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Nachträgliches Wettbewerbsverbot zu weit gefasst

Wirksamkeit – Karenzentschädigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 6 Sa 404/19 – Urteil vom 30.06.2020

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25. September 2019 – 4 Ca 416/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung aus nachvertraglichem Wettbewerbsverbot.

Die Beklagte ist ein mittelständischer Anbieter von Lösungen für die Energieverteilung und -versorgung mit einer Kernkompetenz in der Entwicklung und Fertigung von Mittelspannungsschaltanlagen, sowie deren Installation und Inbetriebnahme. An ihrem Firmenstandort A-Stadt werden Schaltanlagen für verschiedene Anwendungsfälle in den Bereichen Stromerzeugung und Stromverteilung entwickelt und gefertigt.

Der Kläger wurde von der Beklagten ab 01. Oktober 2010 kraft schriftlichen Arbeitsvertrags vom 25. April 2010 (Bl. 6 ff. d. A.; im Folgenden: AV) als Vertriebs- und Planungsingenieur zu einem monatlichen Festgehalt von 5.000,00 Euro brutto eingestellt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AV umfasste sein Aufgabengebiet insbesondere den Vertrieb von Mittel- und Niederspannungsschaltanlagen, Transformatorstationen, Stromerzeugungsanlagen, elektrotechnische Gesamtanlagen etc..

Unter dem 29. Juni 2012 schlossen die Parteien eine Änderungsvereinbarung (Bl. 10 f. d. A.; im Folgenden: ÄV), ausweislich derer dem Kläger zum 01. Januar 2013 in Abänderung von § 2 Abs. 1 AV die Leitung der Abteilung Vertrieb zu einem monatlichen Festgehalt von 5.600,00 Euro brutto (bereits ab 01. Juli 2012) übertragen wurde. Weiter vereinbarten die Parteien folgende Zusatzvereinbarung zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot:

„Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für ein Unternehmen oder eine Einzelperson tätig zu werden, das sich im Wettbewerb mit dem Arbeitgeber befindet. (…) Für die Dauer des Wettbewerbsverbots zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung. Diese beträgt die Hälfte der vom Arbeitgeber zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütung, zahlbar in monatlichen Raten jeweils zum Monatsende.“

Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung des Klägers zum 31. Januar 2019. Bereits vor seinem Ausscheiden teilte der Kläger der Beklagten seinen bevorstehenden Unternehmenswechsel mit und nannte auch seine zukünftige Arbeitgeberin ab dem 01. Februar 2019, die Z.. mit Sitz in X.-Stadt/Luxemburg, bei der er seither kraft schriftlichen Arbeitsvertrags vom 11. Juli 2018 (Bl. 65 ff. d. A.) als technischer Angestellter beschäftigt ist. Hinsichtlich des näheren Inhalts des Arbeitsvertrags und einer von der Z.. und dem Kläger unterzeichneten Aufgaben- und Funktionsbeschreibung vom 10. Juli 2018 (Bl. 74 f. d. A.), ausweislich derer dem Kläger auch die Aufgabe der Mitwirkung und Unterstützung des Vertriebs übertragen ist, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Ob und in welchem Umfang die Beklagte und die Z.. zueinander in Wettbewerb stehen, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger hat am 25. April 2019 beim Arbeitsgericht Trier Klage auf Zahlung einer monatlichen Karenzentschädigung für die Zeit ab dem 01. Februar 2019 erhoben.

Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihm stehe die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung zu, da er keinen Wettbewerb betreibe. Bei der Z.. handele es sich nicht um einen direkten Wettbewerber der Beklagten, insbesondere habe diese keinen Auftrag im Bereich Mittelspannungsschaltanlagen erhalten, an deren Ausschreibung auch die Beklagte teilgenommen habe und die Beklagte habe keine Ausschreibung verloren, an der auch die Z.. teilgenommen habe. Diese sei im Segment Niederspannungsschaltanlagen tätig und biete technische Lösungen für die innerbetriebliche Stromverteilung, während die Beklagte im Geschäftsfeld Mittelspannung Wettbewerb betreibe. Allein die Existenz eines Angebots der Z.. für Mittelspannungsschaltanlagen beweise keine Wettbewerbssituation. Seine neue Arbeitgeberin vertreibe ihre Mittelspannungsschaltanlagen als Leistung der Unternehmensdivision Power Distribution Systems, gebündelt mit Ingenieurdienstleistungen und Anlagenbau international vertrieben von der Unternehmensdivision Z. Antriebstechnik, wobei die Projekte ausschließlich Energieversorgung im Ausland zum Gegenstand hätten. Auch trete die Z.. nicht mit ihrer luft-isolierten Mittelspannungsschaltanlage in eine Konkurrenzsituation, weil die Beklagte über eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsmöglichkeiten verfüge, zu denen es keine technisch vergleichbaren Lösungen der Z. gebe. Der Geschäftsführer der Beklagten sei in seiner an die Mitarbeiter gerichteten E-Mail vom 19. Oktober 2018 (Bl. 55 d. A.) nicht davon ausgegangen, dass die Z.. ein Wettbewerber sei. Auch auf der Tätigkeitsebene unterscheide sich seine jetzige Position als technischer Angestellter für typgeprüfte Bautypen der „Niederspannungsschaltanlagen“ DIN EN 61439-2, da er zuvor bei der Beklagten in der Organisationseinheit „Vertrieb TV-V“ tätig gewesen sei und mangels Vollmachten faktisch lediglich ein Vertriebsmitarbeiter und nicht Führungskraft gewesen sei. Hilfsweise sei das Wettbewerbsverbot wegen unbilliger Härte unverbindlich, da es räumlich und hinsichtlich der Tätigkeit unbeschränkt sei. Der Höhe nach schulde ihm die Beklagte als Karenzentschädigung monatlich 2.644,00 Euro brutto. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Klägers wird auf Bl. 4 d. A. und auf die von ihm zur Akte gereichten Entgeltabrechnungen der Beklagten (Bl. 13 f. d. A.) und der Z.. (Bl. Bl. 15 f. d. A. und Bl. 81 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.288,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. März 2019 aus 2.644,00 EUR und seit dem 01. April 2019 aus weiteren 2.644,00 EUR zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.932,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai 2019 aus 2644,00 EUR, aus 2.644,00 seit dem 01. Mai 2019 und seit dem 01. Juli 2019 aus weiteren 2.644,- EUR zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, künftig an jedem Monatsletzten, beginnend mit dem 31. Juli 2019 und letztmals am 31. Januar 2021, 2.644,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung aus dem unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbot, da das Produktportfolio des direkten Wettbewerbers Z.. absolut vergleichbar sei mit ihrem, mit dem einzigen Unterschied, dass diese auch Niederspannungsschaltanlagen vertreibe, was sie selbst nur im Auftragspaket mit einer Mittelspannungsschaltanlage tue. Zumindest bestehe eine Teil-Identität von mehr als 10 %. So habe die Z.. beispielsweise auf der Y-Stadt Messe im April 2019 ihre luft-isolierte Mittelspannungsschaltanlage M6 und dort und auf der Messe in W.-Stadt ihre Mittelspannungsschaltanlage MediPower ausgestellt und beworben. Allein die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Mitarbeiter mit E-Mail vom 19. Oktober 2018 (Bl. 55 d. A.) über den Weggang des Klägers informiert habe, sage über das Fehlen einer Konkurrenztätigkeit nichts aus. Das Tätigkeitsfeld des Klägers sei unbeachtlich, wobei darauf hinzuweisen sei, dass dieser vertraglich sowohl in Luxemburg, als auch am Standort der Z.. in B.-Stadt eingesetzt werden könne. Zudem sei der Kläger zuletzt bei ihr als Vertriebsleiter beschäftigt gewesen und habe Kenntnisse, die zu einem erheblichen Wettbewerbsvorteil bei seiner neuen Arbeitgeberin führten. Das Wettbewerbsverbot sei auch nicht unverbindlich, sondern jedenfalls in seinem wirksamen Teil aufrecht zu erhalten. Unabhängig davon, dass er schon dem Grunde nach den begehrten Anspruch nicht habe, sei die Berechnung der Entschädigung auch unzutreffend, da davon auszugehen sei, dass der Kläger aufgrund der steuerlichen Vorteile in Luxemburg aktuell nahezu denselben Nettoverdienst habe wie bei der Beklagten, so dass er keine nennenswerten finanziellen Nachteile erleide, die ausgeglichen werden müssten. Aus den vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnungen ergebe sich, dass der Kläger bei seiner neuen Arbeitgeberin einen höheren Nettoverdienst erziele als bei der Beklagten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. September 2019 (Bl. 121 ff. d. A.) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Klage sei nicht begründet, da ein Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung nicht bestehe. Das Wettbewerbsverbot erweise sich zwar aufgrund seiner zu weiten Formulierung in räumlicher und in sachlicher Hinsicht bezüglich der verbotenen Tätigkeiten als unverbindlich, lasse sich jedoch im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf den zulässigen Inhalt „Beschäftigung bei einem in Deutschland oder Luxemburg agierenden Unternehmen, das Mittelspannungsschaltanlagen auf den Markt bringt und Erbringung von Tätigkeiten, die den Vertrieb solcher Mittelspannungsschaltanlagen betreffen“ reduzieren. Jedenfalls erscheine Luxemburg nicht unangemessen weit und es bestehe – unabhängig von der Hierarchieebene – ein Zusammenhang zwischen der bisherigen Tätigkeit des Klägers und seiner nunmehrigen. Auch liege eine Überschneidung der Unternehmensgegenstände vor, da beide Unternehmen sich mit Mittelspannungsschaltanlagen befassten. Hierdurch liege eine Wettbewerbssituation vor, die der Kläger nicht ausgeräumt habe. Selbst wenn man von einem Wahlrecht des Klägers ausgehen wollte, habe er dieses Wahlrecht durch die Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs ausgeübt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 124 ff. d. A. Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das ihm mit durch Beschluss vom 28. Oktober 2019 berichtigter Rechtsmittelbelehrung am 06. November 2019 zugestellte Urteil mit am 08. November 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.

