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Mobbing – psychische Erkrankung – Schmerzensgeld

Landesarbeitsgericht Thüringen – Az.: 1 Sa 269/20 – Urteil vom 25.01.2022

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 28.02.2020 – 4 Ca 881/19 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Schmerzensgeld und Entschädigung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes sowie um Überstundenvergütung und Zeugnisberichtigung.

Die Klägerin war vom 01.08.2009 bis zum 31.07.2019 aufgrund Arbeitsvertrages vom 13.06.2012 (Bl. 19-20 d.A.) als Pflegekraft in einem Altenpflegeheim der Beklagten beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages fanden auf das Arbeitsverhältnis die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ (AVR) Anwendung.

Am 11.10.2018 suchte die Klägerin die Pflegedienstleiterin (PDL) A… auf, um über die Zuteilung eines freien Sonntags im Oktober 2018 zu sprechen. Die PDL war zu diesem Zeitpunkt mit der Bearbeitung eines Notfalls beschäftigt. Der Inhalt der sich in dieser Situation ergebenden verbalen Auseinandersetzung ist zwischen den Parteien streitig. Streitig ist auch der genaue Inhalt eines auf Initiative der PDL erfolgten Telefonats mit der Klägerin am 15.10.2018. Die Klägerin erkrankte ab dem 15.10.2018 und erlangte bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2019 ihre Arbeitsfähigkeit nicht wieder.

Mobbing - psychische Erkrankung – Schmerzensgeld
(Symbolfoto: Prostock-studio/Shutterstock.com)

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.10.2018 (Bl. 47 d.A.) ließ die Klägerin im Vorfeld eines geplanten Personalgesprächs mitteilen, sie sehe Klärungsbedarf u.a. in Bezug auf die organisatorische Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses sowie zur Herstellung eines förderlichen Betriebsklimas, würde jedoch ihre Arbeit auch in Zukunft sehr gerne fortsetzen. Am 07.11.2018 kam es zu einem Personalgespräch, an dem neben der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten auch der Heimleiter, die PDL und die Prozessvertreterin der Beklagten teilnahmen. Zu einer im Rahmen dieses Gesprächs angedachten Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam es zunächst nicht. Noch mit Schreiben vom 21.11.2018 (Bl. 50 d.A.) versicherte die Klägerin, sie werde unverzüglich nach Wiederherstellung ihre Arbeitsfähigkeit den Dienst wieder antreten. Im gleichen Schreiben machte die Klägerin Vergütung von Überstunden und Überstundenzuschlägen nach AVR geltend. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen. Als über die im Schreiben vom 21.11.2018 angesprochenen Punkte keine Einigkeit erzielt werden konnte, rief die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 10.12.2018 (Bl. 54 d.A.) die Schlichtungsstelle des B…verbandes an. An der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle am 23.01.2019 nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, nicht jedoch die Klägerin selbst teil. Ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 21-22 d.A.) einigte man sich vor der Schlichtungsstelle unter anderem darauf, dass Überstunden nebst Zuschlägen für den Zeitraum vom 31.10.2018 rückwirkend für 6 Monate an die Klägerin zu zahlen seien. Die Beklagte verpflichtete sich in diesem Zusammenhang zu überprüfen, ob die Auszahlungen für diesen Zeitraum bereits vorgenommen wurden, und ggf. Nachzahlungen vorzunehmen. Zudem einigte man sich dahingehend, die Klägerin bei Wiederdienstantritt auf einen anderen Einsatzbereich/Wohnbereich zu versetzen und eine Wiedereingliederungsmaßnahme durchzuführen.

Ab Ende Januar 2019 bis Ende Februar 2019 wurde die Klägerin stationär psychiatrisch behandelt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.03.2019 (Bl. 24-26 d.A.) führte die Klägerin an, ursächlich für ihre Erkrankung sei die lang andauernde Konfliktsituation mit ihrem Arbeitgeber bzw. mit der dortigen PDL. Aus gesundheitlichen Gründen werde sie sich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheiden müssen. Sie machte eine Entschädigung in Höhe von mindestens 30.000,- € geltend. Ausgehend hiervon schlug sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10 Bruttomonatsgehältern sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000,- € vor. Mit Schreiben vom 08.03.2019 (Bl. 27-28 d.A.) lehnte die Beklagte den Vorschlag ab. Die Klägerin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2019.

Unter dem 31.07.2019 erteilte die Beklagte der Klägerin ein Arbeitszeugnis (Bl. 29-30 d.A.), das als Leistungsbeurteilung die folgenden Sätze enthält:

„Die ihr übertragenen Aufgaben erledigte Frau C… gewissenhaft. Ihre Leistungen erbrachte Frau C… zu unserer vollen Zufriedenheit.“

Mit ihrer am 25.09.2019 beim Arbeitsgericht Nordhausen eingegangenen und der Beklagten am 04.10.2019 zugestellten Klage hat die Klägerin Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen Mobbings, eine Entschädigung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes, die Abrechnung und Bezahlung von Überstunden sowie Zeugniserteilung bzw. – nach Klageänderung – Zeugnisberichtigung begehrt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte sei mit ihrem Verhalten für den Eintritt ihrer lang andauernden Erkrankung und letztlich auch für den Verlust des Arbeitsplatzes verantwortlich. Bis zum Einsatz des neuen Heimleiters D… und der Einsetzung von Frau A… als PDL – ca. zweieinhalb Jahre vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses – habe bei der Beklagten ein gutes Arbeitsklima geherrscht. Nach diesem Zeitpunkt habe sich das Arbeitsklima insbesondere durch den gereizten Umgang der PDL mit dem Personal geändert. Ab 2017 sei es mehrfach zu lauten Unmutsäußerungen und herabsetzenden Äußerungen auch der Klägerin gegenüber gekommen. Auch andere Mitarbeiter hätten in einer Mitarbeiterbefragung im Frühjahr 2017 ein schlechtes Betriebsklima bestätigt. Dieses schlechte Betriebsklima habe auch zu einer verstärkten Personalfluktuation geführt.

