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Probezeitkündigung wegen Verstoßes gegen Meldepflicht bei Arbeitsunfähigkeit

Ein Kampf um Entgeltfortzahlung: Ein Blick auf den Fall des Landesarbeitsgerichts Nürnberg

In einer jüngsten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Az.: 3 Sa 67/21) ging es um einen komplizierten Fall im Arbeitsrecht. Im Zentrum stand eine Arbeitnehmerin, die für einen kurzen Zeitraum bei einem Zeitarbeitsunternehmen, der Beklagten, beschäftigt war. Die zentrale Kontroverse drehte sich um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach einer Krankheitsperiode.

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Die Intrigen des Arbeitsvertrages und der Krankheitsmeldung

Die Arbeitnehmerin war vom 3.9.2019 bis zum 1.10.2019 bei der Beklagten beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag musste sie das Unternehmen bei Krankheit unverzüglich über den Grund und die voraussichtliche Dauer ihrer Verhinderung informieren. Sollte die Arbeitsunfähigkeit auf das Verschulden Dritter zurückzuführen sein, sollte dies ebenfalls mitgeteilt werden.

Der Fall der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und der Kündigung

Am 23.9.2019 wurde die Arbeitnehmerin krank und legte der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 25.9.2019 bescheinigte. Sie nahm ihre Arbeit am 26.9.2019 jedoch nicht wieder auf und informierte weder die Beklagte noch den Entleiherbetrieb über eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit. Daraufhin wurde ihr innerhalb der Probezeit zum 1.10.2019 gekündigt.

Die Begegnung mit dem Krankengeld und der Anspruchsübergang

Die Klägerin erhielt für den Zeitraum vom 2.10.2019 bis 11.11.2019 Krankengeld und forderte die Beklagte auf, die ausgezahlten Beträge zu erstatten. Mit einem Mahnbescheid vom 9.3.2020 wurde der Fall dann vor das Arbeitsgericht Würzburg gebracht.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg

Das Gericht wies die Berufung der Klägerin gegen das ursprüngliche Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg zurück. In der Begründung stützte es sich auf die Tatsache, dass die Arbeitnehmerin am 26.9.2019 weder ihre Arbeitsleistung angeboten noch eine Entschuldigung unverzüglich angezeigt hatte. Daher wurde sie vom Entleiherbetrieb abgemeldet. Der Arbeitgeber ging daher davon aus, dass die Arbeitnehmerin unentschuldigt fehlte, und kündigte aufgrund der Arbeitsversäumnis, nicht aufgrund einer möglichen Arbeitsunfähigkeit.

Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit einer klaren Kommunikation und Einhaltung der Vertragsbedingungen im Arbeitsverhältnis. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten stets die Verpflichtungen und Rechte, die aus dem Arbeitsvertrag hervorgehen, berücksichtigen, um Missverständnisse und mögliche juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Reflexionen und Folgen

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere für Zeitarbeitsunternehmen und ihre Arbeitnehmer. Es unterstreicht die Bedeutung einer korrekten Krankmeldung und die potenziellen Konsequenzen, wenn diese Pflichten nicht erfüllt werden. Es zeigt auch, wie schnell ein Arbeitsverhältnis gekündigt werden kann, wenn die Kommunikationslinien zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht klar definiert sind.

Dieser Fall dient als Mahnung an alle Arbeitnehmer, ihre Rechte und Pflichten im Rahmen des Arbeitsvertrages zu kennen und einzuhalten. Es zeigt auch, dass Arbeitgeber berechtigt sind, bei fehlender oder unzureichender Kommunikation von Arbeitnehmerseite entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Die Rolle der Klägerin in dieser Situation ist auch bemerkenswert. Als die Partei, die das Krankengeld gezahlt hat, versuchte sie, die Kosten von der Beklagten zurückzuholen. Dies könnte mögliche Auswirkungen auf zukünftige Fälle haben, in denen Krankengeld gezahlt wird und die Krankenkassen versuchen könnten, ihre Kosten von den Arbeitgebern zurückzufordern.

