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Rechtsmissbrauch bei sachgrundloser Befristung

LAG Schleswig, Az.: 6 Sa 469/15, Urteil vom 24.02.2016

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.09.2015 – 3 Ca 805 d/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31.05.2015 geendet hat und ob die Beklagte den Kläger über das vereinbarte Befristungsende hinaus weiterbeschäftigen muss.

Der Kläger war vom 02.11.2009 bis 31.10.2011 aufgrund zweier befristeter Verträge bei der Firma M. P. S. GmbH als Vermittlungsfachkraft angestellt. Zum 01.11.2011 trat er als Vermittlungsfachkraft in die Dienste der Firma Z. GmbH Personalservice, einer Tochter der Firma M. P. S. GmbH. Der zugrundeliegende Arbeitsvertrag (Anlage K 5 = Bl. 17 d.A.) war befristet für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 31.10.2013.

Die Firmen M. P. S. GmbH und Z. GmbH Personalservice stellten dem Jobcenter St. im Rahmen eines als Personalgestellungsvertrag überschriebenen Vertrags (Anlage B 2 = Bl. 42 ff. d.A.) Personal zur Verfügung, u.a. den Kläger. Damit hatte sich der Kläger einverstanden erklärt (Anlage B 3 = Bl. 49 d.A.). Der Kläger wurde im Jobcenter St. als Arbeitsvermittler im Rechtskreis SGB II (Leistungen der Grundsicherung) eingesetzt. Er arbeitete im Bundesprojekt „Perspektive 50plus, Beschäftigungspakt der Region“ im Wesentlichen als Vermittler mit eigenem Ermessensspielraum. Träger des Jobcenters St. als gemeinsame Einrichtung im Sinne von § 44 b SGB II sind die Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit H.) und der Kreis St..

Rechtsmissbrauch bei sachgrundloser Befristung
Symbolfoto: Von JL-Pfeifer /Shutterstock.com

Über das Vermögen der Firma Z. GmbH Personalservice wurde am 01.01.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger bewarb sich daraufhin auf eine von der Beklagten ausgeschriebene Stelle (Anlage B 4 = Bl. 50 d.A.). Er absolvierte das Auswahlverfahren mit Erfolg. Das Arbeitsverhältnis mit der Firma Z. GmbH Personalservice wurde einvernehmlich zum 31.05.2013 aufgehoben. Die Beklagte stellte den Kläger aufgrund des für die Zeit vom 01.06.2013 bis zum 31.08.2014 geschlossenen Arbeitsvertrags vom 22.05.2013 (Anlage K 1 = Bl. 11 d.A.) ein und beschäftigte ihn aufgrund Änderungsvertrags vom 03.04.2014 (Anlage K 2 = Bl. 12 d.A.) bis zum 31.05.2015 weiter. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) und den diesen ergänzenden und ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung (§ 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags). Der Kläger war als Arbeitsvermittler mit Beratungsaufgaben im Rechtskreis SGB III (Leistungen der Arbeitsförderung) in der Geschäftsstelle I. eingesetzt. Diese Geschäftsstelle gehört zur Agentur für Arbeit H.. Nach § 18 Abs. 3 TV-BA wurde der Kläger aufgrund seiner Berufserfahrung im Jobcenter der Entwicklungsstufe 3 zugeordnet.

