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Rechtsschutzversicherung –  Deckungspflicht für anwaltliche Tätigkeit bei Aufhebungsvertrag

AG München – Az.: 155 C 6191/19 – Urteil vom 04.09.2019

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem zwischen dem Kläger und der …. Ende August 2017 geschlossenen Aufhebungsvertrag Rechtsschutzdeckung zu gewähren.

2. Die Beklagtenpartei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Klagepartei betreffend den Klageantrag zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.399,12 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.399,12 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Deckungsanspruch betreffend einen Rechtsschutzfall.

Der Kläger ist seit dem 1.5.1992 unter der Versicherungsscheinnummer…. rechtsschutzversichert. Der Versicherungsvertrag bestand ursprünglich mit der … Rechtschutzversicherungs-Aktiengesellschaft. Diese Gesellschaft ist im Jahr 1996 auf die …-Aktiengesellschaft verschmolzen worden, mit der das Versicherungsverhältnis nunmehr besteht. Die Verschmelzung ist im Handelsregister des Amtsgerichts München bekannt gemacht worden. Bei der Beklagten handelt es sich um das Schadensabwicklungsunternehmen des Rechtsschutzversicherers im Sinne von § 126 VVG. Die Beklagte hat ihren Sitz in München. Sie ist unter HRB … in das Handelsregister des Amtsgerichts München eingetragen.

Auf das Versicherungsverhältnis finden Kraft Bezugnahme im Versicherungsschein die allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung in der Fassung von 1975 (ARB 75) Anwendung.

§ 14 Abs. 3 der ARB 75 lautet in Auszügen wie folgt:

„In allen übrigen Fällen gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. (…)“

Die gegenständliche Versicherung beinhaltet entsprechend § 26 Abs. 5 lit. c) ARB 75 auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen. Ein Selbstbehalt ist nicht vereinbart.

Mit Schreiben vom 13.9.2017 wandte sich der Klägervertreter entsprechend der Anlage K 11 an die Beklagte und bat um Bestätigung des Versicherungsschutzes für eine außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Beratung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Von Beklagtenseite wurde mit Schreiben vom 13.10.2007 (Anlage K 12) der Eintritt eines Versicherungsfalls verneint. Auch im Rahmen des weiteren Schriftverkehrs ist die Beklagtenseite bei ihrer Ablehnung verblieben.

In einem Rechtsstreit mit der … GmbH über die variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2017 wurde von Beklagtenseite in einem gesonderten Verfahren Deckungszusage für das außergerichtliche Vorgehen und ein Klageverfahren in 1. Instanz erteilt und die in Rechnung gestellten Anwaltskosten beglichen. Ebenfalls wurde von Beklagtenseite für die Beratung des Klägers zum Anspruch auf Nachzahlung variabler Vergütung für das Geschäftsjahr 2016 in einem gesonderten Verfahren Deckungszusage erteilt und die in Rechnung gestellte Bearbeitungsgebühr ausgeglichen.

Seitens des Klägervertreters wurde für die anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem hier gegenständlichen Aufhebungsvertrag bislang keine Rechnung gestellt.

Die Klagepartei behauptet, dass im August 2017 ein Rechtsschutzfall auf dem Gebiet des Arbeit-Rechtsschutzes eingetreten sei.

Der Kläger sei seit dem 1.1.1998 bei der … als Vertriebsbeauftragter beschäftigt gewesen und intern den Titel eines Partner Business Managers geführt zu haben. Grundlage des Arbeitsverhältnisses sei seit Mai 2004 der „….-Standardvertrag“ entsprechend der Anlage K4 gewesen. Die ursprüngliche Arbeitgeberin habe sich im Jahr 2016 entschlossen, das Geschäft mit Software in eine gesonderte Gesellschaft, die …. auszugliedern und die Mitarbeiter des Bereichs Software auf diese überzuleiten. Das Arbeitsverhältnis sei gem. § 613 a BGB zum 1.6.2017 auf Letztere übergegangen. Beide Arbeitgeber hätten seit November 2016 wiederholt Anstrengungen mit dem Ziel unternommen, dem Kläger die Fortführung seines Arbeitsverhältnisses zu verleiden und ihn zu einer Zustimmung zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu bewegen, wobei sich beide rechtswidriger Mittel bedient hätten.

So sei der Kläger im Hinblick auf die variable Vergütung gezielt benachteiligt worden. Das feste Gehalt des Klägers habe zuletzt jährlich 84.053,76 € betragen. Für das Geschäftsjahr 2017, vom 1.11.2016 bis 31.10.2017 habe die variable Vergütung, auf die der Kläger Anspruch gehabt hätte, bei 100 %iger Zielerreichung 56.379,55 € betragen, wobei sich das Verfahren der Ermittlung und Überprüfung der variablen Vergütung aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 31. 10. 2011 (Anlage K5) ergebe.

Zu Beginn des vorherigen Geschäftsjahres 2016 habe der Vorgesetzte des Klägers diesem eine Liste von Kunden übermittelt, die dem Kläger zugewiesen gewesen seien. Durch den Vertrieb von Software-Produkten an die zugewiesenen Kunden habe der Kläger die in dem Sales Letter für das Geschäftsjahr 2016 vorgesehenen Vertriebsziele erreichen sollen.

