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Pandemiebedingte angeordnete Betriebsschließung – Betriebsrisiko

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 8 Sa 674/20 – Urteil vom 30.03.2021

1.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 23.09.2020 – Az.: 7 Ca 1468/20 – wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Urlaubsentgeltes in Höhe von 1.162,08 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2020 richtet.

2.Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtsstreits.

4.Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, soweit ihre Berufung zurückgewiesen wurde (Verurteilung zur Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe von 666,19 EUR brutto nebst Zinsen).

Tatbestand

Die Parteien streiten um ausstehende Vergütung für den Monat April 2020.

Die am 29.07.1955 geborene Klägerin war ab dem 01.04.2016 bei der Beklagten als Spielstättenmitarbeiterin in X. (Spielstätte D. J., Q. str. 82) beschäftigt. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung der Klägerin betrug 2.000,00 EUR. Die Beklagte vergütete die Klägerin mit einem Stundenlohn in Höhe von 9,35 EUR brutto. Die Klägerin arbeitete durchschnittlich an fünf Tagen die Woche, verteilt auf sieben Tage die Woche. Sonntags betrug die regelmäßige Arbeitszeit acht Stunden, an allen anderen Wochentagen neun Stunden. Für die Arbeitszeit zwischen 22:00 Uhr und 1:00 Uhr (Spätschicht) zahlte die Beklagte zudem einen Nachtzuschlag in Höhe von 25 % pro Stunde. An Sonn- und Feiertagen zahlte die Beklagte einen Zuschlag von 50 % pro Arbeitsstunde. Darüber hinaus erhielt die Klägerin ein Fahrgeld. Wegen der weiteren Arbeitsbedingungen wird auf den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17.04.2016 (Blatt 5 f. der Akte) Bezug genommen.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht zum 30.04.2020. Für den Monat April 2020 wurde die Klägerin ausweislich des handschriftlichen Dienstplans für sieben Tage zwischen dem 01.04. und dem 12.04.2020 zur Arbeitsleistung eingeteilt. Für den weiteren Zeitraum bis Monatsende findet sich ein Eintrag „Url. N. 13 Tage“. Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erließ die Stadt Wuppertal am 16.03.2020 eine Allgemeinverfügung, aufgrund derer Ziffer 4 lit. e. die Beklagte zur sofortigen Schließung ihrer Spielstätten gezwungen war. Auf Anordnung der Beklagten blieb die Klägerin der Arbeit fern. Am 22.03.2020 trat die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO) des Landes Nordrhein-Westfalen in Kraft. Diese regelt in § 3 Abs. 1 Nr. 6 ein Verbot des Betriebes von unter anderem „Spielhallen“. § 13 Satz 1 sieht vor, dass die Bestimmungen der der CoronaSchVO widersprechenden oder inhaltsgleichen Allgemeinverfügungen der nach § 3 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Behörden vorgehen. Die Klägerin arbeitete bis zum 30.04.2020 nicht mehr. Für den Monat März 2020 vergütete die Beklagte ausweislich der der Klägerin erteilten Verdienstabrechnung unter anderem Urlaubsentgelt für 97 Stunden, mit Abrechnung für den Monat April 2020 weitere 18 Stunden. Gegenüber allen weiteren Spielstättenmitarbeitern ordnete die Beklagte Kurzarbeit an, sie bezogen Kurzarbeitergeld. Für den Zeitraum März/April 2020 erhielt die Beklagte Überbrückungsbeihilfen der öffentlichen Hand in Höhe von 15.000,00 EUR. Eine Betriebsausfall- oder Betriebsschließungsversicherung hatte sie nicht abgeschlossen.

Pandemiebedingte angeordnete Betriebsschließung - Betriebsrisiko
(Symbolfoto: Viacheslav Lopatin/Shutterstock.com)

Nachdem die Parteien erstinstanzlich einen Teilvergleich über die Erteilung eines Arbeitszeugnisses geschlossen haben, haben die Parteien nur noch über die Zahlung der Vergütung für den Monat April 2020 gestritten. Die Klägerin hat Annahmeverzugslohn für 62 Arbeitsstunden, Urlaubsentgelt für 117 Arbeitsstunden, die Schichtzuschläge entsprechend ihrer Gewährung in den Vormonaten sowie Fahrgeld begehrt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe das Risiko des durch die Corona-Pandemie bedingten Arbeitsausfalls zu tragen. Sie hat „sich dagegen verwehrt“, dass ihr Urlaub bereits in der Entgeltabrechnung für März 2020 verbraucht worden sei, diesen habe sie vielmehr im April 2020 „abgebaut“.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie Vergütung für April 2020 in Höhe von 2.027,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, ein Annahmeverzugsanspruch der Klägerin sei nicht gegeben. Bei der Schließung von Spielhallen aufgrund behördlicher Anordnung handele es sich nicht um einen Sachverhalt, in dem der Arbeitgeber gemäß § 615 Satz 3 BGB das Betriebsrisiko trage. Denn die Schließung hänge nicht mit der Eigenart des Betriebes zusammen, sondern richte sich gegen ein Infektionsrisiko, dass alle Betriebe gleichermaßen betreffe, ohne jedoch eine Schließung aller Betriebe – etwa im Einzelhandel – zur Folge zu haben. Die behördlichen Maßnahmen reagierten nicht auf ein den zu schließenden Betrieben anhaftendes Risiko, sondern auf das allgemeine Risiko einer Pandemie, dass der Betreiber einer Spielhalle nicht einmal abstrakt beherrschen könne. Der Lohnausfall sei im Ergebnis dem allgemeinen Lebensrisiko der Klägerin zuzurechnen.