Mit seiner am 08.06.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum 31.05.2015 gewandt und vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt. Er hat die sachgrundlose Befristung wegen seiner Vorbeschäftigung im Jobcenter St. für rechtsmissbräuchlich gehalten. Die Beklagte habe mit den Leiharbeitsfirmen zusammengewirkt, um eine langjährige Beschäftigung aufgrund von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen zu ermöglichen. Tatsächlich habe die Leitungsmacht stets bei der Beklagten gelegen. Die Tätigkeiten des Klägers im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung nach SGB II und im Rahmen der Leistungen der Arbeitsförderung nach SGB III hätten sich nicht grundlegend unterschieden. Auch erkenne die Beklagte die Beschäftigungszeiten von ehemaligen Arbeitnehmern der Firmen M. P. oder Z. im Rahmen der Eingruppierung als bei ihr selbst zurückgelegte Beschäftigungszeiten nach dem TV-BA an.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Die Befristung sei zulässig, insbesondere nicht rechtmissbräuchlich. Weder bestehe eine rechtliche oder tatsächliche Verbundenheit der verschiedenen Arbeitgeber, noch sei der Kläger zu im Wesentlichen gleichen Arbeitsbedingungen beschäftigt worden. Vielmehr habe er den Arbeitgeber, die Behörde, den Arbeitsort und den Rechtskreis gewechselt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässig und nicht rechtsmissbräuchlich vereinbart. Eine rechtliche oder tatsächliche Verbindung zwischen der Beklagten und den Leiharbeitsunternehmen fehle. Der Kläger sei nicht ununterbrochen auf demselben Arbeitsplatz oder in demselben Arbeitsbereich beschäftigt worden. Denn im Rahmen des Personalgestellungsvertrags sei er im Jobcenter St. als Arbeitsvermittler im Rechtskreis SGB II tätig gewesen; mit der Einstellung durch die Beklagte habe er den Arbeitsplatz, die Behörde und das Arbeitsgebiet – nunmehr SGB III – gewechselt. Die Arbeitsbedingungen hätten sich geändert. Anders als die Zeitarbeitsunternehmen habe die Beklagte den Kläger nach dem TV-BA vergütet. Die vorigen Vertragsarbeitgeber hätten den Kläger nicht an die Beklagte vermittelt; vielmehr habe sich der Kläger bei ihr beworben und das übliche Bewerbungsverfahren durchlaufen. Ein systematisches Zusammenwirken der beteiligten Rechtsträger sei im Hinblick auf die Befristungen des Klägers nicht indiziert.

Gegen das ihm am 29.09.2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 28.10.2015 Berufung eingelegt und diese am 25.11.2015 begründet.

Der Kläger hält die Befristung des Arbeitsverhältnisses für rechtmissbräuchlich und damit für unwirksam. Die Beklagte habe mit der Befristungsvereinbarung im erkennbar systematischen Zusammenwirken mit den Zeitarbeitsfirmen das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG umgehen wollen. Dafür lägen ausreichende Indizien vor. Eine rechtliche und tatsächliche Verbundenheit der Beklagten und der Zeitarbeitsunternehmen habe bestanden. Das Jobcenter, und damit die als Träger beteiligte Beklagte, habe schon an der Einstellung des Klägers durch das Zeitarbeitsunternehmen mitgewirkt. Dazu verweist der Kläger zunächst auf die Ausschreibung (Anlage K 11 = Bl. 65 f. d.A.). Weiter hätten der damalige Geschäftsführer des Jobcenters und die Projektkoordinatorin dem Assessment-Center beigewohnt und die Auswahlentscheidung getroffen. Die Regionaldirektion der Beklagten habe darauf bestanden, dass die Zeitarbeitsunternehmen mit dem Jobcenter Personalgestellungsverträge schließen, obwohl es sich um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt habe.

