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Leidensgerechte Beschäftigung eines schwerbehinderten Berufskraftfahrers

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 272/17 – Urteil vom 13.11.2017

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.02.2017, Az.: 9 Ca 1496/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob und inwieweit die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger leidensgerecht zu beschäftigen und des Weiteren darüber, ob ihm Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten wegen entsprechender unterbliebener Beschäftigung zustehen.

Der Kläger steht seit 1999 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in einem Arbeitsverhältnis, zuletzt zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von € 2.302,59. Nach dem schriftlich zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrag von 1999, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 7 – 10 d. A. Bezug genommen wird, erfolgte nach Maßgabe von dessen § 1 „die Einstellung…mit Wirkung 1999 als Fahrer.“ Der Kläger ist 1958 geboren; mit Bescheid von 2015 ist ihm ein Grad der Behinderung von 50 attestiert worden.

In einer sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit X-Stadt, vom 10.03.2016, die durch Dr. P. erstellt wurde, heißt es u.a.:

„Teil B: Sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber:

1 Integrationsrelevante Funktionseinschränkungen

Vielfältige körperliche Beschwerden vor allem aus dem orthopädischen Formenkreis überlagert durch psychische Faktoren.

2 Leistungsbild

bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wird eine vollschichtige Tätigkeit (täglich 6 Stunden und mehr leistungsfähig) hinsichtlich des zeitlichen Umfangs, in dem eine Tätigkeit entsprechend dem positiven und negativen Leistungsbezug ist, angenommen.“

Unter 2.3 Eine maximale körperliche Arbeitsschwere von leichte bis mittelschwere Arbeit und

unter 2.4 unter Arbeitshaltung Arbeiten im Stehen zeitweise, Arbeiten im Gehen zeitweise und Arbeiten im Sitzen ebenfalls zeitweise.

Unter 2.5 (Ergänzende Beschreibung des positiven Leistungsbilds) wird nach den vorliegenden Befundunterlagen agenturärztlicherseits davon ausgegangen, dass leichte körperliche Tätigkeiten mit zeitweilig eingestreuter mittelschwerer Arbeit, vollschichtig, mit zeitweiligem Stehen, Gehen und Sitzen ausgeübt werden kann.

Unter 2.6 (Ergänzende Beschreibung des negativen Leistungsbildes) wird ausgeführt, dass schwere körperliche Arbeit und ständig oder überwiegend mittelschwere Arbeiten vermieden werden sollten. Belastungen der Arme mit Armvorhaltetätigkeiten, Überkopfarbeiten, häufige Rotation der Halswirbelsäule, Wirbelsäulenzwangshaltungen, ausschließliches oder überwiegendes Sitzen, Stehen oder Gehen, sind nicht zuträglich. Zusätzlich sollte Nachtarbeit vermieden werden und stark stressbelastende Tätigkeiten, wie Akkordarbeit. Auch hochkonzentrative Arbeiten mit Konzentration, Aufmerksamkeit, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit erscheinen danach derzeitlich nicht realisierbar. Hierzu gehören auch Tätigkeiten mit umfänglicher Planung komplexer Aufgaben.

Sodann heißt es in dieser medizinisch gutachterlichen Stellungnahme:

„3 Sozialmedizinische Beurteilung

Der Kunde hat keine Schweigepflichtentbindungen unterzeichnet, so dass zusätzliche Befundunterlagen nicht hinzugezogen werden können, insbesondere nicht das Reha-Ergebnis des XY X-Stadt vom Mai 2015. Dabei sind die vorhandenen Veränderungen nicht derart, dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen definiert werden muss. Die vorliegenden Einschränkungen sollten Berücksichtigung finden. Die Tätigkeit als Berufskraftfahrer oder Maurer ist aus agenturärztlicher Sicht, aufgrund der vielfältigen Beschwerden, insbesondere auch der zusätzlich durch psychische Minderbelastbarkeit verstärkt empfundenen Schmerzen, derzeit nicht realisierbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird Leistungsfähigkeit, wie oben dargestellt, gesehen.

4 Beantwortungen der Fragen im Auftrag an den ärztlichen Dienst

Ausführungen, siehe oben.

Die Einschränkungen, vor allem die orthopädischen Veränderungen, werden auf Dauer zu berücksichtigen bleiben.“

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der sozialmedizinischen Stellungnahme wird auf Bl. 37, 38 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger ist seit dem 11.11.2015 arbeitsunfähig erkrankt. Der Krankengeldbezug endete mit dem 12.02.2016. Die Agentur für Arbeit tritt seit dem 13.02.2016 ein; der Kläger erhält monatlich € 1.037,40 €. Hinsichtlich des entsprechenden Bescheides wird auf Bl. 43 ff. d. A. Bezug genommen.