Kurz nach Beginn des Geschäftsjahres 2017 seien dem Kläger entsprechend einer E-Mail seines Vorgesetzten vom 22.11.2016 (Anlage K6) keinerlei Kunden zugewiesen gewesen, auch nicht die im Vorjahr zugewiesenen Kunden. Im Rahmen einer Besprechung am 23.11.2016 habe der Vorgesetzte dem Kläger erklärt, dass er aufgrund interner Vorgaben für das laufende Geschäftsjahr 2017 dem Kläger keine Kunden zuweisen könne und gehalten sei, die bisher vom Kläger bearbeiteten Kunden auf andere Partner Business Manager zu verteilen. Der Kläger habe auch keine Dienstreisen mehr Unternehmen dürfen, was bis dahin üblich gewesen sei. Neue Aufgabe des Klägers habe es sein sollen, die anderen Partner Business Manager, die im an sich gleich geordnet gewesen sein, bei der Bearbeitung der Kunden und dem Abschluss von Geschäften zu unterstützen.

Nachdem von Klägerseite der Sales Letter, welche ihm zunächst nicht übersandt worden sei, nach Erhalt am 20.12.2016 intern aus verschiedenen Gründen beanstandet und Änderungen verlangt habe, sei am 31.1.2017 ein neues Sales Letter ausgestellt worden, wobei die neue Fassung von der vorherigen nicht wesentlich abgewichen habe und dem Kläger wiederum kein einziger Kunden zugewiesen gewesen sei.

Ohne zugeordnete Kunden sei es dem Kläger jedoch nicht möglich, die gesetzten Ziele zu erreichen. Eine Zustimmung des Klägers zu diesem abgeänderten Sales Letter sei nicht erfolgt, vielmehr habe der Kläger im Geschäftsjahr 2017 weiter Kunden bearbeitet und „Sonderaufgaben“ wahrgenommen, ohne der zuständige Partner Business Manager zu sein.

Weiter habe eine Mitarbeiterin der Personalabteilung den Kläger Anfang Februar 2017 darauf angesprochen, ob er an einem Ausscheiden im Rahmen des freiwilligen Programms interessiert sei, was Ende des Jahres 2016 aufgelegt worden sei, um es Mitarbeitern zu ermöglichen, durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages im Zeitraum vom 1.1.2017 bis 31.3.2017 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Während der Annahmefrist bis Ende März 2017 sei jedoch keine Einigung auf ein Ausscheiden des Klägers zustande gekommen. Am 21.7.2017 sei der Kläger erneut auf die Möglichkeit der Teilnahme am freiwilligen Programm angesprochen worden. Am 16.8.2017 habe eine Mitarbeiterin der Personalabteilung den Kläger nochmals telefonisch angefragt, ob er doch teilnehmen wolle.

Hierüber sei am 16.8.2017 mit dem Klägervertreter ein Gespräch geführt worden.

Am Nachmittag des 25.8.2017 habe der Kläger von derselben Mitarbeiterin die Nachricht bekommen, dass das Budget aus dem freiwilligen Programm an sich am 31. 3. 2017 ausgelaufen sei, für ihn jedoch doch noch zur Verfügung stehen würde. Für diese nur für den Kläger geltende Sonderregelung sei intern die Zustimmung der Geschäftsführung eingeholt worden. Dem Kläger sei bis zum 28.8.2017 Frist für eine Rückmeldung gegeben worden.

Am 25.8.2017 habe der Kläger per E-Mail seine Bereitschaft mitgeteilt, überein Ausscheiden zu verhandeln. Am 28.8.2014 sei seitens der Personalleiterin per E-Mail der Entwurf eines Aufhebungsvertrages entsprechend der Anlage K8 übermittelt worden, wobei das Angebot bis zum 31.8.2017 gegolten habe. Dieser Aufhebungsvertrag sei an den Klägervertreter weitergeleitet worden.

In der Folge sei aufgrund der stattgehabten Besprechung gem. dem Auftrag des Klägers eine Überarbeitung entsprechend der Anlage K9 erfolgt und vom Kläger an die Personalabteilung weitergeleitet worden. Der ursprüngliche Aufhebungsvertrag sei ohne Änderungen nochmals am Nachmittag des 31.8.2017 von der Personalleiterin an den Kläger übersandt worden mit der Aufforderung, noch am selben Tag zu unterzeichnen und den Scan des unterzeichneten Aufhebungsvertrages noch am selben Tag zu übermitteln. Lediglich telefonisch habe in einzelnen Punkten eine Abrede erfolgen können. Die finale Fassung sei am Nachmittag des 31.8.2017 telefonisch mit dem Klägervertreter besprochen und sodann von Klägerseite unterzeichnet worden.

Bereits zuvor sei es zwischen dem Kläger und dem Alt-Arbeitgeber bereits hinsichtlich der Höhe der variablen Vergütung für das am 31.10.2016 beendete Geschäftsjahr 2016 zu einer Kontroverse gekommen, da die Vergütung deutlich niedriger als in den Vorjahren ausgefallen sei, ohne, dass dies aus Sicht des Klägers gerechtfertigt gewesen sei. Aus Sicht des Klägers sei die variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2016 willkürlich auf 71,01 % festgesetzt worden, auf Nachfrage jedoch abgelehnt worden, das Ergebnis zu begründen und die Berechnung zu erläutern.

Der Kläger habe sich weiter im Mai 2017 intern auf eine freigewordene, für ihn passende Stelle im Vertriebsteam beworben. Jedoch habe er von dem zuständigen Vorgesetzten am 27.6.2017 die Mitteilung erhalten, dass das Management keine Besetzung einer freien Stelle mit dem Kläger unterstütze, wobei diese Linie von der Geschäftsführerin vorgegeben worden sei.

Die Klagepartei ist der Ansicht, dass die Beklagte aufgrund des eingetretenen Versicherungsfalles zu einer Deckungszusage verpflichtet sei.