Die Beklagte hat zudem behauptet, ein Urlaubsanspruch der Klägerin habe nicht mehr bestanden. Bereits im März 2020 habe sie elf Urlaubstage verrechnet. Für den Monat April hätten lediglich noch 2 Urlaubstage bestanden, die in die Aprilabrechnung aufgenommen worden seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23.09.2020 überwiegend stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Für die Zeiten, in denen sie im Monat April 2020 zum Dienst eingeteilt worden sei, stehe der Klägerin dem Grunde nach der geltend gemachte Vergütungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 1, 3 BGB zu. Auch ein Arbeitsausfall aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung gehöre zum Betriebsrisiko der Beklagten; dass sie die Umstände nicht beherrschen könne, spiele keine maßgebliche Rolle. Letztlich gehe von dem Publikumsverkehr einer Spielhalle, auf den diese als „Amüsierbetrieb“ angewiesen sei, eine gesteigerte Infektionsgefahr aus. Anders als bei Lebensmittelgeschäften sei der Betrieb von Spielhallen aber nicht notwendig. Abgesehen davon sei in einer globalisierten Welt das Auftreten einer Pandemie – wie die Vergangenheit gezeigt habe – nicht so außergewöhnlich, dass ein Arbeitgeber das damit verbundene Risiko nicht habe erkennen und einkalkulieren können. Schließlich knüpften die staatlichen Hilfsprogramme an den Belastungen der Unternehmen an, so dass es deshalb auch folgerichtig erscheine, ihnen das Risiko einer pandemiebedingten Betriebsschließung aufzuerlegen. Neben dem danach zu zahlenden Annahmeverzugslohn von 666,19 EUR brutto (Arbeitsausfall von 62 Stunden zu je 9,35 EUR/Std. nebst Nacht- und Sonntagszuschlägen) habe die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt für die im April genommenen 13 Urlaubstage in Höhe von 1.162,08 EUR brutto. Dass die Beklagte den unstreitig bestehenden Resturlaubsanspruch der Klägerin infolge ihrer „Verrechnung“ bereits im Monat März 2020 erfüllt habe, lasse sich dem Vortrag der darlegungsbelasteten Beklagten nicht entnehmen. Der Höhe nach ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus § 11 BUrlG; er umfasse auch Nacht- und Sonntagszuschläge. Fahrgeldzahlung habe d ie Klägerin indes nicht verlangen können. Zinsen stünden ihr erst ab dem 04.05.2020 zu.

Gegen das ihr am 07.10.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem am 09.10.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, am 07.12.2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte die Rechtsfehlerhaftigkeit der Ausführungen des Arbeitsgerichts zu § 615 Satz 3 BGB. Dieses habe verkannt, dass im Betrieb der Beklagten kein gesteigertes Infektionsrisiko bestehe, da die Anzahl der Spielgeräte durch städtische Verordnungen auf ein Mindestmaß reduziert sei. Generell knüpften die staatlichen Schutzmaßnahmen in der Coronapandemie nicht die Gefährlichkeit eines Betriebes an; ansonsten müssten auch Lebensmittelgeschäfte geschlossen bleiben. Im Hinblick auf die Kompensationsmaßnahmen sei es diskriminierend, das wirtschaftliche Risiko einseitig den Arbeitgebern zu überbürden, denn immerhin könnten Arbeitnehmer auf Arbeitslosengeld, Hartz 4 oder Kurzarbeitergeld zurückgreifen – auch wenn Arbeitnehmerinnen im gekündigten Zustand wie die Klägerin von der Bundesregierung beim Bezug von letzterem „vergessen“ worden seien.