Er macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 10. Dezember 2019 (Bl. 171 ff. d. A.) und seines Schriftsatzes vom 12. Juni 2020 (Bl. 294 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich geltend, er sei bei der Beklagten faktisch ausschließlich im Bereich von Mittelspannungsschaltanlagen (DIN EN 62271-200), bei der Z.., die keine Niederlassung in Deutschland betreibe, faktisch ausschließlich im Bereich von Niederspannungsschaltanlagen (DIN EN 61439-1/2) tätig. Das Arbeitsgericht sei im Wege der geltungserhaltenden Reduktion zu den fehlerhaften Annahmen gekommen, das Wettbewerbsverbot gelte in der Region Luxemburg/B.-Stadt, auch für Projekttätigkeit, obwohl der neue Arbeitgeber das Produkt des früheren Arbeitgebers faktisch nicht herstelle oder vertreibe. Seine neue Arbeitgeberin stehe nicht mit der Beklagten in Wettbewerb. In seiner Mitteilung an die Beklagte, dass er zur Firma Z. wechseln werde, sei eine Anfrage zu sehen, die habe sicherstellen sollen, dass ihm von Seiten der Beklagten keine Vertragsstrafe drohe. Die Beklagte habe ihm und allen früheren Kollegen mit der E-Mail vom 19. Oktober 2019 (gemeint: 2018) mitgeteilt, dass keine Wettbewerbsbedenken bestünden und er dort nicht in seinem bisherigen Tätigkeitsfeld (Vertrieb), sondern in seinem vorherigen Arbeitsgebiet (Projektbetreuung) tätig sein werde. Daher habe er darauf vertrauen dürfen, dass seine neue Arbeitgeberin nicht als Wettbewerber angesehen werde. Erst im Rahmen der Karenzforderungen habe die Beklagte die Argumentation gewechselt, was gemäß § 242 BGB (venire contra factum proprium) unzulässig sei. Da die Beklagte selbst zur Wertung – kein Wettbewerber – gekommen sei und selbst jegliches berechtigte Interesse negiert habe, sei für eine weitreichende geltungserhaltende Reduktion durch das Gericht kein Raum mehr. Das Arbeitsgericht habe unbestimmt und unzulässig eine dynamische Definition des räumlichen Geltungsbereichs vorgenommen, da Ergebnis einer geltungserhaltenden Reduktion des Wettbewerbsverbots auf das anzuerkennende Maß ergebe, dass der örtliche Geltungsbereich Deutschland sei. Hilfsweise befinde sich die Z.. faktisch nicht in einer Wettbewerbssituation, da die Beklagte die Behauptung des Klägers nicht widerlegt habe, dass sie keine Mittelspannungsschaltanlage tatsächlich herstelle und verkaufe. Ein Tätigkeitsverbot sei lediglich auf nationaler Ebene wirksam vereinbar (Art. 56 AEUV). Hinsichtlich der Tätigkeit sei lediglich eine der früheren Tätigkeit entsprechende Beschäftigung (Vertrieb) untersagt. Der Kläger erhalte in seiner Tätigkeit als Projektbetreuer seinen Anspruch auf Karenzentschädigung, da er das Wettbewerbsverbot in seinem verbindlichen Teil beachte. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2020 trägt der Kläger vor, der Umsatzanteil Mittelspannungsschaltanlagen liege ausweislich einer Auskunft des Gesellschafters der neuen Arbeitgeberin U. vom 07. Mai 2020 (Bl. 306 d. A.) bei deutlich weniger als 5 %. Der Regionalbegriff sei rechtsfehlerhaft, was auch die Covid-19 Pandemie bestätigt habe. Staatsgrenzen blieben Staatsgrenzen, ob mit Zoll oder ohne. Das Großherzogtum Luxemburg weise aufgrund der territorialen Gegebenheiten keine selbstinduzierende Nachfrage nach Mittelspannungsschaltanlagen derart aus, dass ein größerer Kreis an heimischen Produzenten entstanden sei. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren behaupteten Aufträge habe nicht die Z.. geliefert. Noch im Jahr 2016 habe die Beklagte im Übrigen eine Mittelspannungsschaltanlage an die Z.. für das Projekt „Good Year“ verkauft. Die Beklagte stehe nicht mit seiner neuen Arbeitgeberin in Konkurrenz, da keine überschneidenden Kundenkreise erkennbar sind, keine konkurrierenden Angebote gegenüber den unbekannten gemeinsamen Kundenkreisen benannt werden können und keine hinreichenden Größen benannt worden seien in der Überschneidung der Kundenkreise, welche auf nur 1 – 2 % hinwiesen. Dies zeigten auch die Jahresabschlüsse der Beklagten aus den letzten Jahren. Er arbeite auf der Ausführungsebene in Projekten und habe mit der Bedarfseindeckung, Abwicklung und nicht mit der kaufmännischen Anbahnung von Projekten zu tun. Die Beauftragung von Lieferanten und Subunternehmen sei mit der Kundenakquise nicht gleichzustellen. Ein wirtschaftlicher Schaden der Beklagten erschließe sich nicht. Die Firma T. habe mit einem Anteil von unter 4 % für Mittelspannungsschaltanlagen in Projekten von 22.000.000,00 Euro Gesamtumsatz ca. unter 880.000 Euro Umsatz erzielt, während die Beklagte mit 1.050.000,00 Euro mehr Forschungs- und Entwicklungskosten in das Marksegment investiere, als die vermeintliche Wettbewerberin Umsatz mache. Die tatsächlichen Vor- und Nachteile der Beschäftigung in Luxemburg ließen sich auf Grund der verschiedenen Rechtsvorschriften erst nach Ergebnis der luxemburgischen und deutschen Einkommenssteuererklärungen erkennen. Ebenfalls werde bei einer möglichen Arbeitslosigkeit das (vergleichsweise niedrigere) luxemburgische Bruttoeinkommen berechnet.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25. September 2019 – 4 Ca 416/19 – abzuändern mit den Anträgen:

1. die Beklagte zu verurteilen, 5.288,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. März 2019 aus 2.644,00 EUR und seit dem 01. April 2019 aus 2.644,00 EUR an den Kläger zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.932,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen: aus 2.644,00 EUR seit dem 01. Mai 2019, aus 2.644,00 seit dem 01. Juni 2019 und aus 2644,00 EUR seit dem 01. Juli2019,

3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, künftig an jedem Monatsletzten, beginnend mit dem 31. Juli 2019 und letztmals am 31. Januar 2021, 2.644,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 12. Februar 2020 (Bl. 236 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, und trägt zweitinstanzlich vor,

das Urteil sei nicht zu beanstanden. Die Z.. mit Sitz in X.-Stadt/Luxemburg, sei ihr direkter Wettbewerber. Ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot sei grundsätzlich zulässig. Maßgeblich sei, dass beide Unternehme Mittelspannungsschaltanlagen herstellten und an Kunden vertreiben und sich daher in einem ganz wesentlichen Teil die Geschäftsgegenstände überschneiden würden. Die Konkurrenzsituation ergebe sich auch aus der Historie und der früheren gemeinsamen Zusammenarbeit beider Unternehmen, da die neue Arbeitgeberin des Klägers bis ins Jahr 2009 Mittelschaltanlagen der Beklagten für ihre eigenen Projekte eingekauft habe. Anlässlich der Y-Stadt-Messe habe der Geschäftsführer T. dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, dass er ab jetzt auch Mittelspannungsschaltanlagen fertigen und vertreiben werde und habe ihm angeboten über einen möglichen Verkauf der Beklagten zu sprechen, was der Geschäftsführer der Beklagten jedoch abgelehnt habe. Danach habe die Firma Z.. selbst Mittelspannungsschaltanlagen hergestellt und im Rahmen ihrer Projekte an Kunden verkauft. Auch von früheren Ansprechpartnern sei dieser Umstand bekannt. Es könne daher nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass beide Unternehmen auf einem konkurrierenden Markt tätig seien. Das Arbeitsgericht habe auch zutreffend darauf verwiesen, dass der Kläger als technischer Angestellter auch Vertriebstätigkeiten zu verrichten habe. Sein Arbeitsvertrag sei auch in keiner Weise auf Niederspannungsschaltanlagen begrenzt. Aus der E-Mail vom 19. Oktober 2018 lasse sich nicht herleiten, dass die Beklagte nicht davon ausgegangen sei, dass die – noch nicht einmal genannte – neue Arbeitgeberin des Klägers kein Wettbewerber sei. Es handele sich um eine reine Mitarbeiterinformation, dass der Kläger das Unternehmen verlassen werde. Auch die Aufforderung, die verbleibende Zeit zum Austausch von Informationen zu nutzen, habe nichts mit der neuen Arbeitgeberin zu tun gehabt, sondern lediglich eine reibungslose Übergabe sicherstellen sollen. Auch räumlich sei das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass jedenfalls der Sitz der Z.. bei einer Entfernung von lediglich 18,4 km und einer Fahrzeit von 23 Minuten vom Wettbewerbsverbot erfasst sei. Erneut werde darauf hingewiesen, dass der Kläger bei der Firma Z.. denselben (Netto) Verdienst erziele wie bei der Beklagten.