Wiederholt habe es Probleme mit der Einteilung zu Sonntagsdiensten gegeben. So habe sich die PDL über die tarifliche Sollvorschrift zu wenigstens 2 freien Wochenenden im Monat hinweggesetzt. Die Klägerin hat behauptet, sie sei am 11.10.2018 von der PDL bereits unwirsch begrüßt worden. Nach Schilderung der Angelegenheit habe die PDL ihr mitgeteilt, dass sie dann eben nicht arbeiten müsse, sie dann aber in Zukunft „nicht mehr kommen“ bräuchte. Auf Nachfrage, wie dies zu verstehen sei, sei sie von der PDL angeschrien worden, dass sie sich mit ihr nur noch über die Heimleitung unterhalten werde. Mit groben Worten sei sie daraufhin aus dem Dienstzimmer geworfen worden. Dass die PDL zu diesem Zeitpunkt Unterlagen eines Notfallpatienten bearbeitet habe, sei ihr nicht bekannt gewesen.

Als die Klägerin sich zur Vorbereitung auf das Personalgespräch mit ihrem Prozessvertreter in Verbindung gesetzt habe, habe die PDL sehr aufgeregt reagiert und am 15.10.2019 gegen 13:00 Uhr während der Ruhezeit nach ihrer Nachtschicht bei ihr zu Hause angerufen. Die Klägerin hat behauptet, die PDL habe ihr vorgeworfen, sich lächerlich zu machen. Die PDL habe angegeben, es sei nun einmal ihre Art, lautstark und manchmal böse zu werden. Danach habe die PDL noch dreimal angerufen und die Klägerin als schwächlich und unselbstständig verunglimpft. Auf die weitergehenden erstinstanzlichen Ausführungen im Schriftsatz vom 16.09.2019 (Bl. 8 d.A.) wird Bezug genommen. Infolge dieses Vorfalls habe die Klägerin einen Nervenzusammenbruch erlitten und sei in schwere Angstzustände und Depressionen verfallen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich weiter angeführt, im Vorfeld des Personalgesprächs am 07.11.2018 habe der Heimleiter in höchst unfairer Weise versucht, durch eine rückwirkende Aufstockung ihrer Arbeitszeit mittels einer Änderungsvereinbarung ihre Überstundenüberhänge zu beseitigen. Hierzu legt die Klägerin den Entwurf eines Änderungsvertrages datiert auf den 06.11.2017 (Bl. 49 d.A.) vor.

An der Schlichtungsverhandlung am 23.01.2019 habe sie wegen der Trauerfeier für eine nahe Angehörige nicht teilnehmen können. Ihr Ausbleiben habe der Heimleiter zum Anlass genommen, sie der Lüge zu bezichtigen und zu behaupten, dass die Trauerfeier an einem anderen Tag stattgefunden habe. Jene Trauerfeier habe jedoch eine andere Angehörige betroffen. Zum Beleg hat die Klägerin Traueranzeigen zur Akte gereicht (Bl. 23 d.A.). Die Erfolglosigkeit der Schlichtungsverhandlung habe das Gefühl der Ohnmacht gegen die Bloßstellungen und Ungerechtigkeiten der Beklagten bei der Klägerin verstärkt. Auf ärztliches Anraten, sich neu zu orientieren, habe sie schließlich das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, bereits aus statistischen Erwägungen heraus könne mit Blick auf die hohe Personalfluktuation darauf geschlossen werden, dass das geschilderte Verhalten des Führungspersonals bei der Beklagten einer allgemeinen Übung entspreche. Das arbeitnehmerschädigende Verhalten lasse sich auch beispielhaft anhand gleich gelagerter Fälle anderer Arbeitnehmer belegen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 16.09.2019 (Blatt 13-15 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat angeführt, ihre Erkrankung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien unmittelbar aus dem im Arbeitsverhältnis erlittenen Unrecht hervorgegangen. Hierzu hat die die Klägerin auf ein Attest vom 03.05.2019 (Bl. 121 d.A.) verwiesen, wonach die Klägerin „eine schwere depressive Episode nach Mobbing einer Vorgesetzten entwickelt“ habe. Die Beklagte sei daher zu Entschädigungszahlungen wegen Mobbings sowie wegen des Arbeitsplatzverlustes verpflichtet. Für den Verlust des Arbeitsplatzes sei eine Entschädigung in Höhe von einem Bruttomonatsverdienst (durchschnittlich 1.911,51 €) je Beschäftigungsjahr angemessen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde Abrechnung und Vergütung der übervertraglich geleisteten Überstunden. Hierzu hat die Klägerin auf eine Aufstellung aus Oktober 2018 (Bl. 41 d.A.) verwiesen, die ein „Guthaben“ von 147,49 Stunden ausweist.