Am 29.01.2016 fand ein BEM-Gespräch zwischen den Parteien statt. Die Arbeitnehmervertretung schlug ausweislich des Protokolls eine veränderte Tourenplanung und/oder (?) einen zusätzlichen Beifahrer vor. Der Kläger äußerte seinen Wunsch, weiterhin als Fahrer arbeiten zu wollen und strebte die Veränderung der Touren bzw. den Einsatz eines Beifahrers an. Einigkeit konnte zwischen den Parteien freilich nicht erzielt werden. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des BEM-Gesprächs wird auf Bl. 47 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger ließ die Beklagte unter dem 04.04.2016 anschreiben mit der Aufforderung, zu erklären, ihn leidensgerecht zu beschäftigen „in Form einer geänderten Tourenplanung, so dass er nicht mehr als 7 kg heben“ müsse. Die Beklagte kam diesem Ansinnen nicht nach.

Der Kläger verfolgt dieses Ziel mit der streitgegenständlichen Klage weiter und verlangt für die Zeit ab Januar 2016 Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen der aufgrund seiner vertraglichen Vergütung erzielten Nettovergütung und dem geleisteten Arbeitslosengeld.

Der Kläger hat vorgetragen, es könne sein, dass man seit 2012 mit ihm informelle Gespräche geführt habe, unzutreffend sei es aber, insoweit von einer Wiedereingliederung zu sprechen. Gleiches gelte für das Jahr 2014. Ein erstes BEM-Gespräch habe es am 29.01.2016 gegeben. Ein weiteres Gespräch habe am 01.07.2016 stattgefunden, dessen Inhalt in Ansehung des Protokolls (vgl. Bl. 78 d. A.) nicht bestritten werden könne. Dass er auf der Tätigkeit als Berufskraftfahrer bestehe, liege einerseits daran, dass er sein ganzes Leben als solcher tätig gewesen sei und zum anderen daran, dass ihm keine umsetzbare Alternative angeboten worden sei. Keineswegs treffe es zu, dass er nicht im Bereich check out, Fleisch, Tiefkühlbereich und Wareneingang arbeiten könne. Dass es in all den genannten Bereichen des Hebens von Dingen über 7 kg bedürfe, müsse nach lebensnaher Betrachtung doch stark bezweifelt werden. Aus dem sozialmedizinischen Gutachten vom 10.03.2016 gehe die Tatsache hervor, dass die Tätigkeit als Berufskraftfahrer mit Unterstützungsleistungen möglich sei. Im Raum stünden aber Anpassungen der Routen, die Einsetzung von Hilfspersonen sowie einen Ladekran. Es treffe nicht zu, dass eine Anpassung der Routen nicht umsetzbar und zumutbar sei. Ebenso wenig treffe es zu, dass die Beiordnung eines Hilfsfahrers, auch mit Unterstützungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit, nicht realisierbar sei. Insgesamt müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte sich ihrer aus dem Gesetz ergebenden Verpflichtung, die ihm gegenüber als Schwerbehinderten bestünde, nicht wirklich bewusst sei. Insoweit sei eine Anfrage des Integrationsamtes nach § 80 Abs. 5 SGB IX geplant, deren Durchführung bisher noch nicht habe erfolgen können, da aus terminlichen Gründen das zuvor notwendige gemeinsame Gespräch mit ihm und seiner Prozessbevollmächtigten noch nicht habe erfolgen können; deshalb sei es ihm noch nicht möglich, eine weitere, die Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorzutragen. Keineswegs treffe es aber zu, dass aufgrund der Natur des Betriebes der Beklagten als Logistikunternehmen einerseits und seiner persönlichen Fähigkeiten andererseits an sich keine alternative Beschäftigung gefunden werden könne.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

I. ihn in Zukunft aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung in seiner Tätigkeit als Kraftfahrer so einzusetzen, dass er nicht mehr als 7 kg heben muss,

II. brutto € 6.470,28 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweilig gültigen Basiszinssatz

aus € 718,92 ab dem 01.01.2016,

aus € 1.437,84 ab dem 01.02.2016,

aus € 2.156,76 ab dem 01.03.2016,

aus € 2.875,68 ab dem 01.04.2016,

aus € 3.594,60 ab dem 01.05.2016,

aus € 4.313,52 ab dem 01.06.2016,

aus € 5.032,44 ab dem 01.07.2016,

aus € 5.751,36 ab dem 01.08.2016 und

aus € 6.470,28 € ab dem 01.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es habe bereits seit 2012 Bemühungen gegeben, den Kläger wiedereinzugliedern. Seit 2014 habe man mehrere BEM-Gespräche geführt, unter anderem zuletzt am 29.01.2016. Danach habe man weiterhin am 01.07.2016 weitere Einsatzmöglichkeiten besprochen, ohne dass es jedoch zu einem positiven Ergebnis gekommen sei.

