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Rechtmäßigkeit einer Versetzungsanordnung

Ein 50-jähriger Familienvater aus Gera klagt gegen seinen Arbeitgeber, der ihm nach einer Firmenübernahme ein neues, deutlich größeres Zuständigkeitsgebiet zuweisen will. Der Mitarbeiter fürchtet um seine Gesundheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege seines schwerbehinderten Sohnes – doch das Arbeitsgericht Gera gibt dem Arbeitgeber Recht. Der Fall wirft die Frage auf, wie weit die Flexibilitätsanforderungen an Arbeitnehmer im Zuge von Umstrukturierungen gehen dürfen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Fall betrifft einen arbeitsrechtlichen Streit um die Rechtmäßigkeit einer Versetzungsanordnung.
  • Der Arbeitnehmer klagte gegen die Versetzung, da er es als unverhältnismäßig empfand und die persönliche Pflegesituation seines behinderten Sohnes geltend machte.
  • Die Arbeitgeberin führte eine Umstrukturierung durch und wies den Arbeitnehmer an, eine veränderte Stelle zu übernehmen.
  • Der Arbeitnehmer beantragte eine einstweilige Verfügung, um die Versetzung zu stoppen, argumentierte aber ohne ausreichende Konkretisierung.
  • Das Gericht lehnte die Einstweilige Verfügung ab, da kein hinreichender Grund für die Dringlichkeit bestand.
  • Die Versetzungsanordnung wurde nicht als offensichtlich rechtswidrig beurteilt.
  • Die Arbeitgeberentscheidung wurde mit betrieblichen Erfordernissen und der Erfahrung des Arbeitnehmers gerechtfertigt.
  • Die Auswirkungen für Arbeitnehmer bestehen darin, dass Versetzungen rechtlich zulässig sind, wenn sie arbeitsvertraglich vorgesehen sind und keine offensichtliche Rechtswidrigkeit vorliegt.
  • Arbeitgeber müssen betriebliche Erfordernisse sorgfältig dokumentieren, um die Rechtmäßigkeit von Versetzungen zu begründen.

Versetzungsanordnung im Arbeitsrecht: Rechte der Arbeitnehmer im Fokus

Im Arbeitsrecht spielt die Versetzungsanordnung eine zentrale Rolle, wenn es um Personalveränderungen innerhalb eines Unternehmens geht. Arbeitgeber haben das Recht, Mitarbeiter im Rahmen der betrieblichen Notwendigkeit an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen. Allerdings müssen sie dabei auch die Arbeitnehmerrechte und die Mitbestimmung des Betriebsrats berücksichtigen. Ein wesentlicher Aspekt ist der Versetzungsschutz, der sicherstellt, dass Arbeitnehmer nicht willkürlich oder ungerechtfertigt versetzt werden können. Dies ist besonders relevant, wenn Tarifverträge oder entsprechende Stellenbeschreibungen existieren, die die Bedingungen für einen Arbeitsplatzwechsel festlegen.

Die Rechtmäßigkeit einer Versetzungsanordnung kann in vielen Fällen angefochten werden. Hierbei kommen verschiedene Rechtsmittel zum Einsatz, um im Rahmen des Kündigungsschutzes oder des Gleichbehandlungsgesetzes die Interessen der Arbeitnehmer zu wahren. Zudem ist in vielen Fällen eine Zustimmungspflicht erforderlich, bevor eine Versetzung erfolgen kann. Bei einer unrechtmäßigen Anordnung können Betroffene eine Versetzungsklage einreichen, um ihre Rechte durchzusetzen und gegen eine als ungerecht empfundene Maßnahme vorzugehen.

Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Thematik der Rechtmäßigkeit von Versetzungsanordnungen thematisiert und aufzeigt, wie Gerichte in solchen Angelegenheiten entscheiden.

Der Fall vor Gericht


Arbeitgeber darf Außendienstmitarbeiter neues Zuständigkeitsgebiet zuweisen

Das Arbeitsgericht Gera hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein Arbeitgeber seinem langjährigen Außendienstmitarbeiter ein neues Zuständigkeitsgebiet und veränderte Aufgaben zuweisen darf.

