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Resturlaub trotz Dauererkrankung: Wann der Verfall ausgehebelt wird und eine Abmahnung unwirksam bleibt

Ein Urteilsspruch des Arbeitsgerichts Nordhausen befasst sich mit der brisanten Frage, ob Urlaubstage bei langer Krankheit einfach verfallen können. Eine Mitarbeiterin und ihr Arbeitgeber stritten sich dabei nicht nur um ungenutzten Resturlaub, sondern auch um die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung wegen angeblich missachteter neuer Regeln. Wie weit reichen hier die Informationspflichten des Arbeitgebers, um Ansprüche zu verwirken und Verwarnungen auszusprechen?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Ca 41/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: ArbG Nordhausen
  • Datum: 19.07.2023
  • Aktenzeichen: 2 Ca 41/23
  • Verfahren: Klageverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Urlaubsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Klägerin, eine langjährige Arbeitnehmerin, forderte die Feststellung ihres Resturlaubsanspruchs aus dem Jahr 2021 und die Entfernung einer gegen sie erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte.
  • Beklagte: Die Beklagte, der Arbeitgeber, lehnte den Urlaubsanspruch der Klägerin ab, da dieser nach internen Regelungen verfallen sei. Sie erteilte der Klägerin eine Abmahnung wegen Nichteinhaltung einer neuen Dienstanweisung.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Die Klägerin, seit Oktober 2021 ununterbrochen erkrankt, konnte fünf geplante Urlaubstage aus 2021 nicht nehmen. Die Beklagte verneinte den Anspruch auf diese Tage mit Verweis auf Verfallsregelungen. Zudem erhielt die Klägerin eine Abmahnung, da sie eine neue Dienstanweisung zur Krankmeldung nicht befolgt haben soll, deren Zugang sie bestritt.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Steht der Klägerin ein Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 2021 zu, obwohl sie dauerhaft erkrankt ist und der Arbeitgeber den Verfall behauptet, und war die gegen sie erteilte Abmahnung wegen Nichteinhaltung einer neuen Dienstanweisung wirksam, deren Zugang die Klägerin bestreitet?

Wie hat das Gericht entschieden?

  • Klage stattgegeben: Das Gericht stellte den Resturlaubsanspruch fest und verpflichtete die Beklagte zur Rücknahme der Abmahnung.
  • Kernaussagen der Begründung:
    • Urlaubsanspruch verfällt nicht ohne Arbeitgeberhinweis: Der Arbeitgeber kam seiner gesetzlichen Pflicht nicht nach, die Arbeitnehmerin rechtzeitig und explizit auf den drohenden Verfall des Urlaubs hinzuweisen. Diese Hinweispflicht besteht auch bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
    • Einheitlichkeit des Urlaubs und Intransparenz der AVR-Regelung: Die internen kirchlichen Regelungen zum Urlaubsverfall waren intransparent, da sie nicht klar zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und Zusatzurlaub unterschieden. Daher galt die Hinweispflicht für den gesamten Urlaubsanspruch.
    • Zugang der Dienstanweisung nicht bewiesen: Die Abmahnung ist unwirksam, da der Arbeitgeber den Nachweis, dass die Arbeitnehmerin die neue Dienstanweisung kannte, nicht erbringen konnte. Weder der Nicht-Rücklauf des Briefes noch die Nutzung einer neuen E-Mail-Adresse reichten als sicherer Beweis für die Kenntnisnahme aus.
  • Folgen für die Klägerin:
    • Ihr Resturlaubsanspruch von 5 Tagen aus dem Jahr 2021 wurde bestätigt.
    • Die erteilte Abmahnung muss aus ihren Personalunterlagen entfernt werden.

Der Fall vor Gericht


Was passiert mit meinem Urlaub, wenn ich lange krank bin?

Stellen Sie sich vor, Sie haben noch Resturlaub aus dem letzten Jahr, werden aber plötzlich für viele Monate krank. Verfallen diese wertvollen Tage einfach? Und was, wenn Ihr Arbeitgeber während Ihrer Abwesenheit neue Regeln einführt und Ihnen eine Abmahnung schickt, weil Sie sich nicht daran gehalten haben – obwohl Sie von den neuen Regeln vielleicht gar nichts wussten? Genau mit diesen Fragen musste sich das Arbeitsgericht Nordhausen in einem Urteil befassen.

Worum ging es in diesem Fall genau?

Fokus auf Urlaubsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit und beruflicher Regelung.Fokus auf Urlaubsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit und beruflicher Regelung.
Urlaubsansprüche trotz Krankheit: Was Sie über Ihre Rechte bei Arbeitsunfähigkeit wissen sollten, um Ihren wohlverdienten Urlaub auch nach einer Auszeit antreten zu können. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall drehte sich um zwei zentrale Konflikte zwischen einer langjährigen Mitarbeiterin, nennen wir sie Frau W., und ihrem Arbeitgeber.

