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Nachtarbeitszuschlag – Dauernachtschicht – Wechselschicht

LAG München, Az.: 9 Sa 367/16, Urteil vom 08.11.2016

1. Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 14.04.2016, Az. 5 Ca 2237/15, teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.983,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.11.2015 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Monate Mai – Oktober 2015 noch Anspruch auf Zahlung restlicher Nachtzuschläge hat.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 16.01.2008, zuletzt als Staplerfahrer im Betriebsteil „E.‘‘, beschäftigt. In diesem Betriebsteil fallen die Arbeitsaufgaben rund um die Uhr an. Es wird deshalb in folgenden Schichten gearbeitet:

– 20.00 Uhr – 05.00 Uhr (Sonntag – Donnerstag)

– 23.00 Uhr – 08.00 Uhr (Sonntag – Donnerstag)

– 05.00 Uhr – 14.00 Uhr (Montag – Freitag)

– 08.00 Uhr – 17.00 Uhr (Montag – Freitag)

– 14.00 Uhr – 23.00 Uhr (Montag – Freitag)

– 17.00 Uhr – 02.00 Uhr (Montag – Donnerstag)

Nachtarbeitszuschlag - Dauernachtschicht - Wechselschicht
Symbolfoto: Manine99/Bigstock

In diesem Bereich sind 179 Arbeitnehmer beschäftigt; 97 wechseln die Schicht wöchentlich und 82 sind jeweils auf eigenen Wunsch nur in einer Schicht tätig. Der Kläger arbeitet auf eigenen Wunsch in der Schicht von 20.00 Uhr – 5.00 Uhr.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer/Innen und für Angestellte des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern, gültig ab 01.01.2015, Anwendung (im Folgenden: MTV). § 11 MTV lautet auszugsweise wie folgt:

㤠11

Bestimmungen über Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

I. Allgemein

1. Für Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit wird ein Zuschlag zum tariflichen Stundenlohn bezahlt …

2. …

3. Beim Zusammentreffen von mehreren Zeitzuschlägen wird nur der jeweils höchste gewährt, es sei denn, es handelt sich um Mehrarbeit im Schichtdienst bzw. im zeitversetzten Dienst.

4. .

II.

II. Nachtarbeit

1. Für Nachtarbeit in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr ist ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 50 % zum tariflichen Stundenlohn zu zahlen.

III. Sonn- und Feiertagsarbeit

1. Sonn- und Feiertagsarbeit ist die an diesen Tagen zwischen 00.00 Uhr und 24.00 Uhr geleistete Arbeit.

2. .

3. Die Zuschläge betragen:

a) für Sonntagsarbeit 50 % zum tariflichen Stundenlohn

b) für Sonntagsnachtarbeit 100 % zum tariflichen Stundenlohn

c) für Feiertagsarbeit 100 % zum tariflichen Stundenlohn.

IV. Schichtarbeit/zeitversetzter Dienst

1. Schichtarbeit kann eingeführt werden. Regelmäßige Schichtarbeit liegt vor, sofern sie länger als eine Woche dauert. Die Einteilung zur regelmäßigen Schichtarbeit ist dem Arbeitnehmer spätestens drei Arbeitstage vor ihrem Inkrafttreten mitzuteilen.

Anmerkung zum Begriff „Schichtarbeit“:

a) Schichtarbeit liegt vor, wenn in einem Betrieb oder Betriebsteil regelmäßig nach Schichtplan in mindestens zwei Schichten durchlaufend gearbeitet wird, wobei der Einsatz des Personals in regelmäßigen Wechsel zu erfolgen hat.

b) Zeitversetzter Dienst liegt vor, wenn von der regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit abgewichen wird. Sie wird nach den betrieblichen Notwendigkeiten einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer festgesetzt und ist mindestens drei Tage vorher bekannt zu geben.

Zeitversetzter Dienst ist nur dann gegeben, wenn mehr als drei Stunden von der regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit abgewichen wird. Zeitversetzter Dienst hat nichts mit gleitender Arbeitszeit zu tun. Teilbeschäftigung fällt ebenfalls nicht darunter.

2. Bei regelmäßiger Schichtarbeit wird für alle Stunden auf den tariflichen Stundenlohn ein Zuschlag von 10 % bezahlt. Der Nachtarbeitszuschlag gemäß Abs. III entfällt.

Bei zeitversetztem Dienst wird für alle Stunden ein Zuschlag von 5 %, für alle Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag von 10 % auf den tariflichen Stundenlohn bezahlt. Der Nachtarbeitszuschlag gemäß Abs. III entfällt.

