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Minusstunden bei Kündigung

Wird das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer mittels einer Kündigung beendet, so ist dies ein gravierender Einschnitt. Ein derartiger Schritt wird in der gängigen Praxis nicht leichtfertig durchgeführt, da sehr viele Faktoren zuvor berücksichtigt werden müssen. Wird die Kündigung von dem Arbeitgeber ausgesprochen, so sollte der Arbeitgeber zunächst die bisherige erbrachte Arbeitsleistung und auch die geleisteten Arbeitsstunden auf jeden Fall in den Fokus stellen.

Gerade im Hinblick auf etwaige Minusstunden, die der Arbeitnehmer auf seinem Zeitkonto stehen hat, gibt es in Deutschland keine einheitliche, genauer gesagt eindeutige Rechtsprechung. Dementsprechend ist es auch nicht allgemein gesetzlich geregelt, wie mit den Minusstunden zu verfahren ist. Der Arbeitgeber sollte sich dementsprechend die Schritte, die im Zusammenhang mit den Minusstunden stehen, sehr gut überlegen.

Was sind Minusstunden oder Unterstunden?

Minderstunden
Wenn der Arbeitnehmer kündigt oder gekündigt wird, muss er vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses seine negative Stundenzahl durch Mehrstunden ausgleichen.  (Symbolfoto: SaiArLawKa2/Shutterstock.com)

Als Minusstunden, oder manchmal auch als Unterstunden oder Minderstunden bezeichnet, gelten eben jene Arbeitsstunden, für welche der Arbeitgeber mit der Gehaltszahlung in die Vorlage ging. Oder besser gesagt, Minusstunden sind Arbeitsstunden, welche gegenüber der vertraglich festgelegten Arbeitszeit weniger gearbeitet wurden. Arbeitsrechtlich betrachtet hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber die Schuld, die entsprechenden Arbeitsstunden aus dem Arbeitsvertragsverhältnis heraus zu erbringen. Sind etwa 40 Wochenstunden arbeitsvertraglich vereinbart, der Arbeitnehmer arbeitet in der Zeit jedoch statt der vereinbarten 40 Stunden lediglich 39 Stunden gearbeitet, hat er eine Minusstunde auf seinem Konto.

Gültig sind Minderstunden jedoch nur, solange die zu wenig gearbeitete Zeit in der Verantwortung des Arbeitnehmers liegt. Wurde vom Arbeitgeber eine Minderarbeit angeordnet, werden diese nicht als Minusstunden angerechnet.

Gründe für, durch den Arbeitnehmer verantwortete Minusstunden, sind etwa zu spät begonnene Arbeit, frühzeitig in den Feierabend gegangen, Pausenzeiten überzogen oder Arztbesuche oder anderweitige private Besorgungen in der Arbeitszeit erledigt.

Der Nachweis der Minusstunden

Zunächst erst einmal muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überhaupt nachweisen, dass Minusstunden überhaupt vorhanden sind. Dies ist in der gängigen Praxis lediglich mittels eines entsprechenden Arbeitszeitkontos möglich. In zahlreichen Betrieben und Unternehmen gibt es diesbezüglich Methodiken zur Arbeitszeiterfassung, welche für gewöhnlich einer vorherigen Betriebsvereinbarung bedürfen.

Ein Arbeitnehmer muss das Einverständnis zu der Verwendung von einem entsprechenden Arbeitszeitkonto ausdrücklich zustimmen. Der Nachweis über die Zustimmung des Arbeitnehmers ist zwingend erforderlich und im Zweifel liegt die Beweislast, dass der Arbeitnehmer dieser Verwendung zugestimmt hat, ausdrücklich bei dem Arbeitgeber.

Wird ein Arbeitszeitkonto verwendet, so muss dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Nachprüfung der geleisteten Stunden respektive der korrekten Erfassung gegeben werden.

Siehe auch: Arbeitszeiterfassung – Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit

Müssen Minusstunden durch den Arbeitnehmer zwingend ausgeglichen werden?

Sollte ein Arbeitnehmer auf seinem Arbeitszeitkonto Minusstunden angesammelt haben, so besteht dem reinen Grundsatz nach die Verpflichtung zum Ausgleich. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber eine konstante Vergütung auf der Basis einer arbeitsvertraglichen Regelung bezieht. Lediglich auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Arbeitgeber für die arbeitsvertraglich vereinbarte Stundenanzahl des Arbeitnehmers die Bezahlung bereits geleistet hat respektive der Arbeitgeber durch die Abgeltung der Stunden in Vorleistung getreten ist. Eine weitere Voraussetzung für die Verpflichtung zum Ausgleich der Minusstunden ist, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Erlaubnis zur freien Disponierung der eigenen Arbeitszeit gegeben hat. Dies ist durch die Gestattung von flexiblen Arbeitszeitmodellen wie der Gleitzeit bereits als gegeben anzusehen.

Alleinig auf der Grundlage des Arbeitszeitkontos ist die Verpflichtung zum Ausgleich der Minusstunden noch nicht eindeutig. Diese Verpflichtung des Arbeitnehmers ergibt sich ausschließlich aus einer Vereinbarung heraus. Sowohl der Arbeitsvertrag als auch eine etwa in dem Unternehmen existente Betriebsvereinbarung gelten als derartige Vereinbarungen. In dieser Vereinbarung muss ausdrücklich der Umgang mit Abweichungen von dem Stundenkontingent des Arbeitnehmers geregelt sein.