Im Übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht erfolgreich.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde vom Kläger nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung am 06. November 2019 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 08. November 2019 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung ab Februar 2019. Durch seine Tätigkeit bei der Z.. nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten verstößt er gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot aus der in der Änderungsvereinbarung vom 29. Juni 2012 getroffenen Zusatzvereinbarung. Die Beklagte ist deshalb nicht zur Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung verpflichtet. Die Klage hat weder in den bezifferten Leistungsanträgen, noch hinsichtlich des auf künftige Leistung gerichteten Antrags Erfolg. Hiervon ist das Arbeitsgericht zu Recht und mit sorgfältiger Begründung ausgegangen. Die Berufungskammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe unter II (S. 5 ff. = Bl. 125 ff. d. A.), macht sie sich zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Angriffe der Berufung rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht.

1. Nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Es ist nach § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB ferner unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. Nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB büßt ein zu weit gefasstes Wettbewerbsverbot seine Wirksamkeit nicht insgesamt, sondern nur teilweise ein. Es wird aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls auf das erlaubte Maß zurückgeführt (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 22, 13. Dezember 1968 – 3 AZR 434/67 – Rn. 13, jeweils zitiert nach juris). Die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots in seinem unverbindlichen Teil tritt kraft Gesetzes ein; es findet eine geltungserhaltende Reduktion statt; das Wettbewerbsverbot bleibt in dem Umfang wirksam, der dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 22, aaO). Rechtsfolge eines teilweise verbindlichen Wettbewerbsverbots ist, dass der Arbeitgeber insoweit ua. Unterlassung begehren kann und der Arbeitnehmer Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung hat, sofern er das Wettbewerbsverbot in seinem verbindlichen Teil beachtet (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 23, mwN, aaO).

1.1. Ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers an einem Wettbewerbsverbot iSd. § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB besteht, wenn es entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch eines ausgeschiedenen Mitarbeiters in den Kunden- oder Lieferantenkreis unter Ausnutzung besonderer Kenntnisse oder persönlicher Kontakte verhindern soll; das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt hingegen nicht (vgl. BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 15; 1. August 1995 – 9 AZR 884/93 – Rn. 19, jeweils zitiert nach juris). Die Reichweite des Verbots muss sowohl sachlich als auch örtlich und zeitlich von einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 15, aaO). Maßgeblich für die Beurteilung der Reichweite eines Wettbewerbsverbots ist der Zeitpunkt, in dem die Wettbewerbsenthaltung des Arbeitnehmers eintreten soll und der Arbeitgeber in Anspruch genommen wird (BAG 28. Januar 1966 – 3 AZR 374/65 – Rn. 36, zitiert nach juris). Ob berechtigte geschäftliche Interessen das Verbot einer Tätigkeit rechtfertigen und das Wettbewerbsverbot insoweit verbindlich ist, kann abhängig von den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten erst zu diesem Zeitpunkt entschieden werden. Es muss ein Zusammenhang bestehen zwischen Inhalt und Umfang des Verbots und der bisherigen Funktion oder Tätigkeit des Arbeitnehmers (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 16, aaO).

1.2. Die Frage einer unbilligen Erschwerung des Fortkommens iSd. § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB ist im Rahmen einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu prüfen. Eine großzügige Entschädigung wird eine weiter gehende örtliche, zeitliche und gegenständliche Einschränkung der Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers rechtfertigen können (BAG 19. Dezember 2018 – 10 AZR 130/18 – Rn. 34 -, 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 17, jeweils zitiert nach juris).

1.3. § 74a Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Ein Wettbewerbsverbot, das nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses dient, stellt regelmäßig auch eine unbillige Fortkommenserschwerung des Arbeitnehmers dar. In erster Linie kommt es deshalb darauf an, inwieweit das vereinbarte Wettbewerbsverbot tatsächlich von einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt ist. Ist dies im Hinblick auf eine dem Verbot unterliegende Tätigkeit nicht der Fall, ist das Wettbewerbsverbot insoweit bereits nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB unverbindlich. Besteht ein solches Interesse, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit das Wettbewerbsverbot den Arbeitnehmer ausnahmsweise dennoch unbillig behindert. (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 18, aaO)

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen konnte der Kläger seine Tätigkeit bei der Z.. ab 01. Februar 2019 nicht ohne Verstoß gegen das zwischen den Parteien vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot in seinem verbindlichen Teil aufnehmen und die Beklagte ist – da der Kläger diesen Teil des Wettbewerbsverbots nicht eingehalten hat – nicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung verpflichtet.

