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Lüge bei Bewerbung: Anfechtung oder Kündigung? Was droht Ihnen?

Falsche Angaben in der Bewerbung oder ein geschönter Lebenslauf sind riskante Manöver, um den Traumjob zu bekommen. Was als harmlose Flunkerei beginnt, kann sich zur juristischen Zeitbombe entwickeln, denn im schlimmsten Fall droht die rückwirkende Vernichtung des gesamten Arbeitsvertrags. Dieser Mechanismus der Anfechtung ist juristisch wesentlich gravierender als eine Kündigung, da er alle Ihre Ansprüche aus der Vergangenheit beseitigt. Welches dieser Werkzeuge darf Ihr Arbeitgeber wann einsetzen und wie lange nach der Einstellung kann Ihr Vertrag noch erfolgreich angefochten werden?

Übersicht:

Nervöser Bewerber im Bewerbungsgespräch, während HR-Managerin skeptisch auf Lebenslauf zeigt und kritische Frage stellt
Der Moment der Wahrheit: Wenn Widersprüche im Lebenslauf während des Bewerbungsgesprächs auffallen Symbolbild: KI

Was sind die wichtigsten Fakten zu Lügen im Lebenslauf?

  • Worum es geht: Dieses Thema klärt, welche Konsequenzen es hat, wenn Sie im Lebenslauf oder Vorstellungsgespräch falsche Angaben machen. Es betrifft alle Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber später herausfindet, dass sie bei der Bewerbung gelogen oder wichtige Fakten verschwiegen haben.
  • Das größte Risiko: Das größte Risiko ist die rückwirkende Vernichtung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber (Anfechtung). Im schlimmsten Fall gilt der Vertrag rechtlich als nie abgeschlossen. Das bedeutet, dass Sie jeglichen Kündigungsschutz verlieren und alle bis dahin erworbenen Ansprüche gefährdet sind.
  • Die wichtigste Regel: Sie müssen nur bei Fragen die Wahrheit sagen, die direkt für die Ausübung Ihrer Tätigkeit relevant sind. Bei unzulässigen Fragen, etwa zu Schwangerschaft, Familienplanung, Religionszugehörigkeit oder privaten Schulden, dürfen Sie lügen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
  • Typische Situationen: Dieses Problem tritt am häufigsten bei gefälschten Zeugnissen oder erfundenen Qualifikationen auf. Relevant sind auch das Verschweigen von relevanten Vorstrafen (z.B. Diebstahl bei einem Kassiererjob) oder von gesundheitlichen Problemen, die die geschuldete Arbeit dauerhaft unmöglich machen.
  • Erste Schritte: Wenn Sie eine Kündigung oder Anfechtung erhalten, müssen Sie schnell handeln. Unser Fachanwalt für Arbeitsrecht prüft Ihre Situation und die Erfolgsaussichten. Gegen eine Kündigung müssen Sie innerhalb von drei Wochen Klage erheben, sonst wird sie automatisch wirksam.
  • Häufiger Irrtum: Viele glauben, sie dürften harmlose Details im Lebenslauf beschönigen. Gefälschte Zeugnisse oder erfundene Abschlüsse sind jedoch eine rote Linie und führen fast immer zur rechtlichen Vernichtung des Arbeitsvertrags.

Wann kann eine Lüge im Jobinterview meinen Arbeitsvertrag vernichten?

Ein kleines Detail im Lebenslauf geschönt, eine unangenehme Frage im Vorstellungsgespräch umschifft – die Versuchung ist oft groß. Wenn ein Arbeitgeber entdeckt, dass Sie bei entscheidenden Punkten falsche Angaben gemacht oder relevante Fakten verschwiegen haben, steht nicht nur Ihr Ruf auf dem Spiel, sondern Ihr gesamter Arbeitsvertrag.