Ferner hat die Klägerin angeführt, die Leistungsbewertung im Zeugnis sei von der Note „befriedigend“ in „gut“ abzuändern. Denn sie – die Klägerin – sei überdurchschnittlich leistungsbereit gewesen. Dies zeige sich bereits an ihrem Überstundenstand Ende Oktober 2018.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie

a) ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 30.000,- € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie

b) weitere 19.115,10 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit

zu zahlen;

2. ihr Abrechnung über die noch nicht vergüteten Überstunden zu erteilen und den sich ergebenden Betrag zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an sie zu zahlen;

3. das Arbeitszeugnis vom 31. 7. 2019 dahingehend abzuändern, dass die Sätze „Die ihr übertragenen Aufgaben erledigte Frau C… gewissenhaft. Die Leistungen erbrachte sie zu unserer vollen Zufriedenheit.“ durch die Formulierung „Die ihr übertragenen Aufgaben erledigte Frau C… zuverlässig und äußerst gewissenhaft. Ihre Leistungen erbrachte sie stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“ ersetzt werden.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich erstinstanzlich auf den Standpunkt gestellt, Probleme zwischen der Klägerin und dem Heimleiter bzw. der PDL habe es nicht gegeben. Auf Nachfragen der Klägerin habe die PDL weder genervt noch mit lautstarken Unmutsbekundungen oder herabsetzenden Äußerungen reagiert. Die Beklagte bestreitet, dass das Führungsverhalten der PDL Gegenstand von Beschwerden gewesen sei. Ein Zusammenhang zwischen einer von der Klägerin behaupteten Personalfluktuation und dem Führungsstil der PDL bestehe nicht. Auch in Bezug auf die Wochenenddienste seien Wünsche der Pflegekräfte von der PDL größtmöglich berücksichtigt worden.

Am 11.10.2018 sei die Klägerin in das Büro der PDL gekommen, um den Tausch eines freien Wochenendes zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt sei die PDL mit der Bearbeitung eines Notfalls beschäftigt gewesen, was auch der Klägerin bewusst gewesen sei. Die von der Klägerin behaupteten Äußerungen habe die PDL nicht getätigt. Die Klägerin sei lediglich des Büros verwiesen worden, da die PDL den Notfall habe bearbeiten müssen. Auch das Telefonat am 15.10.2018 sei nicht lautstark geführt worden. Die Beklagte hat bestritten, dass die PDL eingeräumt haben soll, sie neige zu genervten, lautstarken Ausbrüchen. Einen kausal durch diese Vorkommnisse und das Personalgespräch am 07.11.2018 ausgelösten Krankheitsverlauf bei der Klägerin hat die Beklagte ebenfalls bestritten.

Die Beklagte hat angeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Schlichtungsverfahren sei der Klägerin ein anderer Einsatzbereich angeboten worden. Gleichwohl habe die Klägerin das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beendet.

Wegen der geltend gemachten Abrechnung von Überstunden hat die die Beklagte auf die Einigung im Schlichtungsverfahren verwiesen. Laut Protokoll sei mit Blick auf Ausschlussfristen in den AVR rückwirkend für 6 Monate eine Vergütung von Mehrarbeit vereinbart worden. Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, im April 2018 habe die Klägerin 6 Mehrarbeitsstunden, im Mai 2018 31,25 Mehrarbeitsstunden, im Juni 2018 11 Mehrarbeitsstunden, im Juli 2018 18 Mehrarbeitsstunden, im August 2018 8 Mehrarbeitsstunden, im September 2018 25 Mehrarbeitsstunden und im Oktober 2018 6 Minusstunden erbracht. Insgesamt seien 93,45 Mehrarbeitsstunden festgestellt worden, die mit 40 Stunden im September 2018 und 56 Stunden im Dezember 2018 (über)bezahlt worden seien. Hierzu hat die Beklagte auf die Abrechnungen für September und Dezember 2018 (Bl. 105 und 107R d.A.) verwiesen.

Zum Zeugnisberichtigungsanspruch hat die Beklagte angeführt, die Tätigkeit der Klägerin sei lediglich zufriedenstellend gewesen.

Mit Urteil vom 28. Februar 2020 (Bl. 133 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Nordhausen die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine systematisch gegenüber der Klägerin erfolgte Persönlichkeitsrechtsverletzung, die unter dem Gesichtspunkt des „Mobbings“ zu einer Schadenersatzpflicht der Beklagten führen könne, sei nicht ersichtlich. Substantiiert seien lediglich die Schilderungen zu den Vorfällen am 11.10.2018 und am 15.10.2018. Diese singulären Vorkommnisse könnten jedoch keine über einen längeren Zeitraum und damit einer gewissen Systematik unterliegende Verhaltensweise der Beklagten bzw. ihrer Vertreter belegen. Auch ein Auflösungsverschulden der Beklagten, das die Klägerin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte veranlassen können, sei nicht feststellbar. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Abrechnung und Vergütung von Überstunden sei nach den schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten erfüllt. Konkreten Sachvortrag zu weitergehenden Ansprüchen auf Abrechnung von Überstunden habe die Klägerin nicht erbracht. Auch in Bezug auf die von ihr begehrte Zeugnisberichtigung habe die Klägerin konkreten Vortrag zu einem überdurchschnittlichen Einsatz entgegen der sie treffenden Darlegungslast unterlassen.