Mit einem weiteren, nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vertieft die Beklagte ihre Argumentation. Ein Anspruch der Klägerin aus § 615 BGB scheitere schon an einem fehlenden Arbeitsangebot. Nach den Vorgaben der CoronaSchVO sei der Klägerin die Arbeitsleistung im Monat April 2020 überdies rechtlich unmöglich geworden. Mit der Geltendmachung eines Entgeltanspruchs verstoße die Klägerin gegen den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB. Das Betriebsrisiko des § 615 Satz 3 BGB dürfe nicht von politischen Erwägungen zur Opportunität von Betriebsschließungen bzw- -öffnungen abhängen, auf eine „Notwendigkeit“ des Offenhaltens bestimmter Betriebe komme es nicht an. Die Beklagte habe alles ihr Mögliche für die Fortführung des Betriebs getan; die verordnete Schließung weise keinen auch nur entfernten Bezug zum individuellen Betrieb der Beklagten auf. Insbesondere korrespondiere sie nicht mit der unternehmerischen Freiheit hinsichtlich der Ausübung und Gestaltung des Betriebs einer Spielhalle. Die Beklagte würde letztlich das Lohnrisiko allein deshalb tragen, weil der Betrieb einer Spielhalle ohne Mitarbeiter und Kunden vor Ort nicht möglich sei. Dabei gehe die Gefahr gerade von diesen als potentiellen Virusträgern und -überträgern aus. Die Situation eines Lockdowns infolge einer Pandemie sei auch weder vorhersehbar, noch von der Beklagten beherrschbar noch die mit ihr verbundenen Risiken versicherbar gewesen. Beim Lockdown handele es sich um ein absolutes Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, mit dem kein Wirtschaftstreibender in Anbetracht der herrschenden Lebensumstände wie insbesondere des gut funktionierenden Gesundheitssystems habe rechnen müssen. Jedenfalls deshalb hätten die Unternehmen auch keine Betriebsausfallversicherung abschließen oder Rücklagen bilden müssen.

Erstmals mit Schriftsatz vom 15.03.2021 setzt die Beklagte sich zudem mit der Frage der geschuldeten Urlaubsvergütung auseinander. Das Arbeitsgericht habe insoweit bereits nicht von einer schlüssigen Darlegung eines Urlaubsanspruchs ausgehen dürfen. Insbesondere reichten die Eintragungen im Dienstplan für April 2020 hierfür nicht aus. Jedenfalls aber sei der Urlaub durch Gewährung von insgesamt 19 Tagen Arbeitsbefreiung in natura (4 Tage im Januar, 2 Tage im Februar, 11 Tage im März und 2 Tage im April 2020) erfüllt worden. Das ergebe sich aus den der Klägerin erteilten Lohnabrechnungen, denen die Klägerin nicht widersprochen habe. Soweit sich dem auf Wunsch der Klägerin erstellten Dienstplan anderes entnehme lasse, sei die Lage des Urlaubs später einvernehmlich auf März 2020 vorverlegt worden. Dies ergebe sich aus dem von der Klägerin unterzeichneten Stundennachweis für diesen Monat (in Kopie als Anlage B3 zum Schriftsatz vom 29.03.2021 zur Akte gereicht). Der zunächst erstellte Dienstplan sei „fiktiv“ gewesen. Die den Dienstplan aufstellende Hallenleitung Frau C. sei zur Urlaubsgewährung gar nicht befugt und besitze keine Personalverantwortung. Schließlich habe das Arbeitsgericht die Höhe der Urlaubsvergütung falsch berechnet, zu Unrecht Schicht- und Nachtzuschläge berücksichtigt und die für zwei Tage geleistete Urlaubsvergütung nicht in Abzug gebracht. Hilfsweise werde mit dem für den Urlaub im Monat März 2020 geleisteten Betrag in Höhe von 904,75 EUR „gegenüber etwaigen Forderungen der Klägerin“ die Aufrechnung erklärt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 23.09.2020 – Az.: 7 Ca 1468/20 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie hält die Berufung der Beklagten für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Sie meint, eine Betriebsschließung sei immer der Risikosphäre des Arbeitsgebers zuzurechnen. Vorliegend habe nur die Beklagte die Möglichkeit gehabt, die Rechtmäßigkeit der angeordneten Schließung gerichtlich überprüfen zu lassen und ggf. Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Dies könne nicht auf die Klägerin abgewälzt werden. Dass im Übrigen der Klägerin noch ein Resturlaubsanspruch von 19 Tagen zugestanden habe (11 Tage aus dem Jahr 2019, anteilig 8 aus 2020), ergebe sich aus allen Abrechnungen der Beklagten und werde von dieser – wie die Leistungen der Beklagten zeigten – tatsächlich nicht in Frage gestellt. Unzutreffend sei allerdings, dass mit der Klägerin über eine Vorverlegung des Urlaubs gesprochen worden sei. Sie sei ab dem 16.03.2020 schlicht nicht mehr beschäftigt worden. Den vorgelegten Stundennachweis für den Monat März 2020 habe sie nicht unterzeichnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist nur teilweise zulässig.

1.