Insgesamt unterstreicht dieser Fall die Komplexität der Arbeitsrechts und die Bedeutung einer korrekten und rechtzeitigen Kommunikation zwischen den Arbeitsparteien. Es dient als Erinnerung daran, dass ein Versäumnis in dieser Hinsicht erhebliche finanzielle und juristische Konsequenzen haben kann.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 3 Sa 67/21 – Urteil vom 25.11.2021

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Schweinfurt – vom 11.11.2020, Az.: 3 Ca 258/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Probezeitkündigung wegen Verstoßes gegen Meldepflicht bei Arbeitsunfähigkeit
(Symbolfoto: sabthai/123RF.COM)

Die Parteien streiten um übergegangene Entgeltfortzahlungsansprüche der Arbeitnehmerin A., die in der Zeit vom 3.9.2019 bis 1.10.2019 bei der Beklagten beschäftigt war.

Der Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmerin und Beklagten, die ein Zeitarbeitsunternehmen betreibt, enthält unstreitig in Ziffer 6 folgende Regelung:

„Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber bei Krankheit oder einer sonstigen entschuldbaren Verhinderung über Grund und voraussichtliche Dauer seiner Verhinderung vorher bzw. unverzüglich, möglichst bis 9:00 Uhr des ersten Tages der Verhinderung zu benachrichtigen. Bei Erkrankung ist möglichst mit Ablauf des ersten Tages der Erkrankung eine Bescheinigung des behandelnden Arztes gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz vorzulegen. Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf dem Verschulden Dritter, ist C. GmbH Zeitarbeit entsprechend zu unterrichten.“

Die Arbeitnehmerin erkrankte ab dem 23.9.2019 und legte der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 23.9.2019 vor, die eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 25.9.2019 bescheinigte (Anl. K1, Bl. 36 der Akten).

Die Arbeitnehmerin nahm ihre Arbeit beim Entleiherbetrieb B. am 26.9.2019 nicht auf und verständigte weder die Beklagte noch den Entleiherbetrieb über eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit.

Mit Schreiben vom 26.9.2019 (Bl. 17 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit unter Berufung auf die tariflichen Kündigungsfristen zum 1.10.2019, vorsorglich zum nächstmöglichen Termin.

Die Klägerin zahlte für die Zeit vom 2.10.2019 bis 11.11.2019 Krankengeld i.H.v. 1.318,15 €. Mit Schreiben vom 16.1.2020 (Bl. 14 der Akten) erklärte die Klägerin den Anspruchsübergang und forderte die Beklagte zur Zahlung der geleisteten Krankengeldbeträge auf.

Mit Mahnbescheid vom 9.3.2020 zum Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Schweinfurt – verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und die gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

Mit Endurteil vom 11.11.2020 hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Es konnte sich unter Hinweis auf die der Klägerin obliegenden Darlegungslast nicht vom Vorliegen einer Anlasskündigung überzeugen. Unstreitig habe die Arbeitnehmerin am 26.9.2019 weder ihre Arbeitsleistung angeboten noch eine Entschuldigung unverzüglich angezeigt. Sie sei daher vom Entleiherbetrieb abgemeldet worden. Gehe der Arbeitgeber aber davon aus, ein Arbeitnehmer fehle unentschuldigt, kündige er wegen der Arbeitsversäumnis, nicht wegen einer möglichen Arbeitsunfähigkeit. Lasse der Arbeitnehmer die zu seinen Gunsten eingeräumten Fristen für Anzeige und Nachweis der Arbeitsunfähigkeit verstreichen, dürfe der Arbeitgeber nämlich berechtigt davon ausgehen, der Arbeitnehmer fehle unentschuldigt. Eine hierauf begründete Kündigungsentscheidung sei keine, die im Rahmen von § 8 Abs. 1 EFZG beachtlich sei.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Schweinfurt – vom 11.11.2020 ist der Klägerin am 2.2.2021 zugestellt worden.

