigkeiten als Gärtner mehr erbringen. Dies sei jedoch Voraussetzung für eine Tätigkeit nach der Entgeltgruppe E6, was sich durch eine aktuelle Stellenausschreibung vom 06.05.2015 ergebe (Anlage B5 Bl. 51 f d. A.). Baumkontrollen müssten teilweise auf unwirksamem Gelände und in gebückter Haltung durchgeführt werden. Auch fehle dem Kläger das Fachwissen, insbesondere eine spezielle Weiterbildung. Eine Unfallanzeige existiere nicht für das Jahr 2012. Wegen seiner Erkrankungen sei der Nachweis der Erlaubnis zur Benutzung von Motorsägen nicht mehr aktuell und gültig. Hinsichtlich des betrieblichen Eingliederungsmanagements werde auf die durchgeführten Gespräche am 05.01.2012 und 05.12.2013 verwiesen. In ganz Berlin gebe es keine Einsatzmöglichkeiten für den Kläger. Dies folge aus einer Umfrage bei allen Bezirksämtern und den entsprechenden Rückmeldungen.

Mit Urteil vom 21.04.2016 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage insgesamt abgewiesen. Der Zahlungsantrag sei unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt sei. Die Beschäftigungsanträge seien unbegründet, weil der Kläger nicht sämtliche Arbeitsaufgaben eines Gärtners erbringen könne, da er Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen erbringen müsse. Solche Aufgaben seien nicht vorhanden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er behauptet, er könne auch Arbeiten über Kopf erbringen. Die durch das letzte vertrauensärztliche Gutachten ausgeschlossenen Tätigkeiten fielen nur selten an. Nach Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme habe ihm der Arzt zuletzt mitgeteilt, er könne sämtliche Tätigkeiten ausführen außer denjenigen, bei denen er sich häufig bücken müsse. Vor allen könne er diejenigen Tätigkeiten ausüben, die er zuletzt auf dem Friedhof erbracht habe. Da das beklagte Land seinen Pflichten nach den §§ 81,84 SGB IX nicht nachgekommen sei, sei es nicht nur verpflichtet, Aufgaben anders zuzuschneiden, sondern müsse auch einen Tausch von Aufgaben mit anderen Arbeitnehmern prüfen. Der Zahlungsantrag sei nun hinreichend im Hinblick auf sozialstaatliche Zuwendungen der Bescheide der Bundesagentur für Arbeit, der Betriebskrankenkasse VBU und der Rentenversicherung konkretisiert, wobei diese Bescheide als Anlage erst am 19.10.2016 eingereicht wurden. Das beklagte Land habe auch gegen die Dienstvorschrift Gesundheit vom 12.11.2007 (Bl. 179 ff d. A.) verstoßen. Baumkontrollen könne er durchführen, da er sich nicht ständig und häufig bücken müsse.

Der Kläger beantragt unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.4.2016, Az.: – 58 Ca 6143/15 – das beklagte Land zu verurteilen,

1. den Kläger gemäß den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 22.02.1991 als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin zu beschäftigen; hilfsweise den Kläger als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin leidensgerecht mit folgenden Tätigkeiten zu beschäftigen: Fahrzeuge bis 7,5 t bedienen, Strauch- und Heckenschnitt, ggf. mit Motorsäge bei dickem Geäst, Bedienen von Motorsäge, Rasenmäher, Balkenmäher, Laubpuster, Handsense, Handwalze, Spaten, mit Freischneider arbeiten, wechselnd mit anderen Arbeiten mit einer Schaufel oder Hacke Unkraut entfernen, mit der Grabegabel Unkraut auflockern und mit der Hand herausziehen, Sträucher pflanzen und auspflanzen, Rasen ansäen, Rasen reinigen, Rasen mähen, Bäume fällen, Arbeiten mit Motorstangensäge und Handstangensäge, wechselnd mit anderen Tätigkeiten, Arbeiten mit Laubkratzern, die leicht biegsam sind, Arbeiten mit rückentragbaren Laubpustern, Mauern ausbessern und verfugen, Koppelzaunbau, Spielplatzkontrollen, Baumkontrolle, Wässern, Wege hilfsweise den Kläger als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin leidensgerecht, d.h. unter Ausschluss der Tätigkeiten häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken bzw. Arbeiten in ständig gebeugter Haltung, kniende Tätigkeiten, Überkopfarbeiten zu beschäftigen;