Erstens ging es um fünf Urlaubstage aus dem Jahr 2021. Frau W. war seit dem 4. Oktober 2021 ununterbrochen krankgeschrieben und konnte diesen Urlaub nicht mehr nehmen. Ihr Arbeitgeber war der Meinung, diese Tage seien längst verfallen. Frau W. sah das anders und forderte, dass ihr diese Tage weiterhin zustehen.

Zweitens erhielt Frau W. im Februar 2023 eine Abmahnung. Eine Abmahnung ist eine formelle Rüge des Arbeitgebers, mit der er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers beanstandet und für den Wiederholungsfall mit einer Kündigung droht. Der Vorwurf: Sie habe sich bei einer Krankmeldung nicht an eine neue Dienstanweisung gehalten. Diese Anweisung war erst zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten, also zu einem Zeitpunkt, als Frau W. bereits lange abwesend war. Frau W. bestritt, diese neue Anweisung jemals erhalten zu haben und forderte, dass die Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernt wird.

Warum stritten die beiden Parteien um den Resturlaub?

Der Kern des Streits lag in der Frage, wann und unter welchen Umständen Urlaub verfällt. Um das zu verstehen, müssen wir uns die gegensätzlichen Positionen ansehen.

Der Arbeitgeber argumentierte, dass der Urlaub nach den internen Regeln, den sogenannten Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), längst verfallen sei. Diese Regeln sahen vor, dass Urlaub, der wegen Krankheit nicht genommen werden kann, bis zu einem bestimmten Datum im Folgejahr (z.B. 30. April oder 30. Juni) verfällt. Zudem meinte der Arbeitgeber, dass die jüngste Rechtsprechung, die strenge Pflichten für Arbeitgeber vorsieht, nur den gesetzlichen Mindesturlaub betreffe. Den habe Frau W. aber bereits genommen. Bei den strittigen fünf Tagen handle es sich um zusätzlichen, vertraglichen Urlaub, für den die strengen Schutzregeln nicht gelten.

Frau W. hielt dagegen. Sie berief sich auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Diese Gerichte haben klargestellt, dass Urlaub grundsätzlich nur dann verfallen kann, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter rechtzeitig und unmissverständlich darauf hingewiesen hat. Man spricht hier von der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers. Das bedeutet, der Arbeitgeber hat die Pflicht, aktiv darauf hinzuwirken, dass seine Angestellten ihren Urlaub auch wirklich nehmen können. Er muss sie konkret auffordern, den Urlaub zu beantragen, und sie klar darüber informieren, dass der Urlaub andernfalls verfällt. Genau das hatte der Arbeitgeber von Frau W. im Jahr 2021 aber versäumt.

Und was war das Problem mit der Abmahnung?

Hier ging es um eine neue Dienstanweisung, die der Arbeitgeber Ende Dezember 2022 erlassen hatte. Sie besagte, dass sich Mitarbeiter ab dem 1. Januar 2023 bei einer Krankmeldung zuerst persönlich am Telefon beim Vorgesetzten melden müssen. Zusätzlich sollte eine E-Mail mit der Krankmeldung an eine neu eingerichtete E-Mail-Adresse geschickt werden.

Der Arbeitgeber warf Frau W. vor, sich am 1. Februar 2023 nur per E-Mail und nicht, wie in der neuen Anweisung gefordert, telefonisch krankgemeldet zu haben. Dafür erhielt sie die Abmahnung.

Frau W.s Verteidigung war einfach: Sie behauptete, die Dienstanweisung nie erhalten zu haben. Sie war zu dieser Zeit krank und teilweise auf einer Mutter-Kind-Kur. Wie hätte sie also von der neuen Regel wissen sollen? Der Arbeitgeber wiederum behauptete, ihr die Anweisung per Post geschickt zu haben. Da der Brief nicht zurückkam, müsse er auch angekommen sein. Außerdem habe Frau W. die neue E-Mail-Adresse für ihre Krankmeldung genutzt – ein Beweis dafür, dass sie die Anweisung gelesen haben muss.

Wie hat das Gericht über den Urlaubsanspruch entschieden?

Das Gericht gab Frau W. vollständig recht. Es stellte fest, dass ihr die fünf Resturlaubstage aus dem Jahr 2021 weiterhin zustehen. Der Urlaubsanspruch ist also nicht verfallen.

Warum ist der Urlaubsanspruch laut Gericht nicht verfallen?

Die Begründung des Gerichts ist einleuchtend und folgt einer klaren juristischen Logik. Der entscheidende Punkt war die fehlende Mitwirkung des Arbeitgebers.

Das Gericht stellte klar, dass ein Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachkommen muss. Das ist keine nette Geste, sondern eine rechtliche Verpflichtung. Ein allgemeiner Appell, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen, reicht nicht aus. Der Arbeitgeber muss jeden einzelnen Mitarbeiter konkret und rechtzeitig darauf hinweisen, dass sein individueller Urlaubsanspruch am Ende des Jahres oder kurz danach zu verfallen droht.