Das Vorgehen des Arbeitgebers zur Herbeiführung einer Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger stelle einen Rechtsschutzfall dar. Der vom Bundesgerichtshof verlangte objektive Tatsachenkern, mit dem sich der Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbinde, sei gegeben. Der Arbeitgeber habe seit November 2016 durch eine Vielzahl von Maßnahmen gezielt auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedrungen. Der Arbeitgeber habe hierdurch deutlich gemacht, den Kläger nicht mehr vertragsgemäß beschäftigen und einzusetzen, sondern sich vielmehr von ihm trennen zu wollen.

Der alte Arbeitgeber habe den Kläger seit November 2016 durch Entziehung der betreuten Kunden rechtswidrig benachteiligt und ihm klar zu verstehen gegeben, dass man das Arbeitsverhältnis nicht fortführen wolle. Das Unterlassen der Zuordnung von Kunden für das Geschäftsjahr 2017 habe im Widerspruch zu den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung zur variablen Vergütung entsprechend der Anlage K5 gestanden, dort Ziffer 5.2.2. Dieses sei daher rechtswidrig und habe den Kläger zu dem ohne rechtfertigenden Grund gegenüber anderen, gleichrangigen Mitarbeitern benachteiligt. Die Zielvereinbarung für den Kläger habe vor diesem Hintergrund keine klaren und realistischen Ziele enthalten.

Das Bestreben des Arbeitgebers zeige sich auch in der Ablehnung der internen Bewerbung des Klägers im Juni 2017.

Durch den vermittelten Zeitdruck im Rahmen der Unterzeichnung des letztlich geschlossenen Abfindungsvertrages habe der Arbeitgeber gegen das aus der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht folgende Gebot des fairen Verhandelns verstoßen.

Dass dem Kläger mit der Vorlage des Aufhebungsvertrages wie auch sonst zu keinem Zeitpunkt eine Kündigung ausdrücklich angedroht worden sei, spreche nicht gegen das Vorliegen eines Rechtschutzfalls. Dies sei für das Vorliegen eines Rechtschutzfalls auch nicht erforderlich. Vielmehr zeige die Vielzahl und zeitliche Nähe der oben dargelegten Verstöße, dass der Arbeitgeber auch ohne ausdrückliche Kündigungsandrohung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezweckt habe.

Auf einen Willen des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zu beenden komme es jedoch für das Vorliegen eines Rechtschutzfalles auch nicht an, da etwa entsprechend der Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 19.7.2006, Az. 5 U 719/05 jeder tatsächlich objektiv feststellbare Vorgang ausreiche, der die Anbahnung eines Rechtskonflikts in sich trage und damit gewissermaßen bereits vorprogrammiert sei.

Ein Bestreiten des tatsächlichen Vorbringens des Klägers betreffend die Vorgeschichte des im August 2017 abgeschlossenen Aufhebungsvertrages sei für die Verteidigung gegen die Klage rechtlich unerheblich. Für die Festlegung des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalles komme es alleine auf die vom Versicherungsnehmer behauptete Pflichtverletzung des Anspruchsgegners an. Dies ergebe sich auch aus den Entscheidungen des BGH vom 24.4.2013, Az. IV ZR 23/12 und 25.2.2015, Az. IV ZR 214/14, dort Rn. 12. Ein Bestreiten oder Unstreitigstellen des klägerischen Tatsachenvortrags sei nicht entscheidungserheblich.

Der Bundesgerichtshof habe in der weiteren Entscheidung vom 19.11.2008, Az. IV ZR 305/07 auch darauf hingewiesen, dass das zugrundegelegte, weite Verständnis des Rechtsschutzfalles, bei dem wesentlich auf das Vorbringen des Versicherungsnehmers abgestellt wird, sein Korrektiv gegebenenfalls im Einwand mangelnder Erfolgsaussicht (§ 17 ARB 75) finden könne. Diesen Einwand habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt erhoben.

Gegenstand des hiesigen Verfahrens betreffend die Eintrittspflicht des Versicherers sei auch nicht die Feststellung der zutreffenden Berechnung der Gebühren des Klägervertreters. Diese könnten auf die Frage der Eintrittspflicht auch keinen Einfluss haben.

Der Kläger beantragt: Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem zwischen dem Kläger und der … GmbH Ende August 2017 geschlossenen Aufhebungsvertrag Rechtsschutzdeckung zu gewähren.

Die Beklagtenseite beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagtenseite bestreitet, dass seitens der Arbeitgeber des Klägers ab November 2016 wiederholt Anstrengungen unternommen worden seien, dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu verleiden und ihn zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bewegen und sich hierbei rechtswidriger Mittel bedient zu haben.

Die Gehaltsdetails betreffend das Festgehalt und das variable Gehalt würden bestritten, weiter, dass dem Kläger im Geschäftsjahr 2016 Kunden zugewiesen gewesen seien, die im Geschäftsjahr 2017 ihm entzogen worden seien. Gleiches gelte für die von Klägerseite behauptete Beschränkung seiner Arbeitstätigkeit auf Unterstützungsarbeiten und das Verbot von Dienstreisen. Weiter bestritten wurde das Vorbringen betreffend das Sales Letter für 2017 und eine rechtswidrige Benachteiligung betreffend die variable Vergütung 2016. Auch habe der Kläger insoweit nach Beratung durch den Klägervertreter die Angelegenheit nicht weiterverfolgt.

Betreffend die variable Vergütung 2017 sei diese entsprechend der Anlage B1 seitens des Arbeitgebers nachvollziehbar kommuniziert worden.

Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers betreffend die von Arbeitgeberseite angefragte Teilnahme am Programm des Arbeitgebers zum freiwilligen Ausscheiden.

Auch eine interne Bewerbung auf eine freie Stelle im Mai 2017 werde bestritten.