Rechtmäßigkeit der Versetzungsanordnung im Arbeitsrecht
Das Arbeitsgericht Gera entschied, dass ein Arbeitgeber einem Außendienstmitarbeiter im Rahmen einer Umstrukturierung rechtmäßig ein neues Zuständigkeitsgebiet und veränderte Aufgaben zuweisen kann, da diese Anordnung nicht offensichtlich rechtswidrig war. (Symbolfoto: Flux gen.)

Der betroffene Mitarbeiter hatte gegen diese Anweisung eine einstweilige Verfügung beantragt, die das Gericht jedoch ablehnte.

Hintergrund des Falls

Der Kläger, ein 00-jähriger Vater eines schwerbehinderten Sohnes, ist seit 2001 bei dem beklagten Unternehmen als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthält Klauseln, die dem Arbeitgeber das Recht einräumen, den Mitarbeiter zu versetzen und ihm neue Zuständigkeitsgebiete zuzuweisen.

Im Zuge einer Umstrukturierung des Außendienstes, die mit der wirtschaftlichen Übernahme durch einen ausländischen Investor zusammenhing, plante das Unternehmen, dem Kläger ein neues räumliches Zuständigkeitsgebiet sowie eine veränderte Aufgabenstruktur im Vertriebsaußendienst zuzuweisen. Trotz der Ablehnung des Mitarbeiters wies ihn das Unternehmen am 8. Dezember 2022 an, die neue Stelle zum 1. Januar 2023 anzutreten.

Argumente des Klägers

Der Kläger argumentierte, die Anweisung sei unverhältnismäßig und stelle eine „kalte Kündigung“ dar. Er befürchtete eine Verdreifachung seines Zuständigkeitsgebiets, eine erhöhte Reisetätigkeit und verstärkte körperliche Belastung durch Montagetätigkeiten. Dies sei aufgrund der Pflegesituation seines behinderten Sohnes unzumutbar.

Entscheidung des Gerichts

Das Arbeitsgericht Gera wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Es sah keinen Verfügungsgrund für ein Eilverfahren. Das Gericht betonte, dass bei Weisungen zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung ein „deutlich gesteigertes Abwehrinteresse“ des Arbeitnehmers erforderlich sei, um eine einstweilige Verfügung zu rechtfertigen. Dies könne bei erheblichen Gesundheitsgefahren, einer drohenden irreparablen Schädigung des beruflichen Ansehens oder bei schweren Gewissenskonflikten der Fall sein.

Die Richter stellten fest, dass die Versetzungsanordnung nicht offensichtlich rechtswidrig sei. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthalte Klauseln, die eine solche Zuweisung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubten. Das Gericht sah es als nicht ausreichend an, dass der Kläger lediglich allgemein gehaltene Befürchtungen bezüglich erhöhter Reisetätigkeit und körperlicher Belastung äußerte, ohne diese näher zu konkretisieren.

Begründung des Arbeitgebers

Das beklagte Unternehmen begründete die Versetzung mit einer Neuaufstellung des Außendienstes nach der Übernahme durch einen spanischen Konzern. Man benötige den Kläger dringend als erfahrenen Mitarbeiter für den neu einzurichtenden Bereich „AfterSales/Tech“. Das Unternehmen wies darauf hin, dass Reklamationen und Montagen meist von externen Servicepartnern erledigt würden und die Arbeitszeit unverändert bleibe.

Das Gericht befand die vom Arbeitgeber angegebenen Gründe für nachvollziehbar und sah keine Anzeichen für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Weisung. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt die weitreichenden Befugnisse des Arbeitgebers bei Versetzungen im Rahmen des Direktionsrechts. Für eine einstweilige Verfügung gegen Arbeitsanweisungen ist ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers erforderlich, wie erhebliche Gesundheitsgefahren oder schwere Gewissenskonflikte. Allgemeine Befürchtungen über Mehrbelastungen reichen dafür nicht aus. Arbeitnehmer müssen konkrete, schwerwiegende Beeinträchtigungen nachweisen, um sich erfolgreich gegen Versetzungen zu wehren.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Arbeitnehmer sollten Sie sich bewusst sein, dass Arbeitgeber weitreichende Befugnisse haben, Sie innerhalb Ihres Vertragsrahmens zu versetzen oder Ihnen neue Aufgaben zuzuweisen. Um sich gegen solche Anweisungen erfolgreich zu wehren, müssen Sie konkrete, schwerwiegende Beeinträchtigungen nachweisen können, wie erhebliche Gesundheitsgefahren oder schwere Gewissenskonflikte. Allgemeine Befürchtungen über Mehrbelastungen oder persönliche Umstände reichen dafür in der Regel nicht aus. Es ist ratsam, Ihren Arbeitsvertrag genau zu prüfen und bei Versetzungen detailliert darzulegen, warum die neue Situation für Sie unzumutbar wäre. In Zweifelsfällen sollten Sie sich frühzeitig rechtlich beraten lassen.