Das deutsche Arbeitsrecht gibt dem Arbeitgeber in solchen Fällen zwei scharfe Waffen an die Hand: die Anfechtung und die Kündigung. Obwohl beide das Arbeitsverhältnis beenden, wirken sie auf fundamental unterschiedliche Weise und haben völlig andere Konsequenzen. Sie müssen den Unterschied kennen, um Ihre Rechte und Risiken realistisch einzuschätzen. Dieser Artikel führt Sie durch die genauen juristischen Mechanismen, zeigt Ihnen die Grenzen des Fragerechts Ihres Arbeitgebers auf und erklärt, wann Schweigen tatsächlich Gold ist – und wann es Sie den Job kostet.

Bei welchen Fragen muss ich die Wahrheit sagen und wann darf ich lügen?

Welche rechtliche Pflicht habe ich schon vor Vertragsschluss?

Ein „vorvertragliches Schuldverhältnis“ ist eine rechtliche Beziehung, die bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss durch die Aufnahme von Verhandlungen – wie einem Bewerbungsgespräch – entsteht. Sie verpflichtet beide Seiten zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Fairness, auch wenn es später nicht zu einem Vertrag kommt.

Die Pflicht zur Wahrheit beginnt nicht erst mit der Vertragsunterschrift. Schon im Bewerbungsprozess entsteht ein sogenanntes vorvertragliches Schuldverhältnis. Daraus leitet sich Ihre Pflicht ab, den Arbeitgeber nicht über wesentliche Umstände zu täuschen. Aber diese Pflicht ist keine Einbahnstraße. Sie müssen nicht Ihr gesamtes Leben offenlegen.

Die zentrale Regel lautet: Ein Arbeitgeber darf nur das fragen, woran er ein berechtigtes, sachliches und auf das künftige Arbeitsverhältnis bezogenes Interesse hat. Nur wenn eine Frage diese Hürde nimmt, sind Sie zur Wahrheit verpflichtet. Stellt der Arbeitgeber eine unzulässige Frage, gesteht Ihnen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein „Recht zur Lüge“ zu. Sie dürfen bewusst die Unwahrheit sagen, ohne später rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

Bei welchen Themen bin ich zur Wahrheit verpflichtet?

Zulässig sind alle Fragen, die einen direkten Bezug zu Ihrer Eignung für die ausgeschriebene Stelle haben. Klassische Beispiele sind:

  • Fragen nach Ihrem beruflichen Werdegang und Ihren Qualifikationen.
  • Fragen nach vorhandenen Zeugnissen und Abschlüssen.
  • Fragen nach einem bestehenden Wettbewerbsverbot bei Ihrem früheren Arbeitgeber, das Ihre neue Tätigkeit einschränken könnte.
  • Bei bestimmten Berufen (z.B. Kassierer, Buchhalter) die Frage nach relevanten Vorstrafen wie Vermögensdelikten.

Bei welchen Fragen dürfen Sie lügen?

Selbstbewusste Bewerberin im Gespräch mit HR-Manager, der eine persönliche Frage zur Familienplanung stellt
Bei unzulässigen Fragen wie Schwangerschaft oder Familienplanung haben Bewerber ein gesetzliches Recht zur Lüge Symbolbild: KI

Unzulässig sind Fragen, die Ihre Privatsphäre verletzen oder Sie aufgrund von Kriterien diskriminieren, die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt sind. Ihr Recht zur Lüge gilt beispielsweise bei Fragen nach:

  • Ihrer Familienplanung, einer bestehenden Schwangerschaft oder Ihrem Kinderwunsch.
  • Ihrer Religionszugehörigkeit oder sexuellen Orientierung.
  • Ihrer politischen Gesinnung oder Gewerkschaftszugehörigkeit.
  • Ihren Vermögensverhältnissen oder Schulden (es sei denn, die Stelle erfordert besondere finanzielle Zuverlässigkeit).
  • Einer Schwerbehinderung. Die Frage hiernach ist grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn eine bestimmte körperliche oder geistige Fähigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die konkrete Tätigkeit darstellt und die Behinderung die Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen würde.

Was muss ich sogar ungefragt offenlegen?

