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Probezeitkündigung – Beteiligung Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 159/21 – Urteil vom 20.10.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 12. April 2021, Az. 2 Ca 1945/20, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung in der Probezeit.

Der 1975 geborene, geschiedene und gegenüber zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 1. Juli 2020 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.832,00 € zuzüglich Schichtzulage 10 % (283,20 €, Entgeltabrechnung für November 2020 Bl. 20 ff. d. A.) als Chemiebetriebsarbeiter beschäftigt. Dem bis zum 30. Juni 2024 befristeten Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 1. April 2020 (Bl. 3 ff. d. A.) zugrunde. Nach der Einleitung des Arbeitsvertrages gelten die ersten sechs Monate als Probezeit. Ziff. 6 Abs. 2 des Arbeitsvertrages bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis „von beiden Seiten vorzeitig durch ordentliche Kündigung während der Probezeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 2 Wochen, nach Ablauf der Probezeit unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfristen gekündigt werden“ kann. Zwischen den Parteien war vereinbart, dass der Kläger berufsbegleitend eine Ausbildung zum Chemikanten absolviert.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 (Bl. 63 ff. d. A.) und Nachtrag vom 11. Dezember 2020 (Bl. 69 f. d. A.) zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat erhob Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 (Bl. 61 f. d. A.).

Der Kläger, der seit dem 7. Mai 2016 einen Grad der Behinderung von 40 hat, beantragte mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zuvor hatte er bereits am 14. Februar 2017 einen Gleichstellungsantrag gestellt, dem durch Bescheid vom 12. Mai 2017 nicht stattgegeben worden war.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2020 (Bl. 11 d. A.), dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich im Rahmen der Probezeit zum 31. Dezember 2020. Gegen diese Kündigung wendete sich der Kläger mit seiner am 21. Dezember 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit S. vom 14. Januar 2021 (Bl. 34 d. A.) wurde der Kläger gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Gleichstellung wurde mit dem Tag des Eingangs des Antrags (10. Dezember 2020) wirksam.

Der Kläger war der Ansicht, der Betriebsrat sei zur Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Im Übrigen genieße er Sonderkündigungsschutz nach dem Sozialgesetzbuch IX. Die Schwerbehindertenvertretung hätte vor der Kündigung angehört werden müssen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 17. Dezember 2020, zugegangen am 17. Dezember 2020, nicht aufgelöst wird, sondern unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. April 2021 abgewiesen. Es hat – zusammengefasst – zur Begründung ausgeführt, das KSchG finde aufgrund der kurzen Beschäftigungszeit des Klägers gemäß § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Die Kündigung sei nicht wegen fehlerhafter Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG unwirksam. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender Beteiligung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX unwirksam, da nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX die genannte Vorschrift auf eine Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate keine Anwendung finde. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 S. 2 SGB IX unwirksam. Zwar sei diese Vorschrift auch auf Probezeitkündigungen anwendbar. Allerdings sei sie nicht auf rückwirkende Gleichstellungen von behinderten Menschen mit schwerbehinderten Menschen anzuwenden, da § 178 Abs. 2 SGB IX keine vorsorgliche Beteiligungspflicht enthalte. Gegenteiliges folge nicht aus § 151 Abs. 2 S. 2 SGB IX. Sonstige Unwirksamkeitsgründe lägen nicht vor. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 90 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 30. April 2021 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 10. Mai 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Der Kläger hat die Berufung mit am 8. Juni 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 4. Juni 2021 begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 116 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

im Rahmen der Betriebsratsanhörung sei eine Konkretisierung erforderlich. Im Rahmen der Betriebsratsanhörung sei völlig unkonkret die Rede von der Nichterfüllung der in den gesetzten Erwartungen. Gleiches gelte von dem „Eindruck des Arbeitgebers in Sachen gezeigtes nur begrenztes Engagement bei der Einarbeitung des Berufungsklägers“. Ferner sei die Rede von „dem Eindruck einer nicht ausreichend vorhandenen Teamfähigkeit, begrenzt vorhandenen Belastbarkeit und dem Eindruck einer gewissen Passivität“. Ferner sei im Rahmen der Betriebsratsanhörung die Rede davon „dass der auf Schicht erforderliche verbale Austausch mit den Kollegen nicht zu den Stärken des Berufungsklägers gehört und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses daher nach Auffassung des Arbeitgebers prognostisch zu Konflikten führen würde“.