Weiterführende Informationen

In diesem Abschnitt finden Sie umfassende Informationen zur Rechtmäßigkeit der Versetzungsanordnung im Arbeitsrecht. Durch häufig gestellte Fragen klären wir zentrale Anliegen und Unsicherheiten, während unser Glossar Ihnen wichtige Fachbegriffe verständlich macht. Zudem bieten wir Ihnen die relevanten Rechtsgrundlagen, die als Basis für Entscheidungen in diesem Bereich dienen. So sind Sie bestens informiert über die rechtlichen Rahmenbedingungen und können informierte Entscheidungen treffen.

Häufig gestellte Fragen zum Thema


Häufig gestellte Fragen (FAQ)


 

Was versteht man unter einer Versetzungsanordnung im Arbeitsrecht und welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind relevant?

Eine Versetzungsanordnung im Arbeitsrecht ist eine einseitige Weisung des Arbeitgebers, mit der er einem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsbereich zuweist. Diese Anordnung basiert auf dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, das in § 106 der Gewerbeordnung (GewO) verankert ist.

Rechtliche Grundlagen der Versetzungsanordnung

Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Dabei muss er jedoch bestimmte Grenzen beachten:

  1. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen: Wenn im Arbeitsvertrag konkrete Regelungen zu Arbeitsort oder Tätigkeitsbereich getroffen wurden, schränken diese das Direktionsrecht ein.
  2. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge: Auch diese können das Versetzungsrecht des Arbeitgebers begrenzen.
  3. Gesetzliche Vorschriften: Beispielsweise dürfen Schwangere oder schwerbehinderte Arbeitnehmer besonderen Schutz genießen.

Voraussetzungen für eine wirksame Versetzungsanordnung

Damit eine Versetzungsanordnung rechtmäßig ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Versetzung muss innerhalb der Grenzen des Direktionsrechts erfolgen.
  • Sie muss nach billigem Ermessen ausgeübt werden, d.h. die Interessen des Arbeitnehmers müssen angemessen berücksichtigt werden.
  • In Betrieben mit Betriebsrat muss dieser bei Versetzungen im Sinne des § 95 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beteiligt werden.

Auswirkungen für Arbeitnehmer

Wenn Sie als Arbeitnehmer von einer Versetzungsanordnung betroffen sind, sollten Sie Folgendes beachten:

  • Prüfen Sie, ob die Versetzung vom Arbeitsvertrag gedeckt ist.
  • Achten Sie darauf, ob die Versetzung zu einer wesentlichen Änderung Ihrer Arbeitsbedingungen führt.
  • Bei unzumutbaren Versetzungen können Sie Widerspruch einlegen.

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten als Ingenieur in der Produktentwicklung und Ihr Arbeitgeber möchte Sie in den Vertrieb versetzen. In einem solchen Fall wäre zu prüfen, ob diese Versetzung vom Arbeitsvertrag gedeckt ist und ob sie Ihren Interessen angemessen Rechnung trägt.


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Welche Rechte haben Arbeitnehmer, wenn eine Versetzung ihre persönliche Lebenssituation erheblich belastet, zum Beispiel durch Pflegeverpflichtungen?

Arbeitnehmer haben bei einer Versetzung, die ihre persönliche Lebenssituation erheblich belastet, mehrere Rechte und Schutzmechanismen. Diese basieren auf dem Grundsatz des billigen Ermessens gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO).

Recht auf Berücksichtigung persönlicher Umstände

Ihr Arbeitgeber muss bei einer Versetzung Ihre persönlichen Umstände berücksichtigen. Dies bedeutet, dass er Ihre familiären Verpflichtungen, wie Pflegeaufgaben, in seine Entscheidung einbeziehen muss. Wenn Sie beispielsweise einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen, kann eine Versetzung an einen weit entfernten Arbeitsort als unzumutbar gelten.