In sehr engen Grenzen kann Sie sogar eine Aufklärungspflicht treffen, ohne dass der Arbeitgeber danach gefragt hat. Das ist der Fall, wenn ein Umstand vorliegt, der es Ihnen von vornherein unmöglich macht, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Wenn Sie beispielsweise als Berufskraftfahrer eine Stelle antreten und wissen, dass Ihnen in Kürze der Führerschein entzogen wird, müssen Sie dies ungefragt offenlegen. Das Verschweigen gilt hier als arglistige Täuschung.

Was genau bedeutet die Anfechtung meines Arbeitsvertrags?

Keine Sorge, wenn dieser Begriff zunächst juristisch und einschüchternd klingt. Wir erklären Ihnen jetzt ganz einfach, was er für Sie bedeutet und warum er gravierender ist als eine normale Kündigung.

Schockierter Arbeitnehmer im Gespräch mit Vorgesetztem, der ihm die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärtDie Anfechtung ist das schärfste Schwert des Arbeitgebers. Sie zielt nicht darauf ab, den Vertrag zu beenden, sondern ihn rechtlich so zu behandeln, als hätte er nie existiert.

Die wichtigste Rechtsgrundlage dafür ist die arglistige Täuschung nach § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Arglistig handeln Sie, wenn Sie den Arbeitgeber vorsätzlich über eine Tatsache täuschen, von der Sie wissen, dass sie für seine Einstellungsentscheidung von Bedeutung ist. Dies kann durch eine aktive Lüge geschehen (z.B. ein erfundener Uni-Abschluss) oder durch das Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Umstands.

Was bedeutet eine rückwirkende Vernichtung des Vertrags?

Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitsverhältnis wäre ein Film. Eine Kündigung stoppt den Film einfach. Eine Anfechtung hingegen spult das Band komplett zurück und löscht es – als hätte es den Film nie gegeben. Juristen nennen diesen Effekt ex tunc („von Anfang an“). Ihr Arbeitsvertrag wird also so behandelt, als wäre er nie geschlossen worden.

Das wirft eine komplizierte Frage auf: Was passiert mit der Arbeit, die Sie bereits geleistet haben, und dem Lohn, den Sie dafür erhalten haben? Da der Arbeitsvertrag von Anfang an unwirksam ist, wird das Arbeitsverhältnis nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des sogenannten faktischen Arbeitsverhältnisses abgewickelt. In der Praxis bedeutet dies, dass das Verhältnis für die Vergangenheit so behandelt wird, als sei es wirksam gewesen. Sie dürfen den Lohn für die tatsächlich geleistete Arbeit behalten, verlieren aber für die Zukunft jeglichen Schutz, den ein wirksamer Arbeitsvertrag sonst bietet, wie Kündigungsschutz oder Ansprüche auf Resturlaub.

Wie lange kann der Arbeitgeber den Vertrag anfechten?

Der Arbeitgeber kann nicht ewig warten. Das Gesetz setzt ihm eine klare Frist. Er muss die Anfechtung innerhalb von einem Jahr erklären, nachdem er von der Täuschung erfahren hat (§ 124 BGB). Entdeckt Ihr Chef also im Juli 2025, dass Ihr Masterzeugnis gefälscht ist, hat er bis Juli 2026 Zeit, den Vertrag anzufechten. Verpasst er diese Frist, ist die Anfechtung wegen dieser Täuschung nicht mehr möglich.

Wann kann der Arbeitgeber statt der Anfechtung fristlos kündigen?

Statt den Vertrag anzufechten, kann der Arbeitgeber auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung nach § 626 BGB aussprechen. Diese Option wählt er oft, wenn die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen ist oder die rechtlichen Hürden für eine Anfechtung zu hoch erscheinen.

Eine fristlose Kündigung setzt einen „wichtigen Grund“ voraus. Die Rechtsprechung sieht eine bewusste Täuschung über wesentliche Eigenschaften als einen solchen Grund an. Der zentrale Gedanke ist hier, dass Ihr Verhalten das für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört hat. Der Arbeitgeber argumentiert, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – selbst bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist – nicht mehr zugemutet werden kann.

Was passiert bei einer fristlosen Kündigung genau?