Die Berufungsschrift vom 25.2.2021 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift vom 31. März 2021 ist innerhalb der bis zum 16.4.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 1.4.2021 eingegangen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Arbeitgeber, der vor Ablauf der Nachweispflicht des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG kündige und nicht abwarte, ob eine ärztliche Bescheinigung über den Eintritt von Arbeitsunfähigkeit beigebracht werde, nicht geltend machen könne, er habe im Zeitpunkt der Kündigung hiervon keine Kenntnis gehabt. Diesen Grundsatz habe das Bundesarbeitsgericht aufgestellt, um eine Begünstigung des rasch kündigenden Arbeitgebers zu vermeiden. Deshalb könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie habe bei Kündigungsentschluss keine Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin gehabt. Es werde bestritten, dass ausschließlich das unentschuldigte Fernbleiben der Arbeitnehmerin Anlass der Kündigung gewesen sei. Es handele sich trotzdem um eine sogenannte Anlasskündigung, was aus dem Sinn und Zweck des EFZG deutlich werde. Die Arbeitsunfähigkeit brauche nicht der zur Kündigung bewegende Grund zu sein, es genüge vielmehr, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache in der Arbeitsunfähigkeit habe und diese sich innerhalb der Ursachenkette als eine die Kündigung wesentlich mitbestimmende Bedingung darstelle und den entscheidenden Anstoß für den Entschluss zum Ausspruch der Kündigung gegeben habe. Wäre die Arbeitnehmerin nicht weiter arbeitsunfähig gewesen, hätte die Beklagte nicht gekündigt. Der Kündigungsentschluss sei nicht bereits vor dem 26.9.2019 gefasst worden. Die Beklagte habe noch während der laufenden Nachweisfrist gekündigt und durfte damit nicht berechtigt davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt fehle. Die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit sei der Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Krankheit nicht möglich gewesen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin stellt folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 11.11.2020 mit dem Aktenzeichen 3 Ca 258/20 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin einen Betrag in Höhe von 1.318,15 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.03.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt: Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefen ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Sie ist der Ansicht, vom Anlass der Kündigung im Sinne des § 8 EFZG sei der Grund der Kündigung zu unterscheiden. Während der Grund mit der Krankheit regelmäßig nichts zu tun habe, sondern im Verhalten zu finden sei und vom Arbeitgeber bisher nicht für den Ausspruch einer Kündigung genutzt worden sei, sei die Krankheit Anlass, wenn sie die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusse, gerade jetzt den Kündigungsgrund auszunutzen und die Kündigung zu erklären. Wenn der Arbeitgeber zur Kündigung unabhängig von der (erneuten) Erkrankung entschlossen gewesen sei und das Kündigungsschreiben bereits gefertigt habe, als ihn die Nachricht von der (erneuten) Erkrankung des Arbeitnehmers erreicht habe, seien Grund und Anlass nicht identisch. Eine Anlasskündigung käme nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung wisse, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig sein werde oder er mit einer bevorstehenden Arbeitsunfähigkeit sicher rechnen müsse. Eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit scheide aber aus, wenn der Arbeitnehmer zwar zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung krank sei, der Arbeitgeber von der (bevorstehenden) Erkrankung aber keine Kenntnis habe. Die Arbeitnehmerin hätte am 26.9.2019 den ihr zugewiesenen Arbeitsplatz wieder antreten müssen. Sie habe sich am 26.9.2019 weder bei der Beklagten noch beim Entleiherbetrieb gemeldet oder entschuldigt noch sei sie dort erschienen. Bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis habe sich die Arbeitnehmerin weder bei der Beklagten noch beim Entleiherbetrieb gemeldet. Die Arbeitnehmerin habe schlichtweg unentschuldigt gefehlt. Dies habe die Beklagte zum Anlass genommen das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt zu kündigen.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, der Arbeitgeber müsse die dem Arbeitnehmer eingeräumten Fristen für Anzeige und Nachweis der Arbeitsunfähigkeit abwarten, habe die Beklagte ausreichend Tatsachenvortrag über den Kündigungsgrund geleistet, der den Indizienschluss beseitigt habe. Die Beklagte habe dargelegt, weshalb sie als Arbeitgeberin davon ausgegangen sei und ausgehen durfte, dass die Arbeitnehmerin unentschuldigt fehle und dass Kenntnis von einer (neuen oder andauernden) Arbeitsunfähigkeit dieser Arbeitnehmerin nicht vorgelegen habe.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 25.11.2021 verwiesen. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich nicht begründet. Das Erstgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen, ein übergegangener Anspruch auf Entgeltfortzahlung steht der Klägerin nicht zu. Das Berufungsgericht schließt sich der zutreffenden Begründung des Erstgerichts an und macht sich dessen Ausführungen zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens hat die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügen können.