Widerspruchsrecht

Sie haben das Recht, der Versetzung zu widersprechen, wenn sie Ihren persönlichen Interessen erheblich zuwiderläuft. In diesem Fall müssen Sie Ihrem Arbeitgeber Ihre Situation darlegen und erklären, warum die Versetzung für Sie unzumutbar ist. Stellen Sie sich vor, Sie müssen täglich Ihre pflegebedürftige Mutter versorgen. Eine Versetzung, die einen Umzug erfordert, wäre in diesem Fall möglicherweise nicht zumutbar.

Anspruch auf Interessenabwägung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Interessenabwägung zwischen seinen betrieblichen Belangen und Ihren persönlichen Umständen vorzunehmen. Überwiegen Ihre Interessen, etwa weil Sie alleinerziehend sind oder Pflegeverpflichtungen haben, kann die Versetzung als unbillig und damit unwirksam gelten.

Recht auf alternative Lösungen

Sie können von Ihrem Arbeitgeber verlangen, alternative Lösungen zu prüfen. Wenn Sie beispielsweise einen pflegebedürftigen Angehörigen betreuen, könnte eine Teilzeitregelung oder Homeoffice-Option eine mögliche Alternative zur Versetzung sein.

Kündigungsschutz

In bestimmten Fällen genießen Sie sogar besonderen Kündigungsschutz. Wenn Sie etwa Elternzeit in Anspruch nehmen oder schwerbehindert sind, gelten für Sie besondere Schutzvorschriften, die eine Versetzung erschweren oder unmöglich machen können.

Beachten Sie, dass jeder Fall individuell betrachtet wird. Die Gerichte wägen stets zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers ab. Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden, ist es wichtig, dass Sie Ihre persönlichen Umstände klar und detailliert darlegen. Dokumentieren Sie Ihre Pflegeverpflichtungen oder andere familiäre Belastungen sorgfältig, um Ihre Position zu stärken.


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Kann ein Arbeitnehmer gegen eine Versetzung vorgehen und welche rechtlichen Mittel stehen ihm zur Verfügung?

Ein Arbeitnehmer kann gegen eine Versetzung vorgehen, wenn er sie für unrechtmäßig hält. Folgende rechtliche Mittel stehen ihm zur Verfügung:

Widerspruch einlegen

Sie können schriftlich Widerspruch gegen die Versetzung einlegen. Begründen Sie Ihren Widerspruch ausführlich und erläutern Sie, warum Sie die Versetzung für unzumutbar oder rechtswidrig halten. Der Arbeitgeber muss Ihren Widerspruch prüfen und dazu Stellung nehmen.

Leistungsverweigerungsrecht

In bestimmten Fällen können Sie die Befolgung der Versetzungsanweisung verweigern. Dies gilt insbesondere, wenn die Versetzung offensichtlich rechtswidrig ist, beispielsweise weil sie gegen den Arbeitsvertrag oder zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt. Beachten Sie jedoch, dass eine ungerechtfertigte Arbeitsverweigerung arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann.

Klage vor dem Arbeitsgericht

Sie haben die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht eine Feststellungsklage zu erheben. Damit können Sie gerichtlich überprüfen lassen, ob die Versetzung rechtmäßig ist. Das Gericht prüft dann, ob der Arbeitgeber sein Direktionsrecht nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) überschritten hat und ob die Versetzung billigem Ermessen entspricht.

Einstweilige Verfügung

In dringenden Fällen, etwa wenn die Versetzung unmittelbar bevorsteht und Ihnen erhebliche Nachteile drohen, können Sie beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragen. Damit kann die Versetzung vorläufig untersagt werden, bis das Gericht in der Hauptsache entschieden hat.

Einschaltung des Betriebsrats

Wenn in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, können Sie sich an diesen wenden. Der Betriebsrat hat bei Versetzungen ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und kann unter bestimmten Umständen seine Zustimmung zur Versetzung verweigern.

Verhandlung mit dem Arbeitgeber

Oft lässt sich eine Lösung im direkten Gespräch mit dem Arbeitgeber finden. Sie können versuchen, Ihre Bedenken darzulegen und gemeinsam eine Alternative zur Versetzung zu entwickeln. Möglicherweise lässt sich ein Kompromiss finden, der beide Seiten zufriedenstellt.