Der Kläger behauptet, es sei von vornherein eine Beschäftigung von mehr als drei Jahren vorgesehen gewesen. Denn der Personalgestellungsvertrag habe eine Gehaltserhöhung nach dreijähriger Beschäftigung vorgesehen. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass der Kläger stets als Vermittlungskraft und damit im gleichen Arbeitsbereich tätig gewesen sei. Im Jobcenter habe er als Arbeitsvermittler im Rahmen des Projekts 50plus und als Außendienstmitarbeiter des Teams 50plus gearbeitet. Es seien aber auch jüngere Kunden betreut worden. Die Tätigkeit habe im Wesentlichen der ab dem 01.06.2013 ausgeübten entsprochen. Hier sei der Kläger für die Betreuung der Arbeitgeber und für die Vermittlung der Kunden beider Rechtskreise (SGB II und III) zuständig gewesen. Er habe auch Kunden aus dem SGB II – Bereich betreut und beraten. Bereits vor dem Wechsel zur Beklagten habe diese im Rahmen ihrer Beteiligung an dem Jobcenter das (fachliche) Weisungsrecht gegenüber dem Kläger ausgeübt. Das Handeln des Geschäftsführers des Jobcenters sei ihr nämlich zuzurechnen. Der Kläger behauptet, seine Arbeitsbedingungen hätten sich durch den Wechsel zur Beklagten nicht maßgeblich geändert. Zwischen den Mitarbeitern der Beklagten und denen im Jobcenter sei ein Gleichklang angestrebt gewesen. Da die Beklagte fortlaufend Einfluss auf das Arbeitsverhältnis des Klägers genommen habe, sei mit dem streitgegenständlichen Vertrag das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitsunternehmen fortgesetzt worden. Dafür spreche auch die Eingruppierung in die Entwicklungsstufe 3 nach § 18 Abs. 3 TV-BA.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.09.2015, Az. 3 Ca 805d/15, abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung zum 31.05.2015 geendet hat,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über den Antrag zu 1. als Arbeitsvermittler weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts, bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und bestreitet, mit den früheren Arbeitgebern des Klägers kollusiv zusammengearbeitet zu haben. Eine tatsächliche oder rechtliche Verbundenheit folge nicht daraus, dass der Kläger vor seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über Zeitarbeitsunternehmen als Vermittlungsfachkraft in einem Jobcenter eingesetzt war. Das Jobcenter sei keine „Zweigstelle“ der Beklagten, sondern eine gemeinsame Einrichtung nach § 44 b ff. SGB II. Das Jobcenter sei ein eigenständiges Rechtssubjekt. Der Kläger habe weder zum Jobcenter noch zu dessen Rechtsträgern in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Selbst wenn der Kläger bereits für die Beklagte im Wege der Arbeitnehmerüberlassung tätig gewesen wäre, spräche dies nicht für ein kollusives Zusammenwirken. Das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen Verleiher und Entleiher bringe die Arbeitnehmerüberlassung mit sich. Zwischen der Beklagten und den früheren Arbeitgeberinnen des Klägers habe aber gar keine vertragliche Beziehung bestanden. Letztere hätten den Überlassungsvertrag mit dem Jobcenter geschlossen. Aufgrund dieses Vertrags seien Mitarbeiter an den Entleiher, das Jobcenter, überlassen worden. Eine Personalgestellung durch einen öffentlichen Arbeitgeber liege hierin nicht. Die Beklagte bestreitet, dass die Zeitarbeitsunternehmen den Kläger auf ihr Geheiß eingestellt hätten und dass die spätere Einstellung des Klägers aufgrund befristeten Vertrags geplant gewesen sei.

Aus dem Emailverkehr zwischen den Zeitarbeitsunternehmen und dem Jobcenter über die Beschäftigungsbedingungen könne nicht auf ein kollusives Zusammenwirken mit der Beklagten geschlossen werden. Zum einen sei sie an der Korrespondenz nicht beteiligt gewesen; zum anderen sei es um die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben gegangen. Die Entscheidung des Jobcenters, Mitarbeiter im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zu beschäftigen, liege außerhalb des Einflussbereichs der Beklagten. Das ergebe sich aus den einschlägigen Vorschriften des SGB II. Ferner sei der Kläger nicht ununterbrochen auf demselben Arbeitsplatz beschäftigt worden. Nicht nur der Arbeitsort, auch die Tätigkeit habe sich mit dem Wechsel zur Beklagten geändert. Im Jobcenter sei der Kläger überwiegend mit der Hilfegewährung nach SGB II befasst gewesen, bei der Beklagten habe er als Arbeitsvermittler im SGB III – Bereich gearbeitet.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat sie gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Der Klagantrag zu 1. ist zulässig. Es handelt sich bei sachgerechter Auslegung um eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG und nicht um eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Das ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem ursprünglichen Antragswortlaut, der vielmehr für eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO spricht. Aus der Klagebegründung, die zur Antragsauslegung heranzuziehen ist (BAG 07.04.2004 – 7 AZR 441/03) ist aber zu ersehen, dass der Kläger ausschließlich die Unwirksamkeit der Befristung vom 03.04.2014 zum 31.05.2015 geltend macht, was durch eine Klage nach § 17 Satz 1 TzBfG zu geschehen hat. Andere Beendigungstatbestände sind nicht im Streit. Die Klage ist erhoben worden „w e g e n Befristung/Weiterbeschäftigung“; geltend gemacht hat der Kläger, dass die Befristungsvereinbarung nach § 242 BGB unwirksam ist (Seite 5 der Klage unter II.).