Gegen das ihr ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 31.07.2020 oder am 01.08.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen hat die Klägerin mit beim Landesarbeitsgericht am 13.08.2020 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und nach Fristverlängerung bis zum 28.10.2020 mit am 27.10.2020 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter und wiederholt hierzu ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe zu hohe Anforderungen an die Darlegung einer systematischen Anfeindung und Schikane seitens der Vorgesetzten der Klägerin gestellt. Entgegen der Bewertung des Erstgerichts habe die Klägerin sehr wohl umfangreich dargetan, dass seit dem Wechsel der Heim- und Pflegedienstleitung ein Betriebsklima der Angst und Einschüchterung eingezogen sei. Dies ergebe sich aus einem vorangegangenen gleich gelagerten Fall sowie aus der erhöhten Personalfluktuation. Das Gericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass auch die Klägerin von diesen allgemeinen Vorfällen betroffen gewesen sei.

Die Erkrankung sei Ergebnis des mehrjährigen Leidensweges. Insbesondere das Telefonat vom 15.10.2018 habe strafrechtlich relevanten Inhalt gehabt. Die geschilderten Vorfälle seien entgegen der Bewertung des Arbeitsgerichts nicht als einheitlicher Vorgang, sondern als aufeinander aufbauende, unabhängige Pflichtverletzungen mit steigender Intensität anzusehen. Auch der Vorwurf, dass die Klägerin sich einen Anwalt genommen hat, habe das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört. Die Integritätsverletzung der Klägerin durch den Vorwurf der Lüge im Zusammenhang mit der Verhinderung bei der Teilnahme an der Schlichtungsverhandlung habe das Gericht zu Unrecht gänzlich unberücksichtigt gelassen. Gleiches gelte für den Versuch, Ansprüche der Klägerin auf Überstundenvergütung abzuschneiden. Auch das ehrabschneidende Verhalten der Beklagten im Prozess sei nicht berücksichtigt worden. Zu Unrecht sei das Erstgericht angebotenen Beweisen nicht nachgegangen. Die Erkrankung der Klägerin stelle einen Erfolgseintritt dar. Wegen der Schwierigkeiten bei der Darlegungslast sei in Anlehnung an § 22 AGG eine Beweislastumkehr anzunehmen.

Zur Frage des Auflösungsverschuldens führt die Klägerin an, die behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten seien kausal für ihre Erkrankung gewesen. Der ungelöste Konflikt sei durch das Verhalten der Beklagten im Prozess weiter eskaliert. Der Klägerin sei nichts anderes übrig geblieben, als diesem Konflikt durch einen Wechsel der Arbeitsstelle aus dem Weg zu gehen.

In Bezug auf die Überstunden führt die Klägerin an, die Vereinbarung vor der Schlichtungsstelle habe nur Überstunden betroffen, also solche Stunden, die laut AVR über 40 Wochenstunden (Vollzeit) hinaus geleistet werden. Mehrarbeitsstunden, also solche zwischen der mit ihr vereinbarten Teilzeit von 22,5 Wochenstunden und Vollzeit, seien nicht von der Einigung erfasst. Hierüber müsse die Beklagte nach wie vor abrechnen. Von den 147,5 Stunden Guthaben seien bislang nur 40 Stunden abgerechnet, so dass ein ungeklärter Saldo von 107,5 Stunden verbliebe.

Zu ihrer überdurchschnittlichen Leistungsbereitschaft sei sehr wohl vorgetragen worden. Unter Beweisantritt sei ausgeführt worden, dass auch die Beklagte eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft der Klägerin nicht bestreite.

Die Klägerin beantragt, der Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 28.02.2020 (Az.: 4 Ca 811/19) stattzugeben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die Klägerin habe weder dargelegt noch nachgewiesen, dass ein Betriebsklima der Angst geherrscht und sie hieraus resultierend eine Gesundheitsbeeinträchtigung erlitten habe. Die Beklagte bestreitet Einschüchterungsversuche gegenüber jedem einzelnen Mitarbeiter, ebenso die Bestätigung eines schlechten Betriebsklimas durch eine Mitarbeiterbefragung im Frühjahr 2017 sowie eine durch Konflikte hervorgerufene erhöhte Personalfluktuation. Ein systematisches Fehlverhalten der Führungskräfte liege nicht vor. Die Ereignisse am 11.10.2018 und 15.10.2018 seien einmalige Ereignisse. Seit der Meinungsverschiedenheit mit der PDL sei die Klägerin nicht mehr zur Arbeit erschienen. Auch durch Personalgespräche habe man sich bemüht, ein gedeihliches Zusammenarbeiten zwischen der Klägerin und der PDL sicherzustellen und etwaige Konflikte zu beseitigen. Selbstverständlich habe sich die Klägerin anwaltlicher Hilfe bedienen können. Konflikte zwischen Menschen innerhalb einer Gruppe entstünden jedoch tagtäglich. Ein Recht auf kritikfreies Wohlgefühl am Arbeitsplatz gebe es nicht. Solange sich etwaige Beeinträchtigungen im sozialadäquaten Rahmen hielten, sei der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht tangiert. Ein diesen Schutzbereich überschreitendes, systematisches Handeln der Beklagten bzw. der PDL habe die Klägerin nicht dargetan. Hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Erkrankung sei die Klägerin beweisfällig geblieben. Insbesondere habe die Klägerin den von ihr angekündigten Behandlungsbericht niemals vorgelegt. Auch ein Auflösungsverschulden der Beklagten sei nicht belegt.