Im Gegensatz zur Anfechtung wirkt die Kündigung ex nunc, also „von jetzt an“. Sie beendet den Arbeitsvertrag mit ihrem Zugang, der Vertrag war aber für die Vergangenheit vollständig gültig. Alle bis dahin erworbenen Ansprüche, etwa auf Lohn, Urlaub oder ein Arbeitszeugnis, bleiben bestehen. Der Kündigungsschutz greift, und Sie können gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht klagen.

Welche Frist gilt für eine fristlose Kündigung?

Hier tickt die Uhr für den Arbeitgeber deutlich schneller. Er muss die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen aussprechen, nachdem er von dem Kündigungsgrund – also Ihrer Täuschung – erfahren hat. Lässt er diese Frist verstreichen, kann er wegen dieses speziellen Vorfalls keine fristlose Kündigung mehr aussprechen. Er könnte dann nur noch eine ordentliche, fristgerechte Kündigung versuchen.

Kann der Arbeitgeber Anfechtung und Kündigung kombinieren?

In der Praxis erklären Arbeitgeber oft vorsorglich beides: primär die Anfechtung und hilfsweise die außerordentliche, fristlose Kündigung. Damit sichern sie sich für den Fall ab, dass eine der beiden Erklärungen juristisch unwirksam sein sollte. Für Sie bedeutet dies, dass Sie sich gegen beide Rechtsmittel wehren müssen.


KriteriumAnfechtungFristlose Kündigung
Rechtliche WirkungRückwirkend (ex tunc): Der Vertrag gilt als von Anfang an nichtig. Bei bereits aufgenommenem Arbeitsverhältnis wirkt die Anfechtung aber wie eine Kündigung für die Zukunft (ex nunc).Ab sofort (ex nunc): Der Vertrag wird für die Zukunft beendet, war aber in der Vergangenheit gültig.
Rechtsgrundlage§ 123 BGB (Arglistige Täuschung)§ 626 BGB (Wichtiger Grund, z.B. zerstörte Vertrauensbasis)
Frist für den Arbeitgeber1 Jahr ab Entdeckung der Täuschung (§ 124 BGB).2 Wochen ab Kenntnis vom Kündigungsgrund (§ 626 Abs. 2 BGB).
Bestehende AnsprücheVerfallen für die Zukunft (z.B. auf Resturlaub, Zeugnis). Für die Vergangenheit bleiben Lohnansprüche nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses aber bestehen.Bleiben für die Vergangenheit bestehen (z.B. Lohn, Resturlaub, Zeugnisanspruch).
Besonderer SchutzSonderkündigungsschutz (z.B. für Schwangere, Schwerbehinderte) greift grundsätzlich nicht, da die Anfechtung keine Kündigung ist. Die Anhörung des Betriebsrats ist ebenfalls nicht erforderlich. Ausnahme: Die Anfechtung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie nur erfolgt, um den Sonderschutz zu umgehen.Sonderkündigungsschutz muss beachtet und der Betriebsrat muss angehört werden.

Welche heiklen Themen muss ich ungefragt offenlegen?

Die Theorie ist klar, doch in der Praxis entscheiden oft die Details.

Muss ich über Krankheiten und Gesundheitsprobleme sprechen?

Sie müssen nicht jede vergangene Grippe oder einen ausgeheilten Knochenbruch offenlegen. Eine Offenbarungspflicht besteht nur bei Krankheiten, die Sie dauerhaft oder in wiederkehrenden Schüben daran hindern, die vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. Ein Dachdecker mit chronischer, unbehandelbarer Höhenangst müsste dies offenlegen. Ein Programmierer, der an Heuschnupfen leidet, hingegen nicht. Die Frage nach einer Schwangerschaft ist, wie erwähnt, grundsätzlich unzulässig.

Muss ich Vorstrafen im Lebenslauf angeben?

Auch hier gilt der Grundsatz der Relevanz. Sie müssen nur Vorstrafen angeben, die einen direkten Bezug zur Vertrauenswürdigkeit für die konkrete Stelle haben. Ein Bewerber für eine Stelle als Kassierer muss eine Verurteilung wegen Diebstahls oder Betrugs offenlegen. Eine frühere Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist für denselben Job irrelevant. Fragt der Arbeitgeber pauschal und ohne Bezug zur Stelle nach „allen Vorstrafen“, ist die Frage unzulässig, und Sie dürfen sie verneinen.