Mit der Klarstellung in der Berufungsverhandlung ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat die angegriffene Befristung nunmehr konkret bezeichnet.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Befristungsabrede vom 03.04.2014 zum 31.05.2015 geendet.

a) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Diese Voraussetzungen sind bei der im Arbeitsvertrag vom 22.05.2013 und der im Verlängerungsvertrag vom 03.04.2014 vereinbarten Befristung eingehalten. Der Kläger und die Beklagte haben zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 01.06.2013 bis 31.08.2014 vereinbart. Dieses befristete Arbeitsverhältnis haben sie einmal, nämlich am 03.04.2014 verlängert, und zwar bis zum 31.05.2015.

b) Die sachgrundlose Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unzulässig. Die Vorbeschäftigung des Klägers bei den Zeitarbeitsunternehmen M. P. S. GmbH und Z. GmbH Personalservice steht der Zulässigkeit der streitbefangenen Befristung nicht entgegen.

aa) Eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. „Arbeitgeber“ iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist der Vertragsarbeitgeber. Das ist die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Ein vorhergehender Arbeitsvertrag hat deshalb nur dann mit demselben Arbeitgeber bestanden, wenn Vertragspartner des Arbeitnehmers bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person ist (BAG 19.03.2014 – 7 AZR 527/12 -; 04.12.2013 – 7 AZR 290/12 -).

Unionsrechtlich ist kein anderes Ergebnis geboten. Insbesondere verlangt der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verankerte Effektivitätsgrundsatz – Gebot des effet utile – keine andere Interpretation des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Diesem Gebot ist bei der Verhinderung eines missbräuchlichen Einsatzes aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge im nationalen Recht dadurch genügt, dass missbräuchliche Gestaltungen geprüft und verhindert werden können und dabei Darlegungserleichterungen für den Arbeitnehmer gelten (abgestufte Darlegungs- und Beweislast). Die Berufungskammer folgt der überzeugenden Begründung des 7. Senats des BAG in seinem Urteil vom 19.03.2014 (7 AZR 527/12 – Rn. 19 ff.).

bb) Der Kläger war vom 02.11.2009 bis zum 31.05.2013 bei anderen Vertragsarbeitgebern beschäftigt, zunächst bei der M. P. S. GmbH und sodann bei der Z. GmbH Personalservice. Die Beklagte ist eine andere juristische Person und nicht iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG derselbe Arbeitgeber.

c) Der Beklagten ist es nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zu berufen.

aa) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beschränkt als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung sowohl subjektive Rechte als auch die Inanspruchnahme von Rechtsinstituten und Normen. Auch die Ausnutzung der durch das Teilzeit– und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten kann unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein, etwa wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können (vgl. BAG 15.05.2013 – 7 AZR 525/11 -; 19.03.2014 – 7 AZR 527/12 -). Bei einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Zulässigkeit sachgrundloser Befristungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 Satz1 TzBfG – konkret: bei einer Umgehung des Anschlussverbots nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG – besteht die mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Rechtsfolge nicht in dem Vertragsschluss „an sich“, sondern in der Rechtfertigung der in dem Vertrag vereinbarten Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. Der unredliche Vertragspartner kann sich auf eine solche Befristung nicht berufen (BAG 15.05.2013 – 7 AZR 525/11 -; 19.03.2014 – 7 AZR 527/12 -).

Der 7. Senat hat in den vorgenannten Urteilen klargestellt, dass nach allgemeinen Grundsätzen derjenige für das Vorliegen einer missbräuchlichen Vertragsgestaltung darlegungs- und beweispflichtig ist, der eine solche geltend macht. Das ist bei einer Befristungsabrede regelmäßig der Arbeitnehmer. Den Schwierigkeiten, die sich aus den fehlenden Kenntnismöglichkeiten des Arbeitnehmers ergeben, ist durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen. Es genügt daher zunächst, dass der Arbeitnehmer – soweit er die Überlegungen des Arbeitgebers, die zu der Befristung geführt haben, nicht kennt – einen Sachverhalt vorträgt, der die Missbräuchlichkeit der Befristung nach § 242 BGB indiziert. Als Indizien kommen neben den Umständen, aus denen sich die rechtliche und tatsächliche Verbundenheit zwischen dem vormaligen und dem letzten Vertragsarbeitgeber ergibt, insbesondere der nahtlose Anschluss des mit dem neuen Vertragsarbeitgeber geschlossenen befristeten Arbeitsvertrags an den befristeten Vertrag mit dem vormaligen Vertragsarbeitgeber und eine ununterbrochene Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz oder in demselben Arbeitsbereich (vor allem, wenn sie vertraglich zugesichert ist) zu auch im Übrigen – im Wesentlichen – unveränderten oder gleichen Arbeitsbedingungen in Betracht. Von Bedeutung ist daneben die weitere Ausübung des Weisungsrechts durch den bisherigen Vertragsarbeitgeber oder eine ohnehin gemeinsame Ausübung des Weisungsrechts, die „Vermittlung“ des Arbeitnehmers an den letzten Vertragsarbeitgeber durch den vormaligen Vertragsarbeitgeber und ein erkennbar systematisches Zusammenwirken von bisherigem und neuem Arbeitgeber (vgl. nur BAG 19.03.2014 – 7 AZR 527/12 -). Der Arbeitgeber muss sich sodann nach § 138 BGB im Einzelnen auf den vom Arbeitnehmer zu diesen Indizien gehaltenen Vortrag einlassen. Er kann einzelne Tatsachen konkret bestreiten oder Umstände vortragen, welche den Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen. Insbesondere kann er dabei auch die – für den Arbeitnehmer häufig nicht ohne weiteres erkennbaren – Gründe für den Arbeitgeberwechsel darlegen. Trägt der Arbeitgeber nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Gelingt es dem Arbeitgeber, die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Indizien für ein missbräuchliches Vorgehen zu erschüttern, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss, der letzte Vertragsarbeitgeber habe die Befristung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem vormaligen Vertragsarbeitgeber nur deshalb vereinbart, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können (BAG 19.03.2014 – 7 AZR 527/12 -). Diese abgestufte Darlegungs- und Beweislast trägt (auch) dem Gebot des effet utile Rechnung (s.o.). Angesichts der Darlegungserleichterungen für den Arbeitnehmer ist die Ausübung des durch die Rahmenvereinbarung im Anhang zur Richtlinie 1999/70 vorgegebenen Rechtsziels nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert.