In Bezug auf die begehrte Überstundenabrechnung führt die Beklagte an, bereits erstinstanzlich sei zu der gemäß Vereinbarung vom 23.01.2019 erfolgten Abrechnung von insgesamt 96 Mehrarbeitsstunden vorgetragen worden. Weitergehende Ansprüche habe die Klägerin nicht dargetan. Überstunden im Sinne der AVR, also solche Stunden, die über eine Vollzeittätigkeit hinausgehen, seien gar nicht angefallen.

Eine Korrektur des erteilten Zeugnisses könne die Klägerin nicht beanspruchen. Darlegungen zu einer überdurchschnittlichen Leistungsbereitschaft habe die Klägerin nicht erbracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 25.01.2022 (Bl. 229 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 ZPO.

II. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht Ansprüche der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung wegen „Mobbings“, auf Schadensersatz wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, auf Abrechnung von Überstunden sowie Zeugnisberichtigung verneint.

1. Ansprüche wegen eines als „Mobbing“ zu bewertenden Verhaltens der Beklagten bzw. ihrer Führungskräfte hat die Klägerin nicht.

a) Unter Mobbing ist ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren eines Arbeitnehmers durch Mitarbeiter oder Vorgesetzte zu verstehen. Auch dann, wenn einzelne vom Arbeitnehmer dargelegte Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, kann eine Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit führen, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung der geschützten Rechte des Arbeitnehmers führt. Dies ist dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 347/07, Rn. 29; BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 Rn. 58ff.; LAG Düsseldorf 26.03.2013 – 17 Sa 602/12, Rn. 97, 100).

Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger für die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Daraus folgt, dass er im Rechtsstreit die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen er die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, konkret unter Angabe deren zeitlicher Lage zu bezeichnen hat. Nur dadurch werden die Tatsachengerichte in die Lage versetzt, zu überprüfen, ob die behaupteten Vorgänge für sich allein betrachtet oder in der Gesamtschau zu einer Rechtsbeeinträchtigung geführt haben und dann gegebenenfalls über jeden behaupteten Vorgang Beweis zu erheben (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 347/07, Rn. 41; BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 Rn. 88; LAG Düsseldorf 26.03.2013 – 17 Sa 602/12, Rn. 101).

b) Der Sachvortrag der Klägerin lässt solche systematischen „Mobbing-Handlungen“ mit Eingriffsqualität nicht erkennen.

Zu Recht weist das Erstgericht darauf hin, dass die Vorfälle vom 11.10.2018 und vom 15.10.2018 keinen ausreichenden Beleg für eine gegen die Klägerin gerichtete, systematische Schikane durch die Beklagte bzw. die PDL darstellen.

Über den zwischen den Parteien streitigen Inhalt dieser Gespräche konnte eine Beweisaufnahme unterbleiben. Denn die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens unterstellt, ergibt sich aus diesen Vorfällen keine systematische, zielgerichtete Persönlichkeitsverletzung der Klägerin. Denn bei der Beurteilung, ob ein systematisches, zielgerichtetes Verhalten festgestellt werden kann, ist stets zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 347/07, Rn. 47; BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06, Rn. 85; LAG Düsseldorf 26.03.2013 – 17 Sa 602/12, Rn. 111). Daher gilt es, sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, d.h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen (LAG Niedersachsen 09.03.2009 – 9 Sa 378/08, Rn. 30). Nicht jede unberechtigte Kritik, überzogene Abmahnung oder gar unwirksame Kündigung stellt gleichzeitig auch eine Persönlichkeitsverletzung dar und führt zu einer Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht, zumal ein Arbeitgeber Personalmaßnahmen grundsätzlich auch muss versuchen dürfen (BAG 13.03.2008 – 2 AZR 88/07, Rn. 51).

Mit dem von der Klägerin angeführten Verhalten und den Äußerungen in den Gesprächen am 11.10.2018 und 15.10.2018 mag die PDL die Grenzen der Höflichkeit überschritten haben. Ein systematisches, schikanöses Anfeinden und Herabsetzen ist mit derart unhöflichen verbalen Entgleisungen jedoch in der Regel nicht verbunden. Da die PDL nach den eigenen Behauptungen der Klägerin zugegeben haben soll, es sei ihre Art, laut und böse zu werden, war auch für die Klägerin erkennbar, dass etwaige Unhöflichkeiten und Entgleisungen sich nicht gegen die Klägerin als Person richteten, sondern der aufbrausenden Art der PDL geschuldet waren. Dass die Klägerin eingangs des Gesprächs am 11.10.2018 nicht begrüßt wurde, mag die Klägerin als unhöflich empfunden haben. Ein solches Verhalten hat jedoch nicht die Schwere, die den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts überschreitet. Zudem war die PDL zu diesem Zeitpunkt mit der Bearbeitung eines Notfalls beschäftigt. Es erscheint daher nachvollziehbar, dass in dieser Situation nicht alle Regeln der Höflichkeit eingehalten werden konnten. Die Situation erklärt auch, warum die Klägerin am Ende des Gesprächs des Büros verwiesen wurde. Zu beachten ist zudem, dass die Klägerin im Ergebnis des Gesprächs mit ihrem Ansinnen (freies Wochenende) Erfolg hatte. Die Ankündigung der PDL, zukünftig ausschließlich über die Heimleitung mit der Klägerin zu kommunizieren, mag die Klägerin als Affront empfunden haben. Eine solche Weigerung läge sicherlich auch außerhalb des Üblichen. Dadurch, dass die PDL jedoch bereits am 15.10.2018 mit der Klägerin telefonisch Kontakt aufnahm, war auch für die Klägerin erkennbar, dass diese Aussage der aufgeheizten Atmosphäre des Gesprächs am 11.10.2018 geschuldet und nicht ernst gemeint war.