Was gilt für Wettbewerbsverbote oder einen Nebenjob?

Wenn Sie durch einen Vertrag mit einem früheren Arbeitgeber einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegen, müssen Sie dies offenlegen. Schließlich könnte es Ihre Fähigkeit, für den neuen Arbeitgeber zu arbeiten, rechtlich einschränken. Ebenso müssen Sie eine geplante oder bestehende Nebentätigkeit angeben, wenn diese Ihre Leistungsfähigkeit im Hauptjob beeinträchtigen oder in direkter Konkurrenz zum neuen Arbeitgeber stehen könnte.

Was passiert bei gefälschten Zeugnissen oder Abschlüssen?

Dies ist das heikelste Feld. Die Fälschung von Zeugnissen, Abschlüssen oder anderen formalen Qualifikationsnachweisen ist kein Kavaliersdelikt. Da diese Dokumente die Grundlage für die Einstellungsentscheidung bilden, wertet die Rechtsprechung eine solche Täuschung fast ausnahmslos als arglistig. Ein gefälschtes Zeugnis ist einer der sichersten Gründe für eine erfolgreiche Anfechtung des Arbeitsvertrags, selbst Jahre nach der Einstellung.

Wie kann ich mich gegen eine Anfechtung oder Kündigung wehren?

Wenn Ihr Arbeitgeber den Vertrag anficht oder Ihnen wegen falscher Angaben kündigt, sind Sie nicht rechtlos. Sie haben mehrere Möglichkeiten, sich zu verteidigen.

Wer muss die Täuschung beweisen?

Zunächst muss der Arbeitgeber die Beweislast tragen. Er muss beweisen, dass Sie ihn getäuscht haben und dass diese Täuschung ursächlich für seine Entscheidung war, Sie einzustellen. Er muss also darlegen, dass er Sie bei Kenntnis der wahren Fakten nicht eingestellt hätte.

Welche Frist muss ich für eine Klage beachten?

Gegen eine Kündigung müssen Sie innerhalb von drei Wochen nach deren Erhalt eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Versäumen Sie diese gesetzliche Ausschlussfrist, wird die Kündigung wirksam, selbst wenn sie ursprünglich unberechtigt war (§ 7 KSchG).

Wie hilft mir das „Recht zur Lüge“ bei der Verteidigung?

Ihr stärkstes Argument ist oft das Recht zur Lüge. Können Sie nachweisen, dass die Frage, die Sie falsch beantwortet haben, unzulässig war (z.B. die Frage nach einer Schwangerschaft), sind sowohl die Anfechtung als auch die Kündigung unwirksam. Ihre Lüge war in diesem Fall rechtlich erlaubt.

Kann der Arbeitgeber sein Recht auf Anfechtung verlieren?

Schließlich können Sie einwenden, dass der Arbeitgeber sein Recht verwirkt hat. Das ist der Fall, wenn er zwar von der Täuschung wusste, aber über einen langen Zeitraum nichts unternommen hat und Sie darauf vertrauen durften, dass er keine Konsequenzen mehr ziehen wird. Dies ist jedoch ein schwer zu führender Einwand.

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Woran muss ich denken, um eine Anfechtung zu vermeiden?

Um die Risiken zu minimieren, sollten Sie sich vor jedem Bewerbungsgespräch die folgenden Fragen stellen:

  • Ist die Frage des Arbeitgebers zulässig? Bezieht sie sich direkt auf meine Fähigkeit, den Job auszuüben? Wenn nicht, haben Sie möglicherweise das Recht zur Lüge.
  • Gibt es einen Umstand, der mich definitiv daran hindert, die Arbeit zu tun? (z.B. fehlende Berufserlaubnis, drohender Führerscheinentzug). Wenn ja, müssen Sie diesen möglicherweise sogar ungefragt offenbaren.
  • Sind meine Unterlagen und Qualifikationen korrekt? Gefälschte Zeugnisse sind eine rote Linie, die fast immer zur Anfechtung führt.
  • Habe ich eine relevante Vorstrafe oder ein Wettbewerbsverbot, das die neue Stelle betrifft? Wenn ja, ist Offenheit oft die bessere Strategie als eine spätere Entdeckung.