Wegen des Angriffs auf die Verurteilung zur Zahlung von Urlaubsentgelt in Höhe von 1.162,08 EUR brutto (für 13 Urlaubstage ab dem 13.04.2020) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2020 war die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen. Insoweit mangelt es der Berufungsbegründung an der gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung.

a.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Zweck des § 520 ZPO ist es, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und den Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorzubereiten. Ausgehend von diesem Zweck genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 64 Abs. 6 in Verbindung mit § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2-4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr. des BAG, etwa im Urteil vom 19.10.2010 – 6 AZR 118/10, NZA 2011, 62). Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen; bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (BAG, Urteil vom 27.07.2010 – 1 AZR 186/09, NZA 2010, 1446; BGH, Urteil vom 13.11.2001 – VI ZR 414/00, NJW 2002, 682).

b.

Diesen Vorgaben wird die Berufung der Beklagten im Hinblick auf die ausgeurteilte Urlaubsvergütung nicht gerecht.

aa.

Bei der Zahlung von Urlaubsvergütung einerseits (für die Zeit ab dem 13.04.2020) und der Zahlung von Annahmeverzugslohn andererseits (für die Zeit bis zum 12.04.2020), zu der die Beklagte vom Arbeitsgericht verurteilt worden ist, handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, die das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung auch als solche behandelt hat.

(1)Die erstinstanzlich streitigen Zahlungsansprüche der Klägerin betreffen nicht nur unterschiedliche Zeiträume innerhalb des Monats April 2020, sondern auch unterschiedliche Lebenssachverhalte. Während für einen Anspruch aus § 615 Satz 1, 3 BGB die Frage maßgeblich ist, ob der Klägerin trotz der nicht erbrachten Arbeitsleistung wegen der Zuweisung des Grundes für den Arbeitsausfall in die Risikosphäre des Arbeitgebers ein Entgeltanspruch zusteht, kommt es für die Zahlung von Urlaubsentgelt darauf an, ob ihr von der Beklagten bezahlter Erholungsurlaub gewährt worden ist. Eine inhaltliche Verknüpfung der Anspruchsvoraussetzungen besteht nicht, insbesondere kann – wie ja auch die Beklagte nicht bestreitet – bezahlter Erholungsurlaub auch und gerade wegen und während eines Arbeitsausfalls infolge Lockdowns gewährt werden.

(2)Diese Differenzierung hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil hinreichend nachvollzogen. Bereits im Tatbestand hat es ausgeführt, die Klägerin begehre für den Monat April 2020 Annahmeverzugslohn für 62 Arbeitsstunden und Urlaubsentgelt für 117 Arbeitsstunden. Dementsprechend findet sich unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe der einleitende Passus, der Klägerin stehe der „für den Monat April 2020 geltend gemachte Annahmeverzugslohn … sowie der geltend gemachte Urlaubsentgeltanspruch“ zu. Danach hat es zunächst die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 615 Satz 1, 3 BGB und anschließend separat diejenigen für eine Urlaubsentgeltanspruch geprüft (unter Ziffer I.3.b.). Dabei hat sich das Gericht mit dem zentralen Gegenargument der Beklagten – nämlich der Erfüllung durch Vorverlegung des Urlaubs in den März 2020 – befasst und dieses verworfen. Dass die Differenzierung zwischen beiden Streitgegenständen in Anbetracht der Nummerierung der Entscheidungsgründe klarer hätte ausfallen können, kann der Beklagten konzediert werden, ändert aber an der Erkennbarkeit der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Zweiteilung im Ergebnis nichts.

bb.

Mit der Verurteilung zur Zahlung des Urlaubsentgelts hat sich die Beklagte im Rahmen ihrer Berufungsbegründung nicht befasst. Mit keinem Wort ist die Gewährung eines Großteils des Erholungsurlaubs der Klägerin bereits im März 2020 oder die – vom Arbeitsgericht übersehene – Bezahlung zweier Urlaubstage gemäß der April-Abrechnung vom 27.04.2020 (Anlage K3 zur Klageschrift) thematisiert worden. Die in den späteren Schriftsätzen der Beklagten vom 15.03.2021 und 29.03.2021 gemachten Ausführungen erfolgten erst weit nach Ablauf der am 07.12.2020 endenden Berufungsbegründungsfrist und können daher im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht mehr berücksichtigt werden. Im Übrigen war dem Gericht ein Hinweis auf die teilweise Unzulässigkeit der Berufung noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist weder möglich (da die Berufungsbegründung erst am letzten Tag der Frist um 18.05 Uhr bei Gericht einging) noch zulässig, da das Gericht dadurch das Gebot der Neutralität und Äquidistanz zu den Parteien missachtete (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 19.10.2010 – 6 AZR 118/10, NZA 2011, 62, Rdz. 21 unter Hinweis auf BVerfG vom 29.12.1993 – 2 BvR 65/93, NJW 1994, 1210).

