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Ordnungsgeld – Anforderungen an die Ermessensausübung (§ 141 Abs. 3 ZPO)

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Ta 133/11 – Beschluss vom 15.08.2011

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16. Juni 2011 – 1 Ca 865/11 – aufgehoben.

Gründe

I.

Mit ihrer am 27. Mai 2011 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage, die der Beklagten am 31. Mai 2011 zugestellt worden ist, verlangt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld (Antrag zu 1) und die Herausgabe diverser Gegenstände, u.a. von Abrechnungsunterlagen „Seminar von DZR-Implantaten von 2005“ und Abrechnungsunterlagen „Implantat Seminar in Saarbrücken 2010“ (Antrag zu 2a bis i).

Zu der am 10. Juni 2011 anberaumten Güteverhandlung war das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet worden. Im Gütetermin vom 10. Juni 2011 ließ sich die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten, der erklärte, dass die Beklagte nicht zum Gütetermin erschienen sei, weil sie Behandlungstermine wahrnehme. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Beklagte selbst an einem Implantatsseminar in Saarbrücken im Jahr 2010 teilgenommen habe, erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, das wisse er nicht. Daraufhin ist durch den in der Sitzung verkündeten Beschluss gegen die Beklagte ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR wegen ihres unentschuldigten Ausbleibens festgesetzt worden.

Gegen diesen Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16. Juni 2011, der dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17. Juni 2011 zugestellt worden ist, wendet sich die Beklagte mit ihrer am 24. Juni 2011 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingelegten sofortigen Beschwerde. Zur Begründung hat sie u.a. darauf verwiesen, dass ihr Prozessbevollmächtigter im Termin erklärt habe, dass sie an diesem Vormittag wegen Behandlungsterminen selbst nicht persönlich anwesend sein könne. Im Laufe der Erörterung sei dem Gericht u.a. mitgeteilt worden, dass sich die Sachen, deren Herausgabe von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 2) begehrt werde, nicht in ihrer Zahnarztpraxis befänden. Die vom Vorsitzenden gestellte Frage, die ihr Prozessbevollmächtigter nicht habe beantworten können, sei zur Sachverhaltsaufklärung nicht dienlich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15. Juli 2011 nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte zum Termin am 10. Juni 2011 unentschuldigt nicht erschienen sei und ihr Fernbleiben auch nachträglich nicht hinreichend entschuldigt habe. Bei anderweitigen beruflichen Terminabsprachen hätte die Beklagte um Verlegung des gerichtlichen Termins nachsuchen können, was nicht geschehen sei. Die Beklagte habe selbst nicht behauptet, dass sie wegen eines ärztlichen Notfalls kurzfristig verhindert gewesen sei. Die Beklagte habe zum Termin auch keinen Vertreter entsandt, der zur vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes in der Lage gewesen sei. Im Rahmen der Güteverhandlung habe die persönlich anwesende Klägerin deutlich gemacht, dass ihr besonders an der Herausgabe der unter 2.e) der Klageanträge bezeichneten Abrechnungsunterlagen gelegen gewesen sei, weil diese Unterlagen nicht anderweitig käuflich erworben werden könnten und nur an Seminarteilnehmer ausgehändigt würden. Um zu klären, ob derartige eventuell noch in der Praxis der Beklagten vorhandene Unterlagen möglicherweise nicht der Klägerin, sondern der Beklagten selbst gehören könnten, sei an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Frage gerichtet worden, ob die Beklagte ebenfalls an dem entsprechenden Seminar teilgenommen habe. Im Hinblick darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten diese Frage nicht habe beantworten können, habe nicht geklärt werden können, ob der Antrag der Klägerin auf Herausgabe der „Abrechnungsunterlagen Implantat Seminar“ hinreichend bestimmt sei und überhaupt Aussicht auf Erfolg biete.