Aus der Leistungsbeurteilung vom 9. Dezember 2020 ergebe sich zwar im Bereich des qualitativen Arbeitsergebnisses und in der Zusammenarbeit eine entsprechend schlechte Bewertung. Jedoch ergebe sich im Rahmen der sonstigen Anforderungen, dass diese teilweise, größtenteils und in Teilen auch komplett erfüllt würden.

Zum anderen habe es – worauf der Betriebsrat in seiner Stellungnahme hingewiesen habe – das Unternehmen zudem versäumt, den für den Einsatzbetrieb zuständigen operativen Betriebsrat und die für die BJG zuständigen Betriebsratskollegen rechtzeitig über seine Leistung zu informieren“.

Die streitgegenständliche Kündigung sei unwirksam, da die Schwerbehindertenvertretung habe beteiligt werden müssen. § 173 SGB IX – dogmatisch eingeordnet in Kapitel 4 – regele die Ausnahme zu dem grundsätzlich bestehenden Bedürfnis der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Von entscheidender Bedeutung sei, dass der Ausnahmekatalog des § 173 SGB IX in keinster Weise die Norm des § 178 Abs. 2 SGB IX nenne.

Noch rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist sei der Arbeitgeber – spätestens mit Zustellung der Klageschrift – über seine vorhandene Gleichstellung in Kenntnis gesetzt worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichtes Ludwigshafen vom 12. April 2021, Az. 2 Ca 1945/20 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 12. Dezember 2020 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 28. Juli 2021, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 129 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Rechtliche Gründe, weswegen die gängige Rechtsprechung zur Betriebsratsanhörung während der Wartezeit hier keine Anwendung finden dürfe, würden nicht genannt. Aufgrund welcher Regelung oder Mitbestimmungsnorm der Betriebsrat über die Leistungsentwicklung des Klägers in der Wartezeit hätte informiert werden müssen und warum sich hieraus ein Verstoß gegen die Ordnungsgemäßheit einer Betriebsratsanhörung ergeben solle, erschließe sich nicht. Die Stellungnahme des Betriebsrats vom 16. Dezember 2020 zeige eindeutig, dass eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung stattgefunden habe.

Sie habe erst mit Schriftsatz vom 28. Januar 2021 Kenntnis von der Gleichstellung des Klägers erlangt und damit nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Daher könne sich der Kläger nicht auf den Sonderkündigungsschutz berufen.

Die Schwerbehindertenvertretung sei nicht zu beteiligen gewesen, da § 178 Abs. 2 S. 2 SGB IX nicht bei einer rückwirkenden Gleichstellung Anwendung finde.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 20. Oktober 2021 (Bl. 135 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Parteien bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

I.

Die Beklagte hat den Betriebsrat ausreichend über den Kündigungsgrund informiert.

1. Nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören, auch in der gesetzlichen Wartezeit. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat „vor jeder Kündigung“ zu hören ist. Auch wenn ein individual-rechtlicher Kündigungsschutz nicht oder noch nicht besteht, soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn gegebenenfalls mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Dafür muss der Betriebsrat die Gründe kennen, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen (BAG 12. September 2013 – 6 AZR 121/12 – Rn. 19 mwN., juris).

Eine Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt anzuhören, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, insbesondere er seiner Unterrichtungspflicht nicht ausführlich genug nachgekommen ist. Dabei dient die Beteiligung des Betriebsrats in erster Linie dem Zweck, diesem Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen.

2. Dementsprechend muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Gesichtspunkte informieren, die ihn zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst haben. Dabei ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratskündigung subjektiv determiniert. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann.

3. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der betroffene Arbeitnehmer noch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt. Dem Betriebsrat sind auch dann nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Allerdings ist bei der Intensität der Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Wartezeit der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien dient.

Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen sind, ist deshalb zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden, und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, zu differenzieren. In der ersten Konstellation genügt die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrundeliegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. In der zweiten Konstellation reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen. Darum genügten die Mitteilungen, die Arbeitnehmerin habe sich „während der Probezeit nicht bewährt“ und sei „nicht geeignet, die ihr übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen“ (BAG 22. April 2010 – 6 AZR 828/08 – Rn. 27, juris) oder „nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung genügt die Arbeitnehmerin unseren Anforderungen nicht“ (BAG 3. Dezember 1998 – 2 AZR 234/98- Rn. 19 f., juris) jeweils den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats (BAG 12. September 2013 – 6 AZR 121/12 – Rn. 22 mwN., juris).

4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Anhörung des Betriebsrats vorliegend nicht als fehlerhaft. Die Beklagte hat den Betriebsrat schriftlich über den Kündigungsgrund, der sie zur Kündigung veranlasst hat, informiert, nämlich den Eindruck, den Sie von dem Kläger gewonnen habe. Der Kläger habe die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Er habe nach ihrem Eindruck nur begrenztes Engagement bei seiner Einarbeitung gezeigt. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass der Kläger nicht ausreichend teamfähig und auch nur begrenzt belastbar sei. Der Kläger vermittele den Eindruck einer gewissen Passivität. Auch mache es den Anschein, dass der auf Schicht erforderliche verbale Austausch mit Kollegen nicht zu seinen Stärken gehöre. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses würde daher nach ihrer Auffassung zu Konflikten führen. Sie erachte den Kläger nicht für geeignet. Darüber hinaus hat die Beklagte dem Betriebsrat die persönlichen Daten des Klägers, die Befristung des Arbeitsverhältnisses und das beabsichtigte berufsbegleitende Absolvieren einer Ausbildung zum Chemikanten mitgeteilt. Weiter hat die Beklagte dem Betriebsrat die Probezeitbeurteilung des Klägers und eine vom Kläger vorgelegte Bescheinigung nach § 65 Abs. 1 Ziff. 2 lit. a EStDV übersandt.

Die Beklagte hat damit in der Anhörung mehrfach deutlich gemacht, dass der von ihr gewonnene subjektive Eindruck maßgeblich für ihren Kündigungsentschluss ist. Entgegen der Ansicht des Klägers musste die Beklagte ihren Eindruck unter Zugrundelegung der dargelegten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht weiter konkretisieren. Die Beklagte musste ihren subjektiven Eindruck insbesondere nicht mit (weiteren) Tatsachen und Sachverhalten unterlegen.

Es kann daher auch nicht darauf ankommen, ob sich aus der Leistungsbeurteilung vom 9. Dezember 2020 zwar im Bereich des qualitativen Arbeitsergebnisses und in der Zusammenarbeit eine entsprechend schlechte Bewertung, jedoch im Rahmen der sonstigen Anforderungen ergibt, dass diese teilweise, größtenteils und in Teilen auch komplett erfüllt würden.

Eine rechtzeitige Information des für den Einsatzbetrieb zuständigen operativen Betriebsrats und der für die BJG zuständigen Betriebsratskollegen über die Leistung des Klägers war nicht Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung.

II.

Die Kündigung ist auch nicht wegen der Unterlassung einer gebotenen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam, § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (22. Januar 2020 – 7 ABR 18/18 – Rn. 25 ff.) war die Beklagte nicht verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Kündigung des Klägers (vorsorglich) zu unterrichten und sie hierzu anzuhören, wenn über den Gleichstellungsantrag noch nicht entschieden war. Das ergibt die Auslegung des § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX.

Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören. Gegenstand der Unterrichtung und Anhörung sind alle Angelegenheiten bzw. Entscheidungen, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren. Die Beteiligungspflicht setzt nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 178 Abs. 2, 151 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX voraus, dass die beabsichtigte Umsetzung einen schwerbehinderten oder einen bereits durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten behinderten Arbeitnehmer betrifft. Nach § 151 Abs. 1 SGB IX gelten die Regelungen des 3. Teils des SGB IX, in dessen Kapitel 5 sich § 178 SGB IX befindet, für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen. Menschen sind nach § 2 Abs. 2 Halbs. 1 SGB IX im Sinne des 3. Teils des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Für behinderte Arbeitnehmer mit einem GdB von unter 50 findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn diese schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Die Gleichstellung, die nach § 2 Abs. 3 SGB IX einen GdB von mindestens 30 voraussetzt, erfolgt auf Antrag des Behinderten nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGB IX durch rechtsbegründenden Verwaltungsakt der Bundesagentur für Arbeit und wirkt konstitutiv. Im Unterschied zu den kraft Gesetzes geschützten schwerbehinderten Personen, bei denen durch die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch ein bestehender Rechtsschutz nur festgestellt wird, wird der Schutz des einfach Behinderten durch die Gleichstellung erst begründet. Ob die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX besteht, ist nach den Umständen zum Zeitpunkt der Umsetzung zu beurteilen. Ist zu diesem Zeitpunkt der von der Umsetzung betroffene Arbeitnehmer weder schwerbehindert noch über seinen Gleichstellungsantrag positiv entschieden, sind die Voraussetzungen für die Unterrichtungs- und Anhörungspflicht daher nicht erfüllt. Der Arbeitnehmer unterfällt zu diesem Zeitpunkt nicht dem Anwendungsbereich des 3. Teils des SGB IX. Eine vorsorgliche Beteiligungspflicht regelt § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht. Gegenteiliges folgt nicht aus § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, wonach die Gleichstellung mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam wird. Diese Rückwirkung wird erst durch den stattgebenden Gleichstellungsbescheid begründet, weshalb sie im Zeitpunkt der vor dem Bescheid erfolgten Umsetzung noch nicht eingetreten ist. Das Gesetz enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die gegebenenfalls später eintretende Rückwirkung gegen den Wortlaut des § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX eine vorsorgliche Beteiligungspflicht bewirken soll. Systematische Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis. Die in § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX angeordnete Rückwirkung des konstitutiven Gleichstellungsbescheids hat zwar grundsätzlich zur Folge, dass behinderte Menschen seit dem Zeitpunkt der Antragstellung den individuellen Schutzvorschriften des 3. Teils des SGB IX unterliegen. Die Rückwirkung ist, wie die Vorschriften zum Wahlverfahren in § 177 Abs. 1 und Abs. 2 SGB IX zeigen, nach der gesetzgeberischen Vorstellung aber nicht allumfassend, sondern gerade im Zusammenhang mit der kollektiven Interessenvertretung durch die Schwerbehindertenvertretung eingeschränkt. Auch die Regelung zur Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes in § 173 Abs. 3 SGB IX spricht in systematischer Hinsicht für das hier gefundene Ergebnis. Sinn und Zweck der in § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geregelten Beteiligungspflicht sprechen ebenfalls gegen eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Kündigung eines behinderten Arbeitnehmers zu unterrichten und zu dieser anzuhören, wenn über dessen Gleichstellungsantrag noch nicht entschieden ist (vgl. BAG 22. Januar 2020 – 7 ABR 18/18 – Rn. 25 ff. mwN., juris)

Die vom Kläger vorgelegte Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 13. August 2019 – 2 Sa 217/18 – führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Diese – zeitlich vor dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Januar 2020 (7 ABR 18/18) ergangene – Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern betrifft zum einen den Fall einer Arbeitnehmerin, deren Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend festgestellt wurde, nicht hingegen den vorliegenden Fall einer rückwirkenden Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zum anderen behandelt die zitierte landesarbeitsgerichtliche Entscheidung nicht die Frage der Unwirksamkeit der Kündigung wegen einer unterbliebenen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, sondern diejenige einer Unwirksamkeit der Kündigung wegen einer fehlenden Beteiligung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX. Auf diese Frage kommt es im vorliegenden Fall – worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat – jedoch nicht an, da nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX die genannte Vorschrift auf eine Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses keine Anwendung findet.

Die Berufung des Klägers hatte daher keinen Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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