2.

Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten zulässig. Sie ist an sich gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch bei isolierter Betrachtung des Annahmeverzugslohns für nur 62 Arbeitsstunden im April 2020 mit 666,19 EUR brutto den in § 62 Abs. 2 lit. b) ArbGG normierten Mindestwert von 600 EUR. Die Berufung wurde insoweit auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Die von der Klägerin geäußerten Bedenken an der Beachtung der Vorgaben des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO sind unbegründet. Die Ausführungen der Beklagten lassen erkennen, dass sie die tragenden Erwägungen des Arbeitsgerichts zur Zurechnung des Arbeitsausfalls infolge eines Lockdowns in die Sphäre des Arbeitgebers erfasst hat, und aus welchen Gründen sie diese – zumindest in wesentlichen Teilen – für unrichtig hält.

II.

Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, erkannt, dass die Beklagte der Klägerin für die im April 2020 infolge der Schließung der Spielhalle ausgefallenen 62 Arbeitsstunden gemäß § 615 Satz 1, 3 BGB die Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe von 666,19 EUR brutto nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 04.05.2020 schuldet. Daran ändern auch die vertiefenden Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz nichts.

1.

Der Umstand, dass der Beklagten im April 2020 der Betrieb ihrer Spielhallen im Zuge des „Lockdowns“ gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 6 CoronaSchVO untersagt war und die Klägerin deshalb nicht beschäftigt werden konnte, ist gemäß § 615 Satz 3 BGB der betrieblichen Risikosphäre der Beklagten zuzurechnen.

a.

Kann ein Betrieb unabhängig vom Willen des Arbeitgebers (vorübergehend) nicht mehr fortgeführt werden, liegt ein Fall der Leistungsstörung vor. Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird unmöglich, er wird gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht befreit, verliert nach Maßgabe des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB jedoch grundsätzlich auch seinen Vergütungsanspruch. Diese Regeln werden durch § 615 Satz 3 BGB modifiziert. Danach kann ein Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht und die Arbeit infolge von Umständen ausfällt, für die der Arbeitgeber das Risiko trägt. § 615 Satz 3 BGB meint das von der Rechtsprechung entwickelte Betriebsrisiko. Dies ist das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können (BAG, Urteil vom 23.09.2015 – 5 AZR 146/14, NZA 2016, 1608, Rdz. 22). Im Wesentlichen geht es hierbei um von außen auf den Betrieb und seine Betriebsmittel einwirkende Ursachen, die sich für den Arbeitgeber als höhere Gewalt darstellen, wie z.B. Naturkatastrophen, Brände oder anderweitige Unglücksfälle. Ob hierzu auch Fallkonstellationen zu rechnen sind, in denen behördlich verordnete Betriebsschließungen nicht nur einzelne Betriebe, sondern wie im Falle der coronabedingten Lockdowns eine gesamte Branche oder sogar eine Vielzahl von Wirtschaftszweigen betrifft, ist bisher in der Rechtsprechung ungeklärt und in der arbeitsrechtlichen Literatur umstritten. Zusammengefasst und ohne Anspruch auf vollständige Erwähnung aller Autoren lassen sich folgende Ansätze unterscheiden:

(1)Gegen die Anwendbarkeit des § 615 Satz 3 BGB in diesem Zusammenhang wird eingewendet, dass sich in vielen Fällen nicht das vom Arbeitgeber zumindest abstrakt beherrschbare Risiko der Einrichtung und Unterhaltung seines Betriebes, sondern das dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnende und sich jedem arbeitgeberischen Einfluss entziehende Infektionsrisiko verwirkliche, dessen Minimierung der Staat durch flächendeckende Verbote verfolge. Deshalb sei § 615 Satz 3 BGB nur einschlägig, wenn die Schließungsanordnung durch die besondere Eigenart des Betriebs bedingt ist (Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1116; Grimm, DB 2020, 1177, 1181 f.) bzw. dem Umstand Rechnung getragen werde, dass die Infektionsgefahr besonders hoch ist, weil ein generell enger persönlicher Kontakt der Mitarbeiter untereinander oder zu Dritten bestehe (Kleinebrink, DB 2020, 1457, 1459). Dies sei bei „publikumsaffinen“ Betrieben der Fall (Grimm, aaO, 1182). Für die ansonsten gegebene „höhere Gewalt“ hafte der Arbeitgeber nicht (Bonanni, ArbRB 2020, 110, 116). Selbst wenn § 615 Satz 3 BGB danach grundsätzlich anwendbar sei, sei eine Ausnahme zu machen, wenn bei Zahlung der vollen Löhne die wirtschaftliche Existenz des Betriebes bzw. Unternehmens gefährdet würde (Sagan/Brockfeld, aaO; Kleinebrink, aaO).