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger seiner Darlegungslast nicht genügt. Nach seinem Vortrag und den unstreitigen Umständen ist die missbräuchliche Umgehung des Anschlussgebots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und des damit verfolgten Zwecks nicht indiziert. Ein darauf gerichtetes kollusives Zusammenwirken der Beklagten mit den Zeitarbeitsunternehmen M. P. S. GmbH und Z. GmbH Personalservice ist nicht festzustellen.

(1) Richtig ist zunächst, dass sich der mit dem neuen Vertragsarbeitgeber, der Beklagten, geschlossene Arbeitsvertrag nahtlos an den Vertrag mit der vormaligen Arbeitgeberin, der Z. GmbH Personalservice anschloss. Das deutet zunächst auf eine missbräuchliche Befristung hin. Dagegen lässt sich aber anführen, dass der ursprünglich zum 31.10.2013 befristete Vertrag mit der Z. GmbH Personalservice einvernehmlich zum 31.05.2013 aufgehoben worden ist. Der Kläger hat auf diese Weise sein Arbeitsverhältnis zur Z. GmbH Personalservice vorzeitig beendet, um das ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten begründen zu können. Ohne seine Mitwirkung hätte die Beklagte den Kläger gar nicht zum 01.06.2013 einstellen können. Das spricht dagegen, dass die Beklagte und die Z. GmbH Personalservice im kollusiven Zusammenwirken planhaft das Anschlussgebot umgehen wollten.

(2) Eine unmittelbare rechtliche oder tatsächliche Verbundenheit der Beklagten und der vormaligen Arbeitgeberinnen des Klägers, der M. P. S. GmbH und der Z. GmbH Personalservice, bestand nicht, allenfalls eine mittelbare.

Die vormaligen Arbeitgeberinnen des Klägers haben unstreitig keinen Vertrag mit der Beklagten geschlossen. Der Personalgestellungsvertrag (Anlage B 2), der eine Arbeitnehmerüberlassung an das Jobcenter zum Inhalt hatte, ist von der M. P. GmbH einerseits und dem Jobcenter (vormals A.) andererseits geschlossen worden. Die Beklagte war also nicht Vertragspartner des Gestellungsvertrags. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte neben dem Kreis St. Träger der A. bzw. des Jobcenters war bzw. ist. Bei dem Jobcenter handelt es sich um keine Zweigstelle der Beklagten, sondern um eine gemeinsame Einrichtung iSv. § 44 b SGB II, also ein eigenständiges Rechtssubjekt mit eigener Geschäftsführung. Konsequenterweise werden in den Jobcentern eigene Personalräte nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gewählt. An dieser Rechtsstellung der gemeinsamen Einrichtung ändert die Tatsache nichts, dass die dort tätigen Arbeitnehmer und Beamten dem Jobcenter von ihren Arbeitgebern bzw. Dienststellen zugewiesen werden. Eine rechtliche Verbundenheit mit den vormaligen Arbeitgeberinnen des Klägers folgt daraus nicht. Die einheitliche Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende durch die Träger des Jobcenters (die Beklagte und die Kommunen) begründet deren rechtliche und tatsächliche Verbundenheit, nicht jedoch die der vormaligen Vertragsarbeitgeberinnen des Klägers und der Beklagten.