Beachten Sie, dass Sie trotz Ihres Widerspruchs oder einer Klage in der Regel verpflichtet sind, der Versetzungsanweisung zunächst Folge zu leisten. Dies gilt, solange kein Gericht die Unrechtmäßigkeit der Versetzung festgestellt hat. Sie können die Arbeit am neuen Arbeitsplatz jedoch unter Vorbehalt aufnehmen und gleichzeitig rechtliche Schritte einleiten.


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Welche Rolle spielt der Arbeitsvertrag bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Versetzung?

Der Arbeitsvertrag spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Versetzung. Er bildet die rechtliche Grundlage für das Arbeitsverhältnis und definiert die Rechte und Pflichten beider Parteien. Bei der Prüfung einer Versetzung ist der Arbeitsvertrag der erste Bezugspunkt.

Festlegung des Arbeitsortes und der Tätigkeit

Im Arbeitsvertrag sind in der Regel der Arbeitsort und die zu verrichtenden Tätigkeiten festgelegt. Diese Vereinbarungen begrenzen das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Wenn Sie beispielsweise als Buchhalter in der Münchner Niederlassung eingestellt wurden, kann Ihr Arbeitgeber Sie nicht ohne Weiteres in die Hamburger Filiale als Verkäufer versetzen.

Versetzungsklauseln

Viele Arbeitsverträge enthalten spezielle Versetzungsklauseln. Diese räumen dem Arbeitgeber das Recht ein, den Arbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen zu versetzen. Eine typische Formulierung könnte lauten: „Der Arbeitgeber behält sich vor, den Arbeitnehmer auch an einem anderen Ort einzusetzen, soweit dies den Fähigkeiten des Arbeitnehmers entspricht und ihm zumutbar ist.“

Grenzen der Versetzungsklauseln

Auch wenn eine Versetzungsklausel vorhanden ist, unterliegt sie rechtlichen Grenzen. Sie darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitsvertrag enthält eine Klausel, die Versetzungen an jeden beliebigen Ort weltweit erlaubt. Eine solche Klausel wäre wahrscheinlich unwirksam, da sie Ihre Interessen nicht angemessen berücksichtigt.

Auslegung des Arbeitsvertrags

Bei Unklarheiten im Arbeitsvertrag kommt es auf die Auslegung an. Gerichte berücksichtigen dabei nicht nur den Wortlaut, sondern auch die Umstände des Einzelfalls. Wenn Sie zum Beispiel bei Ihrer Einstellung explizit besprochen haben, dass Sie nur am Hauptsitz arbeiten werden, kann dies gegen eine weite Auslegung einer allgemeinen Versetzungsklausel sprechen.

Änderungen des Arbeitsvertrags

Enthält Ihr Arbeitsvertrag keine Versetzungsklausel oder deckt die vorhandene Klausel die geplante Versetzung nicht ab, kann der Arbeitgeber eine Änderung des Arbeitsvertrags vorschlagen. In diesem Fall haben Sie die Wahl, ob Sie der Änderung zustimmen möchten. Lehnen Sie ab, bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit einer Änderungskündigung.

Der Arbeitsvertrag ist somit das Fundament für die Beurteilung einer Versetzung. Er definiert den Rahmen, innerhalb dessen der Arbeitgeber Versetzungen vornehmen darf. Bei der Prüfung einer Versetzung sollten Sie daher immer zuerst einen genauen Blick in Ihren Arbeitsvertrag werfen.


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Welche Kriterien muss eine Versetzung erfüllen, damit sie als rechtmäßig gilt und nicht als „kalte Kündigung“ betrachtet wird?

Eine rechtmäßige Versetzung muss mehrere Kriterien erfüllen, um nicht als „kalte Kündigung“ zu gelten:

Einhaltung des Direktionsrechts

Die Versetzung muss im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfolgen. Dieses Recht ist in § 106 Gewerbeordnung (GewO) verankert und erlaubt dem Arbeitgeber, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Allerdings ist dieses Recht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder gesetzliche Vorschriften begrenzt.