(2)Hohenstatt/Krois (NZA 2020, 413) stellen demgegenüber darauf ab, dass der Arbeitgeber über § 615 Satz 3 BGB das Lohnrisiko trage, weil und soweit er den Arbeitnehmer vertraglich gebunden und ihm dadurch eine alternative Verwertung seiner Arbeitskraft unmöglich gemacht habe. Solange ein Arbeitnehmer also die vertraglich mit ihm vereinbarten Dienste noch anderswo erbringen könnte, werde dem Arbeitgeber das Risiko behördlicher Betriebsverbote auferlegt. Sollte die Beschäftigung rechtlich möglich bleiben, aber wirtschaftlich unsinnig sein, unterfalle dies dem Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers.

(3)Weitergehend wird darauf hingewiesen, dass (nur) die Zuweisung des Betriebsrisikos an den Arbeitgeber den allgemeinen Prinzipien der Arbeitsrechtsordnung entspreche (Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137, 1143; Fischinger/Hengstberger, NZA 2020, 559, 560 f.; im Ergebnis auch Fuhlrott/Fischer, NZA 2020, 345, Sievers, jM 2020, 189, 190). Mit dieser sei es unvereinbar, im Falle des von keiner Seite zu vertretenden Arbeitsausfalls sofort dem Arbeitnehmer die Lohnzahlung zu verweigern (Preis/Mazurek/Schmid, aaO). Überdies sei über die Bezugnahme auf die „Eigenart des Betriebes“ eine sinnvolle und rechtssichere Abgrenzung der erfassten Konstellationen nicht möglich (Fischinger/Hengstberger, aaO, 561).

b.

Das Gericht schließt sich generell der zuletzt aufgeführten Ansicht an, meint allerdings zudem, dass es sich bei einer Spielhalle um einen „publikumsaffinen Betrieb“ handelt, dessen Schließung infolge der CoronaSchVO auf seine besondere Eigenart zurückzuführen ist. Im Einzelnen gilt Folgendes:

(1)Ein Abstellen auf die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der alternativen Verwertung der Arbeitskraft des von einer Betriebsschließung betroffenen Arbeitnehmers bietet kein taugliches Abgrenzungskriterium. Das folgt mit Blick auf § 615 Satz 2 BGB schon daraus, dass es für die Anrechnung anderweitigen erzielten Einkommens egal ist, ob dieses durch eine gleichartige oder andersgeartete als die mit dem aktuellen Arbeitgeber vereinbarte Arbeit erzielt wird (Fischinger/Hengstberger, aaO, 562), und – sollte schon die Möglichkeit einer andersgearteten Arbeit ausreichen – praktisch nie zu einem Ausschluss von § 615 Satz 3 BGB führte. Abgesehen davon hätte die Maßgeblichkeit allein gleichartiger Arbeit bei Schließungssteuerung in Abhängigkeit von regionalen oder gar lokalen Inzidenzen zur Folge, dass eine nach wie vor von Schließung betroffene Spielhallenbetreiberin wie die Beklagte ihre Mitarbeiter (wieder) vergüten müsste, weil in der Nachbarstadt oder einem anderen Bundesland der Betrieb von Spielhallen wegen gesunkener Inzidenz wieder erlaubt ist. Das leuchtet nicht ein.

(2)Ebenfalls untauglich ist es, das Eingreifen des § 615 Satz 3 BGB davon abhängig zu machen, ob die coronabedingte Betriebsschließung für den jeweiligen Betriebsinhaber ein vorhersehbares, kalkulierbares und daher beherrschbares Risiko darstellt. Zu Recht weisen Preis/Mazurek/Schmid (aaO, 1142) darauf hin, dass sich „mit dieser Wertung nahezu jegliches Ereignis unter das Betriebsrisiko subsumieren lässt“; immerhin habe es auch in der Vergangenheit schon Pandemien gegeben und bestehe die Möglichkeit der Bildung von Rücklagen und des Abschlusses einer Betriebsschließungsversicherung. Ebenso gut ließe sich sagen, dass es aber noch nie branchenweite Betriebsschließungen durch den Staat wegen einer Pandemie gegeben hat und demzufolge das Vorhandensein einer Betriebsschließungsversicherung mehr oder minder zufällig demjenigen hilft, der sie aus ganz anderen Gründen abgeschlossen hat (und wenn die Versicherung denn eintreten muss, was in der Rechtsprechung der Zivilgerichte uneinheitlich beurteilt wird). Ein trennscharfes Wertungskriterium ist daher die „Vorhersehbarkeit/Beherrschbarkeit“ nicht.