Die Beklagtenseite ist der Ansicht, dass eine gezielte Benachteiligung des Klägers durch den Arbeitgeber, aus welcher sich der unbedingte Wille des Arbeitgebers entnehmen lasse, das Arbeitsverhältnis in jedem Falle zu beenden, nicht erkennbar sei. Eine zwingende Zuordnung eigener Kunden lasse sich aus der Gesamtbetriebsvereinbarung zur variablen Vergütung nicht entnehmen. Gleiches gelte insoweit für einen Pflichtenverstoß oder eine Benachteiligung durch den Arbeitgeber.

Ein Rechtsschutzfall liege nicht vor, da hierfür nach § 14 Abs. 3 ARB 75 ein Versicherungsfall erst in dem Zeitpunkt als eingetreten gelte, in welchem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder Dritter begonnen habe oder begonnen haben solle, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Urteil des BGH vom 19.11.2008, Az. IV ZR 305/17.

Ein Rechtsverstoß des Arbeitgebers liege vor, wenn in Verbindung mit der Androhung einer Kündigung ein unbedingter Beendigungswille des Arbeitgebers zum Ausdruck komme. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da weder eine Kündigung in Aussicht gestellt noch mit einer Kündigung gedroht noch deutlich gemacht worden sei, dass das Arbeitsverhältnis, soweit kein Aufhebungsvertrag geschlossen werde, auf jeden Fall beendet werde. Aus den bestrittenen, von Klägerseite vorgetragenen Umständen lasse sich kein unbedingter Wille des Arbeitgebers ableiten, das Beschäftigungsverhältnis in jedem Falle beenden zu wollen. Die variable Vergütung 2017 habe außen vor zu bleiben.

Ein Bestreiten des klägerischen tatsächlichen Vorbringens mit Nichtwissen sei vorliegend zulässig, § 138 Abs. 4 ZPO. Dem Vortrag des Klägers fehle gerade der objektive Tatsachenkern. Eine etwaige Ablehnung einer internen Bewerbung könne vielfache Gründe haben, etwa das Vorhandensein eines besser geeigneten Bewerbers, eine Benachteiligung bei der variablen Vergütung habe nicht vorgelegen, da diese von dem zuständigen Gremium geprüft und festgelegt worden sei. Eine Kündigung sei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt in Aussicht gestellt oder konkret angedroht worden.

Wenn seitens des BGH selbst ausgeführt werde, dass die Androhung einer betriebsbedingten Kündigung, wenn ein unterbreitetes Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages abgelehnt wird einen Rechtsschutzfall auslösen könne, bedeute dies, dass selbst die kombinierte Androhung einer Kündigung nicht zwingend einen Rechtsschutzfall zur Folge habe. Vor diesem Hintergrund würden die von Klägerseite geschilderten Umstände, selbst wenn diese zutreffen sollten, für das Auslösen eines Rechtschutzfalles nicht ausreichen.

Die von Klägerseite angesetzten Streitwerte würden bestritten, die Gebühren seien nicht zutreffend berechnet.

Im Termin vom 25.7.2019 (Blatt 36-39) wurde der Kläger informatorisch angehört.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den weiteren Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Insbesondere ist das Amtsgericht München örtlich gem. §§ 12, 17 ZPO und sachlich gem. §§ 23 Nr. 1,71 GVG zuständig.

2. Die Klage ist auch in der hier stattgehabten Form als Feststellungsklage zulässig, da die Beklagtenseite ihre Eintrittspflicht dem Grunde nach bestreitet, obwohl diese besteht (siehe hierzu unten) und seitens des Klägervertreters aufgrund der vorgerichtlichen Beratung des Klägers diesem ein Kostenanspruch dem Grunde nach gegenüber dem Kläger zusteht, bezüglich dessen die gegenständliche Rechtschutzversicherung zur Kostenübernahme jedenfalls dem Grunde nach verpflichtet ist, § 256 ZPO.

Dies gilt aus Sicht des Gerichts auch dann, wenn eine Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch den Klägervertreter gegenüber dem Kläger noch nicht erfolgt ist. Ein Feststellungsinteresse ist nämlich gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers, wie vorliegend, eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen, vgl. Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 256, Rn. 39 ff. Gegenständlich ist das angestrebte Feststellungsurteil trotz der fehlenden Vollstreckbarkeit in der Hauptsache das am besten geeignete Mittel, um die zwischen den Parteien strittigen Fragen endgültig zu klären. Insofern ist hier, wie bei Versicherungsunternehmen üblich, davon auszugehen, dass sich die Beklagte einem Feststellungsurteil beugen wird, vgl. Münchner Kommentar zur ZPO, am angegebenen Ort, Rn. 55. Soweit die Höhe der seitens des Klägervertreters angesetzten Gebühren streitig ist, wäre über die tatsächlich der Höhe nach anzusetzenden Gebühren in einem (etwaigen) Rechtsstreit zwischen dem Kläger und dem Klägervertreter zu entscheiden, sodass eine Leistungsklage des Klägers gegen die Rechtsschutzversicherung mit Bindungswirkung, ohne vorab erfolgte verbindliche, gerichtliche Klärung im Verhältnis Klägervertreter und Kläger nicht möglich, die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen wäre, vgl. etwa die Ausführungen in BGH, Urteil vom 21.10.2015, Az. IV ZR 266/14. Über die Höhe der gesetzlichen Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts kann verbindlich nur im Verhältnis zwischen Anwalt und Versicherungsnehmer entschieden werden. Dies ist auch erforderlich und geboten, wenn Streit besteht, ob die Gebührenforderung des Anwalts berechtigt ist, weil der Versicherer lediglich verspricht, solche gesetzlichen Gebühren zu tragen, die tatsächlich entstanden sind. Ein Urteil im Prozess zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bindet den Anwalt nach allgemeiner Meinung nicht. Der Prozessbevollmächtigte des Versicherungsnehmers wäre also trotz eines (teilweise) klageabweisenden Urteils in jenem Prozess nicht gehindert seine (weitergehenden) Gebührenforderungen in einem Prozess gegen seine Mandanten durchzusetzen. Gegenstand der Deckungsklage ist grundsätzlich nur die Frage, ob der Versicherer für den betreffenden Vorgang bzw. das jeweilige Verfahren Deckungsschutz zu gewähren hat. Bestreitet der Versicherer, dass die Gebührenforderung des Rechtsanwalts (der Höhe nach) berechtigt ist, ist dies Mandatsverhältnis zu klären.