In ihrer Stellungnahme vom 5. August 2011 zu dieser Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts hat die Beklagte vorgetragen, dass sie am Gerichtstermin aufgrund der für diesen Tag vereinbarten Behandlungstermine nicht habe teilnehmen können. Sechs Schmerzpatienten hätten erst am frühen Vormittag des 10. Juni 2011 angerufen und aufgrund akuter Zahnschmerzen am gleichen Tag behandelt werden müssen. Deshalb bitte sie, ihr Nichterscheinen zum Gerichtstermin nachträglich zu entschuldigen. Zwar sei dem Gericht vor dem Termin nicht mitgeteilt worden, dass sie nicht persönlich erscheinen könne. Ihr Prozessbevollmächtigter sei jedoch davon ausgegangen, dass er als mit dem Fall vertrauter und informierter Vertreter ausreichende Sachkenntnis habe. Soweit das Arbeitsgericht darauf verwiesen habe, dass durch die Nichtbeantwortung der gestellten Frage nicht habe geklärt werden können, ob der Antrag der Klägerin auf Herausgabe der genannten Abrechnungsunterlagen hinreichend bestimmt sei, hätten konsequenterweise auch entsprechende Nachfragen hinsichtlich der anderen von der Klägerin herausgeforderten Gegenstände (wie Reisekissen, Arbeitsschuhe usw.) gestellt werden müssen, was nicht geschehen sei. An dem Seminar vom 7. Mai 2010 in Saarbrücken habe nicht sie selbst, sondern die Klägerin und eine weitere Mitarbeiterin teilgenommen. An dem Seminar seien keine Abrechnungsunterlagen verteilt worden, vielmehr hätten sich die Teilnehmer selbst Notizen machen müssen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß §§ 78 S. 1, 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG, 141 Abs. 3 S. 1, 380 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Ordnungsgeldbeschluss entspricht nicht den an die Ermessensausübung zu stellenden Anforderungen und war daher aufzuheben.

1. Nach §§ 51 Abs. 1 S. 2 ArbGG, 141 Abs. 3 ZPO kann gegen eine Partei ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Verhandlungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden, sofern die Partei entgegen einer Anordnung ihres persönlichen Erscheinens im Termin ausbleibt. Der Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens besteht allein darin, die Aufklärung des Sachverhaltes zu fördern (BAG 20. August 2007 – 3 AZB 50/05 – NZA 2008, 1151). Ein Ordnungsgeld kann deshalb nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert (BGH 12. Juni 2007 – VI ZB 4/07 – NJW RR 2007, 1364, zu II 2 a der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 17. August 2010 – 11 Ta 156/10 – [juris]; Schwab/Weth ArbGG 2. Aufl. § 51 Rn. 25).

2. Aus dem angefochtenen Beschluss und der in der Nichtabhilfeentscheidung enthaltenen Begründung geht nicht hervor, dass diese Anforderungen, die im Hinblick auf den Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens an die Ermessensausübung bei der Verhängung eines Ordnungsgeldes zu stellen sind, erfüllt sind.

Die im Nichtabhilfebeschluss enthaltene Begründung lässt nicht erkennen, dass die nach dem Sitzungsprotokoll vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht beantwortete Frage zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt haben könnte. Allein der Umstand, dass nach den Ausführungen in der Nichtabhilfeentscheidung im Gütetermin nicht geklärt werden konnte, ob der Antrag der Klägerin auf Herausgabe in Bezug auf die „Abrechnungsunterlagen Implantat Seminar“ hinreichend bestimmt ist, besagt noch nicht, dass hierdurch Folgen im Sinne einer Verfahrensverzögerung eingetreten wären, zumal dieser Gesichtspunkt in dem sodann erlassenen Auflagenbeschluss keinen erkennbaren Niederschlag gefunden hat. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, ob und ggf. inwieweit die Frage nach einer Teilnahme der Beklagten an dem Implantatsseminar in Saarbrücken im Jahr 2010 für die weiteren prozessleitenden Maßnahmen von Bedeutung war. Weiterhin ist auch nicht ersichtlich, dass Vergleichsverhandlungen dadurch erschwert bzw. verzögert worden sein könnten, dass anstelle der Beklagten nur ihr Prozessbevollmächtigter zum Gütetermin erschienen ist.

Mithin war der angefochtene Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (BAG 20. August 2007 – 3 AZB 50/05 – NZA 2008, 1151, zu II 4 der Gründe).

 

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