Billiges Ermessen

Die Versetzung muss nach billigem Ermessen erfolgen. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss die Interessen des Betriebs gegen die Interessen des Arbeitnehmers abwägen. Dabei sind persönliche Umstände wie familiäre Verpflichtungen oder gesundheitliche Einschränkungen zu berücksichtigen.

Sachlicher Grund

Es muss ein nachvollziehbarer, betrieblicher Grund für die Versetzung vorliegen. Willkürliche Versetzungen oder solche, die allein darauf abzielen, den Arbeitnehmer zur Kündigung zu bewegen, sind unzulässig.

Gleichwertigkeit der Tätigkeit

Die neue Tätigkeit sollte der bisherigen in Bezug auf Verantwortung, Qualifikation und Vergütung weitgehend gleichwertig sein. Eine deutliche Herabstufung könnte als Indiz für eine „kalte Kündigung“ gewertet werden.

Zumutbarkeit

Die Versetzung muss für den Arbeitnehmer zumutbar sein. Wenn Sie beispielsweise in eine weit entfernte Filiale versetzt werden sollen, könnte dies unzumutbar sein, wenn dadurch Ihre Work-Life-Balance erheblich beeinträchtigt wird.

Einhaltung vertraglicher Grenzen

Die Versetzung darf nicht gegen explizite Vereinbarungen im Arbeitsvertrag verstoßen. Wenn Ihr Arbeitsvertrag beispielsweise einen festen Arbeitsort vorsieht, wäre eine Versetzung an einen anderen Ort ohne Ihre Zustimmung in der Regel nicht zulässig.

Beteiligung des Betriebsrats

In Betrieben mit Betriebsrat muss dieser bei Versetzungen gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beteiligt werden. Eine Missachtung dieses Mitbestimmungsrechts kann die Versetzung unwirksam machen.

Keine Diskriminierung

Die Versetzung darf nicht diskriminierend sein, also nicht aufgrund von Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Religion oder ethnischer Herkunft erfolgen.

Wenn eine Versetzung diese Kriterien erfüllt, ist sie in der Regel rechtmäßig und kann nicht als „kalte Kündigung“ betrachtet werden. Sollten Sie dennoch den Eindruck haben, dass Ihre Versetzung diese Kriterien nicht erfüllt, können Sie der Versetzung widersprechen und Ihre bisherige Tätigkeit weiter ausüben. Bedenken Sie jedoch, dass Sie in diesem Fall das Risiko tragen, falls sich die Versetzung später als rechtmäßig herausstellt.


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Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Versetzungsanordnung

Eine Versetzungsanordnung erlaubt es Arbeitgebern, Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen oder ihnen neue Aufgaben zuzuweisen, solange dies den vertraglichen Rahmenbedingungen entspricht. Die Grenzen dieser Anordnung hängen stark von den im Arbeitsvertrag festgelegten Regelungen ab. Beispiel: Ein Außendienstmitarbeiter könnte eingesetzt werden, um ein neues Gebiet abzudecken, vorausgesetzt, dass eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag besteht.


Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat bei Entscheidungen und Maßnahmen, die die Arbeitnehmer im Betrieb betreffen, ein Mitbestimmungsrecht, insbesondere bei Versetzungen (§ 99 BetrVG). Dies bedeutet, dass der Betriebsrat in diese Entscheidungen einbezogen werden muss, um die Interessen der Arbeitnehmer zu schützen. Beispiel: Wird eine Versetzungsanordnung erteilt, kann der Betriebsrat der Maßnahme widersprechen, wenn sie die Arbeitnehmer benachteiligt.


Direktionsrecht des Arbeitgebers

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers erlaubt ihm, im Rahmen des Arbeitsvertrags einseitige Weisungen an den Arbeitnehmer zu geben, z.B. bezüglich der Arbeitszeit oder des Arbeitsorts. Dieses Recht hat jedoch Grenzen und muss die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Beispiel: Ein Arbeitnehmer könnte angewiesen werden, an einem anderen Standort zu arbeiten, solange dies keine unzumutbaren Härten mit sich bringt.


Versetzungsklage

Eine Versetzungsklage ist ein rechtliches Mittel, das Arbeitnehmer nutzen können, um gegen eine ungerechtfertigte Versetzung vorzugehen. In der Regel wird sie erhoben, wenn der Arbeitnehmer der Meinung ist, dass die Versetzung die vertraglichen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen verletzt. Beispiel: Ein Mitarbeiter klagt gegen eine Versetzung, weil er ohne Zustimmung des Betriebsrats an einen anderen Standort verlegt wurde.