2. an den Kläger 58.148,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 2.899,80 € seit dem 01.01.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.899,80 € seit dem 01.02.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.899,80 € seit dem 01.03.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.04.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.05.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.06.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.07.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.08.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.09.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.10.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.11.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.12.2015, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.01.2016, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.02.2016, auf den Betrag in Höhe von 2.975,79 € seit dem 01.03.2016, auf den Betrag in Höhe von 3.056,56 € seit dem 01.04.2016 und auf den Betrag in Höhe von 4.533,40 € brutto und 6.150,06 € brutto jeweils seit Rechtshängigkeit unter Abzug erhaltener sozialstaatlicher Zuwendungen in Höhe von 24.496,95 € netto zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land behauptet, der Kläger könne den größten Teil der Arbeiten der Entgeltgruppe E6 nicht mehr erbringen. Dies seien laut Gutachter mindestens 75 % der Tätigkeiten. Dies gelte auch bei Zurverfügungstellung von Hilfsmitteln. Der Kläger sei überhaupt nicht in der Lage, auch nicht im Hinblick auf seine Beinprobleme, Tätigkeiten eines Gärtners zu erbringen. Alle Arbeitsplätze als Gärtner erforderten mindestens körperliche Belastbarkeit, insbesondere Zwangshaltungen und Tätigkeiten bei extremer Witterung. Es gebe keine Arbeitsplätze, bei denen der Kläger als Gärtner nur selektiv eingesetzt werden könnte. Er könne inzwischen gerade nicht mehr die Tätigkeiten erbringen, die er noch 2009 erbracht habe. Baumkontrollen seien ihm schon wegen der unzulässigen Überkopfarbeit nicht möglich. Auch müsse er sich hierbei häufig bücken, um Schäden beim Wurzelansatz zu erkennen. Die Ende des Jahres 2013 zugewiesenen Tätigkeiten auf dem Friedhof seien allenfalls der Entgeltgruppe E4 zuzuordnen. Der Kläger könne gärtnerische Tätigkeiten der Entgeltgruppe E6 gar nicht mehr bringen, weder nach Absolvierung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, noch nach dem Hamburger Modell, noch nach Qualifizierung oder Zurverfügungstellung von Hilfsmitteln. Das Anlagenkonvolut hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Bescheide stelle einen unsubstantiierten und nicht einlassungsfähigen Vortrag dar. Der Kläger könne keinerlei kniende Tätigkeiten ausführen, was sich aus dem Attest vom 16.05.2013 (Anlage BB1, Bl. 283 d. A.) ergebe.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat nur hinsichtlich des Beschäftigungsantrages Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form-und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist nur teilweise begründet. Nur in diesem Umfang war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern.

1. Das beklagte Land ist verpflichtet, den Kläger gemäß den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 22.02.1991 als Landschaftsgärtner der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L Berlin zu beschäftigen. Dies ergibt sich aus § 611 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag, denn die Parteien befinden sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger begehrt die leidensgerechte Beschäftigung als schwerbehinderter Mensch gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Z. 1 SGB IX. Er geht davon aus, dass er nach Aussage des Rehabilitationsarztes sämtliche Tätigkeiten durchführen könne außer denjenigen, bei denen er sich häufig bücken müsse. Demgegenüber ist das beklagte Land der Ansicht, der Kläger könne mindestens 75 % der Tätigkeiten nicht mehr ausführen, zu denen er arbeitsvertraglich verpflichtet sei bzw. er könne diese Tätigkeiten gar nicht mehr ausführen.

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt nach der Rechtsprechung des BAG in diesen Fällen, dass nach den allgemeinen Regeln grds. der schwerbehinderte Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt, während der Arbeitgeber die anspruchshindernden Umstände (z.B. Unzumutbarkeit der Beschäftigung) vortragen muss. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber seinen Pflichten zur rechtzeitigen Beteiligung des Integrationsamtes und der Schwerbehindertenvertretung im Präventionsverfahren nach § 84 I SGB IX nicht nachgekommen ist. Nach dieser Norm hat der Arbeitgeber diese Stellen (und auch den Personalrat) möglichst frühzeitig zu beteiligen, wenn es zum Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis kommt, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen könnten. Dem Arbeitgeber wird damit eine aktive Rolle für die Eingliederung und gegen die Ausgliederung des schwerbehinderten Arbeitnehmers zugewiesen. Die Beteiligung dieser Stellen soll gewährleisten, dass alle Möglichkeiten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fachkundig untersucht und deren technische sowie wirtschaftliche Realisierbarkeit geprüft werden. Hat der primär darlegungspflichtige Arbeitnehmer – wie zumeist – keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen, kann dem Arbeitgeber eine sekundäre Behauptungslast auferlegt werden. Das Wissen, wie ein behindertengerechter Arbeitsplatz in seinem Betrieb einzurichten und auszustatten ist, kann einem Arbeitgeber nicht unterstellt werden. Auf dieses fehlende Wissen kann sich ein Arbeitgeber jedoch nicht berufen, wenn er die Beteiligungspflicht gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt hat (BAG 04.10.2005 – 9 AZR 632/04 – NZA 2006,442 Rn. 28 ff., juris mit Anm. Kohte).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das beklagte Land der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass von einer Leistungsunfähigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden kann.