Grundsätzlich endet die Pflicht zur Entgeltfortzahlung für den Arbeitgeber mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Unstreitig hat die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt Entgeltfortzahlung geleistet. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher Kündigung in der Probezeit unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist mit dem 1.10.2019.

Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung über diesen Zeitpunkt hinaus kann sich lediglich aus § 8 Abs. 1 S. 1 EFZG ergeben, wenn die Beklagte nämlich das Arbeitsverhältnis „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“ gekündigt hat.

Es genügt, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat. Es muss die Arbeitsunfähigkeit nicht alleiniger Grund für die Kündigung sein, sie muss nur Anlass zum Ausspruch der Kündigung gewesen sein. Sie muss mithin den Kündigungsentschluss als solchen wesentlich beeinflusst haben (LAG A-Stadt-Brandenburg, Urteil vom 1.3.2018 – 10 Sa 1507/17 unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BAG).

Darlegungs- und beweispflichtig für eine solche Anlasskündigung ist der Arbeitnehmer bzw. im Falle des Forderungsübergangs wie hier die klagende Krankenkasse. Indessen kommt dieser regelmäßig der Indizienschluss zugute, wenn die Kündigung in zeitlich engen Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist. Eine Anlasskündigung ist mithin zu vermuten, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (LAG A-Stadt-Brandenburg, a.a.O., Rn. 22 mit weiteren Nachweisen).

Nach der Rechtsprechung des BAG kann sich der Arbeitgeber, der sofort nach Bekanntwerden einer Fehlzeit des Arbeiters gekündigt hat, und zwar ohne die Anzeige- und Nachweisfristen des § 3 Abs. 1 S. 1 LohnFG abzuwarten, nicht darauf berufen, dass er von der Krankheit keine Kenntnis gehabt habe. Der rasch handelnde Arbeitgeber wäre im Vorteil gegenüber dem Arbeitgeber, der erst nach angezeigter und nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit eine Kündigung ausspreche. Eine solche Begünstigung des rasch handelnden Arbeitgebers wäre nicht vereinbar mit § 3 Abs. 1 S. 1 LohnFG, der dem Arbeiter Fristen für die Anzeige und den Nachweis der Krankheit einräumt. Im Regelfall erfährt der Arbeitgeber erst durch diese Anzeige und den Nachweis, warum der Arbeiter nicht zur Arbeit gekommen ist; erst dann weiß er, ob der Arbeiter z.B. bummelte oder krank ist. Kündigt er vor Ablauf dieser Fristen, muss er die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Arbeitnehmer durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist. Dann ist es gerechtfertigt, ihn so zu behandeln, als ob er bei einer vor Ablauf dieser Fristen ausgesprochenen Kündigung Kenntnis von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit seines Arbeiters gehabt hätte. Dabei ist aus praktischen Gründen nicht auf die Anzeige-, sondern auf die Nachweisfrist des § 3 Abs. 1 S. 1 LohnFG abzustellen. Für die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit sieht das Gesetz weder eine exakt bestimmte Frist noch eine Form vor. Der Arbeiter muss die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzeigen. Was dies im Einzelfall bedeutet, kann zweifelhaft sein. Die Nachweisfrist ist dagegen exakt bestimmt (dritter Kalendertag nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit). Es lässt sich auch leicht überprüfen, wann die – schriftliche – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber eingegangen ist (BAG, Urteil vom 26. April 1978 – 5 AZR 5/77 –, Rn. 10-12, juris).