II. Die Klage ist auch begründet.

1. Betreffend die Passivlegitimation der Beklagten als Schadensabwicklungsunternehmen des Rechtsschutzversicherers ergibt sich diese in Form einer gesetzlichen Prozessstandschaft gem. § 126 Abs. 2 VVG, vgl. Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 126, Rn 7 ff.

2. Die Klage ist begründet, da die Beklagtenseite auf Grundlage des zwischen dem Kläger und dem Rechtschutzversicherer geschlossenen Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts verpflichtet ist, Deckung für die streitgegenständliche Konstellation zu gewähren.

a. Entsprechend der Entscheidung des BGH, Urteil vom 19.11.2008, Az. IV ZR 305/07, dort Rn Nr. 11 ist für die Festlegung des Sachverhaltes, der für die Prüfung des Vorliegens eines Rechtschutzfalles zugrundezulegen ist, ausschließlich der Klägervortrag zum Vorgehen des Arbeitgebers maßgeblich.

Der Rechtsschutzfall gilt nämlich gem. § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat „oder begonnen haben soll“ (vgl. BGH am angegebenen Ort, Rn. 12), gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Entscheidend sind alleine die Behauptungen des Versicherungsnehmers, mit denen er seinem Vertragspartner einen Pflichtenverstoß anlastet, vgl. BGH am angegebenen Ort, Rn. 19 am Ende.

Vielmehr ist aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ein Rechtsschutzfall im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB anzunehmen, wenn das Vorbringen des Versicherungsnehmers (1.) einen objektiven Tatsachenkern – im Gegensatz zu einem bloßen Werturteil – enthält, mit dem er (2.) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet und worauf er dann (3.) seine Interessenverfolgung stützt, vgl. BGH am angegebenen Ort, Rn. 20.

Betreffend den vorgetragenen Tatsachenkern muss dieser die Beurteilung erlauben, ob der damit beschriebene Vorgang den zwischen den Parteien ausgebrochenen Konflikt jedenfalls mit ausgelöst hat, also geeignet gewesen ist, den Keim für eine (zukünftige) rechtliche Auseinandersetzung zu legen. Weiterer qualifizierender Voraussetzungen bedarf es insoweit nicht, ein adäquater Ursachenzusammenhang reicht somit aus vgl. BGH am angegebenen Ort, Rn. 21.

Bei dem damit verbundenen Vorwurf ist auf die für den Verstoß gegebene Begründung abzustellen.

Auf dieser Grundlage löst bereits eine darin enthaltene bloße Behauptung eines Pflichtverstoßes, unabhängig von ihrer Berechtigung oder Erweislichkeit den Versicherungsfall aus, vgl. BGH am angegebenen Ort, Rn. 22. Auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptung in den jeweiligen Auseinandersetzungen kommt es dagegen nicht an. Erst recht spielt keine Rolle, ob es nach dieser Darstellung tatsächlich zu einem Verstoß gekommen ist, der dann auch noch den Vertragspartner bereits in seiner Rechtsposition beeinträchtigt. Entscheidend ist vielmehr, ob eine behauptete Pflichtverletzung zur Grundlage einer rechtlichen Streitigkeit wird. Das ist dann der Fall, wenn eine der streitenden Parteien den so umschriebenen – angeblichen – Verstoß der Gegenseite zur Stützung seiner Position heranzieht, vgl. BGH am angegebenen Ort.

Schon nach den Ausführungen des BGH ist somit zur Festlegung der zu beurteilenden Tatsachengrundlage alleine ein Vortrag, hier des Versicherungsnehmers, ausreichend, eine Beweisaufnahme mangels der Notwendigkeit einer abschließenden Klärung nicht erforderlich.

Dem Versicherer bleibt jedoch Sachlage der Einwand mangelnder Erfolgsaussicht (§ 17 ARB) unbenommen und der Versicherungsnehmer ist vor einer insoweit sonst drohenden – schleichenden – Aushöhlung des Leistungsversprechens bewahrt, vgl. BGH am angegebenen Ort, Rn. 23.

b. Vorliegend hat die Klagepartei schriftsätzlich und im Rahmen der informatorischen Anhörung im Termin vom 25.7.2019 (Blatt 36-39) vorgetragen, dass im Zusammenhang mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses als Vertriebsbeauftragter „Partner Business Manager“ vom Altarbeitgeber, der Hewlett-Packard GmbH auf den neuen Arbeitgeber, der Firma …. GmbH, beide Arbeitgeber seit November 2016 wiederholt Anstrengungen mit dem Ziel unternommen hätten, dem Kläger die Fortführung seines Arbeitsverhältnisses zu verleiden und ihn dadurch zu einer Zustimmung zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu bewegen, wobei sich beide rechtswidriger Mittel bedient hätten. Im Termin vom 25.7.2019 hat der Kläger informatorisch angegeben, dass ihm zu verstehen gegeben worden sei, dass er im Rahmen der von Arbeitgeberseite durchgeführten Restrukturierungsmaßnahmen, aufgrund seines Alters und des entsprechenden höheren Einkommens nicht mehr erwünscht sei.