2.1. Das Arbeitsgericht ist zu Recht von einem berechtigten geschäftlichen Interesse der Beklagten nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB daran ausgegangen, dass der Kläger keine Beschäftigung bei der Z.. in X.-Stadt, Luxemburg als technischer Angestellter nach dem Arbeitsvertrag vom 11. Juli 2018 iVm. der Aufgaben- und Funktionsbeschreibung vom 10. Juli 2018 aufnimmt.

a) Die neue Arbeitgeberin des Klägers steht grundsätzlich zur Beklagten in Wettbewerb, da auch sie – wie die Beklagte – unstreitig Mittelspannungsschaltanlagen fertigt und vertreibt. Unwidersprochen hat die Beklagte vorgetragen, dass die Z.. sowohl auf der Y-Stadt Messe im April 2019 ihre luft-isolierte Mittelspannungsschaltanlage M6, als auch dort und auf der Messe in W.-Stadt ihre Mittelspannungsschaltanlage MediPower ausgestellt und beworben hat. Damit betreibt sie Wettbewerb zur Mittelspannungsschaltanlagen fertigenden und vertreibenden Beklagten, unabhängig davon, ob in der Vergangenheit bereits konkret konkurrierende Angebote erfolgt sind und die Z.. der Beklagten Kunden abgeworben hat. Ebenfalls unerheblich ist für die Frage, ob die Z.. an sich Wettbewerb zur Beklagten betreibt, ob der Kundenkreis sich jeweils lediglich in Deutschland oder auch im Ausland befindet. Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass auch potentielle internationale Kundenbeziehungen geschützt werden. Damit ist die neue Arbeitgeberin des Klägers grundsätzlich als Wettbewerberin zur Beklagten zu betrachten, ohne dass damit zugleich die – in einem zweiten Prüfungsschritt zu beantwortende – Frage entschieden wäre, ob der Kläger in seinem Fortkommen unbillig erschwert wird, weil das Fertigungsprogramm der Z.. sich nur unerheblich mit dem der Beklagten überschneidet und das Wettbewerbsverbot vor diesem Hintergrund als unverbindlich zu betrachten ist.

b) Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der Kläger nicht als technischer Angestellter zu den Konditionen des Arbeitsvertrags vom 11. Juli 2018 iVm. der Aufgaben – und Funktionsbeschreibung vom 10. Juli 2018 bei der Z. tätig wird. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf abgehoben, dass der Kläger bei der Beklagten als Vertriebsleiter in einer gehobenen Position beschäftigt war und als solcher – ungeachtet seiner Handlungsbefugnisse im Außenverhältnis – jedenfalls Kenntnisse über Kalkulationsgrundlagen und Preisgestaltungen hatte; darüber hinaus verfügt ein Vertriebsleiter regelmäßig über Kenntnis von Kundenstrukturen und pflegt während seiner Tätigkeit Kundenbeziehungen. Auch wenn der Kläger in seiner neuen Position bei der Z.. derzeit tatsächlich lediglich mit Niederspannungsschaltanlagen befasst sein sollte, sieht sein Arbeitsvertrag ohne Beschränkung eine Tätigkeit als technischer Angestellter vor und auch aus seiner Aufgaben- und Funktionsbeschreibung, nach der er als Projektleiter tätig wird, ergibt sich keine inhaltliche Festlegung, so dass ein geänderter Einsatz des Klägers jederzeit arbeitsvertraglich möglich ist. Dessen ungeachtet sieht auch die aktuelle Aufgaben- und Funktionsbeschreibung unter „Kontakte“ und unter „Weitere Aufgaben“ Kontakte des Klägers zum Vertrieb vor. Damit hat die neue Arbeitgeberin – ohne dass der Beklagten Einsicht oder Kontrolle möglich wäre – die Möglichkeit, auf die vom Kläger bisher bei der Beklagten erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich von Mittelspannungsschaltanlagen, die sich auch im Portfolio der Z.. befinden, zuzugreifen. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass es der Beklagten mit dem Wettbewerbsverbot lediglich allgemein um das Verhindern von Konkurrenz geht. Sie hatte vielmehr ein berechtigtes Interesse am streitigen Wettbewerbsverbot zum Schutz von Betriebsgeheimnissen und zur Verhinderung der Weitergabe besonderer Kenntnisse oder persönlicher Kontakte des Klägers.