Was sind die wichtigsten rechtlichen Grundregeln?

Arglistige Täuschung im Bewerbungsprozess ermächtigt den Arbeitgeber, das entstandene Arbeitsverhältnis nachträglich zu annullieren oder fristlos zu beenden.

Wo genau liegt die Grenze der Wahrheitspflicht?

Sie müssen nur bei Fragen die Wahrheit sagen, die einen direkten und sachlichen Bezug zu Ihrer Eignung für die Stelle haben. Stellt der Arbeitgeber hingegen eine unzulässige Frage, greift Ihr Recht zur Lüge. Sie dürfen dann die Unwahrheit sagen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Was unterscheidet die Wirkung von Anfechtung und Kündigung?

Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vernichtet den Vertrag rückwirkend (ex tunc). Im Gegensatz dazu beendet die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nur für die Zukunft (ex nunc).

Welche Fakten müssen Bewerber ungefragt offenlegen?

Sie müssen einen Umstand nur dann ungefragt offenlegen, wenn er die Erbringung Ihrer Arbeitsleistung von vornherein unmöglich macht. Davon unabhängig gilt: Die Fälschung von Zeugnissen wertet die Rechtsprechung fast ausnahmslos als Grund für eine erfolgreiche Anfechtung.

Der Arbeitgeber trägt die volle Beweislast. Er muss also beweisen, dass die Täuschung ursächlich für die Einstellung war. Zudem muss er die Anfechtung oder Kündigung innerhalb der gesetzlichen Fristen erklären.


Unser Experte: Hans Jürgen Kotz (Fachanwalt für Arbeitsrecht)
Worin besteht aus Expertensicht das größte Risiko?

Die Praxis zeigt, dass die entscheidende Gefahr für Bewerber nicht in jeder Unwahrheit liegt, sondern in der Täuschung über Kernqualifikationen. Der fundamentale Unterschied liegt in der Konsequenz: Während eine Kündigung ein Arbeitsverhältnis für die Zukunft beendet, vernichtet eine erfolgreiche Anfechtung den Vertrag rückwirkend, als hätte er nie existiert. Damit entfällt der gesamte arbeitsrechtliche Schutz, was die Fälschung von Zeugnissen zum mit Abstand größten und nachhaltigsten Risiko im Bewerbungsprozess macht.


Symbolbild zum Arbeitsrecht-FAQ: Schriftzug 'FAQ' vor einer dynamischen Büroszene mit Bewegungsunschärfe in Blau- und Rottönen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann habe ich im Vorstellungsgespräch das „Recht zur Lüge“ bei unzulässigen Fragen?

Das Recht zur Lüge greift, sobald der Arbeitgeber Fragen stellt, an denen ihm das berechtigte, sachliche und auf die Stelle bezogene Interesse fehlt. Dies geschieht immer dann, wenn die Fragen Ihre tiefste Privatsphäre verletzen oder Aspekte betreffen, die durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt sind. Sie sind nur zur Wahrheit verpflichtet, wenn die Information für Ihre Eignung zur konkreten Tätigkeit zwingend relevant ist.

Der Arbeitgeber darf nur Fakten abfragen, die für das künftige Arbeitsverhältnis von sachlicher Bedeutung sind. Werden Sie hingegen nach Themen wie Religionszugehörigkeit, politischer Gesinnung oder privater Familienplanung gefragt, besteht kein zulässiges Fragerecht. Solche Fragen zielen oft auf eine mögliche Diskriminierung ab, die das Gesetz verhindern möchte. Da in diesen Fällen das erforderliche Interesse des Arbeitgebers fehlt, schützt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Ihre Entscheidungsfreiheit.