Betreffend den vorgetragenen Tatsachenkern habe ihm sein Vorgesetzter, Herr …, zu dem er ein sehr gutes Verhältnis gehabt habe, mitgeteilt, dass von Seiten der Geschäftsführerin aus dem Kläger zu verstehen gegeben werden solle, dass er in diesem Unternehmen keine Funktion mehr ausüben könne. Er sei in seiner Abteilung der Einzige gewesen, der von dieser Restrukturierung betroffen gewesen sei. In der gleichen Rangstufe wie der Kläger seien in der entsprechenden Abteilung 4 weitere Personen beschäftigt gewesen, die jedoch weiter in der Abteilung verblieben seien. Der Kläger sei der Älteste dieser Personen gewesen.

Es sei so gewesen, dass er zunächst gefragt worden sei, ob er einen Auflösungsvertrag unterschreiben wolle.

Als er dies verneint habe, sei die Folge gewesen, dass er dann selbst keine Kunden mehr zugeteilt bekommen habe und seinen beiden Kollegen, die im gleichen Rang gestanden hätten, hätte zuarbeiten müssen.

Das Restrukturierungsprogramm habe zwar erst im Januar 2017 gestartet, er sei jedoch bereits vorher gefragt worden, ob er nicht das Arbeitsverhältnis auflösen wolle.

Betreffend die interne Bewerbung im Mai des Jahres 2017 sei dem Kläger nur mitgeteilt worden, dass es jemand anderes geworden sei. Ein Herr …. habe dem Kläger jedoch zu verstehen gegeben, dass aufgrund der Intervention der Geschäftsleitung der Kläger nicht berücksichtigt werden könne.

Über die variable Vergütung für das Jahr 2017 sei schon gesprochen worden, bevor die Personalabteilung erneut auf den Kläger zugekommen sei und ihn angesprochen habe, ob er nicht doch das Auflösungsprogramm wahrnehmen wolle.

Betreffend das Ausstiegsprogramm seien die Töpfe grundsätzlich erschöpft gewesen, es sei jedoch für ihn eine Ausnahme gemacht worden. Er habe den Auflösungsvertrag unterschrieben, da ein Verbleiben in der Unternehmung sicherlich perspektivlos und nicht mehr mit einem angenehmen Arbeiten verbunden gewesen sei.

Im Hinblick auf die variable Vergütung sei er gezielt benachteiligt worden. Das feste Gehalt des Klägers habe zuletzt jährlich 84.053,76 € betragen. Für das Geschäftsjahr 2017, vom 1.11.2016 bis 31.10.2017 habe die variable Vergütung, auf die der Kläger Anspruch gehabt hätte, bei 100 %iger Zielerreichung 56.379,55 € betragen, wobei sich das Verfahren der Ermittlung und Überprüfung der variablen Vergütung aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 31. 10. 2011 (Anlage K5) ergebe.

Zu Beginn des vorherigen Geschäftsjahres 2016 habe der Vorgesetzte des Klägers diesem eine Liste von Kunden übermittelt, die dem Kläger zugewiesen gewesen seien. Durch den Vertrieb von Software-Produkten an die zugewiesenen Kunden habe der Kläger die in dem Sales Letter für das Geschäftsjahr 2016 vorgesehenen Vertriebsziele erreichen sollen.

Kurz nach Beginn des Geschäftsjahres 2017 seien dem Kläger entsprechend einer E-Mail seines Vorgesetzten vom 22. 11. 2016 (Anlage K6) keinerlei Kunden zugewiesen gewesen, auch nicht die im Vorjahr zugewiesenen Kunden. Im Rahmen einer Besprechung am 23. 11. 2016 habe der Vorgesetzte dem Kläger erklärt, dass er aufgrund interner Vorgaben für das laufende Geschäftsjahr 2017 dem Kläger keine Kunden zuweisen könne und gehalten sei, die bisher vom Kläger bearbeiteten Kunden auf andere Partner Business Manager zu verteilen. Der Kläger habe auch keine Dienstreisen mehr Unternehmen dürfen, was bis dahin üblich gewesen sei. Neue Aufgabe des Klägers habe es sein sollen, die anderen Partner Business Manager, die im an sich gleich geordnet gewesen sein, bei der Bearbeitung der Kunden und dem Abschluss von Geschäften zu unterstützen.

Nachdem von Klägerseite der Sales Letter, welche ihm zunächst nicht übersandt worden sei, nach Erhalt am 20.12.2016 intern aus verschiedenen Gründen beanstandet und Änderungen verlangt habe, sei am 31. 1. 2017 ein neues Sales Letter ausgestellt worden, wobei die neue Fassung von der vorherigen nicht wesentlich abgewichen habe und dem Kläger wiederum kein einziger Kunde zugewiesen gewesen sei.

Ohne zugeordnete Kunden sei es dem Kläger jedoch nicht möglich, die gesetzten Ziele zu erreichen. Eine Zustimmung des Klägers zu diesem abgeänderten Sales Letter sei nicht erfolgt, vielmehr habe der Kläger im Geschäftsjahr 2017 weiter Kunden bearbeitet und „Sonderaufgaben“ wahrgenommen, ohne der zuständige Partner Business Manager zu sein.