Der Klägerin ist zuzugeben, dass die von ihr behauptete Äußerung der PDL im Telefonat am 15.10.2018, die Klägerin sei schwächlich und unselbstständig, die Grenzen dessen überschreiten, was als sozialadäquate Konfliktsituation im Arbeitsverhältnis bezeichnet werden kann. Hierzu hat das Erstgericht jedoch zu Recht ausgeführt, dass die Ereignisse vom 11. und 15. Oktober 2018 singuläre Ereignisse darstellen, die ein über einen längeren Zeitraum erstreckendes und einer gewissen Systematik unterliegendes Schikanieren der Klägerin nicht belegen können. Entgegen den Angriffen der Berufung sind diese einzelnen Verhaltensweisen auch nicht als unabhängige Verletzungshandlungen mit steigender Intensität anzusehen. Die Kammer schließt sich vielmehr der Bewertung des Erstgerichts an, dass beide Vorfälle aufeinander aufbauen und mit dem daraufhin geführten Personalgespräch vom 07.11.2018 in einem inneren Zusammenhang stehen.

Weitere, genau und auch datumsmäßig bezeichnete „Mobbing-Handlungen“ der Beklagten bzw. ihrer Heim- und Pflegedienstleitung hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihre Ausführungen beschränken sich auf pauschale Behauptungen und Vorwürfe. So spricht die Klägerin davon, es habe ein schlechtes Betriebsklima geprägt von Einschüchterung und Angst geherrscht. Die pauschale Behauptung, dies sei in einer Mitarbeiterbefragung 2017 auch von anderen Mitarbeitern bestätigt worden, wird von ihr nicht weiter konkretisiert. Auch der singuläre Fall einer anderen Kollegin vermag ein gegen alle Mitarbeiter gerichtetes einschüchterndes Verhalten seitens der Vorgesetzten nicht belegen. Der Rückschluss von einer erhöhten Personalfluktuation auf ein schlechtes Betriebsklima ist nicht zwingend. Hintergründe und Motivation von Personalwechseln sind nicht vorgetragen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht zulässig, zum Beleg einer gegen die Belegschaft als Ganzes gerichteten systematischen Vorgehensweise auf rein statistisches Zahlenwerk – deren Richtigkeit unterstellt -zurückzugreifen. Auch die von der Klägerin behaupteten wiederholten lauten Unmutsäußerungen und herabsetzenden Äußerungen seitens der PDL werden von ihr nicht weiter konkretisiert. Angesichts der Pauschalität dieses Vorbringens konnte eine Beweisaufnahme unterbleiben. Eine solche hätte einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt.

c) Ohne Erfolg rügt die Klägerin, das Erstgericht habe zu Unrecht weitere Verletzungshandlungen der Beklagten bzw. der Leitung außer Betracht gelassen. Denn auch diese, von der Klägerin angeführten Verletzungshandlungen belegen entgegen ihrer Auffassung keine systematische Schikane.

Dies gilt zunächst für den angeblichen Vorwurf, sich einen Anwalt genommen zu haben. Zwar hat auch die Beklagte im Prozess eingeräumt, dass die Klägerin das Recht hatte, einen Anwalt einzuschalten. Der Klägerin die Einschaltung eines Anwalts vorzuwerfen, wäre daher auch aus Sicht der Beklagten als unberechtigte Kritik einzuordnen. Nicht jede unberechtigte Kritik hat jedoch die Qualität eines zielgerichteten Angriffs. Zu beachten ist, dass der Heimleiter mit dem „Beklagen“ der anwaltlichen Beauftragung letztlich zum Ausdruck bringt, dass man seitens der Beklagten Konflikte im Arbeitsverhältnis zunächst innerhalb des Kreises der Betroffenen hätte versuchen wollen. Auch die behauptete Äußerung des Heimleiters, er könne „Personal, welches wegen jedem kleinen Bewerbchen gleich zum Anwalt renne“, nicht brauchen, belegt im Kern lediglich das Bestreben einer zunächst internen Klärung. Die überspitzte Äußerung hat angesichts dieser Kernbotschaft nicht die Eingriffsqualität einer Persönlichkeitsverletzung.

Auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihren Behauptungen im Zusammenhang mit dem Nichterscheinen bei der Schlichtungsverhandlung der Lüge bezichtigt wurde, lässt eine Schikane nicht erkennen. Angesichts der vorgelegten Traueranzeigen konnte die Klägerin aufdecken, dass es sich um zwei verschiedene Trauerfeiern handelte. Ersichtlich handelte es sich um ein Missverständnis. Die Bezichtigung der Lüge beruhte – für die Klägerin erkennbar – auf einem Irrtum.

Das von der Klägerin angeführte Ansinnen der Beklagten, der Überstundenproblematik durch eine Anpassung des vertraglich geschuldeten Stundenumfangs zu begegnen, ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin übersieht, dass sie bei einer Änderung des Arbeitsumfangs auch eine entsprechend erhöhte Vergütung erhalten hätte. Das Ansinnen der Beklagten als Teil eines gegen ihre Person gerichteten Angriffs zu sehen, ist auch deshalb verfehlt, weil es einem Arbeitgeber nicht verwehrt sein kann, eine Personalmaßnahme – hier in Form einer Vertragsänderung – zu versuchen.

d) Auch der Vorwurf, das Erstgericht habe ehrabschneidendes Verhalten der Beklagten im weiteren Verlauf des Prozesses unberücksichtigt gelassen, führt nicht zum Erfolg.

In ihrer Berufungsbegründung behauptet die Klägerin, die Beklagte habe ihr vorgeworfen, sie täusche eine schwere psychische Erkrankung lediglich zu dem Zweck vor, möglichst hohe Abfindungszahlungen zu kassieren. Dieser Vorwurf findet in der Akte jedoch keine Stütze: Zwar hat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 08.03.2019 (Bl. 27 d.A,) bestritten, dass eine Erkrankung der Klägerin auf die Konfliktsituation im Arbeitsverhältnis zurückzuführen sei. In diesem Schreiben wurde zudem die Vermutung geäußert, dass es der Klägerin mit ihrer Unterstellung allein darauf ankäme, im vorliegenden Fall eine Abfindung zu kassieren. Entgegen der Darstellung der Klägerin wird in diesem Schreiben jedoch nicht der Vorwurf erhoben, sie täusche ihre Erkrankung nur vor. Ausschließlich die von der Klägerin behauptete Kausalität zwischen Erkrankung und Konfliktsituation im Arbeitsverhältnis wird in Zweifel gezogen. Angesichts der noch im Januar 2019 vor der Schlichtungsstelle versuchten Konfliktlösung unter Einbeziehung anderweitiger Einsatzgebiete für die Klägerin ist es nachvollziehbar, dass die Beklagte auf die Entschädigungsforderungen der Klägerin mit Verwunderung reagiert. Denn durch die seit 15.10.2018 andauernde Abwesenheit der Klägerin hatten sich nach der Schlichtungsverhandlung keine weiteren nennenswerten Vorkommnisse ereignet.

Das Bestreiten der Beklagten im Prozess in Hinblick auf die psychische Erkrankung der Klägerin ist nicht als Teil einer Verletzungshandlung zu qualifizieren. Ausmaß und Ursache der Erkrankung eines Arbeitnehmers stehen für den Arbeitgeber regelmäßig außerhalb der eigenen Wahrnehmung. Ein Bestreiten in einem gerichtlichen Prozess zu Umständen außerhalb der eigenen Kenntnismöglichkeit geschieht regelmäßig in Wahrnehmung berechtigter Interessen und hat bereits aus diesem Grund nicht die Qualität einer Verletzungshandlung.

e) Zu Unrecht rügt die Klägerin, das Erstgericht habe zu hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast gestellt.

aa) Wie oben bereits dargestellt, hätte die Klägerin die einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen, aus denen sie die Verletzung ihrer Persönlichkeit und ihrer Gesundheit herleitet, konkret unter Angabe deren zeitlicher Lage zu bezeichnen gehabt.

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin hilft ihr auch der Verweis auf § 22 AGG nicht weiter.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 AGG greift dieser ausschließlich, wenn eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes im Raum steht. Ein solches Diskriminierungsmerkmal hat die Klägerin nicht dargetan. § 22 AGG bietet für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 823 I BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Erleichterungen (BAG 21.06.2012 – 8 AZR 188/11, Rn. 30). Nur dort, wo der Inhalt des AGG den Maßstab für die Bemessung von Ansprüchen darstellt, ist die Beweislastregelung anwendbar (ErfK-Schlachter, 22. Auflage 2022, § 22 AGG Rn. 13).

Auch das Bundesarbeitsgericht hat Beweislasterleichterungen bei sogenannten Mobbing-Fällen verneint (BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06, Rn. 88-91).

Abgesehen davon hat es die Klägerin – wie dargestellt – versäumt, in ausreichender Weise konkrete Verletzungshandlungen darzustellen. Selbst bei einer von ihr angeführten entsprechenden Anwendung des § 22 AGG hätte sie daher die von dieser Norm geforderte Indizienlage nicht ausreichend belegt.

2. Zu Recht hat das Erstgericht einen Schadensersatzanspruch wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes verneint.

a) Als Anspruchsgrundlage kommt allerdings § 628 Abs. 2 BGB in Betracht. § 628 Abs. 2 BGB findet über den Wortlaut hinaus in allen Fällen Anwendung, in denen das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, sofern der andere Vertragsteil durch ein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten den Anlass zu der Beendigung gegeben hat. § 628 Abs. 2 BGB ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes. Der Schadensersatzanspruch setzt eine Vertragsverletzung voraus. Erforderlich ist ein Auflösungsverschulden mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB (ErfK-Müller-Glöge, 22. Auflage 2022, § 628 BGB Rn. 14b, 15)

b) Ein solches Auflösungsverschulden der Beklagten ist von der diesbezüglich darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht dargelegt.