3. .“

Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Schichtzuschlag von 5 %, einen Nachtarbeitszuschlag für die Zeit von 20.00 Uhr – 6.00 Uhr von 10 % sowie für Sonntagsarbeit in der Zeit von 0.00 Uhr – 24.00 Uhr einen Zuschlag von 50 %.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm Nachtzuschläge gem. § 11 Abs. 3 Ziff. 1 MTV von 50 % zum tariflichen Stundenlohn zu zahlen. Er arbeite weder Schichtarbeit noch im zeitversetzten Dienst i. S. d. § 11 Abs. 5 MTV. Die Regelungen des § 11 Abs. 5 MTV enthielten keine Regelung bezüglich der Dauernachtarbeit.

Schichtarbeit liege nicht vor, da er nicht im regelmäßigen Wechsel in mindestens zwei Schichten durchlaufend arbeite. Kennzeichnend für die zeitversetzte Arbeit i. S. d. MTV seien flexible Arbeitszeiten, die jeweils drei Tage zuvor bekannt gegeben werden müssten und eine einvernehmliche Festsetzung dieser Arbeitszeiten durch die Arbeitsvertragsparteien erforderten. Diese Voraussetzungen lägen bei ihm nicht vor.

Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, ihm Nachtarbeitszuschläge gem. § 11 Abs. 3 Ziff. 1 MTV zu zahlen. Für den Zeitraum Mai – Oktober 2015 ergebe sich somit ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von (252,69 € + 68,87 € + 678,25 € + 806,53 € + 777,53 € + 399,65 € =) 2.983,52 € brutto (bezüglich der Stunden, für die der streitgegenständliche Zuschlag geltend gemacht wird, sowie hinsichtlich der Berechnung der Forderung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 29.01.2016, Bl. 48 ff. d. A., und 06.04.2016, Bl. 149 ff. d. A., Bezug genommen).

Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgehe, dass zeitversetzter Dienst oder Schichtarbeit i. S. d. MTV vorliege, so habe er auf jeden Fall Anspruch auf den Sonntagsnachtzuschlag gem. § 11 Abs. 4 Ziff. 3 b) MTV. Da die Beklagte ihm für die Sonntagsarbeit nur 50 % Zeitzuschlag gezahlt habe, schulde sie ihm auf jeden Fall weitere 50 % Zeitzuschlag für die Sonntagsnachtarbeit.

Im Übrigen verstoße die Regelung des § 11 Abs. 5 MTV gegen § 6 Abs. 5 ArbZG, da die tarifliche Regelung keinen angemessenen Ausgleich für die Nachtarbeit darstelle.

Der Kläger hat beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.983,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass zum Zeitpunkt September 2015 im Betrieb A-Stadt 800 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. 57 % davon würden täglich zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr arbeiten. Dabei handle es sich um die betriebliche Normalarbeitszeit. Der Kläger leiste damit zeitversetzten Dienst i. S. d. § 11 Abs. 5 Ziff. 2 MTV, da er mehr als drei Stunden abweichend von der betrieblichen Normalarbeitszeit arbeite. Er habe deshalb keinen Anspruch auf Zahlung des Nachtzuschlags gem. § 11 Abs. 3 MTV.

Falls das Gericht dieser Ansicht nicht folge, werde im Betriebsteil „E.“ in A-Stadt zumindest „Schichtarbeit“ i. S. d. § 11 Abs. 5 Ziff. 1 a) MTV geleistet, da die in diesem Bereich beschäftigten 179 Arbeitnehmer überwiegend in Schichtarbeit beschäftigt seien (97 Arbeitnehmer von 179 Arbeitnehmern = 54,2 %). Bei der Beurteilung, ob Schichtarbeit vorliege, sei eine Gesamtbetrachtung des Betriebsteils vorzunehmen und nicht auf den einzelnen Arbeitnehmer abzustellen. Auch wenn der Kläger Nachtschicht leiste, stünden ihm auf jeden Fall die Zuschläge gem. § 11 Abs. 3 MTV aufgrund der ausdrücklichen Regelung des Tarifvertrages nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugin G. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.04.2016 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage nur hinsichtlich des Zuschlags für Sonntagsnachtarbeit stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung des Nachtarbeitszuschlags gem. § 11 Abs. 3 Ziff. 1 MTV, da er im zeitversetzten Dienst arbeite. Nach der Beweisaufnahme sehe es das Gericht als bewiesen an, dass die regelmäßige, tägliche, betriebliche Normalarbeitszeit im Zeitkorridor von 5.00 Uhr – 19.00 Uhr geleistet werde. Nach der glaubwürdigen Aussage der Zeugin G. arbeiteten 57 % der Mitarbeiter im Zeitkorridor von 5.00 Uhr – 19.00 Uhr. Die Schicht, in der der Kläger ständig arbeite (20.00 Uhr – 5.00 Uhr), weiche davon mehr als drei Stunden ab. Nach § 11 Abs. 5 Ziff. 2 MTV entfalle damit der Nachtarbeitszuschlag.