Weiter habe eine Mitarbeiterin der Personalabteilung den Kläger Anfang Februar 2017 darauf angesprochen, ob er an einem Ausscheiden im Rahmen des freiwilligen Programms interessiert sei, was Ende des Jahres 2016 aufgelegt worden sei, um es Mitarbeitern zu ermöglichen, durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages im Zeitraum vom 1.1.2017 bis 31.3.2017 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Während der Annahmefrist bis Ende März 2017 sei jedoch keine Einigung auf ein Ausscheiden des Klägers zustande gekommen. Am 21.7.2017 sei der Kläger erneut auf die Möglichkeit der Teilnahme am freiwilligen Programm angesprochen worden. Am 16.8.2017 habe eine Mitarbeiterin der Personalabteilung den Kläger nochmals telefonisch angefragt, ob er doch teilnehmen wolle.

3. Unter Zugrundelegung des von Klägerseite vorgetragenen Tatsachenkerns, nämlich dem Unterbreiten der Möglichkeit des Abschlusses eines Auflösungsvertrages und diverse, zeitnahe, ungerechtfertigt benachteiligende Maßnahmen nach der zunächst von Seiten des Versicherungsnehmers erfolgten Ablehnung, nämlich in Form der Entziehung von zuvor zugeteilten Kunden, und der damit verbundenen, negativen Auswirkungen auf die Zielerreichung, die maßgeblich für die Bestimmung der Höhe des variablen Gehalts für das entsprechende Geschäftsjahr ist, die stattdessen erfolgte Zuweisung von Unterstützungsarbeiten betreffend zuvor nominell und tatsächlich gleichrangig behandelte Kollegen, die Untersagung von zuvor üblichen Dienstreisen, die nicht erfolgte Berücksichtigung im Rahmen einer internen Stellenbewerbung auf Initiative der Geschäftsleitung mit der Vorgabe, dass der Kläger im Unternehmen nichts mehr werden könne, dem Umstand, dass alleine für den Kläger die Möglichkeit der Teilnahme am Ausstiegsprogramms nach dessen Ablauf eröffnet wurde, jeweils vordem Hintergrund, dem Kläger zu verstehen zu geben, dass er aufgrund seines Alters und dem hieraus resultierenden erhöhten Einkommen im Unternehmen nicht mehr erwünscht sei und der in diesem Zusammenhang erfolgten, erneuten Unterbreitung eines Auflösungsvertrages stellt die Behauptung eines Verstoßes des Arbeitgebers/der Arbeitgeber gegen die Fürsorgepflicht und damit einen Rechtsschutzfall in Abgrenzung zur bloßen vorsorglichen Beratung zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Klägervertreters ab dem 16.8.2017 dar, vgl. hierzu Harbauer, Rechtschutzversicherung, 9. Aufl. 2018, § 4 ARB 2010 Rn. 106 ff.

Ein Rechtsverstoß ist zunächst jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang, der die Anbahnung eines Rechtskonflikts in sich trägt. Der Rechtsstreit ist ein jedenfalls latent vorhanden und damit gewissermaßen bereits vorprogrammiert, vgl. BGH, Urteil vom 28.9.2005, Az. IV ZR 106/04; OLG Saarbrücken Urteil vom 19.7.2006, Az. 5 U 719/05.

Das Gericht teilt insbesondere die Auffassung, dass das Angebot eines Arbeitgebers zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages nur noch in Ausnahmefällen keinen Rechtsverstoß darstellt, nämlich dann, wenn der Versicherungsnehmer auch aus Laien-Sicht nicht ernsthaft einen Rechtsverstoß behaupten kann, vgl. Harbauer am angegebenen Ort, Rn. 110. In der Regel wird ein Arbeitgeber bei verständiger Würdigung aller Umstände nur solchen Mitarbeitern ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags unterbreiten, bei denen er zu dem Schluss gekommen ist, dass ihm deren weitere Beschäftigung keine äquivalenten Vorteile gegenüber den bestehenden und zukünftigen Verpflichtungen des Arbeitgebers verspricht.

Das OLG Saarbrücken hat in der Entscheidung vom 19.7.2006, Az. 5 U 719/05, festgehalten, dass bei Androhung einer verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Kündigung jedenfalls von einem Verstoß gegen § 4 Abs. 1c ARB in der dortigen Fassung auszugehen sei, da hier der Arbeitgeber zum Ausdruck bringe, dass er an den durch Vertrag begründeten Leistungspflichten, nämlich dem Versicherungsnehmer im Rahmen der Beschäftigungspflicht Arbeit bereitzustellen nicht mehr festhalten, sondern das Vertragsverhältnis auf jeden Fall beenden will. Ein unbedingter Beendigungswille als notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Rechtschutzfalles wegen Verstoßes gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis hat das OLG Saarbrücken jedoch gerade nicht formuliert.

Vielmehr wurde in dem Urteil zutreffend ausgeführt, dass der Arbeitsvertrag gem. § 611 BGB dem Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 Grundgesetz zum Schutz der Persönlichkeit eine Pflicht auferlegt, die Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers zu fördern. Ein derartiger Verstoß gegen die Förderungspflichten oder Fürsorgepflicht kann aus Sicht des Gerichts jedoch auch dann vorliegen, wenn eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang dem Vorschlag eines Abschlusses eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber nicht offen angedroht wird.

Insbesondere wird aus Sicht des Gerichts die Fürsorgepflicht verletzt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu verstehen gibt, dass er zuvor nicht bestehenden Benachteiligungen ausgesetzt wird, falls er sich nicht bereit erklärt, einer Auflösung des Vertrages zuzustimmen. Insoweit ist eine konkludente Erklärung des Arbeitgebers notfalls auch durch Schikanemaßnahmen den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags bewegen zu wollen nicht anders zu behandeln als im Falle einer offenen Androhung einer Kündigung. Ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann auch in der Verletzung des Gebots des fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrages liegen, insbesondere, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine frei unüberlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erheblich erschwert, vgl. etwa BAG, Urteil vom 7.2.2019, Az 6 AZR 75/18. Auch kann entsprechend der Entscheidung des Ombudsmann für Versicherungen vom 23.3.2004 – 8499/2002-K zutreffenderweise die Ankündigung benachteiligender Maßnahmen (Mobbing) auch ohne konkrete Androhung einer Kündigung einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht und damit einen Rechtsschutzfall darstellen.