An der Hauptkasse könne der Kläger aufgrund seiner nicht ausreichenden Deutschkenntnisse nicht eingesetzt werden. Im Bereich des check outs, Fleisch, Tiefkühlbereich und Wareneingang komme aufgrund der Hebeeinschränkungen eine Tätigkeit nicht in Betracht. Nach der sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom 10.03.2016 sei der Kläger unabhängig von den in der Klage aufgeführten Einschränkungen der Hebefähigkeit auch im Gesamtbild der Einschränkungen nicht mehr geeignet als Berufskraftfahrer. Es sei ihm ein ausschließliches oder überwiegendes Sitzen laut Agenturarzt nicht zumutbar. Die weiteren genannten Einschränkungen, wie die Belastung der Arme mit Armvorhaltetätigkeit und die Einschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule stünden ebenfalls schon der reinen Fahrtätigkeit entgegen. Zudem seien die meisten Produkte, die ausgeliefert würden, unverpackt und wögen in der Summe deutlich über 7 kg. Der Fall, dass ein Kunde nur Produkte bestelle, die unter 7 kg lägen, existiere nicht. Eine eigene Route dafür könne sinnvoll nicht eingerichtet werden. Die Zusammenstellung der Lieferungen erfolge nach Kunde und Ort der Lieferung. Mit einer Kommissionierung nach Gewicht würde man ihr, der Beklagten, eine komplette logistische Neuorientierung abverlangen, was ihr nicht zugemutet werden könne und im Übrigen die weiteren Einschränkungen des Klägers auch nicht beseitige. Letztlich sei die Beiordnung eines Hilfsfahrers selbst mit Unterstützungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit in ihrem Betrieb nicht realisierbar. Nichts anderes gelte für den Einsatz eines Ladekrans am Fahrzeug. Hinsichtlich des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihren Schriftsatz vom 29.11.2016, Seite 5,6 (= Bl. 73, 74 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 16.02.2017 – 9 Ca 1496/16 – abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 120 – 126 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 04.05.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 01.06.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 29.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 14.06.2017 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 29.08.2017 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts am 16.02.2017 habe durchaus die Möglichkeit bestanden, dass der Kläger sehr wohl seine Tätigkeit als Berufskraftführer wieder habe aufnehmen können. Denn die gutachterliche Stellungnahme datiere vom 10.03.2016 und befasse sich mit dem damals aktuellen gesundheitlichen Zustand. Auch gehe die gutachterliche Stellungnahme nicht davon aus, dass die dort bezeichneten Bewegungen und Haltungen im Einzelnen „zu vermeiden“ seien. Die Formulierung laute vielmehr wörtlich, dass solche Bewegungen und Haltungen „nicht zuträglich“ seien. Berücksichtigt werden müsse insbesondere in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der vom Kläger bislang ausgeführten Tätigkeit nicht um eine reine Fahrertätigkeit handele, vielmehr müsse der Kläger bei der Auslieferung von Produkten immer wieder die Fahrt unterbrechen und zur Entladung seines Fahrzeugs ein- und aussteigen. Bei der Beklagten bestehe durchaus die Möglichkeit, mit Hilfe entweder eines vom Integrationsamt oder der Agentur für Arbeit finanziell unterstützten Beifahrers die Routenplanung so zu gestalten, dass der Kläger weiterhin als Berufskraftfahrer unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen beschäftigt werden könne. Insoweit habe das Arbeitsgericht die notwendige Beteiligung des Integrationsamtes außer Acht gelassen. Dabei habe sich die gesundheitliche Situation des Klägers im Zeitraum zwischen der gutachterlichen Stellungnahme und der erstinstanzlichen Entscheidung deutlich verbessert. Eine Wiedereingliederung mit Unterstützung des Integrationsamtes bei der Beklagten könne durchaus zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers als Berufskraftfahrer führen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2017 (Bl. 168 – 173 d. A.) nebst Anlage (Bl. 174) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, verkündet am 16.02.2017, Aktenzeichen 9 Ca 1496/16 abzuändern und die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen,

1. den Kläger in Zukunft aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung in seiner Tätigkeit als Kraftfahrer so einzusetzen, dass er nicht mehr als 7 kg Gewicht heben muss,