Im vorliegenden Fall ist anders als im Sachverhalt des Urteils des BAG allerdings zusätzlich geregelt, wann genau der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei Krankheit oder einer sonstigen entschuldbaren Verhinderung über Grund und voraussichtliche Dauer seiner Verhinderung informieren muss. Ziffer 6 des Arbeitsvertrages verpflichtet den Arbeitnehmer dies unverzüglich, möglichst bis 9:00 Uhr des ersten Tages, zu tun. Auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist möglichst mit Ablauf des ersten Tages der Erkrankung vorzulegen. Also ist auch hier die Nachweisfrist (arbeitsvertraglich) exakt bestimmt, sie ist aber kürzer. Diese Konkretisierung der gesetzlichen Regelung ist nicht nur zulässig, sondern unter Berücksichtigung des Geschäftszweiges der Beklagten auch erforderlich. Denn die Beklagte muss nicht wie im Normalfall nur den eigenen Arbeitsablauf sicherstellen, sondern vor allem ihren vertraglichen Verpflichtungen zum Entleiherbetrieb nachkommen. Der hat gerade zur Deckung seines Arbeitskräftebedarfes mit dem Verleiher einen Vertrag abgeschlossen, den dieser erfüllen muss. Deshalb muss die Beklagte so bald als möglich von einer Verhinderung erfahren, um den Kunden zu informieren und Ersatz zu stellen.

So hat die Firma B. auch die Arbeitnehmerin dauerhaft und endgültig bei der Beklagten abgemeldet, nachdem diese weder erschienen ist noch den Entleiher informiert hat.

Es ist also bereits zweifelhaft, ob in diesem Sonderfall der Arbeitgeber so zu behandeln ist, als ob er Kenntnis von der Erkrankung der Arbeitnehmerin gehabt hat.

Aber auch wenn man aus „praktischen Gründen“ mit dem BAG auf die Nachweisfrist des § 5 Abs. 1 S.2 EFZG abstellt, ist eine Anlasskündigung nicht ersichtlich. Kündigt der Arbeitgeber vor Ablauf der Wartefrist, hat dies nur die eine Rechtsfolge: Er kann sich nicht darauf berufen, dass er von der Erkrankung seines Arbeitnehmers nichts gewusst habe. Er wird damit praktisch so behandelt, als ob er Kenntnis von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gehabt habe. Das allein reicht aber nicht aus, um in jedem Fall eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit annehmen zu können. Hinzukommen muss, dass die – unterstellte – Krankheit auch den entscheidenden Anstoß zum Ausspruch der Kündigung gegeben hat. Auch bei solcher Fallgestaltung ist es also nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber Gründe für die Kündigung anführen kann, die ein solches Gewicht haben, dass die Krankheit als entscheidende Ursache auszuscheiden hat (Heither, ZIP 1984, 403, 406).

Dies ist hier der Fall, die Beklagte hat ausreichende Kündigungsgründe geltend machen können, um den Indizienschluss (ErfK/Reinhard, § 8 EFZG Rn. 10) begründet durch die zeitlich nahe zur Arbeitsunfähigkeit erklärte Kündigung zu widerlegen.

Die Arbeitnehmerin hat entgegen der ausdrücklich arbeitsvertraglich begründeten Verpflichtung ihre Meldepflicht nicht erfüllt. Wie bereits dargelegt, ist die möglichst rasche Information der Beklagten über den Ausfall von verliehenen Kräften für die Erfüllung der Verpflichtungen der Beklagten gegenüber ihren Geschäftspartnern wesentlich. Aus diesem Grund sind die gesetzlichen Fristen aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz konkretisiert und abgekürzt worden. Die ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag belegt die Wichtigkeit für die Beklagte.