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das AGG schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von persönlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht oder Behinderung. Es stellt sicher, dass keine ungerechtfertigten Nachteile entstehen. Im Kontext des Falls könnte beispielsweise die Versetzung eines Arbeitnehmers als diskriminierend angesehen werden, wenn sie dessen Fähigkeit beeinträchtigt, seine familiären Pflegeverpflichtungen zu erfüllen.


Einstweilige Verfügung

Eine einstweilige Verfügung ist ein gerichtliches Instrument, das es ermöglicht, schnell eine vorläufige Regelung in dringenden Fällen herbeizuführen, um erhebliche Nachteile abzuwenden. Im Arbeitsrecht könnte ein Arbeitnehmer eine einstweilige Verfügung beantragen, um eine sofortige Änderung einer umstrittenen Versetzungsanordnung zu verhindern. Beispiel: Ein Mitarbeiter beantragt eine einstweilige Verfügung, um zu vermeiden, dass er sofort an einen neuen Arbeitsort wechseln muss.


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1 Abs. 1.3 des Arbeitsvertrags (Versetzungsklausel): Diese Klausel regelt die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsplatz in derselben oder einer ähnlichen Tätigkeit zu versetzen. Eine Versetzung kann in der Regel nach den betrieblichen Erfordernissen erfolgen, sofern keine unzumutbaren Nachteile für den Arbeitnehmer entstehen. Im vorliegenden Fall beanstandet der Verfügungskläger die Anordnung, da er eine wesentliche Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen befürchtet, was die Rechtmäßigkeit der Versetzung infrage stellt.
  • § 2 Abs. 2.2 des Arbeitsvertrags (Zuweisung neuer Zuständigkeitsgebiete): Diese Bestimmung erlaubt dem Arbeitgeber, neue Zuständigkeitsbereiche und Aufgabengebiete zuzuweisen. Der Arbeitgeber argumentiert, dass es sich hierbei nicht um eine Versetzung im eigentlichen Sinne handelt, sondern lediglich um eine Neuzuteilung des Tätigkeitsfeldes, was vom Verfügungskläger jedoch als unzumutbar abgelehnt wird und die finanziellen und persönlichen Aspekte seiner Lebensumstände nicht berücksichtigt.
  • Betriebsverfassungsrecht (§ 99 BetrVG – Mitbestimmung bei Versetzungen): Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass der Betriebsrat bei Versetzungen ein Mitbestimmungsrecht hat, welches gewahrt werden muss. Im Streitfall könnte das Fehlen einer Einbeziehung des Betriebsrats in die Versetzungsanordnung zur Anfechtbarkeit der Versetzung führen. Der Verfügungskläger könnte argumentieren, dass ohne die Zustimmung des Betriebsrats die rechtlichen Grundlagen für die Versetzungsanordnung nicht ausreichend geprüft wurden.
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Dieses Gesetz schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung und sieht vor, dass keine ungerechtfertigten Nachteile aufgrund persönlicher Umstände wie Behinderung oder Pflegeverpflichtungen entstehen dürfen. Der Verfügungskläger könnte geltend machen, dass die beabsichtigte Versetzung diskriminierend ist, da sie seine Möglichkeit zur Pflege seines schwerbehinderten Sohnes stark einschränkt und ihn in eine erschwerte Situation drängt.
  • § 615 BGB (Entgeltanspruch bei Annahmeverzug): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Entgelt, wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Arbeitsaufnahme nicht nachkommt. Im vorliegenden Fall könnte der Verfügungskläger auf diesen Paragraphen verweisen, sollte die Beklagte ihm im Zuge der Umstrukturierung die Arbeit verweigern, während er bereit ist, seine vertraglichen Pflichten weiterhin zu erfüllen. Dies würde ihm einen finanziellen Schutz bieten und die Notwendigkeit unterstreichen, dass eine Versetzung nicht willkürlich erfolgen kann.

Das vorliegende Urteil

ArbG Gera – Az.: 2 Ga 2/23 – Urteil vom 09.02.2023


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