c) Mit dem Arbeitsgericht nimmt die Berufungskammer an, dass die Beklagte ein berechtigtes geschäftliches Interesse an einem Wettbewerbsverbot hat, welches sich räumlich jedenfalls auf die dargestellte wettbewerbswidrige Tätigkeit des Klägers am Standort der Z.. in X.-Stadt, Luxemburg bezieht, das sich weniger als 20 km vom Betriebssitz der Beklagten in A-Stadt entfernt befindet. Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Beklagte angesichts eines grenzüberschreitenden Marktes nicht auf die nur nationale Geltung des Wettbewerbsverbotes zu verweisen, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen sie auf den Vertrieb ihrer Mittelspannungsschaltanlagen ausschließlich in Deutschland zu beschränken sein sollte. Soweit der Kläger sich im Berufungsverfahren zur Begründung der Unwirksamkeit des eine Beschäftigung in X.-Stadt, Luxemburg betreffenden Wettbewerbsverbots auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union idF. des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon (Konsolidierten Fassung (ABl. EG Nr. C 115 vom 9. Mai 2008, S. 47), AEUV) gestützt hat, käme allenfalls ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) in Betracht. Selbst wenn man vorliegend von einem grenzüberschreitenden Bezug ausgeht, da dem Kläger, dessen deutsche Staatsangehörigkeit unterstellt wird, eine Tätigkeit in Luxemburg untersagt werden soll, liegt eine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung (Art. 45 Abs. 2 AEUV) weder unmittelbar vor, da das Wettbewerbsverbot nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellt, noch ist eine mittelbare Diskriminierung ersichtlich, nachdem das Wettbewerbsverbot, auch wenn es üblicherweise von der Beklagten mit ihren Arbeitnehmern vereinbart würde, nicht so gestaltet ist, dass es trotz herkunftsunabhängiger Geltung im Wesentlichen oder ganz überwiegend Arbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten betrifft oder Inländer faktisch gegenüber EU-Ausländern besser stellt. Nimmt man zugunsten des Klägers an, dass die grenzüberschreitende Wettbewerbsvereinbarung zumindest eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellen könnte, da sie ihn als Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates davon abhalten könnte, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (vgl. zur Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit: EuGH vom 15. Dezember 1995 – C-415/93 – Bosman – Rn. 94, vom 27. Januar 2000 – C-190/98 – Graf – Rn. 21, zitiert nach juris), so wäre diese nichtdiskriminierende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Auffassung der Berufungskammer aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Der Zweck eines Konkurrenzverbotes wie dem vorliegenden ist regelmäßig der Schutz der Geschäftsgeheimnisse, sowie des zwischen Kunden und Mitarbeitern aufgebauten Vertrauens vor der Verwertung und Ausnutzung durch Konkurrenten, ein derartiger Schutz geschäftlicher Geheimnisse und eines Kunden- und Lieferantenstamms einzelner Unternehmen vor dem Zugriff durch die Konkurrenz ist für das Funktionieren von Industrien in einer Volkswirtschaft unerlässlich und liegt damit in zwingendem öffentlichen Interesse (vgl.: Koe- nig/Steiner NJW 2002, 3583 ff. (3586) unter Verweis auf EuGH 20. Februar 1979 – 120/78 – Rewe-Zentral – sog. Cassis de Dijon – Urteil, Ziff. 8, zitiert nach juris). Dass das Wettbewerbsverbot, welches nach § 74a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 HGB ohnehin nur im Umfang berechtigter geschäftlicher Interessen wirksam sein kann, sofern das Fortkommen des Betroffenen nicht unbillig erschwert wird, einer darüber hinaus erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält, steht für die Berufungskammer außer Frage, weshalb eine etwaige Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit damit in jedem Fall gerechtfertigt wäre. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren zuletzt gemeint hat, die zeitweisen Grenzschließungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Covid 19-Pandemie zwischen Deutschland und Luxemburg zeigten die Fehlerhaftigkeit der Anerkennung eines grenzübergreifenden Regionalbegriffs, verkennt er die unveränderten Grundlagen nationalen und europäischen Rechts.

2.2. Das Wettbewerbsverbot ist in seinem dargestellten verbindlichen Umfang auch nicht nach § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB unverbindlich, weil es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Klägers enthielte. Insbesondere hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass das Fertigungsprogramm der Z.. sich nicht nur unerheblich mit dem der Beklagten überschneidet und das Wettbewerbsverbot vor diesem Hintergrund nicht als unverbindlich zu betrachten ist.

a) Für die Gültigkeit eines Wettbewerbsverbots kommt es nicht darauf an, ob der bisherige Betrieb und der neue Betrieb, in den der Angestellte überwechselt, auch auf Bereichen tätig sind, die nicht miteinander konkurrieren. Maßgebend ist vielmehr, ob sich die Fertigungsprogramme beider Betriebe zumindest in einem nicht ganz unerheblichen Teil entsprechen. Nur wenn der Arbeitgeber in der Lage ist, auch teilweise konkurrierende Firmen mit dem Wettbewerbsverbot zu erfassen, kann das Verbot seinen Sinn erfüllen, die Wettbewerbstätigkeit eines Angestellten wirksam auszuschließen. Der Arbeitgeber kann regelmäßig nicht kontrollieren, ob sein früherer Angestellter bei einem teilweise konkurrierenden Betrieb nicht gerade auf dem verbotenen Sektor tätig wird. Wollte man diese Beweisschwierigkeit des Arbeitgebers nicht anerkennen, würde einem Spitzelsystem Vorschub geleistet (BAG 13. Dezember 1968 – 3 AZR 434/67 – Rn. 16, zitiert nach juris).