2. an den Kläger brutto 15.097,32 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweilig gültigen Basiszinssatz

aus 718,92 € ab dem 01.01.2016,

aus 1.437,84 € ab dem 01.02.2016,

aus 2.156,76 € ab dem 01.03.2016,

aus 2.875,68 € ab dem 01.04.2016,

aus 3.594,60 € ab dem 01.05.2016,

aus 4.313,52 € ab dem 01.06.2016,

aus 5.032,44 € ab dem 01.07.2016,

aus 5.751,36 € ab dem 01.08.2016,

aus 6.470,28 € ab dem 01.09.2016,

aus 7.189,20 € ab dem 01.10.2016,

aus 7.908,12 € ab dem 01.11.2016,

aus 8.627,04 € ab dem 01.12.2016,

aus 9.345,96 € ab dem 01.01.2017,

aus 10.064,88 € ab dem 01.02.2017,

aus 10.783,80 € ab dem 01.03.2017,

aus 11.502,72 € ab dem 01.04.2017,

aus 12.221,64 € ab dem 01.05.2017,

aus 12,940,56 € ab dem 01.06.2017,

aus 13.659,48 € ab dem 01.07.2017,

aus 14.378,40 € ab dem 01.08.2017 und

aus 15.097,32 € ab dem 01.09.2017

zu zahlen.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 13.11.2017 – 3 Sa 272/17 – hat der Kläger diese Anträge wie folgt modifiziert:

„In Ziffer 1) muss es heißen statt 7 Kilo 15 Kilo, in Ziffer 2) brutto 12.221,64 € mit der Maßgabe, dass die Zinsaufstellung endet bei aus 12.221,64 € ab dem 01.05.2017.“

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, der Kläger sei nicht dazu in der Lage, als Fahrer für die Beklagte tätig zu sein. Die jetzt vom Kläger beanstandete gutachterliche Stellungnahme der Agentur für Arbeit sei durch ihn selbst veranlasst worden; nur er habe es in der Hand, durch eine erneute Begutachtung seine Fahrtauglichkeit andererseits und das Erfüllen der weiteren Voraussetzungen für die Fahrertätigkeit andererseits (Abladen usw.) darzulegen. Daran fehle es. Der pauschale Vortrag des Klägers, sein Gesundheitszustand habe sich deutlich gebessert, müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Auch im Berufungsverfahren bleibe der Kläger die Darlegung schuldig, wie konkret die Tätigkeit als Fahrer in ein „leidensgerechtes Gewand“ umgesetzt werden könne. Denn der Kläger müsse nicht nur Fahren, er müsse zudem die gelieferte Ware abladen und je nach Kundenwunsch an dessen Lagerplatz verbringen. Die Rollcontainer, auf denen die Waren angeliefert würden, seien zum Teil bis zu 400 kg schwer. Diese müssten über ggf. unebene Bodenbeläge (Kopfsteinpflaster, Schotter) geschoben werden und bei manchen Kunden auch in den Keller verbracht werden. Dies könne der Kläger nicht leisten. Etwas anderes habe auch das Integrationsamt im Hinblick auf Hebehilfen keineswegs angenommen; im Gegenteil, auch das Integrationsamt schließe mittlerweile die Tätigkeit des Klägers als Fahrer ausdrücklich aus. Insgesamt sei der Kläger nach alledem gesundheitlich nicht dazu in der Lage, als Fahrer bei der Beklagten tätig zu sein. Die geforderten Anpassungen der Tätigkeit seien für die Beklagte schlicht nicht umsetzbar bzw. zumutbar.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 26.09.2017 (Bl. 185 – 187 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 13.11.2017.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger weder die Verurteilung der Beklagten verlangen kann, ihn in der Zukunft aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung und seiner Tätigkeit als Kraftfahrer so einzusetzen, dass er nicht mehr als 7 kg heben muss, noch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 6.470,28 € zuzüglich Zinsen. Folglich hat das Arbeitsgericht die Klage des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug voll umfänglich zu Recht abgewiesen. Nichts anderes gilt für die im Berufungsverfahren zuletzt modifiziert beantragte Verurteilung der Beklagten, ihn in Zukunft aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung in seiner Tätigkeit als Kraftfahrer so einzusetzen, dass er nicht mehr als 15 kg Gewicht heben muss und hinsichtlich der auf 12.221,64 € erhöhten Zahlungsklage. Folglich erweist sich die Berufung als unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Beschäftigung, wie er sie in beiden Rechtszügen mit seinem Klageantrag, den er zuletzt, wie dargelegt, geringfügig geändert hat, gem. § 164 Abs. 4 SGB IX gefordert hat.