Nehmen wir an, Sie werden nach einer bestehenden Schwangerschaft oder Ihren Schulden gefragt, obwohl Letztere die Tätigkeit nicht beeinflussen. Hier dürfen Sie bewusst die Unwahrheit sagen. Selbst wenn die Lüge später, nach Vertragsunterzeichnung, aufgedeckt wird, kann dies weder zur Anfechtung des Vertrages noch zu einer Kündigung führen. Die falsche Angabe ist erlaubt, weil die ursprüngliche Frage unzulässig war und Sie vor Benachteiligung schützen sollte. Dieses Recht gilt jedoch nicht für Fragen, die direkt Ihre Eignung betreffen, wie ein gefälschter Berufsabschluss.

Notieren Sie sich die genaue Formulierung der unzulässigen Frage sofort nach dem Gespräch, um später das Recht zur Lüge beweisen zu können.


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Was ist der juristische Unterschied zwischen Anfechtung und Kündigung wegen falscher Angaben?

Der fundamentale Unterschied zwischen diesen beiden Beendigungsmöglichkeiten liegt in ihrer zeitlichen Wirkung. Die Anfechtung vernichtet den Arbeitsvertrag rückwirkend (ex tunc), als hätte dieser nie existiert. Im Gegensatz dazu beendet die Kündigung den Vertrag nur für die Zukunft (ex nunc). Diese Unterscheidung ist entscheidend für alle Ansprüche, die Sie während der Zeit im Unternehmen erworben haben.

Wenn der Arbeitgeber den Vertrag erfolgreich anficht (meistens wegen arglistiger Täuschung), ist der Vertrag juristisch von Beginn an nichtig. Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, etwa auf Resturlaub oder ein vertragliches Zeugnis, entfallen damit. Für die bereits erbrachte Leistung erhalten Sie den Lohn trotzdem. Dieser Anspruch wird jedoch nicht über das Arbeitsrecht, sondern über die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung abgewickelt.

Erklärt der Arbeitgeber stattdessen eine außerordentliche Kündigung, bleibt die Vergangenheit des Arbeitsverhältnisses vollständig gültig. Alle bis zur Beendigung erworbenen Ansprüche auf Lohnzahlungen, Urlaubsansprüche und ein reguläres Arbeitszeugnis bleiben dadurch bestehen. Auch die Fristen unterscheiden sich: Der Arbeitgeber muss die Kündigung innerhalb von nur zwei Wochen nach Kenntnisnahme des Grundes aussprechen, während für die Anfechtung eine Frist von einem Jahr gilt.

Fordern Sie sofort das Dokument an, in dem die Beendigung erklärt wurde, und prüfen Sie den genauen Wortlaut als ersten Schritt Ihrer Verteidigungsstrategie.


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Wie lange hat mein Arbeitgeber Zeit, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten?

Die Sorge ist berechtigt, dass eine alte, geschönte Angabe im Lebenslauf Jahre später entdeckt werden könnte. Für die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung setzt das Gesetz dem Arbeitgeber eine klare Frist. Er hat ab dem Zeitpunkt der Entdeckung exakt ein Jahr Zeit, um die Anfechtung gemäß § 124 BGB zu erklären.

Entscheidend für den Fristbeginn ist nicht das Datum der Vertragsunterzeichnung oder der Arbeitsaufnahme. Die Uhr beginnt erst in dem Moment zu ticken, in dem der Arbeitgeber zweifelsfrei von den Umständen erfährt, die zur Anfechtung berechtigen. Arbeitgeber können das Arbeitsverhältnis also auch nach vielen Jahren noch rückwirkend vernichten, solange die Jahresfrist ab dem Tag der Kenntnisnahme noch läuft.

Ist die einjährige Frist jedoch abgelaufen, kann der Arbeitgeber den Vertrag wegen dieses speziellen Täuschungsvorfalls nicht mehr rückwirkend vernichten. Er könnte stattdessen nur noch eine fristlose Kündigung prüfen, wofür allerdings eine deutlich kürzere Frist gilt. Die fristlose Kündigung muss der Arbeitgeber innerhalb von nur zwei Wochen aussprechen, nachdem er von dem wichtigen Kündigungsgrund erfahren hat.