(3) Nach seinem Wechsel zur Beklagten war der Kläger unstreitig auf einem anderen Arbeitsplatz tätig als zuvor. Während des Bestehens seines Arbeitsverhältnisses zur M. P. GmbH und zur Z. GmbH Personalservice arbeitete der Kläger im Jobcenter St.. Dagegen setzte die Beklagte den Kläger in ihrer Geschäftsstelle in I. ein. Aber nicht nur der Arbeitsplatz war ein anderer. Auch der Arbeitsinhalt änderte sich mit dem Wechsel zur Beklagten. Während der Kläger im Jobcenter als Arbeitsvermittler im Rechtskreis SGB II gearbeitet hatte und im Bundesprojekt „Perspektive 50plus, Beschäftigungspakt der Region“ als Vermittler eingesetzt war, arbeitete er bei der Beklagten als Arbeitsvermittler mit Beratungsaufgaben im Rechtskreis SGB III. Selbst wenn es Überschneidungen gegeben haben mag, kann von einer Kongruenz der Tätigkeiten keine Rede sein, erst recht nicht von demselben Arbeitsplatz.

(4) Mit dem Wechsel zur Beklagten haben sich die Arbeitsbedingungen des Klägers nicht unerheblich geändert. Während er bei seinen vormaligen Arbeitsgeberinnen keinem tariflichen (Entgelt-)Regime unterlag, sich die Beschäftigungsbedingungen vielmehr allein nach den Arbeitsverträgen (Anlagen K 3 und K 5) richteten, bestimmte sich sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten im Wesentlichen nach dem TV-BA. Dass der Kläger von den Zeitarbeitsunternehmen eine Vergütung erhalten hat, die in etwa der entsprach, die die Träger des Jobcenters den von ihnen entsandten Mitarbeitern zahlte, ist dem AÜG geschuldet (vgl. §§ 9, 10 AÜG). In diesem Lichte ist auch der vom Kläger angeführte Emailverkehr zwischen den Geschäftsführern des Jobcenters und der M. P. GmbH zu verstehen.

(5) Die vormaligen Arbeitgeberinnen haben den Kläger nicht aufgefordert oder veranlasst, sich bei der Beklagten zu bewerben. Von einer „Vermittlung“ des Klägers durch die Z. GmbH Personalservice an die Beklagte kann keine Rede sein. Vielmehr hat der Kläger sich, nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen seiner letzten Arbeitgeberin, der Z. GmbH Personalservice, eröffnet worden war, bei der Beklagten auf eine ausgeschriebene Stelle beworben. Das spricht gegen eine missbräuchliche Befristung.

(6) In der Gesamtschau lassen diese Anhaltspunkte nicht den indiziellen Schluss zu, dass mit der Vertragsgestaltung eine nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG nicht mehr eröffnete sachgrundlose Befristungsmöglichkeit geschaffen werden sollte. Zwar ist der Kläger seit November 2009 bis zum Auslaufen der streitbefangenen Befristung am 31.05.2015 lückenlos beschäftigt worden und der Beklagten kam als Träger des Jobcenters die Arbeit des von seinen vormaligen Arbeitgeberinnen dorthin überlassenen Klägers zugute. Ein systematisches Zusammenwirken der vormaligen Arbeitgeberinnen des Klägers und der Beklagten ist darin aber nicht zu erkennen. Dagegen spricht entscheidend, dass der Kläger über seine vormaligen Arbeitgeberinnen im Jobcenter und damit an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt worden ist als später von der Beklagten. An dem Wechsel zur Beklagten hat der Kläger durch die Vertragsaufhebung und seine Bewerbung entscheidend mitgewirkt. Weder seine vormalige Arbeitgeberin, noch die Beklagte haben ihn dazu gedrängt. Es fehlen überhaupt Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte schon vor oder zu der Zeit der Beschäftigung des Klägers im Jobcenter beabsichtigte, ihn später an anderer Stelle einzusetzen.

3. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund Befristung am 31.05.2015 geendet hat, kann der Kläger keine Weiterbeschäftigung verlangen.

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die maßgebenden Fragen der rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der durch § 14 Abs. 2 TzBfG eröffneten Möglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung höchstrichterlich geklärt sind und eine Divergenz nicht erkennbar ist (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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