Nach Maßgabe dieser Vorschrift hat der eingestellte schwerbehinderte Arbeitnehmer, der seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung aufgrund seiner Behinderung nicht mehr erfüllen kann, einen unmittelbaren zivilrechtlich einklagbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber darauf, so beschäftigt zu werden, dass er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiter entwickeln kann (BAG 10.05.2005 EzA § 81 SGB IX Nr. 7; 14.03.2006 EzA § 81 SGB IX Nr. 11; 13.06.2006 EzA § 81 SGB IX Nr. 13; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2018, Kap. 2 Rn. 186 ff.). Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist und er nach ärztlicher Empfehlung stundenweise seine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen will. Anspruchsvoraussetzung ist dann allerdings die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, die neben der attestierten Arbeitsunfähigkeit einen Wiedereingliederungsplan über die aus ärztlicher Sicht zulässige Arbeit enthält. Die ärztliche Bescheinigung muss außerdem eine Prognose darüber enthalten, ob und ab wann mit einer Wiederherstellung der vollen oder teilweisen Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Denn ansonsten kann der Arbeitgeber nicht entscheiden, ob ihm eine Beschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar ist und er deshalb berechtigt ist, die Mitwirkung an der Wiedereingliederung abzulehnen (BAG 13.06.2006 EzA § 81 SGB IX Nr. 13).

Aufgrund der aus der Schwerbehinderung resultierenden gesteigerten Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, zuvor die dem schwerbehinderten Menschen verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und damit seine behindertengerechten Einsatzmöglichkeiten feststellen zu lassen, es sei denn, es bestehen insoweit keinerlei Unklarheiten (LAG Schleswig-Holstein 08.06.2005 NZA-RR 2005, 510). Der Arbeitgeber muss insgesamt versuchen, den Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung ggf. auch durch Umorganisation zu erfüllen. Insoweit kann der Arbeitgeber u. U. auch verpflichtet sein, durch Umorganisation einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu schaffen, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden kann (BAG 29.11.1997 EzA § 1 KschG Krankheit Nr. 42; LAG Schleswig-Holstein 08.06.2005 NZA-RR 2005, 510). Der gesetzliche Beschäftigungsanspruch umfasst auch Arbeitsplätze, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht aufgrund des Weisungsrechts zuweisen kann; einer vorherigen Änderung des Arbeitsvertrages bedarf es dann nicht (BAG 10.05.2005 EzA § 81 SGB IX Nr. 7); bzw. der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf entsprechende Vertragsänderung (BAG 14.03.2006 EzA § 81 SGB IX Nr. 11). Andererseits gewährt § 164 Abs. 4 SGB IX behinderten Menschen weder einen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz noch ein Recht darauf (LAG Düsseldorf 25.01.2008 EzA § 81 SGB IX Nr. 8), nach ihren Neigungen und Wünschen beschäftigt zu werden. Der Beschäftigungsanspruch steht zudem unter dem Vorbehalt der betrieblichen Möglichkeiten (LAG Schleswig-Holstein 07.06.2005 LAGE § 81 SGB IX Nr. 4). Dabei obliegt es dem Arbeitgeber, durch seine arbeitstechnische Vorgaben und seiner Personalplanung zu bestimmen, wie viele Arbeitnehmer mit der Verrichtung einer bestimmten Aufgabe betraut werden (LAG Rhld.-Pf. 09.02.2004, LAGE § 81 SGB IX Nr. 2). Der Arbeitgeber ist ebenso wenig verpflichtet, für den schwerbehinderten Arbeitnehmer einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten, noch einen Arbeitsplatz „frei“ zu kündigen (BAG 22.11.2005 NZA 2006, 389; LAG Rhld.-Pf. 09.02.2004 a.a.O.; LAG Schleswig-Holstein 07.06.2005 a.a.O.). Andererseits kann ein Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX dann bestehen, wenn er zwar nicht alle an einem Arbeitsplatz anfallenden Tätigkeiten ausüben kann, dem Arbeitgeber die anderweitige Verteilung der anfallenden Arbeit aber zumutbar ist. Die Entscheidung des Arbeitgebers, alle an einem Arbeitsplatz anfallenden Tätigkeiten müssten vom Arbeitnehmer erbracht werden können, ist keine schützenswerte Organisationsentscheidung, die den Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers entfallen lässt (LAG Schleswig-Holstein 19.06.2012 LAGE § 81 SGB IX Nr. 11).

Macht der schwerbehinderte Arbeitnehmer den Anspruch auf eine behindertengerechte Beschäftigung gegen den Arbeitgeber geltend, so hat er nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen.