Mit Erstattung des vertrauensärztlichen Gutachtens vom 30.10.2014 ergaben sich personenbedingte Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis, die zu dessen Gefährdung geführt haben. Dies zeigt sich schon daran, dass das beklagte Land dieses Gutachten zum Anlass genommen hat, den Kläger gar nicht mehr zu beschäftigen und zu vergüten. Insofern hätte das beklagte Land die Schwerbehindertenvertretung, das Integrationsamt und auch den Personalrat einschalten müssen, um mit Ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistung zu erörtern, mit denen diese Schwierigkeiten hätten beseitigt werden können. Das beklagte Land hat in dieser Phase allenfalls die Schwerbehindertenvertretung beteiligt (so jedenfalls die Darstellung des Bezirksamts S. am Ende des Schreibens vom 01.12.2014, Anl. K8). Eine aktuelle Beteiligung auch des Integrationsamtes war nicht deswegen entbehrlich, weil diese Stelle und der Personalrat schon früher beteiligt wurden. Das beklagte Land beruft sich insofern auf eine Stellungnahme des Integrationsamts vom 04.06.2010 (Anlage BB 3, Bl. 287 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt lag nur die vertrauensärztliche Stellungnahme vom 23.11.2009 vor. Danach wurden Einschränkungen durch gehäuftes Knien, Treppensteigen sowie Arbeiten unter dauerhaftem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne Hilfsmittel festgestellt. Trotz dieser Stellungnahme konnte und wurde der Kläger gärtnerisch eingesetzt. Jedenfalls selbst bis zum Jahresende 2012 lagen die Arbeitsunfähigkeitszeiten unter 3 Monaten pro Jahr. Die vertrauensärztliche Stellungnahme vom 30.10.2014 ging von weiteren Einschränkungen aus (nur leichte körperliche Tätigkeiten…). Statt daraufhin einseitig die Leistungsunfähigkeit des Klägers anzunehmen, hätte das beklagte Land spätestens jetzt sowohl das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX als auch das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchführen müssen.

Damit lag die (sekundäre) Darlegungslast beim beklagten Land, denn es kann nicht angenommen werden, dass der Kläger als gelernter Gärtner über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt, um beurteilen zu können, wie eine behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeit gefunden oder geschaffen werden könnte. Das beklagte Land hat aber nicht substantiiert genug dargelegt, dass eine leidensgerechte Beschäftigung des Klägers ausgeschlossen ist.

So hat das beklagte Land vorgetragen, dass der Kläger mindestens 75 % seiner bisherigen Tätigkeit nicht mehr ausführen könne. Damit bleibt offen, warum der Kläger nicht im Rahmen der Ausübung der übrigen 25 % seiner Tätigkeiten vertragsgerecht hätte beschäftigt werden könnte.

Das beklagte Land hat ferner behauptet, dass kein Arbeitsplatz vorhanden sei, auf dem nicht schwere Tätigkeiten zu verrichten sind. Auch aus dieser Beschreibung des jetzigen Zustandes kann nicht abgeleitet werden, dass eine vertragsgerechte Beschäftigung des Klägers unmöglich ist. Die Gärtner werden überwiegend in Gruppen von ca. 4 Personen eingesetzt. Es ist nicht ersichtlich, warum innerhalb der Gruppen nicht eine Umverteilung der Arbeitsaufgaben dahingehend stattfinden könnte, so dass körperlich schwere Arbeitstätigkeiten für den Kläger vermieden werden.

Vor allem aus der von dem beklagten Land selbst eingereichten Musterbeschreibung des Aufgabenkreises (Anlage BB4, Bl. 288 ff d. A.) ergibt sich, dass schwere körperliche Arbeiten nicht zwangsläufig zu den hochwertigen gärtnerischen Tätigkeiten der früheren Lohngruppe 5 und jetzigen Entgeltgruppe 6 gehören. Dies betrifft dort insbesondere die Ziffern 4, 5, 9 und 10, die vor allem Organisations- und Kontrolltätigkeiten beschreiben. Verwaltungstätigkeiten müssten auch nicht zwangsläufig nur im Sitzen durchgeführt werden. Eine Arbeit auch am Stehpult wäre grundsätzlich möglich. Soweit dem Kläger notwendige Kenntnisse und Erfahrungen fehlen sollten, hat das beklagte Land nicht dargelegt, warum der Kläger nicht in angemessener Zeit und bei entsprechender Weiterbildung diese Tätigkeiten hätte ausüben können.