Gegen diese Verpflichtung hat die Arbeitnehmerin objektiv verstoßen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob das Verhalten der Arbeitnehmerin im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes einen tauglichen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dargestellt hätte. Es ist insbesondere nicht entscheidend, ob die Arbeitnehmerin in der Lage gewesen ist, ihrer Meldeverpflichtung nachzukommen. Das Arbeitsverhältnis hatte erst wenige Wochen gedauert, die Wartefrist des § 1 KSchG war noch nicht abgelaufen, ein Kündigungsgrund war bei der ordentlichen Kündigung nicht erforderlich. In diesem Fall hatte die Beklagte einen genügenden Anlass, das Arbeitsverhältnis kündigen, da die Arbeitnehmerin unstreitig ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen war. Auf ein Verschulden der Arbeitnehmerin kommt es nicht an. Gerade unter Berücksichtigung des Geschäftszweiges der Beklagten ist nachvollziehbar, dass auf die Einhaltung der Meldepflicht großer Wert gelegt und bei der Verletzung sobald als möglich gekündigt wird. Der „Kündigungsgrund“ muss nicht von einem solchen Gewicht sein, dass eine Kündigung im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes begründet wäre, es genügt, dass ein Kündigungsgrund vorliegt, der geeignet ist, den Indizienschluss zu widerlegen. Aufgrund des hier vorliegenden Kündigungsgrundes hat der Arbeitgeber nicht „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“, sondern wegen Verletzung der Meldepflicht gekündigt.

Dabei kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass ja auch die Verletzung der Meldepflicht im Zusammenhang mit der Erkrankung der Arbeitnehmerin steht, und damit aus Anlass der Krankheit gekündigt wurde. Denknotwendig besteht die Meldepflicht immer nur bei einer Erkrankung, ihre Nichtbeachtung stellt aber eine von der Krankheit unabhängige Arbeitsvertragsverletzung dar. Es geht zu weit, eine Kündigung, die wegen der Verletzung von Pflichten ausgesprochen wird, die zwangsläufig mit einer Krankheit zusammenhängen, aus diesem Grund stets als Anlasskündigung anzusehen.

Zu Recht hat sich die Beklagte auch auf die Abmeldung der Arbeitnehmerin durch die Entleiherin zur Widerlegung des Indizienschlusses berufen. Auch dies ist in der Wartezeit ein ausreichender Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hier sind nicht die Voraussetzungen zu erfüllen, die die Rechtsprechung für die Kündigung eines Leiharbeitgebers bei Beendigung des Auftrages fordert. Vielmehr reicht aus, dass die Beklagte durch die Abmeldung keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmerin mehr gesehen hat. Der Arbeitgeber muss lediglich darlegen, dass er nicht aus Anlass der Krankheit gekündigt hat, er muss nicht darlegen, dass die Kündigung im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt gewesen wäre. Die Beklagte hat genügend Sachvortrag geleistet, um den durch den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Kündigung mit der Krankheit begründeten Indizienschluss zu widerlegen. Gerade bei einem Leiharbeitgeber endet der Beschäftigungsbedarf schon mit der Abmeldung des Arbeitnehmers durch den Kunden. Anhaltspunkte dafür, dass ein dauerhaftes Beschäftigungsbedürfnis bei der Beklagten gegeben ist, liegen gerade nicht vor. Auch konnte die Beklagte den Indizienschluss erschüttern, dass also nicht „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“ sondern aus „betriebsbedingten Gründen“ gekündigt wurde.

Damit ist es der Klägerin nicht gelungen, ihre Darlegungslast für eine Anlasskündigung zu erfüllen. Die Berufung war zurückzuweisen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass, (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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