Insoweit genügt eine Partei ihrer Darlegungslast grundsätzlich, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und förderlich sind, die daraus abgeleitete Rechtsfolge zu tragen (BGH NJW 2012, 1647). Bei schlüssiger Klagebegründung ist die Angabe näherer Einzelheiten, die Zeit, Ort und Umstände bestimmte Ereignisse betreffen, nur dann nötig, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind, wenn der Vortrag in Folge der Einlassung des Gegners unklar wird oder wenn die Angabe weiterer Umstände erforderlich ist, um dem Gegner die Nachprüfung der behaupteten Tatsachen und den Antritt von Gegenbeweisen zu ermöglichen (BGH Versicherungsrecht 1999, 1279). In welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiieren muss, hängt vom Einzelfall ab. Dabei beurteilt sich die Schlüssigkeit einer Klage nach dem Vorbringen des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Eine Partei ist daher nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Hat eine Partei die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch unzureichend vorgetragen, kann sie diese jederzeit in den Prozess einführen. Der Umfang der sekundären Darlegungslast richtet sich einerseits nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei und findet andererseits eine Grenze in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht (vgl. Prütting/Gehrlein, Hrsg. ZPO, 9. Aufl., 2017, Geisler, § 253 Rdnr. 47 ff. m.w.N.).

Dagegen hat der Arbeitgeber die anspruchshindernden Umstände vorzutragen; dazu gehören insbesondere diejenigen, aus denen sich die Unzumutbarkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers ergeben soll. Welche Einzelheiten vom Arbeitgeber insoweit vorzutragen sind, bestimmt sich nach den Umständen des Streitfalles unter Berücksichtigung der Darlegungen des klagenden Arbeitnehmers. Da der Arbeitgeber einen umfassenden Überblick über die betrieblich eingerichteten Arbeitsplätze und die dort zu erfüllenden Anforderungen hat, muss er sich substantiiert mit den Vorstellungen des Arbeitnehmers über weitere Einsatzmöglichkeiten auseinander setzen (BAG 14.03.2006 EzA § 81 SGB IX Nr. 11).

Der schwerbehinderte Mensch, der eine leidensgerechte Beschäftigung einklagt, muss nach LAG Rhdl.-Pf. (22.01.2004 – 6 Sa 1207/03, EzA – SD 14/2004 S. 14 LS) detailliert darlegen, welche leidensgerechte Tätigkeit er noch ausüben und welchen konkreten Arbeitsplatz er ausfüllen kann. Dabei muss er seine persönlichen und fachlichen Qualifikationen darlegen und diese in Bezug zu dem konkret ins Auge gefassten Arbeitsplatz bringen. Er muss also, obwohl den Arbeitgeber im Rahmen des § 164 Abs. 4 SGB IX eine eigene Prüfungspflicht hinsichtlich der leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten trifft, die begehrte leidensgerechte Beschäftigung nach Art und Umfang konkretisieren, z. B. durch Nennung der Berufsbezeichnung oder durch Umschreibung der Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BAG (10.05.2005 EzA § 81 SGB IX Nr. 7) ist davon auszugehen, dass es für eine schlüssige Anspruchsbegründung genügt, wenn der Arbeitnehmer Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigt, die seinem in Folge der Behinderung eingeschränkten Leistungsvermögen und seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen.

Das Arbeitsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen im erstinstanzlichen Rechtszug mit folgender Begründung verneint:

„Es kann nach dem eigenen Vorbringen des Klägers schon nicht davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit insgesamt um eine leidensgerechte Tätigkeit handelt. Zwar mag der Kläger gesundheitlich in der Lage sein, Gewichte bis zu 7 kg zu heben, auch wenn dies an keiner Stelle so ausdrücklich ärztlich bestätigt wird. Jedoch wird eine Tätigkeit als Kraftfahrer gerade im Gutachten der Agentur für Arbeit ausgeschlossen. Der entscheidende Satz insoweit ist im Tatbestand wiedergegeben. Dass dieser dahingehend einschränkend verstanden werden müsste, dass – wie der Kläger im Schriftsatz vom 19.01.2017 auf Seite 3 meint -, eine Anpassung der Routen (inwiefern?), der Einsatz von Hilfspersonen oder eines Ladekranes zu anderen Ergebnissen führen könnte, kann nicht angenommen werden. Dies hat die Beklagte aus Sicht der Kammer unter Berücksichtigung der übrigen Ausführungen des Gutachters zu Recht anders eingeschätzt. Insoweit ist zu verweisen auf die Angaben unter II. 6., mit denen das negative Leistungsbild ergänzend beschrieben wird. Es sollen Belastungen der Arm und Armvorhaltetätigkeiten vermieden werden, häufige Rotation der Halswirbelsäule sowie überwiegendes Sitzen. Die Tätigkeit als Kraftfahrer ist aber eine überwiegend sitzende. Durch das Beobachten des Verkehrs und die Notwendigkeit des Rangierens sind aber auch häufigere Rotationen der Halswirbelsäule nötig. Überdies erfordert die Teilnahme am Straßenverkehr Konzentration, Aufmerksamkeit und auch Anpassungsfähigkeit. Auch dies gehört zu den Belastungen, die ausweislich des Gutachtens nicht realisierbar sind. Von daher kann der Kläger unabhängig von den Belastungen, die sich aus dem Be- und Entladen des Autos ergeben, als Kraftfahrer nicht eingesetzt werden.