Der Kläger berufe sich zu Unrecht darauf, dass diese Regelung gegen § 6 Abs. 5 ArbZG verstoße. Da bei zeitversetztem Dienst für alle Stunden ein Zuschlag von 5 % und für alle Nachtstunden ein Nachtarbeitszuschlag von 10 % auf den tariflichen Stundenlohn gezahlt werde, sei eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung i. S. d. § 6 Abs. 5 ArbZG gegeben. Deshalb entfalle § 6 Abs. 5 ArbZG als Anspruchsgrundlage.

Der Vortrag des Klägers, dass in anderen Betrieben der Beklagten der Nachtarbeitszuschlag gem. § 11 Abs. 3 MTV gezahlt werde, sei vollkommen unsubstanziiert. Es sei deshalb nicht möglich, zu überprüfen, ob ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gegeben sei.

Der Kläger habe jedoch Anspruch auf Zahlung des Sonntagsnachtzuschlags gem. § 11 Abs. 4 Ziff. 2 b) MTV. In § 11 Abs. 5 Ziff. 2 MTV sei lediglich vorgesehen, dass der Nachtarbeitszuschlag gem. § 11 Abs. 3 MTV bei zeitversetztem Dienst entfalle. Nicht erwähnt werde der Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit in § 11 Abs. 4 Ziff. 3 MTV. Sonntagsnachtarbeit sei unstreitig geleistet worden. Der hierfür gewährte Sonntagszuschlag von 50 % sei anzurechnen.

Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 6 – 10 (Bl. 203 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen dieses Urteil vom 14.04.2016, dem Kläger zugestellt am 26.04.2016, legte dieser am 13.05.2016 Berufung ein, welche er mit einem 22.07.2016 eingegangenen Schriftsatz begründete, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Die Beklagte legte gegen das ihr am 22.04.2016 zugestellte Urteil am 20.05.2016 ebenfalls Berufung ein, welche sie mit einem am 26.07.2016 eingegangenen Schriftsatz begründete. Die Berufungsbegründungsfrist war bis zu diesem Tag verlängert worden.

Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen zeitversetzten Dienst bejaht. Es habe den Vortrag des Klägers hinsichtlich der Auslegung gänzlich außer Betracht gelassen. H. als Tarifvertragspartei sei nicht der Auffassung, dass eine Dauernachtschicht unter den Begriff und die Regelungsabsicht des zeitversetzten Dienstes falle. Damit habe sich das Arbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Die Auslegung des MTV ergebe, dass Dauernachtschicht nicht mit dem zeitversetzten Dienst gleichzusetzen sei. Laut H. sei die Regelung zum zeitversetzten Dienst eine „Uralt-Regelung“ im MTV. Sie sei in den 70er- /80er-Jahren aufgenommen worden, um notwendige Änderungen der Regelarbeitszeit aufzufangen. Flexible Arbeitszeiten seien damals noch unbekannt gewesen. Die Regelung zum zeitversetzten Dienst sei sozusagen der Vorläufer zum Tarifvertrag über flexible Arbeitszeit aus dem Jahr 2002. Beim zeitversetzten Dienst handle es sich um eine Regelung zur vorübergehenden Gestaltung der Arbeitszeit. Der MTV unterscheide zeitversetzten Dienst und Schichtarbeit. Während Schichtarbeit einseitig dauerhaft eingeführt werde, sollen die Regelungen für den zeitversetzten Dienst dagegen dem Bedürfnis nach Flexibilität des Arbeitgebers gerecht werden. Dabei sei der zeitversetzte Dienst einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer festzusetzen.

Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang und den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien sei das Arbeitsgericht nicht eingegangen.