b) Danach ist der Kläger nicht bereits unbillig in seinem Fortkommen beschwert, soweit er geltend macht, die Beklagte habe für ihre Mittelspannungsschaltanlagen eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsmöglichkeiten, über die die Z.. nicht verfüge. Selbst wenn eine derartige Situation gegeben sein sollte, würde es nach der dargestellten Rechtsprechung genügen, wenn eine nicht unerhebliche Überschneidung im Fertigungsprogramm der beiden Firmen vorläge. Hiervon hat die Berufungskammer auszugehen. Nachdem die Beklagte bereits erstinstanzlich eine Teil-Identität des Produktportfolios beider Firmen von mehr als 10 % behauptet hat, konnte der Kläger, der nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen seines Karenzentschädigungsanspruchs trägt (vgl. LAG Hamm 14. Dezember 2012 – 14 Sa 1385/11 – Rn. 38, vgl. LAG Niedersachen 16. Juli 2009 – 4 SaGa 697/09 – Rn. 9, jeweils zitiert nach juris), sich in seiner Berufungsbegründung (S. 9 = Bl. 179 d. A.), nicht auf den bloßen Vortrag beschränken, die Beklagte habe nicht bestritten und widerlegt, dass die Z.. keine Mittelspannungsschaltanlagen herstelle und verkaufe, zumal sie dies unstreitig tut und nur der Umfang des Verkaufs streitig ist. Seine weitere Argumentation, es habe tatsächlich noch keine Wettbewerbssituation gegeben, in der die Beklagte einen Kunden an die Z.. verloren habe, übersieht, dass eine derartige Situation nicht Voraussetzung dafür ist, die beiden Firmen als Wettbewerber zu betrachten. Soweit der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 12. Juni 2020 unter Vorlage einer vom 07. Mai 2020 datierenden entsprechenden Erklärung des Gesellschafters der Z.. U. unter Antritt von Zeugenbeweis behauptet hat, deren Umsatzanteil an Mittelspannungsschaltanlagen habe in den letzten beiden Geschäftsjahren bei deutlich unter 5 % gelegen, kann dahinstehen, ob hinsichtlich dieses nach der Berufungsbegründung und damit verspätet bei Gericht eingegangenen Vorbringens des Klägers die Zulassungsvoraussetzungen des § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG vorliegen würden. Auch dieser Vortrag genügt nach Auffassung der Berufungskammer nicht, um die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers zu erfüllen. Als Umsatz bezeichnet man den Wert verkaufter Waren und Dienstleistungen in einem bestimmten Zeitabschnitt. Damit lässt der Umsatz allein bereits keinen zwingenden Schluss auf das potentiell zum Verkauf stehende Produktportfolio der Z.. zu und die Tatsache, dass die neue Arbeitgeberin des Klägers in den letzten beiden Jahren einen Umsatzanteil von unter 5 % im Bereich von Mittelspannungsschaltanlagen gehabt haben mag, steht der Behauptung der Beklagten, es liege eine mindestens 10%ige Überschneidung im Produktportfolio vor, nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, inwieweit die Z.. nicht auch deshalb als Wettbewerberin der Beklagten zu betrachten ist, weil diese – wenn auch nur im Auftragspaket mit einer Mittelspannungsschaltanlage – ebenfalls Niederspannungsschaltanlagen vertreibt. Da die Höhe der dem Kläger zugesagten Karenzentschädigung der gesetzlichen Mindestanforderung des § 74 Abs. 2 HGB entspricht, nach dem ein Wettbewerbsverbot nur verbindlich ist, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht, vermochte die Berufungskammer nicht davon auszugehen, dass der Kläger durch die Wettbewerbsabrede im dargestellten verbindlichen Umfang nach § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB in seinem Fortkommen unbillig erschwert wird.

3. Der Beklagten ist es nicht aus anderen Gründen verwehrt, sich auf das Wettbewerbsverbot zu berufen. Einen schriftlichen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nach § 75a HGB hat die Beklagte nicht erklärt. Der Kläger kann sich gegenüber der Beklagten auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens und damit auf Rechtsmissbrauch berufen. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BAG 9. Juli 2016 – 3 AZR 134/15 – Rn. 57; 11. November 2014 – 3 AZR 849/11 – Rn. 64 mwN, jeweils zitiert nach juris). Ein derartiges rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten liegt nicht vor. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Geschäftsführer der Beklagten in seiner E-Mail vom 19. Oktober 2018 (Bl. 55 d. A.) lediglich die Mitarbeiter des Betriebs über den Weggang des Klägers und dessen Nachfolger informieren und sie zu einem effektiven und gemeinschaftlichen Übergang auffordern wollte. Eine Erklärung über Fragen des Wettbewerbsverbots des Klägers enthält die E-Mail nicht. Ebenso wenig lässt sich aus der Mitteilung, der Kläger werde sich einer neuen Aufgabe im Bereich Niederspannungsschaltanlagen stellen, entnehmen, dass die Beklagte die neue Arbeitgeberin des Klägers nicht als Wettbewerberin betrachte.

B

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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