Wie bereits oben ausgeführt, sind Verletzungshandlungen der Beklagten bzw. ihrer Heim- und Pflegedienstleitung von ausreichendem Gewicht nicht dargetan.

Zu berücksichtigen ist aus Sicht der Kammer zudem, dass die Klägerin auch nach dem 15.10.2018 in der Korrespondenz mit der Beklagten über ihren Anwalt stets hat ausrichten lassen, dass sie trotz der angeführten Konflikte und klärungsbedürftigen Punkte eine Rückkehr an ihren Arbeitsplatz wünscht. Dies zeigt, dass die Klägerin selbst die von ihr nun angeführten Vorfälle nicht als Hinderungsgrund für ihre Rückkehr angesehen hat. Diese Vorfälle nunmehr als Teil eines von der Beklagten zu vertretenen Auflösungsverschuldens anzusehen, das als einzigen Ausweg die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach sich zog, erscheint abwegig.

Die behauptete Alternativlosigkeit der Eigenkündigung erschließt sich auch deshalb für die erkennende Kammer nicht, da noch im Januar 2019 vor der Schlichtungsstelle vereinbart wurde, nach Wiederdienstantritt der Klägerin im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme eine Versetzung der Klägerin vorzunehmen.

Das von der Klägerin wiederholt behauptete eskalierende Verhalten der Beklagten im Prozess kann als ein die Eigenkündigung verursachendes Auflösungsverschulden bereits deshalb nicht herhalten, da die Eigenkündigung der Klägerin zeitlich weit vor Klageerhebung erfolgte.

3. Einen Anspruch auf Abrechnung von Überstunden hat die Klägerin nicht.

a) Dabei kann unterstellt werden, dass der Klägerin aus Ziffer 2 der Vereinbarung vor der Schlichtungsstelle vom 23.01.2019 ein eigenständiger Anspruch auf Abrechnung und Prüfung von Überstunden zustand. Es wurde vereinbart, dass die Beklagte verpflichtet sein sollte, zu überprüfen, ob die Auszahlungen für den genannten Zeitraum (6 Monate rückwirkend) vorgenommen wurden. Den Parteien war angesichts der Vereinbarung offenbar bewusst, dass bereits Auszahlungen für Überstunden erfolgt waren. Angesichts des Umstands, dass die Klägerin als Teilzeitkraft in seltenen Fällen echte „Überstunden“ im Sinne der AVR geleistet haben dürfte – also solche Stunden, die über den Arbeitsumfang einer Vollzeitkraft hinausgehen – ist die Vereinbarung dahingehend zu verstehen, dass sich der Abrechnungsanspruch der Klägerin auf Überstunden im untechnischen Sinne bezieht, also sowohl Mehrarbeitsstunden als auch Überstunden im Sinne der AVR umfassen sollte.

b) Diesen Abrechnungs- und Prüfungsanspruch der Klägerin hat die Beklagte jedoch durch ihre Ausführungen zu der angefallenen Mehrarbeit im Zeitraum April 2018 bis Oktober 2018 erfüllt. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, jeweils welche Anzahl von Mehrarbeitsstunden in den Monaten April bis Oktober 2018 von der Klägerin geleistet wurden. Überstunden im Sinne des AVR sind nach Darstellung der Beklagten gar nicht angefallen. Die Beklagte hat ferner dargestellt, dass nicht nur 40 Stunden (September 2018) sondern weitere 56 Stunden (Dezember 2018) abgerechnet worden waren. Angesichts dieses Vortrags der Beklagten wäre es an der Klägerin gewesen, konkret darzustellen, aus welchem Gesichtspunkt noch weitergehende Ansprüche bestehen sollten. Der bloße Verweis auf ein „Guthaben“ von 147,49 Stunden aus einer Aufstellung aus Oktober 2018 und der (unzutreffende) Hinweis darauf, nur 40 Stunden seien abgerechnet worden, genügt angesichts des Vorbringens der Beklagten zur erfolgten Abrechnung und Prüfung nicht.

4. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch das Zeugnisberichtigungsbegehren der Klägerin abschlägig beschieden.

a) Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in Ziffer I 4. der Gründe wird vollumfänglich Bezug genommen.

b) Das Argument der Klägerin, sie habe ausreichenden Vortrag dazu gebracht, dass auch von Seiten der Beklagten ihre überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft nicht bestritten worden sei, verfängt nicht. Die Klägerin übersieht, dass sie eine Gesamtbeurteilung entsprechend der Schulnote gut begehrt. Diese überdurchschnittliche Benotung erfordert einen Vortrag zu einer überdurchschnittlichen Leistung. Eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft ist nicht gleichbedeutend mit einer überdurchschnittlichen Leistungserbringung. Letztere erfordert neben der bloßen Bereitschaft zu überdurchschnittlichem Arbeitseinsatz auch ein entsprechend erfolgreiches und zielerfüllendes Arbeitsverhalten. Zu letzterem erfolgten keine Darlegungen der Klägerin.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht.

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