Unberücksichtigt sei auch geblieben, dass die Beklagte an anderen Standorten den Tarifvertrag offenbar anders auslege und Nachtzuschläge von 50 % zahle. Hierbei handle es sich zwar um Tochter- oder Schwesterunternehmen der Beklagten in Baden-Württemberg. Dort gelte jedoch ebenfalls der bayerische Tarifvertrag. Dass der Kläger den Vortrag nicht substanziieren könne, sei der Tatsache geschuldet, dass es ihm nicht möglich sei, an die Schichtpläne, Arbeitsverträge und Abrechnungen der dortigen Kollegen zu gelangen. Gleichwohl sei der Vortrag relevant für die Frage, wie der MTV auszulegen sei.

Zu Unrecht verneine das Arbeitsgericht auch einen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG. Die Regelung für den zeitversetzten Dienst enthalte keine angemessene Ausgleichsregelung für Nachtarbeit in Dauernachtschicht. Die Nachtzulage von 10 % stelle keine angemessene Kompensation dar.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 14.04.2016, Az. 5 Ca 2237/15, wird abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, 2.983,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte beantragt:

1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 14.04.2016, Az. 5 Ca 2237/15, abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe der Klage hinsichtlich der Sonntagsnachtarbeitszuschläge zu Unrecht stattgegeben. In § 11 Abs. 5 MTV sei für den zeitversetzten Dienst geregelt, dass für „alle“ Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag von 10 % auf den tariflichen Stundenlohn gezahlt werde und der „Nachtarbeitszuschlag gem. Abs. 3 entfalle“. Dem sei der Wille der Tarifvertragsparteien zu entnehmen, dass keinerlei Nachtarbeitszuschläge, sondern für alle Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag von 10 % auf den tariflichen Stundenlohn zu bezahlen seien. Zwar sei es zutreffend, dass der Wortlaut ausdrücklich nur regle, dass der Nachtarbeitszuschlag gem. Abs. 3 entfalle. Das Arbeitsgericht verkenne dabei aber, dass bereits vorangestellt sei, dass für „alle“ Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag von 10 % zu zahlen sei. Die Formulierung „alle“ lasse keine andere Interpretation zu, als dass die Nachtarbeit an allen sieben Wochentagen gemeint sei. Dasselbe gelte, wenn man nicht von einem zeitversetzten Dienst, sondern von Schichtarbeit ausgehen würde.

Die Berufung des Klägers sei unbegründet. Das Arbeitsgericht habe zu Recht einen zeitversetzten Dienst bejaht. Da die Arbeitszeit des Klägers problemlos in die Arbeitszeitmodelle Schichtarbeit bzw. zeitversetzter Dienst eingeordnet werden könne, bestehe kein Bedürfnis nach einer Auslegung des MTV. Die hinsichtlich der Tarifgeschichte mit Bezug auf H. gemachten Ausführungen seien irrelevant und würden bestritten. H. müsse sich auch fragen lassen, weshalb der MTV nach wie vor eine Regelung zum zeitversetzten Dienst beinhalte, wenn dies ausdrücklich aufgrund des aus dem Jahre 2002 stammenden Tarifvertrages über flexible Arbeitszeit hinfällig geworden sei.

Selbst wenn die vom Kläger hier in die tarifliche Regelung hineininterpretierte Differenzierung bestehen sollte, lege er nicht dar, welche Auswirkungen dies auf den streitgegenständlichen Sachverhalt haben solle, insbesondere weshalb dann in seinem Sinne weder zeitversetzter Dienst noch Schichtarbeit vorliegen solle.

Unrichtig sei seine pauschale und unsubstanziierte Behauptung, die Beklagte würde an anderen Standorten den MTV offenbar anders auslegen. Er stelle die konkrete betriebliche Situation in den Unternehmen in Baden-Württemberg erst gar nicht dar. Im Übrigen sei damit noch nicht geklärt, an welchem Standort etwas falsch oder etwas richtig i. S. der tarifvertraglichen Regelung angewandt werde. Ihr sei nicht bekannt, ob an diesen Standorten tatsächlich Schichtarbeit oder zeitversetzter Dienst stattfinde. Auch werde bestritten, dass der bayerische MTV Anwendung finde. Weiter werde bestritten, dass die Mitarbeiter dort 50 % Nachtzuschläge erhalten. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch einen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG verneint. Da im zeitversetzten Dienst für alle Stunden ein Zuschlag von 5 % und für alle Nachtarbeitsstunden von 10 % auf den tariflichen Stundenlohn gezahlt werde, liege eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung i. S. d. § 6 Abs. 5 ArbZG vor. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sei der gesamte Tarifvertrag zu betrachten. Entscheidend sei, dass die Tarifvertragsparteien die Thematik erkannt und sodann eine einvernehmliche Lösung getroffen hätten. Nur für die unregelmäßige und planwidrige Nachtarbeit solle nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ein höherer Zuschlag gezahlt werden.

Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass jedenfalls Schichtarbeit i. S. d. § 11 Abs. 5 Ziff. 1 a) MTV vorliegen dürfte. Eine Vielzahl der Arbeiten fiele rund um die Uhr an. Seit dem Jahr 1998 werde deshalb ein Mehrschichtsystem praktiziert. 97 Arbeitnehmer, d. h. 54,2 % wechselten regelmäßig nach Schichtplan wöchentlich die Schicht. 82 Arbeitnehmer seien auf eigenen Wunsch ständig nur in einer Schicht tätig. Der überwiegende Teil des Personals arbeite demnach im regelmäßigen Wechsel. § 11 Abs. 5 Ziff. 1 a) MTV stelle auf eine Gesamtbetrachtung des Betriebsteils ab. Der MTV stelle nicht auf die individuellen Arbeitszeiten eines Einzelarbeitnehmers ab. Ob der Kläger Schichtarbeit leiste bzw. nicht leiste, sei nicht von der individuellen Lage seiner Arbeitszeit aus zu beurteilen, sondern ausschließlich betriebs- oder betriebsteilbezogen. Im Betriebsteil des Klägers finde jedoch Schichtarbeit statt.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.2015 (Az. 10 AZR 156/15) unterscheide sich vom vorliegenden Sachverhalt in wesentlichen Punkten. Dort seien die Parteien nicht tarifgebunden gewesen. Der Kläger sei infolge der Ausübung des Direktionsrechts dauerhaft in Nachtarbeit tätig gewesen. Vorliegend habe die Beklagte aber für alle Arbeitnehmer Wechselschicht angeordnet. Allein auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers erbringe dieser die vertraglich geschuldete Schichtarbeit in einer der Schichten dauerhaft. § 6 Abs. 5 ArbZG falle als Anspruchsgrundlage aus, da in § 11 Abs. 5 MTV eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung gegeben sei. Das Bundesarbeitsgericht weise in der zitierten Entscheidung darauf hin, dass auch ein Zuschlag von 10 % angemessen sein könne. Es führe weiter aus, dass sich Verfügbarkeitszeiten reduzierend auf einen angemessenen Nachtarbeitsausgleich auswirken könnten. Im Sinne dieses Rechtsgedankens sei zu berücksichtigen, dass der Kläger allein auf sein Verlangen und seinen Wunsch hin Arbeitszeit während der Nachtzeit erbringe. Hinsichtlich der Auslegung des § 11 Abs. 5 MTV habe H. auf eine Anfrage der Beklagten am 20.11.2015 mitgeteilt, dass dieser eine eindeutige und klare Interpretation zugunsten der gewerkschaftlichen Auslegung bzw. zugunsten der Arbeitgeberposition nicht zulasse und deshalb in den kommenden Tarifverhandlungen versucht werde, eine eindeutige Regelung zu finden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 22.07.2016 (Bl. 264 ff. d. A.), 26.07.2016 (Bl. 279 ff. d. A.), 29.08.2016 (Bl. 301 ff. d. A.), 22.09.2016 (Bl. 314 ff. d. A.), 23.09.2016 (Bl. 306 ff. d. A.) und 20.10.2016 (Bl. 353 ff. d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufungen sind zulässig. Sie sind nach § 64 Abs. 2 und 3 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die geltend gemachten Nachtzuschläge. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, da das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, dass dem Kläger die geltend gemachten Feiertagsnachtzuschläge zustehen.

1. Der Kläger hat aus § 11 Abs. 3 Ziff. 1 MTV Anspruch auf einen Zuschlag von 50 % für die zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit. Dieser Anspruch entfällt nicht nach § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 1 Satz 2 MTV.

1.1 Die Tarifvertragsparteien haben in § 11 Abs. 3 Ziff. 1 MTV geregelt, dass für Nachtarbeit in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr ein Nachtarbeitszuschlag von 50 % des tariflichen Stundenlohns zu bezahlen ist. Hiervon kann nach § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 1 Satz 2 MTV nur im Falle von Schichtarbeit oder bei zeitversetztem Dienst abgewichen werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger leistet weder zeitversetzten Dienst noch Schichtarbeit i. S. d. § 11 Abs. 5 MTV.

1.1.1 Der Nachtzuschlag nach § 11 Abs. 3 Ziff. 1 MTV entfällt nicht nach § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 2 MTV, da der Kläger keinen zeitversetzten Dienst leistet.

