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Nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 3 Sa 224/21 – Urteil vom 08.09.2021

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.02.2021 – 6 Ca 1665/20 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über die nachträgliche Klagezulassung.

Die 48-jährige Klägerin ist seit dem 15.05.2014 bei der Beklagten als Steuerfachangestellte beschäftigt. Ihr durchschnittliches monatliches Bruttogehalt beträgt inklusive aller Zulagen ca. 3.950,00 EUR. Bei der Beklagten sind mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Tätigen beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 10.11.2014 (Bl. 3 ff. d. A.) zugrunde.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.07.2020 ordentlich fristgerecht zum 30.09.2020. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 17.07.2020 zu. Eine unter dem 07.08.2020 gefertigte Kündigungsschutzklage ging am 10.08.2020 beim Arbeitsgericht Bonn ein. Mit gerichtlichem Schreiben vom 12.08.2020 wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zum Gütetermin am 08.09.2020 geladen. Zugleich wurde er in der Ladung über das Datum des Klageeingangs informiert. Diese Ladung erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Faxprotokolls am 13.08.2020.

Mit Schriftsatz vom 04.09.2020 beantragte die Klägerin vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Antrag festzustellen, dass die Klägerin ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen sei, die Klagefrist von drei Wochen einzuhalten. Eine Begründung dieses Antrags erfolgte zunächst nicht. Mit Schriftsatz vom 10.09.2020 wurde der in der Güteverhandlung vom 08.09.2020 gestellte Antrag auf nachträgliche Zulassung begründet und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht.

Wegen des weiteren gesamten erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben und hat die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verurteilt. Die weitergehende Kündigungsschutzklage hat es mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung gelte bereits nach § 7 Abs. 1 KSchG als rechtswirksam. Zur Begründung hat es insoweit im Wesentlichen ausgeführt, die verspätet erhobene Kündigungsschutzklage sei nicht nachträglich zuzulassen, da die Klagefrist nicht unverschuldet versäumt worden sei. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 70 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 04.03.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.04.2021 Berufung eingelegt und hat diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.06.2021 am 04.05.2021 begründet.

Die Klägerin wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie führt aus, ihr Prozessbevollmächtigter habe am 07.08.2020 die Kündigungsschutzklage diktiert und habe die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte Frau H unter Hinweis auf den Fristablauf angewiesen, die Klage nicht per Post, sondern per Fax an das Arbeitsgericht Bonn zu übermitteln. Frau H sei eine sehr gut ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte, die ihre Ausbildung in der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten absolviert hätte und dort bisher fehlerlos tätig sei. Sie habe die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 erfolgreich absolviert, wobei sie auch unterrichtet und geprüft worden sei, welche Schritte sie zu unternehmen habe, wenn sie einen Auftrag erhalte und einen Schriftsatz per Fax versenden solle. Der Frau H vorliegend unterlaufene Fehler beruhe wohl auf einem sog. Augenblicksverschulden und bei einer entsprechend ausgesuchten und ausgebildeten und überprüften Fachangestellten erfolge keine Verschuldenszurechnung.

Die Klägerin ist der Auffassung, die gerichtliche Ladung zum Gütetermin verfolge nicht den Zweck, erneut Fristen für die Klageeinreichung zu überprüfen, sondern diene nur dazu, den Termin der Güteverhandlung zu notieren und dem Mandanten mitzuteilen. Diese Aufgabe sei ebenfalls Frau H übertragen gewesen.

Schließlich wirft der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Frage auf, warum er von der erstinstanzlichen Richterin nicht sofort auf den verspäteten Klageeingang hingewiesen worden sei. Nicht er habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, sondern das Gericht sei seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen. Im Übrigen sei er nicht verpflichtet gewesen, die Einhaltung der Klagefrist nochmals zu überprüfen, nachdem er am 07.08.2020 die Anweisung zur Telefaxübermittlung gegeben hätte.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.02.2021 insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 14.07.2020, zugegangen am 17.07.2020, nicht aufgehoben wurde sowie die Kündigungsschutzklage datierend vom 07.08.2020 nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und rügt, es fehle jeglicher Vortrag der Klägerin zur Fristenkontrolle im Büro ihres Prozessbevollmächtigten. Darüber hinaus verkenne die Klägerin, dass neben der Kündigungsschutzklage auch der Antrag auf nachträgliche Zulassung verfristet sei. Bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin spätestens bei Eingang der Ladung zum Gütetermin erkennen müssen, dass die Klage verspätet eingereicht worden war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Auf die erstinstanzliche Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu nachfolgenden, kurzen, ergänzenden Ausführungen.

1. Eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage der Klägerin gemäß § 5 KSchG kommt nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen der vorgenannten Vorschrift offensichtlich nicht vorliegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin – wie von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt – trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zu erheben. Denn die Klägerin hat jedenfalls den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt.

Maßgeblich für diese Frist ist nach der gesetzlichen Vorgabe der Zeitpunkt der Behebung des Hindernisses. Das ist vorliegend der Zeitpunkt zu dem die Klägerin erstmals Kenntnis vom verspäteten Klageeingang hatte. Dabei ist ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO die Kenntnis ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2013 – 6 AZR 49/12, EzA § 102 BetrVG 2001, Nr. 29; KR/Kreft, 12. Aufl., § 5 KSchG Rn. 100).

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist mit der Ladung zum Gütetermin, die ihm am 13.08.2020 per Fax übermittelt worden ist, darüber informiert worden, dass die Klageschrift am 10.08.2020, mithin also nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Diese Ladung hat der klägerische Prozessbevollmächtigte ausweislich seiner Ausführungen im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 10.09.2020 persönlich zur Kenntnis genommen und gelesen. Rechtsirrtümlicherweise hat er -wie er ebenfalls in diesem Schriftsatz ausführt – keine Veranlassung gesehen, die Einhaltung der Klagefrist daraufhin zu überprüfen. Hätte er dies getan, wäre ein Antrag auf nachträgliche Zulassung – eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Antragstellung unterstellt – innerhalb der bis zum 27.08.2020 dauernden zweiwöchigen Antragsfrist ohne weiteres möglich gewesen.

Rechtliche Schritte im Hinblick auf die versäumte Klagefrist hat der klägerische Prozessbevollmächtigte erstmals mit dem am 04.09.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums ergriffen und hat die „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ beantragt. Eine Glaubhaftmachung – wie von § 5 Abs. 2 KSchG verlangt – ist erstmals mit Schriftsatz vom 10.09.2020 erfolgt. Damit lagen erstmals am 10.09.2020 die Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Antrags auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG vor. Daher kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob der Wiedereinsetzungsantrag im Sinne eines Antrags nach § 5 KSchG ausgelegt werden könnte. Am 10.09.2002 war die zweiwöchige Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG jedoch seit weiteren zwei Wochen abgelaufen und ein Antrag nach § 5 KSchG mithin nicht mehr möglich.

2. Soweit die Klägerin rügt, die gerichtliche Ladung zum Gütetermin verfolge nicht den Zweck, erneut Fristen für die Klageeinreichung zu überprüfen, sondern diene nur dazu, den Termin der Güteverhandlung zu notieren und dem Mandanten mitzuteilen, verkennt sie, dass ihr Prozessbevollmächtigter unabhängig von der Frage der Zwecksetzung unstreitig am 13.08.2020 Kenntnis vom Zeitpunkt des Klageeingangs genommen hat. Er wusste somit positiv, dass die Klage erst am 10.08.2020 und damit verspätet eingegangen war. Allein dieser Umstand ist für den Beginn der zweiwöchigen Antragsfrist des § 5 KSchG maßgeblich. Weitergehende Zweckerwägungen sind rechtlich irrelevant.

3. Gleiches gilt für den Einwand der Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter sei nicht verpflichtet gewesen, die Einhaltung der Klagefrist nochmals zu überprüfen sowie die Rüge nicht er, sondern das Gericht habe seine Hinweispflicht nicht wahrgenommen. Wie bereits ausgeführt kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige Prüfungspflicht besteht, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unstreitig über die entsprechende Kenntnis verfügte. Das gilt in gleicher Weise für die von ihr erhobene gerichtliche Rüge. Unabhängig davon, ob eine solche Hinweispflicht des Gerichts besteht, erscheint diese Rüge allerdings umso unverständlicher, als das Gericht den klägerischen Prozessbevollmächtigten mit der Güteladung sogar ausdrücklich über den Zeitpunkt des Klageeingangs in informiert (also einen entsprechenden Hinweis erteilt) hat und ursächlich für die unterlassene rechtzeitige Antragstellung nach § 5 KSchG alleine seine Rechtsauffassung war, keine Veranlassung für eine Überprüfung der Klagefrist zu sehen.

III. Nach allem bleibt es somit bei der erstinstanzlichen Entscheidung. Als unterliegende Partei hat die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des von ihr erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG bestehen nicht, da die Entscheidung auf den Umständen des Einzelfalls beruht.

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