Deutlich wird dies auch bei den vom Kläger selbst angesprochenen Baumkontrollarbeiten. Der Kläger hat insofern unwidersprochen vorgetragen, dass er diese Tätigkeiten zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hatte. Eine entsprechende Weiterbildung werde an insgesamt 16 Tagen vermittelt, wobei Kosten in Höhe von ca. 1.050,00 € anfielen. Es ist nicht ersichtlich, warum dem beklagten Land eine entsprechende Weiterbildung des Klägers nicht hätte zugemutet werden können, zumal das Integrationsamt möglicherweise sich kostenmäßig beteiligt hätte. Der Hinweis, der Kläger dürfe Überkopfarbeiten nicht erbringen, geht fehl. Der Kläger soll (mit seinen Händen) nicht Überkopfarbeiten durchführen, sondern allenfalls die Baumkrone von unten betrachten. Gleiches gilt für die Darlegung, der Kläger müsse auch den Wurzelbereich beurteilen. Gelegentliches Bücken oder Knien war auch nach der Beurteilung vom 30.10.2014 nicht ausgeschlossen. Eine Einschränkung erfolgte nur insofern, dass diese Tätigkeiten „auf Dauer nicht geeignet“ seien.

Der pauschale Vortrag des beklagten Landes, der Kläger könne seine arbeitsvertragliche Tätigkeit gar nicht mehr bringen, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines substantiierten Vorbringens.

Ob das beklagte Land auch gegen seine Verpflichtungen aus der Dienstvereinbarung Gesundheit verstoßen hat, kann letztendlich offen bleiben.

2. Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich des Zahlungsantrages unbegründet. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet an den Kläger 58.148,90 € brutto abzgl. 24.496,95 € netto nebst Zinsen zu zahlen.

Soweit der Kläger Zahlungen für nicht gewährten Urlaub für die Jahre 2013 (1.206,68 €), 2014 (3.326,72 €) und 2015 (3.471,76 €) in Höhe von insgesamt 8.005,16 € brutto verlangt, ist eine Anspruchsgrundlage hierfür nicht gegeben. Es kann offen bleiben, ob dem Kläger für die einzelnen Jahre ein entsprechender Urlaubsanspruch zustand under diesen rechtzeitig gegenüber dem beklagten Land geltend gemacht hat, so dass prinzipiell ein Schadensersatzanspruch gegeben sein könnte. Der Schadensersatzanspruch wäre dann auf Naturalrestitution gerichtet. Das beklagte Land müsste dem Kläger für den untergegangenen Jahresurlaub jeweils freie Tage in gleicher Höhe als Schadensersatz leisten. Dies begehrt der Kläger aber nicht. Ein Zahlungsanspruch wäre nur gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wäre. Dies ist unstreitig nicht der Fall.

Auch ansonsten ist ein Zahlungsanspruch nicht gegeben. Der Kläger trägt selbst vor, dass ihm zwischenzeitlich eine lebensbedrohliche Diagnose gestellt worden war. Er trägt jedoch nichts dazu vor, in welchem Zeitraum er diesbezüglich arbeitsunfähig erkrankt war und inwiefern der 6-Wochenzeitraum für die Lohnfortzahlung nicht überschritten wurde.

Weiterhin konnte nicht festgestellt werden, in welcher Höhe der Kläger sich Sozialleistungen hätte anrechnen lassen müssen. Auch insofern fehlt ein substantiierter Vortrag des Klägers, worauf in der Berufungsverhandlung hingewiesen worden ist (siehe Protokoll). Schriftsätzlich erfolgte keinerlei Vortrag. Der Kläger hat nur kurz vor dem Berufungstermin ohne weitere Erläuterung ein Anlagenkonvolut mit Bescheiden von Sozialversicherungsträgern eingereicht. Dies ersetzt ein schriftsätzliches Vorbringen jedoch nicht. Nach Auffassung des BAG dienen Anlagen lediglich der Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags, können diesen aber nicht ersetzen (BAG 16.05.2012 – 5 AZR 347/11 – NZA 2012, 939 Rn. 29). Nach hiesiger Auffassung kann etwas anderes allenfalls dann gelten, wenn die Anlagen übersichtlich und aus sich selbst heraus verständlich sind, so z. B. bei der Darstellung einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Es liegen verschiedene Bescheide von Sozialversicherungsträgern vor, wobei einzelne Bescheide wieder aufgehoben wurden. Die Bescheide decken teilweise auch Zeiträume ab, die hier nicht streitgegenständlich sind. Ein genaues Berechnen wäre also erforderlich, so dass es schon insofern an der Übersichtlichkeit fehlt.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat insgesamt der Kläger zu tragen. Zwar hat er mit dem Antrag zu 1. obsiegt (Streitwert 3.056,56 €; ein Monatsgehalt) doch unterlag er mit dem Zahlungsantrag (Streitwert 58.148,90 € – 24.496,95 € = 33.651,95 €). Gemessen an dem Gesamtstreitwert von 36.708,51 € lag der Streitwert des Obsiegens unter 10 %, so dass die Kosten dem Kläger insgesamt auferlegt werden konnten (§ 92 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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