Der alleine maßgebliche Vortrag der Klagepartei begründet vor diesem Hintergrund einen Rechtschutzfall, da von Klägerseite behauptet wird, dass nach Ablehnung einer entsprechenden Anfrage des Arbeitgebers diverse und ungerechtfertigte Maßnahmen zur Schlechterbehandlung des Klägers erfolgt wären und ihm vermittelt worden sei, dass er aufgrund seines Alters und dem entsprechenden höheren Einkommen in der Unternehmung nicht mehr erwünscht und dann im nahen zeitlichen Zusammenhang von einigen Monaten eine nur für ihn ermöglichte Teilnahme an einem bereits geschlossenen Ausstiegsprogramm eröffnet worden sei. In diesem Zusammenhang sind mehrere gleichgerichtete und eng zusammenhängende Einzelakte rechtlich zu einer Einheit zusammenzufassen und demgemäß als Dauerverstoß anzusehen, jedenfalls wenn nach dem Tatsachenvortrag des Versicherungsnehmers, so wie hier, ein Dauerverstoß vorliegt, vgl. Harbauer am angegebenen Ort, Rn. 114. Maßgeblich ist auch nicht, dass die arbeitsrechtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit Aufhebungsangeboten möglicherweise nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsverstoß bejahen würde. Vielmehr ist dieser rein versicherungsrechtlich zu bestimmen, vgl. aus Sicht des Gerichts zutreffend Harbauer am angegebenen Ort, Rn. 106, Mitte 1. Absatz.

Nach dem maßgeblichen Vortrag des Klägers wurde seitens des Arbeitgebers/der Arbeitgeber in mehreren Kernbereichen des Arbeitsverhältnisses, nämlich sowohl im Bereich der variablen Vergütung, als auch im Hinblick auf eine mögliche Veränderung der Arbeitstätigkeit in Bezug auf eine interne Bewerbung als auch betreffend die konkrete Tätigkeit des Klägers im Hinblick auf den Arbeitsvertrag und seine Tätigkeit im Vergleich zu gleichrangig stehenden Kollegen eine ungerechtfertigte Schlechterbehandlung nach Ablehnung der von Arbeitgeberseite erfolgten von Seiten des Klägers zunächst abgelehnten Anfrage auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages durchgeführt, verbunden mit einer erneuten Anfrage von Seiten des Arbeitgebers nach Ablauf etwa eines halben Jahres, wobei von Seiten des Arbeitgebers ein eigentlich bereits geschlossenes Programm nur zur Ermöglichung des Ausscheidens des Klägers wieder eröffnet wurde.

Damit war in jedem Fall auch der Kern für eine oder sogar diverse Rechtsstreitigkeiten mit dem Arbeitgeber gelegt. Dies wurde wohl auch von Beklagtenseite jedenfalls betreffend die Frage der variablen Vergütung so gesehen, da unstreitig Deckungsschutz sowohl für eine Streitigkeit des Klägers mit dem Arbeitgeber betreffend das außergerichtliche Vorgehen im Hinblick auf die variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2016 als auch für 2017 gewährt wurde, wenn auch die Deckungsanfrage betreffend Letzteres erst nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages erfolgte und betreffend die variable Vergütung 2016 von Klägerseite die Angelegenheit nicht weiterverfolgt wurde.

III. Die Entscheidung über die Kosten fußt auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 709 ZPO. Die Sicherheitsleistung war vorliegend entsprechend dem von Klägerseite angesetzten Streitwert von Euro 3399,12 festzusetzen, vgl. Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 709, Rn. 8.

Die Festsetzung des Streitwertes erfolgte gem. § 3 ZPO. Da vorliegend im Rahmen der Ermessensausübung zunächst das Angreiferinteresse maßgeblich ist, vgl. Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 3 Rn. 5 war die Berechnung des Klägervertreters zugrundezulegen, wonach für die streitgegenständlich angefallene, jedoch noch nicht abgerechnete Tätigkeit eine 1,3 Geschäftsgebühr sowie eine 1,5 Einigungsgebühr samt Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer auf Grundlage einer Jahreszielvergütung von zuletzt 140.433,31 €, damit einem Gegenstandswert von 35.108,83 €, somit einem Nennbetrag von 3.399,12 € auszugehen ist.

Soweit von Beklagtenseite sowohl hinsichtlich der angesetzten Gebühren als auch betreffend die Höhe der Jahreszielvergütung Einwände vorgebracht wurden und die entsprechenden Beträge von Beklagtenseite mit Nichtwissen bestritten worden, waren diese aus Sicht des Gerichts vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen betreffend das Feststellungsinteresse nicht berücksichtigungsfähig. Letztlich wird es Sache eines gegebenenfalls notwendigen Rechtsstreites zwischen dem Kläger und dem Klägervertreter sein, mit entsprechender Bindungswirkung festzustellen, welche Gebühren tatsächlich geschuldet werden. Für die Feststellung des Streitwertes im hiesigen Verfahren können diese Einwände letztlich keine Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Gerichts auch nicht angezeigt, einen ansonsten bei positiven Feststellungsklagen, wie vorliegend, üblicherweise erfolgenden pauschalen Abzug von 20 % vorzunehmen.

 

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