(3)Schon ein Abstellen auf die Eigenart des Betriebes führt im vorliegenden Fall zur Anwendbarkeit des § 615 Satz 3 BGB. Eine Spielhalle lebt davon, dass möglichst viele Kunden sie aufsuchen, sie ist „publikumsaffin“. Daran ändert entgegen der Auffassung der Beklagten nichts, dass sich aufgrund per se bestehender Hygienevorschriften so oder so nur eine begrenzte Anzahl von Kunden in ihren Räumlichkeiten aufhalten darf. Denn selbst dann ist es unternehmerisches Ziel und Bestandteil des Konzepts der Beklagten, diese zulässige Zahl nach Möglichkeit voll auszuschöpfen. Dass das für viele Betriebe in anderen Branchen (Gastronomie, Handel etc.) auch gilt, ist kein Argument: Die Antwort auf eine abstrakte Rechtsfrage (Knüpfen coronabedingte Betriebsschließungen an die Eigenart des Betriebes an?) hängt nicht davon ab, wie viele Rechtsunterworfene von ihr betroffen sind. Ein einmal als richtig erkanntes Prinzip wird nicht dadurch falsch, dass es unerwartet viele Anwendungsfälle gibt (so ausdrücklich Fischinger/Hengstberger, aaO, 560). Es ist mit Blick auf die Konzeption der CoronaSchVO auch nicht richtig, von einer generellen Schließung sämtlicher Betriebe zu sprechen, um dem nicht in der besonderen Eigenart einzelner Betriebe angelegten flächendeckenden Infektionsrisiko zu begegnen (so aber Sagan/Brockfeld, aaO, 1116). Vielmehr bleibt die Fortführung privatwirtschaftlicher Betriebe regelmäßig erlaubt (z.B. in der produzierenden Industrie, im Handwerk und in Dienstleistungsbetrieben wie Banken, Versicherungen etc.), wovon durch die Untersagungen in §§ 3 ff. CoronaSchVO lediglich punktuelle Ausnahmen für Freizeit- Kultur-, Sport- und Vergnügungsstätten, Handelsbetriebe, „körpernahe“ Dienstleistungen sowie Beherbergungs- und gastronomische Betriebe gemacht werden. Davon wiederum erfolgen aus Gründen der Sicherstellung der Daseinsvorsorge Rückausnahmen unter Auflagen, etwa für de n Lebensmitteleinzelhandel (vgl. § 5 Abs. 1 CoronaSchVO).

(4)Abgesehen davon liegen überzeugende Argumente dafür vor, das Risiko des Arbeitsausfalls infolge pandemiebedingter, branchenweiter Betriebsverbote grundsätzlich beim Arbeitgeber anzusiedeln.

(a)Die Bestimmungen der CoronaSchVO treffen unmittelbar den Arbeitgeber als Betriebsinhaber. Ihm wird die betriebliche Tätigkeit untersagt, nicht dem Arbeitnehmer das Arbeiten (die Beklagte hätte ihren Betrieb auch dann nicht öffnen können, wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigte). Nur der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, gegen die behördlichen Maßnahmen rechtlich vorzugehen und gegebenenfalls eine Kompensation über öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche geltend zu machen (Preis/Mazurek/Schmid, aaO, 1143). Staatliche Überbrückungshilfen in der Pandemie wurden und werden allein an Betriebsinhaber und Selbständige geleistet. Auch die Beklagte hat nach eigener Darstellung in diesem Zusammenhang eine Zahlung von 15.000,00 EUR für den streitgegenständlichen Zeitraum erhalten. Der Arbeitgeber ist mithin „näher dran“ am Problem, aber auch an dessen Lösung.

(b)Zudem spricht insbesondere die allein dem Arbeitgeber vorbehaltene Möglichkeit, mittels Einführung von Kurzarbeit und Beantragung von Kurzarbeitergeld das Lohnrisiko auf die Solidargemeinschaft abzuwälzen, entscheidend dafür, dass der Arbeitgeber dieses Risiko im Verhältnis zum Arbeitnehmer zunächst einmal tragen muss (Fischinger/Hengstberger, aaO, 562 f.). Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt die Gewährung von Kurzarbeitergeld das maßgebliche Instrument zur Bewältigung der Folgen der Coronapandemie dar (vgl. die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 16.03.2020 „Mit Kurzarbeit gemeinsam Beschäftigung sichern“), niemand bestreitet das Vorliegen eines „unabwendbaren Ereignisses“ im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 SGB III als tatbestandliche Voraussetzung für die Zahlung von Kurzarbeitergeld. Dazu passte es nicht einmal ansatzweise, wenn ein Arbeitgeber wie die Beklagte die Gewährung von Kurzarbeitergeld an ihre Mitarbeiter durch schlichte Passivität unterlaufen könnte, indem sie keine Kurzarbeit anordnete und die erforderliche Anzeige des Arbeitsausfalls (§§ 95 Satz 1 Nr. 4, 99 Abs. 1 Satz 2 SGB III) nicht erstattete. Denn ein wirtschaftliches Eigeninteresse daran hätte der Arbeitgeber bei Nichtanwendung des § 615 Satz 3 BGB im Falle eines Lockdowns zunächst einmal nicht: Er müsste den Arbeitsausfall ja so oder so nicht bezahlen. Betroffene Arbeitnehmer könnten dagegen weder Leistungen ihres Arbeitgebers noch der Bundesagentur für Arbeit beanspruchen.

c.