Darüber hinaus hat aber der Kläger sich auch nicht hinreichend mit den Einwänden der Beklagten, mit denen diese Unzumutbarkeit nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX geltend gemacht hat, auseinandergesetzt. Der Kläger kann insoweit nicht darauf verweisen, keine hinreichenden Kenntnisse zu besitzen und auf das noch ausstehende Tätigwerden des Integrationsamtes nach § 50 Abs. 5 SGB IX angewiesen zu sein. Der Kläger ist seit 1999 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Fahrer mit der Auslieferung von Waren beschäftigt gewesen. Er hat von daher Kenntnisse der Routenplanung, der Gewichte und der Verpackungen. Er konnte sich nicht darauf beschränken, die Angaben der Beklagten insoweit einfach zu bestreiten.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer voll inhaltlich an und nimmt darauf gem. § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich Bezug.

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem abweichenden Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich – wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich – deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und durch das Arbeitsgericht, der die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist.

Das Klagevorbringen des Klägers ist auch im Berufungsverfahren unschlüssig i.S. der zuvor (S. 13) dargestellten Anforderungen. Denn er hat keine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, die einen Wiedereingliederungsplan enthält und ebenso wenig Angaben über eine Prognose, ob und wann mit einer Wiederherstellung der vollen oder teilweisen Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.

Soweit der Kläger des Weiteren ausführt, der Würdigung der gutachterlichen Stellungnahme vom 10.03.2016 durch das Arbeitsgericht könne nicht gefolgt werden, folgt die Kammer dem nicht. Denn der Kläger hat keinerlei nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass sich sein Gesundheitszustand im Zeitraum zwischen der gutachterlichen Stellungnahme und der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht verbessert hat. Weder lässt sein Vorbringen erkennen, welchen Behandlungen er sich unterzogen hat, noch welche Beschwerden im Einzelnen vielleicht ohne besondere ärztliche Behandlungen abgeheilt oder doch hinsichtlich ihrer Einschränkungswirkung sich zurückgebildet haben, noch lässt sein Vorbringen überhaupt erkennen, woraus die von ihm konkret geschuldete und über Jahre hinweg geleistete Arbeitstätigkeit im Hinblick auf Einzeltätigkeiten überhaupt bestand und welche Teiltätigkeiten davon aufgrund welcher gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Einzelnen von ihm nicht mehr, nur noch eingeschränkt oder uneingeschränkt ausgeführt werden können. Erst anhand eines entsprechend substantiierten und schlüssigen tatsächlichen Vorbringens wäre die Beklagte überhaupt zu einem substantiierten Bestreiten in der Lage gewesen, um sodann der ihr obliegenden Überprüfungsverpflichtung nachkommen zu können. Zwar hat der Kläger im Berufungsverfahren nunmehr (Bl. 174 d. A.) ein fachärztliches orthopädisch-unfallchirurgisches Attest vom 20.03.2017 vorgelegt, wonach Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne ständige Zwangshaltung der Wirbelsäule vollschichtig aus orthopädischer Sicht möglich sind. Danach sollte die Möglichkeit bestehen, das Arbeitstempo selbst zu bestimmen, sowie kein regelmäßiges Heben schwerer Lasten über 15 Kilogramm ausgeführt wird. Außerdem sollte keine Ausführung regelmäßiger Überkopf-Tätigkeiten erfolgen. Insoweit fehlt es schon an jeglichem tatsächlichen Vorbringen des Klägers dazu, inwieweit im Einzelnen hinsichtlich der Einzeltätigkeiten und insbesondere im Hinblick auf welche Zeitanteile und die natürliche Abwicklung seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit nunmehr noch Einschränkungen bestehen, oder aber nicht (mehr). Warum sich die Belastungsgrenze zudem von sieben auf 15 Kilogramm verändert hat, lässt sich seinem Vorbringen ebenso wenig entnehmen. Für die Kammer ist im Hinblick auf die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers mit Einzeltätigkeiten im Hinblick auf Ein- und Ausladen sowie gegebenenfalls der Mitwirkung beim Abliefern von transportierten Gegenständen nicht nachvollziehbar, inwieweit die vom Kläger geforderte Tätigkeit den in diesem Attest beschriebenen Einschränkungen genügen könnte. Noch weniger nachvollziehbar ist für die Kammer, wie sich die tatsächliche Arbeitstätigkeit mit Hilfe eines Beifahrers im Rahmen der betrieblichen Geschehensabläufe bei der Beklagten gestalten können sollte. Einzelheiten dazu lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Warum die Beteiligung des Integrationsamtes insoweit zu einer veränderten Beurteilung führen könnte, erschließt sich nach dem Vorbringen des Klägers nicht. Gleiches gilt für den Einsatz von Hebehilfen. Die Behauptung, der gesundheitliche Zustand des Klägers habe sich inzwischen wesentlich gebessert, ist gleichermaßen unsubstantiiert, sodass nach Auffassung der Kammer die durchgreifenden Bedenken gegen den Einsatz des Klägers als Berufskraftfahrer nach Maßgabe der sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom 10.03.2016, die der Kläger selbst veranlasst hat, keineswegs ausgeräumt sind. Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass dort von einer psychischen Minderbelastbarkeit die Rede ist, ferner davon, dass stark stressbeladene Tätigkeiten ebenso vermieden werden sollten, wie hoch konzentrative Arbeiten mit Konzentration, Aufmerksamkeit, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeiten. Genau dies beschreibt aber die Anforderungen, die an die Teilnahme eines Berufskraftfahrers am Straßenverkehr zu stellen sind.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren der ihm obliegenden Darlegungspflicht hinsichtlich der Begründetheit seines Klagebegehrens nicht nachgekommen ist.