Wird ein Arbeitszeitkonto geführt, muss ausdrücklich klargestellt sein, ob es sich hierbei um ein sogenanntes Langzeit- oder ein Kurzzeitkonto handelt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Konten liegt in dem Umstand, dass sich Kurzzeitkonten auf einen Zeitraum von weniger als einem Jahr beziehen, sodass die Arbeitszeitverrechnung auch im Rahmen dieses Jahres zu erfolgen hat. Langzeitkontenbeziehen sich auf die sogenannten langfristigen Stunden, die ein Arbeitnehmer für gewisse Vorhaben wie ein Sabbatical oder den vorzeitigen Ruhestand ansammelt.

Die maximale Höhe der Minusstunden

Entgegen der landläufig weitverbreiteten Meinung existiert in Deutschland keine einheitliche Regelung, wie viele Minusstunden ein Arbeitnehmer überhaupt ansammeln darf. Die Basis für das Arbeitsverhältnis ist stets der Arbeitsvertrag sowie sämtliche Regelungen und Vereinbarungen, die in diesem Vertrag enthalten sind. Ein fester Bestandteil des Arbeitsvertrages ist auch die zu leistende Arbeitszeit sowie – in der gängigen Praxis – der Umgang mit etwaigen Fehlstunden. Dementsprechend findet sich für gewöhnlich in dem Arbeitsvertrag auch eine Regelung wieder, innerhalb welchen Zeitraums die Minusstunden ausgeglichen werden sollen oder wie viele Minusstunden ein Arbeitnehmer überhaupt ansammeln darf.

Existieren in dem Arbeitsvertrag derartige Regelungen nicht, so liegt durch den Arbeitnehmer bereits bei kurzzeitigen Fehlzeiten eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vor.

Darf ein Arbeitgeber einen Lohnabzug vornehmen?

Obgleich es im Zusammenhang mit einer ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses naheliegend wäre, dass der Arbeitgeber die Minusstunden vom Gehalt des Arbeitnehmers abzieht, so ist dies nicht so einfach ohne Weiteres möglich. Ein derartiger Lohnabzug ist rechtlich nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer die Minusstunden zu verantworten hat. Gleichermaßen verhält es sich auch mit der Forderung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer die Minusstunden nacharbeitet. Das reine Verschulden des Arbeitnehmers ist jedoch lediglich dann als gegeben anzusehen, wenn der Arbeitnehmer die Minusstunden freiwillig angesammelt hat und es vor der Kündigung auch noch die Gelegenheit für den Arbeitnehmer gab, den entsprechenden Stundenausgleich zu leisten. Ein derartiger Ausgleich gilt rechtlich als unrealisierbar, wenn den Minusstunden ein Ereignis vorausging, welches als ausdrücklich als Betriebsrisiko anzusehen ist. Gem. § 815 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat der Arbeitgeber das Betriebsrisiko ausdrücklich zu tragen. Dies gilt auch für sämtliche Folgen. Dementsprechend kann dem Arbeitnehmer in derartigen Fällen die Fehlzeit nicht angelastet werden.

In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer die Minusstunden nicht zu verantworten

  • der Arbeitgeber ordnet eine Fortbildung im Rahmen der Arbeitszeit an
  • der Arbeitnehmer tritt Bildungsurlaub an
  • der Arbeitnehmer hat noch den Status eines Auszubildenden
  • der Arbeitnehmer meldet sich ordnungsgemäß bei dem Arbeitgeber krank und hat eine AU
  • der Arbeitnehmer nimmt seinen gesetzlich verankerten Anspruch auf Erholungsurlaub wahr.

Der Arbeitnehmer hat die Minusstunden zu verantworten

Sollten die Minusstunden von dem Arbeitnehmer zu verantworten sein, so hat der Arbeitgeber die Berechtigung dazu, einen entsprechenden Ausgleich zu verlangen. Sollte die Nacharbeit aufgrund der individuellen Situation nicht möglich sein, so kann ein Abzug von dem Gehalt des Arbeitnehmers erfolgen. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass der Arbeitgeber diesbezüglich einige Kriterien einhalten muss. Der Abzug von dem Gehalt des Arbeitnehmers darf lediglich in dem Rahmen der Betriebsvereinbarung respektive des Arbeitsvertrages erfolgen. Im Rahmen der letzten Gehaltszahlung kann ein derartiger Abzug erfolgen, wobei der Arbeitgeber zwingend beachten muss, dass das Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht unterschritten wird.

Minusstunden mit Urlaubsanspruch verrechnen – Geht das?

Viele Arbeitgeber oder auch Arbeitnehmer haben den Gedanken, dass Minusstunden auch mit dem vorhandenen Urlaubsanspruch „verrechnet“ werden können. Dies ist jedoch gesetzlich nicht zulässig, da der Urlaubsanspruch lediglich künftig gewährt wird. Minusstunden jedoch wurden bereits in der Vergangenheit angesammelt, sodass die Verrechnung nicht realisierbar ist.

Beachtet werden muss im Zusammenhang mit den Minusstunden auch, dass Minusstunden ähnlich wie Überstunden abgehandelt werden. Es erfolgt dementsprechend eine Übernahme in die jeweils nächste Rechnungsperiode, sofern keine anderweitige arbeitsvertragliche oder Betriebsvereinbarungsregelung in dem Unternehmen existiert. Dementsprechend verfallen Überstunden auch nicht.

Wenn das Arbeitsverhältnis auf fristlose Art beendet oder der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber bis zur Beendigung von dem Arbeitsverhältnis freigestellt wird, kommen Sonderregelungen zum Einsatz. Gem. Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat ein Arbeitnehmer in derartigen Fällen keine Gelegenheit mehr zum Ausgleich der Minusstunden, sodass der Arbeitgeber auch keine Möglichkeit zur Ausgleichsforderung hat (Urteil vom 19. Mai 2021, Aktenzeichen 4 Sa 423/20).

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