Zeitversetzter Dienst liegt vor, wenn von der regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit mehr als drei Stunden abgewichen wird. Es ist eine einvernehmliche Festsetzung erforderlich und der zeitversetzte Dienst ist mindestens drei Tage vorher bekanntzugeben.

Es kann dahinstehen, ob § 11 Abs. 5 Ziff. 1 b) MTV mit der regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit nur Arbeitszeitmodelle meint, bei denen alle Arbeitnehmer im Betrieb regelmäßig zur selben Zeit arbeiten, oder ob damit auch Arbeitszeitmodelle im Schichtbetrieb gemeint sind. In beiden Fällen liegt ein zeitversetzter Dienst des Klägers nicht vor.

Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 22.10.2003 – 10 AZR 152/03, Rn. 32).

1.1.1.1 Geht man davon aus, dass mit regelmäßiger, täglicher, betrieblicher Normalarbeitszeit nur Arbeitszeitmodelle gemeint sind, bei denen alle Arbeitnehmer im Betrieb regelmäßig zur selben Zeit arbeiten, was der Wortlaut und die Klarstellung, dass zeitversetzter Dienst nichts mit Gleitzeitarbeit zu tun hat, nahelegen, wäre bereits der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet. Im Beschäftigungsbetrieb des Klägers gibt es keine feste Arbeitszeit in diesem Sinne, da alle Arbeitnehmer in Schicht arbeiten. Dass diese Schichten mehrheitlich in einen bestimmten Zeitkorridor fallen mögen, ändert daran nichts. Ein Zeitkorridor, in den die Mehrheit der Schichten fallen möge, bildet nicht die regelmäßige tägliche Arbeitszeit ab, sondern den Rahmen der Arbeitszeit der Mehrheit der Mitarbeiter. Eine konkrete regelmäßige Arbeitszeit wird durch einen derartigen Zeitkorridor aber nicht abgebildet.

1.1.1.2 Versteht man den Begriff regelmäßige, tägliche, betriebliche Arbeitszeit weiter und versteht darunter auch Arbeit im Schichtbetrieb, was nach dem Sinn und Zweck der Regelung naheliegt, ist die regelmäßige, tägliche, betriebliche Arbeitszeit eines Betriebes nicht eine von mehreren Schichten, sondern das gesamte Schichtmodell.

Die regelmäßige, tägliche, betriebliche Normalarbeitszeit im Betrieb des Klägers ist ein Schichtmodell mit insgesamt sechs unterschiedlichen Schichten. Die betriebliche Arbeitszeitordnung besteht aus diesem Schichtmodell insgesamt. Das Schichtmodell insgesamt wiederholt sich regelmäßig. Keine der insgesamt sechs Schichten ist „normaler“ oder „regelmäßiger“ als die andere. Vielmehr sind alle Schichten die regelmäßige, tägliche, betriebliche Arbeitszeit.

Der Kläger arbeitet dauerhaft in einer dieser Schichten und damit in der betrieblichen Normalarbeitszeit. Eine zum Schichtmodell gehörende Schicht ist kein zeitversetzter Dienst i. S. d. § 11 Abs. 5 Ziff. 1 b) MTV. Bereits dem Wortlaut nach ist ein zeitversetzter Dienst etwas anderes als eine Schicht. Der MTV unterscheidet zwischen Schicht und Dienst, macht den Einsatz der Mitarbeiter in einer bestimmten Schicht oder im zeitversetzten Dienst von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig und knüpft unterschiedliche Rechtsfolgen daran an. Während die Einteilung in die regelmäßige Schichtarbeit einseitig durch den Arbeitgeber erfolgen kann (§ 11 Abs. 5 Ziff. 1 MTV), kann der Einsatz im zeitversetzten Dienst nur nach betrieblicher Notwendigkeit einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer festgesetzt werden (§ 11 Abs. 5 Ziff. 1 b, Abs. 1 MTV). Zeitversetzter Dienst ist demnach eine im Einzelfall nach betrieblicher Notwendigkeit im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer vorgenommene Verschiebung der Lage der Arbeitszeit um mehr als drei Stunden, nicht eine zum betrieblichen Arbeitszeitmodell gehörende regelmäßig gearbeitete Schicht.

1.1.2 Der Nachtzuschlag nach § 11 Abs. 3 Ziff. 1 MTV entfällt auch nicht nach § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 MTV, da der Kläger keine Schichtarbeit i. S. d. § 11 Abs. 5 MTV leistet.