Der Kläger hat folglich auch nicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz, weil die Beklagte ihm nicht den von ihm verlangten Arbeitsplatz zugewiesen hat.

Kann der schwerbehinderte Mensch aus gesundheitlichen Gründen seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen, so lässt sich aus § 164 SGB IX zwar kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung herleiten; auch aus Annahmeverzug bestehen keine Ansprüche, wenn er seine Arbeit – wie vorliegend – ganz oder teilweise nicht mehr erbringen kann, es sei denn – bei teilweisem Unvermögen – dass dem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, den er ausfüllen kann (§ 106 GewO; BAG 04.10.2005 NZA § 81 SGB IX Nr. 9). Denn die vom Arbeitgeber nach § 296 Abs. 1 BGB vorzunehmende Handlung besteht nur darin, die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung hinreichend zu bestimmen und durch Zuweisung eines bestimmten Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Deshalb ist der Arbeitgeber zur Vermeidung von Annahmeverzugsansprüchen weder zu Vertragsänderungen noch zum Einsatz technischer Arbeitshilfen verpflichtet (BAG 04.10.2005 a. a. O.).

Allerdings kann eine schuldhafte Verletzung der Pflicht des Arbeitgebers, den schwerbehinderten Menschen nach Maßgabe des § 164 Abs. 4 SGB IX zu fördern, zu Schadensersatzansprüchen aus PFV (§§ 280 ff., 241 Abs. 2 BGB) sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 164 Abs. 4 SGB IX als Schutzgesetz führen. Diese sind auf Ersatz der entgangenen Vergütung gerichtet (BAG 04.10.2005 a. a. O.).

Der Arbeitnehmer hat insoweit nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die primäre Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen des Schadensersatzanspruchs. Dabei genügt es in der Regel nicht, dass er pauschal behauptet, der Arbeitgeber könne durch Umorganisation und Einsatz technischer Mittel die Voraussetzungen für seine Beschäftigung schaffen (BAG 04.10.2005 a. a. O.; DLW Dörner a. a. O. Rn. 191).

Vorliegend kann entgegen der Auffassung des Klägers bereits nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verpflichtung der Beklagten zu einer Beschäftigung des Inhalts, wie vom Kläger geltend gemacht, überhaupt bestand. Anhaltspunkte für eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten bestehen folglich nicht. Davon ist das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung (Bl. 125 d. A.) zutreffend ausgegangen. Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts; es enthält insoweit keinerlei weitere, über die bereits beschiedenen Ausführungen hinausgehende Tatsachen, die Berücksichtigung finden könnten. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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