Ist es erlaubt geleistete Überstunden pauschal im monatlichen Gehalt abzurechnen?
Die Überstundenregelung ist in vielen arbeitsvertraglichen Verhältnissen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer ein durchaus heikles Thema. Sehr vielen Arbeitgebern ist die Regelung, dass eine pauschale Abgeltung der Überstunden mit dem Monatsgehalt abgewickelt wird, nur lieb. Dies bedeutet für die Arbeitgeber einen geringeren verwaltungstechnischen Aufwand und spart überdies auch noch bares Geld ein. Aus diesem Grund findet sich auch sehr häufig die Formulierung, dass Überstunden mit dem Monatsgehalt als abgegolten gelten, in den Arbeitsverträgen wieder. Für den Arbeitnehmer stellt sich jedoch im Zusammenhang mit dieser Formulierung die Frage, ob diese Praxis überhaupt mit dem Arbeitsrecht vereinbar ist. Immerhin erhalten die Arbeitnehmer auf diese Weise für die zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden keinen finanziellen Ausgleich.
Grundsätzlich sind die Überstunden rechtmäßig. Dementsprechend sind sie branchenübergreifend auch sehr weit verbreitet. In dem Jahr 2017 wurde auf der Grundlage einer Studie der BAuA (Bundesanstalt Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) festgestellt, dass rund 2,12 Milliarden Überstunden von den Arbeitnehmern geleistet wurden. Dies bedeutet, dass jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung rund 5 Überstunden abgeleistet hatte.
In der gängigen Praxis werden die Überstunden in Form von Freizeitausgleich abgegolten. Entscheidend hierfür ist jedoch, was genau in dem Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber vertraglich vereinbart wurde. Sollten sich keinerlei anderweitige Regelung in dem Arbeitsvertrag wiederfinden ist es auch möglich, die Überstunden finanziell abzugelten. Dies ist dann jedoch eine Regelung, die einvernehmlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer getroffen werden muss.
Die Formulierung: Überstunden werden mit dem Monatsgehalt abgegolten – gilt nicht unbegrenzt
Zunächst erst einmal muss genau definiert werden, was eigentlich mit dieser Formulierung gemeint ist. So manch ein Arbeitgeber versucht, durch eine derartige Formulierung die mit den Überstunden einhergehenden Ansprüche des Arbeitnehmers direkt über den Arbeitsvertrag auszuschließen. Sollte sich eine derartige Formulierung in dem Arbeitsvertrag wiederfinden, so sind diese Formulierungen dem Grunde nach rechtlich ungültig. Dies hatte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 mit seinem Urteil (Aktenzeichen 5 AZR 517/09) so festgestellt. Als Begründung gab das Bundesarbeitsgericht an, dass eine derartige Formulierung als zu ungenau anzusehen ist. Vielmehr müsse für die Rechtmäßigkeit einer derartigen Formulierung zunächst erst einmal klargestellt werden, um welche konkreten Arbeitsleistungen und auf welchen Umfang der Arbeitsleistungen auf der Basis von Überstunden sich die Formulierung bezieht. Für die gängige Praxis brachte dieses Urteil durchaus Veränderungen mit sich, da im Hinblick mit der sogenannten Überstundenklausel in dem Arbeitsvertrag eine konkretere Angabe für die Rechtmäßigkeit der Klausel erforderlich ist. Insbesondere die maximale Anzahl der Überstunden oder auch der Überstundenanteil des Monatsgehalts sind hierbei gemeint.
Diese Formulierungen zu Überstunden im Arbeitsvertrag sind rechtmäßig
- Überstunden mit einem Umfang von maximal 15 Prozent oberhalb der wöchentlichen Arbeitszeit gelten als mit dem Monatsgehalt abgegolten
- Durch das Monatsgehalt gelten maximal fünf Überstunden je Arbeitswoche als abgegolten
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit einem jüngeren Urteil (14. September 2021, Aktenzeichen 2 Sa 26/21) eine derartige Klausel in einem Arbeitsvertrag nochmals bestätigt. Als Grund gab das LAG Mecklenburg-Vorpommern an, dass durch eine derartige Klausel keine „Überraschung“ gem. § 305c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und auch keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt.