Was Schichtarbeit i. S. d. § 11 Abs. 5 MTV ist, wird in § 11 Abs. 5 Ziff. 1 und der Anmerkung a) hierzu definiert. Danach liegt regelmäßige Schichtarbeit vor, wenn sie länger als eine Woche dauert und in einem Betrieb oder Betriebsteil regelmäßig nach Schichtplan in mindestens zwei Schichten durchlaufend gearbeitet wird, wobei der Einsatz des Personals in regelmäßigen Wechsel zu erfolgen hat. Eine Auslegung dieser Regelung ergibt, dass der Kläger nicht in Schichtarbeit i. S. d. § 11 Abs. 5 MTV tätig ist.

1.1.2.1 Bereits eine Auslegung nach dem Wortlaut der Regelung ergibt, dass der Kläger nicht Schichtarbeit i. S. d. § 11 Abs. 5 MTV arbeitet. Diese setzt voraus, dass im Betrieb oder Betriebsteil der Einsatz des Personals in regelmäßigem Wechsel erfolgt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Lediglich ein Teil des Personals wird im regelmäßigen Wechsel eingesetzt. Nur 97 der 179 Arbeitnehmer arbeiten in Wechselschicht. 82 Arbeitnehmer, d. h. gut 45 % der Arbeitnehmer arbeiten in Dauerschicht. Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 5 Ziff. 1 Anm. a) MTV genügt es jedoch nicht, wenn das Personal nur teilweise oder auch überwiegend in Wechselschicht eingesetzt wird.

Da der Kläger zu dem Teil der Belegschaft gehört, der nicht in Wechselschicht arbeitet, kann hier dahinstehen, ob vor dem Hintergrund, dass die Tarifvertragsparteien den Fall einer in „Wechselschichtler“ und „Dauerschichtler“ aufgeteilten Belegschaft nicht bedacht haben mögen, der Wortlaut eine Anwendung des § 11 Abs. 5 MTV auf den in Wechselschicht arbeitenden Teil der Belegschaft gleichwohl zulässt. Die hier fragliche Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 5 MTV auf den in Dauerschicht arbeitenden Teil der Belegschaft ist jedenfalls vom Wortlaut nicht gedeckt.

1.1.2.2 Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich keine Anwendung des § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 1 MTV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers.

Betrachtet man die Regelungen in § 11 Abs. 3 Ziff. 1, § 11 Abs. 5 Ziff. 1 mit Anm. a) und § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 1 MTV im Zusammenhang, so ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich die zusätzliche Belastung durch Nachtarbeit großzügiger als vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 5 ArbZG in der Zeit von 20.00 Uhr – 6.00 Uhr mit einem Zuschlag von 50 % ausgleichen wollten. Für Betriebe, in denen das Personal in Wechselschicht arbeitet, soll dieser Zuschlag entfallen. Stattdessen wird für alle Stunden, d. h. auch für die Stunden außerhalb der in § 11 Abs. 3 MTV definierten Nachtarbeitszeit, ein Zuschlag von 10 % gezahlt. In einem Wechselschichtsystem, in dem der einzelne Arbeitnehmer aufgrund der wechselnden Schichten immer auch Arbeitszeiten außerhalb der tariflichen Nachtarbeitszeit hat, wird der wegfallende Nachtzuschlag dabei dadurch kompensiert, dass auch für die Zeiten außerhalb der Nachtarbeit ein Zuschlag gezahlt wird. Der Tarifvertrag sieht deshalb im Grundsatz einen Nachtzuschlag von 50 % vor, der nur im Wechselschichtbetrieb anfällt. Dies wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass auch die Stunden außerhalb der im MTV definierten Nachtarbeitszeit mit einem Schichtzuschlag von 10 % zu vergüten sind.

Diese Auslegung führt zu einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Zulagenregelung im MTV. Ein Arbeitnehmer, der stets in derselben Schicht außerhalb der tariflichen Nachtarbeitszeit arbeitet, erhält das dafür vorgesehene tarifliche Entgelt, jedoch keinen Zuschlag, was sachgerecht ist, da hier keine besondere Belastung auszugleichen ist. Ein Arbeitnehmer, der ausnahmsweise zu einer mehr als drei Stunden versetzten Zeit arbeitet, erhält einen Zuschlag von 5 %, soweit die Arbeitszeit in die tarifliche Nachtarbeitszeit reicht, von 10 %. Arbeitnehmer, die in Wechselschicht arbeiten, erhalten für alle gearbeiteten Stunden einen Zuschlag von 10 %. Derjenige, der Dauernachtschicht arbeitet, erhält einen Zuschlag von 50 %. Die Tarifvertragsparteien haben damit ein abgestuftes Zulagensystem geschaffen, das den Belastungen, durch kurzfristiges Abweichen von der Normalarbeitszeit, Wechselschicht und Nachtschicht, differenziert Rechnung trägt.