Sonstige Umstände, die gegen die Anwendbarkeit des § 615 Satz 3 BGB sprechen könnte, sind nicht gegeben.

(1)Eine arbeitsvertragliche Bestimmung, die § 615 Satz 3 BGB für das Arbeitsverhältnis der Parteien abbedungen hätte, ist nicht vereinbart. Die Beklagte hat sich nicht darauf berufen, dass die Zahlung des Annahmeverzugslohns an die Klägerin für sie existenzgefährdende Folgen hätte.

(2)Eines Arbeitsangebotes der Klägerin bedurfte es nicht, da die Arbeit als Spielhallenmitarbeiterin unmöglich geworden war (§ 615 Satz 1 BGB gilt im Bereich des § 615 Satz 3 lediglich entsprechend, vgl. ErfK-Preis, § 615 BGB, Rdz. 122). Zudem war die Klägerin auf Weisung der Beklagten der Arbeit ferngeblieben, so dass zumindest ein Fall des § 296 BGB vorliegen dürfte.

(3)Ob das in der CoronaSchVO enthaltene Verbot des Spielhallenbetriebs rechtswirksam war oder – wie die Beklagte zu meinen scheint – gegen den Verhältnismäßigkeits- und den Gleichbehandlungsgrundsatz verstieß, bedarf keiner näheren Erörterung, weil diese Aspekte lediglich das Verhältnis der Beklagten zum Staat, nicht aber zur Klägerin betreffen. Gleichwohl sei wegen der Rechtmäßigkeit von behördlicher Spielhallenschließungen auf Grundlage des IfSG nur beispielhaft auf den Beschluss des VG Düsseldorf vom 20.03.2020 – 7 L 575/20, juris hingewiesen.

(4)Der Klägerin selbst wäre die Erbringung der Arbeitsleistung trotz der Vorgaben der CoronaSchVO möglich und erlaubt gewesen. Die Regelung des § 12 zur Beschränkung von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum betrifft nicht die Arbeitstätigkeit in nicht geschlossenen Betrieben. Den Rekurs auf § 162 Abs. 2 BGB vermochte das Gericht nicht nachzuvollziehen.

2.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch Erfüllung oder Aufrechnung untergegangen.

a.

Dass die in der Verdienstabrechnung für den Monat April 2020 ausgeworfene Vergütung von 18 Stunden „Urlaubsentgeld“ Tilgungswirkung für die hier streitigen Annahmeverzugslohnansprüche haben sollte, ist weder erkennbar noch von der Beklagten vorgetragen. Sie hat auch nicht behauptet, den zunächst für die zweite Hälfte des Monats April 2020 anberaumten Urlaub auch insoweit auf den Monatsanfang „vorverlegt“ zu haben, als dieser nicht in den Monat März 2020 „passte“. Ausführungen zur konkreten Lage des Urlaubs betreffen allein die Tage im März 2020 (vgl. Blatt 4 des Schriftsatzes vom 15.03.2021). Anderes ist auch dem – im Übrigen jedenfalls gemäß § 67 Abs. 4 ArbGG verspäteten – Schriftsatz vom 29.03.2021 nicht zu entnehmen.

b.

Die von der Beklagten zuletzt wegen einer vermeintlichen Überzahlung für den Monat März 2020 (904,75 EUR) erklärte Hilfsaufrechnung ist mangels Beachtung der einschlägigen Pfändungsfreigrenzen und des daraus resultierenden Aufrechnungsverbots gemäß § 394 Satz 1 BGB i.V.m. § 850c ZPO unzulässig. Abgesehen davon wäre die Aufrechnung auch unbegründet, weil die Klägerin für den Monat März 2020 keinesfalls überzahlt ist (sie könnte die Vergütung aus § 615 Satz 3 BGB verlangen) und ein etwaiger Rückforderungsanspruch gemäß Ziffer 19 des Arbeitsvertrages der Parteien verfallen wäre. Eine schriftliche Geltendmachung der Beklagten binnen drei Monaten nach Fälligkeit hat nicht stattgefunden.

3.

Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Höhe des Zahlungsanspruchs der Klägerin und dessen Verzinsung lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Beklagte hat hierzu auch keine Einwendungen erhoben. Auf Ziffer I.3.a., 4 der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Gericht hat den der Entscheidung über den Annahmeverzugslohn zugrundeliegenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beigemessen und deshalb insoweit die Revision zugunsten der Beklagten zugelassen. Im Übrigen hat es die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG verneint.

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