Wenn Sie eine Anfechtung erhalten, prüfen Sie sofort das genaue Datum, an dem dem Arbeitgeber die anfechtungsrelevanten Fakten bekannt wurden.


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Was muss ich tun, wenn ich eine Kündigung oder Anfechtung wegen meiner Bewerbungsangaben erhalte?

Ein solches Schreiben in den Händen zu halten, ist ein Schock. Das Wichtigste ist jetzt, nicht in Panik zu verfallen, sondern einen klaren Kopf zu bewahren und sofort zu handeln. Ihre oberste Priorität ist eine entscheidende Frist: Sie müssen zwingend innerhalb von drei Wochen nach Erhalt des Schreibens eine Klage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Das gilt für eine Kündigung genauso wie für eine Anfechtung.

Die Frist von drei Wochen ist entscheidend. Versäumen Sie diesen Termin, gilt die Beendigung automatisch als rechtskräftig wirksam, selbst wenn sie juristisch unbegründet war. Die Regel im Arbeitsrecht kennt hier keine Ausnahme. Dieses Fristversäumnis ist der teuerste Fehler. Machen Sie sich bewusst, dass der Arbeitgeber die gesamte Beweislast trägt. Er muss nachweisen, dass Sie ihn arglistig getäuscht haben und dass diese Täuschung ursächlich für seine Einstellungsentscheidung war.

Für Ihre Verteidigung ist es wichtig zu klären, ob die Frage, die Sie falsch beantwortet haben, überhaupt zulässig war. Stellt der Arbeitgeber beispielsweise unzulässige Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft oder Ihrer politischen Gesinnung, gewährt Ihnen die Rechtsprechung das Recht zur Lüge. Können Sie dies beweisen, sind die Kündigung oder die Anfechtung unwirksam, da der Arbeitgeber Ihnen keine Pflichtverletzung vorwerfen kann.

Notieren Sie sofort das genaue Zustelldatum des Schreibens. Unser Fachanwalt für Arbeitsrecht sichert für Sie die Klagefrist und prüft die nächsten Schritte.


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Führt die Fälschung von Zeugnissen oder Qualifikationen immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags?

Die Fälschung formaler Qualifikationen wie Zeugnisse oder Abschlüsse führt fast ausnahmslos zur erfolgreichen Anfechtung des Arbeitsvertrags. Juristisch betrachtet stellt dies einen klassischen Fall der arglistigen Täuschung dar. Diese Täuschung betrifft die Vertrauensbasis und die Entscheidungsgrundlage des Arbeitgebers direkt. Die Anfechtung vernichtet den Vertrag rückwirkend, als hätte er nie existiert.

Die Rechtsprechung stuft Dokumentenfälschungen als schwerwiegend ein, weil diese Papiere die Entscheidung des Arbeitgebers zur Einstellung fundamental beeinflussen. Gefälschte Qualifikationen zerstören das notwendige Vertrauensverhältnis, das für eine zukünftige Zusammenarbeit essenziell ist. Für eine erfolgreiche Anfechtung muss der Arbeitgeber beweisen, dass er den Vertrag ohne die falschen Angaben nicht abgeschlossen hätte. Gerichte legen Wert auf die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, nicht auf die spätere Performance im Job.

Eine erfolgreiche Verteidigung ist nur möglich, wenn Sie beweisen können, dass die gefälschte Qualifikation für die konkrete Tätigkeit irrelevant war. Konkret: Wenn der Abschluss zwar gefälscht wurde, die Anforderungen der Stelle aber diesen Abschluss gar nicht vorsahen, könnte die Täuschung als nicht einstellungsrelevant gelten. Der Arbeitgeber kann die Anfechtung auch Jahre später noch erklären, solange die 1-Jahres-Frist ab dem Tag der Entdeckung der Fälschung noch nicht verstrichen ist.

Sichern Sie umgehend alle Original-Stellenausschreibungen und Arbeitsplatzbeschreibungen, um im Notfall argumentieren zu können, dass die Qualifikation faktisch nicht für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich war.


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