Mit seinem Urteil bezieht sich das LAG Mecklenburg-Vorpommern darauf, dass die für vorformulierte Standardarbeitsverträge geltenden Vorschriften zur Anwendung kommen müssen. Diese Vorschriften sind durchaus vergleichbar mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen und unterliegen auch gewissen Verboten. Ein gutes Beispiel für ein derartiges Verbot ist die Verwendung von sogenannten mehrdeutigen oder auch überraschenden Klauseln. Hierbei handelt es sich um Klauseln, durch die ein Arbeitnehmer gem. § 305c BGB die Folgen nicht absehen kann. Gem. § 307 BGB ist überdies auch die unangemessene Benachteiligung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitsvertrag nicht zulässig. Eine derartige unangemessene Benachteiligung kann sich aus dem Umstand heraus ergeben, dass die in dem Arbeitsvertrag vorhandene Klausel nicht den Anforderungen des Transparenzgebotes entspricht und somit für den Arbeitnehmer nicht eindeutig und verständlich ausformuliert ist.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in der Vergangenheit auch schon mit dieser Thematik befasst und mit Urteil (01. September 2010) entschieden, dass eine Klausel mit dem Wortlaut „erforderliche Überstunden“ im Zusammenhang mit der Abgeltung über das Monatsgehalt als unzulässig anzusehen ist. Eine derartige Formulierung erfüllt nicht die Rahmenanforderungen des Transparenzgebotes, was wiederum die Unwirksamkeit der Klausel nach sich zieht (Aktenzeichen 5 ARZ 517/09).
Obgleich die Rechtsprechung der Gerichte als überaus eindeutig anzusehen ist gibt es in der gängigen Praxis immer noch Arbeitsverhältnisse, die auf Arbeitsverträgen mit schwammigen oder sehr ungenauen Klauseln im Zusammenhang mit der Überstundenregelung beruhen. Einige Arbeitgeber vertrauen ein Stück weit darauf, dass bei den Arbeitnehmern eine gewisse Form der juristischen Unwissenheit vorherrscht. Auch die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust bei dem Arbeitnehmer spielt derartigen Arbeitgebern in die Karten, sodass die Überstunden sehr schnell ausufern können, ohne dass der Arbeitnehmer hiervon einen geldwerten Vorteil erhält. Überdies ist im Zusammenhang mit der Abgeltung von Überstunden auch Eigeninitiative des Arbeitnehmers gefordert.
Wenn ein Arbeitnehmer Überstunden leisten muss, die über das vertraglich vereinbarte Höchstmaß hinausgehen, so sollte auch eine entsprechende Forderung nach einem Freizeit- oder wirtschaftlichen Ausgleich unmittelbar erfolgen. In der gängigen Praxis kann es durchaus vorkommen, dass es diesbezüglich auch gewisse Fristsetzungen gibt.
So sollte ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit geleisteten Überstunden und dem Ausgleich vorgehen
Die Anordnung des Arbeitgebers, dass Überstunden geleistet werden müssen, sollte auf jeden Fall in schriftlicher Form erfolgen. Eine E-Mail in einem internen Mailsystem des Arbeitgebers ist durchaus ausreichend. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Arbeitgeber die Ableistung der Überstunden auch tatsächlich angeordnet hat und der Arbeitnehmer diese Anordnung hinterher im Streitfall auch tatsächlich beweisen kann.
Unmittelbar, nachdem der Arbeitnehmer der Anweisung des Arbeitgebers nachkam und die Überstunden abgeleistet hat, sollte der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber einen Nachweis für die abgeleisteten Überstunden verlangen. In diesem Nachweis sollte sowohl die konkreten Leistungen als auch die Dauer der Leistungen präzise stehen.
Nunmehr sollte der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Abgeltung der Überstunden gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Im Idealfall sollte dieser Anspruch dann mit dem Beginn des folgenden Monats anmelden. Sofern der Arbeitgeber sich nunmehr weigert, den Anspruch des Arbeitnehmers anzuerkennen, sind rechtliche Schritte für den Arbeitnehmer möglich. Wichtig ist hierbei jedoch das Wissen, dass die Beweislast in einem derartigen Fall ausdrücklich bei dem Arbeitnehmer liegt. Die schriftliche Anordnung des Arbeitgebers auf die Ableistung von Überstunden sowie der Nachweis, dass die Ableistung erfolgt ist, sind als Beweis jedoch vollends ausreichend.
Sofern rechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber erforderlich werden ist es unerlässlich, rechtsanwaltlichen Beistand bei einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Anspruch zu nehmen. Wir sind eine überaus erfahrene Rechtsanwaltskanzlei und verfügen über die erforderliche juristische Kernkompetenz, um Ihnen in so einer Situation beizustehen. Sehr gern übernehmen wir nach einer Mandatierung Ihrerseits die Wahrnehmung Ihrer Interessen gegenüber Ihrem Arbeitgeber sowohl auf dem außergerichtlichen als auch auf dem gerichtlichen Wege. Nehmen Sie diesbezüglich einfach über unsere Internetpräsenz oder auf dem fernmündlichen Weg Kontakt mit uns auf.