Würde man hingegen § 11 Abs. 5 Ziff. 2 MTV entgegen dem Wortlaut der Anm. a) zu § 11 Abs. 5 Ziff. 1 MTV, wie von der Beklagten vertreten, auch auf Personal anwenden, das nicht in Wechselschicht eingesetzt ist, würde dies dazu führen, dass sowohl Arbeitnehmer, die dauerhaft in Tagschicht eingesetzt sind, als auch Arbeitnehmer, die dauerhaft in Nachtschicht eingesetzt sind, unter Wegfall des Nachtarbeitszuschlags jeweils einen Zuschlag von 10 % je Stunde erhalten. Dies kann von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt sein. Ein derartiges Ergebnis würde die Arbeitnehmer, die dauerhaft Tagschicht arbeiten, ohne erkennbaren Grund privilegieren. Vor allem würde es aber den Arbeitnehmern, die wie der Kläger dauerhaft Nachtschicht arbeiten, eine angemessene Entschädigung für diese Belastung vorenthalten. Dies ließe sich weder mit § 6 Abs. 5 ArbZG noch mit § 11 Abs. 3 MTV vereinbaren. Dort haben die Tarifvertragsparteien gerade zum Ausdruck gebracht, dass sie grundsätzlich einen Zuschlag von 50 % für einen angemessenen Ausgleich für Nachtarbeit halten.

1.2 Dem Anspruch auf Nachtzuschlag nach § 11 Abs. 3 MTV steht nicht entgegen, dass der Kläger mit der Nachtarbeit einverstanden ist oder er die Arbeit sogar auf seinen Wunsch in Dauernachtschicht erbringt.

Der Nachtschichtzuschlag entfällt nach § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 MTV nur, wenn Wechselschicht gearbeitet wird (s. o.). Der MTV enthält keine Regelung des Inhalts, dass der Nachtzuschlag entfällt, wenn der Arbeitnehmer mit Dauernachtschicht einverstanden ist oder diese auf seinen Wunsch in Abweichung von einer eigentlich im Betrieb vorgesehenen Wechselschicht erbracht wird.

Im Wunsch, Dauernachtschicht zu arbeiten, liegt auch kein konkludenter Verzicht auf den tariflichen Nachtzuschlag. Darüber hinaus wäre eine vom MTV abweichende Vereinbarung oder gar ein Verzicht auf den entstandenen Nachtzuschlag nach § 4 Abs. 3 und 4 TVG ohnehin unwirksam.

1.3 Für die Monate Mai – September 2015 hat der Kläger deshalb den der Höhe nach unbestrittenen Anspruch auf Zahlung von Nachtzuschlägen von 2.526,56 € brutto.

2. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 456,96 € brutto als Sonntagsnachtarbeitszuschlag.

Er hat einen Anspruch auf einen Sonntagsnachtarbeitszuschlag von 100 % für die an Sonntagen geleistete Nachtarbeit aus § 11 Abs. 4 b) MTV. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass dieser Zuschlag nach § 11 Abs. 5 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 MTV entfiele, weil dort jeweils geregelt sei, dass auf „alle“ Stunden ein Zuschlag von 10 % bzw. 5 % zu zahlen sei. Wie bereits ausgeführt, sind die Regelungen des § 11 Abs. 5 Ziff. 2 MTV vorliegend bereits nicht einschlägig (s. o.). Darüber hinaus würde, selbst wenn deren Anwendungsbereich eröffnet wäre, der Sonntagsnachtarbeitszuschlag nicht entfallen. Vielmehr läge in diesem Fall ein Zusammentreffen mehrerer Zuschläge vor, das durch die Kollisionsregelung des § 11 Abs. 1 Ziff. 3 MTV dahingehend geregelt ist, dass der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen ist.

Da die Beklagte auf die auf einen Sonntag fallenden Stunden bereits einen Zuschlag von 50 % gezahlt hat, ist hier lediglich noch ein Zuschlag von weiteren 50 % geschuldet. Der Höhe nach unbestritten sind das 456,96 € brutto.

3. Die Beklagte ist nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, den Zahlungsbetrag seit dem Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war für die Beklagte zuzulassen, da eine Divergenz zur Entscheidung der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München, Az. 3 Sa 370/16, zu erwarten ist.

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