Im Fall von Frau W. war genau das im Jahr 2021 nicht passiert. Der Arbeitgeber hatte sie nicht gewarnt. Deshalb konnte ihr Urlaubsanspruch gar nicht erst beginnen zu verfallen. Der Hinweis, den der Arbeitgeber dann Ende 2022 nachholte, kam zu spät. Zu diesem Zeitpunkt war Frau W. bereits dauerhaft krank und hatte keine Möglichkeit mehr, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Ein Hinweis war daher nutzlos.

Das Gericht wies auch das Argument des Arbeitgebers zurück, die Hinweispflicht gelte nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Die Richter schauten sich die internen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Arbeitgebers genau an und stellten fest:

  • Die Regelungen in den AVR unterscheiden selbst nicht klar zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und zusätzlichem Urlaub. Sie erwecken den Eindruck, dass es sich um einen einzigen, einheitlichen Urlaubsanspruch handelt.
  • Wenn eine solche Regelung für den Arbeitnehmer unklar ist, gilt sie als intransparent. Das ist vergleichbar mit unverständlichem Kleingedruckten in einem Vertrag. Eine intransparente Klausel ist nach dem Gesetz (§ 307 BGB) unwirksam.
  • Daher konnte sich der Arbeitgeber nicht auf seine eigenen Verfallsregeln berufen, und die Schutzpflichten galten für den gesamten Urlaub von Frau W.

Der Einwand des Arbeitgebers, ein Hinweis wäre wegen der Krankheit sowieso ins Leere gelaufen, überzeugte das Gericht ebenfalls nicht. Es gehört zum unternehmerischen Risiko, dass Mitarbeiter krank werden. Hätte der Arbeitgeber seine Pflicht im Jahr 2021 erfüllt, als Frau W. noch teilweise arbeitete, hätte die 15-monatige Verfallsfrist für Langzeiterkrankte zu laufen beginnen können. Da er dies versäumte, bleibt der Anspruch bestehen.

Wieso wurde auch die Abmahnung für unwirksam erklärt?

Auch bei der Abmahnung folgte das Gericht der Argumentation von Frau W. und erklärte die Abmahnung für unzulässig. Der Arbeitgeber wurde verurteilt, sie aus der Personalakte zu entfernen.

Der Grund ist ein fundamentaler Grundsatz im Recht: Wer einen Vorwurf erhebt, muss ihn auch beweisen können. Juristen sprechen hier von der Beweislast. Der Arbeitgeber hatte Frau W. vorgeworfen, gegen eine Dienstanweisung verstoßen zu haben. Also musste er beweisen, dass Frau W. diese Anweisung überhaupt kannte.

Diesen Beweis konnte der Arbeitgeber nicht erbringen.

  • Sein Argument, der Brief sei zugestellt worden, weil er nicht zurückkam, ließ das Gericht nicht gelten. Ein normaler Brief kann auf dem Postweg verloren gehen, ohne dass der Absender davon erfährt. Es ist kein sicherer Zustellungsnachweis.
  • Auch die Tatsache, dass Frau W. die neue E-Mail-Adresse verwendet hatte, war für das Gericht kein zwingender Beweis. Das Gericht hielt es für absolut plausibel, dass Frau W. die neue Adresse auf einem anderen Weg erfahren haben könnte, zum Beispiel durch einen Anruf bei einer Kollegin. Der Arbeitgeber konnte nicht belegen, dass die Kenntnis der E-Mail-Adresse nur durch das Lesen der gesamten Dienstanweisung möglich war.

Da der Arbeitgeber also nicht beweisen konnte, dass Frau W. von den neuen Verhaltensregeln wusste, konnte sie auch nicht schuldhaft dagegen verstoßen haben. Ohne eine Pflichtverletzung ist eine Abmahnung aber rechtswidrig und muss zurückgenommen werden.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen verdeutlicht fundamentale Schutzprinzipien für Arbeitnehmer bei Urlaubsansprüchen und Abmahnungen im Kontext von Langzeiterkrankungen.

  • Arbeitgeber tragen aktive Hinweispflicht: Das Urteil bestätigt, dass Urlaubsansprüche nur dann verfallen können, wenn Arbeitgeber jeden einzelnen Mitarbeiter konkret und rechtzeitig über den drohenden Verfall informieren – allgemeine Appelle genügen nicht.
  • Intransparente Vertragsklauseln sind unwirksam: Wenn Arbeitsvertragsrichtlinien nicht klar zwischen gesetzlichem und zusätzlichem Urlaub unterscheiden, können sich Arbeitgeber nicht auf diese Verfallsregelungen berufen.
  • Beweislast bei Abmahnungen liegt beim Arbeitgeber: Wer einem Mitarbeiter einen Pflichtenverstoß vorwirft, muss zweifelsfrei beweisen können, dass dieser die entsprechende Regelung überhaupt kannte – ein einfacher Postversand ohne Zustellungsnachweis reicht dafür nicht aus.

Diese Entscheidung stärkt die Position von langzeiterkrankten Arbeitnehmern erheblich und unterstreicht die Sorgfaltspflichten von Arbeitgebern bei der Kommunikation wichtiger arbeitsrechtlicher Informationen.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Verfallen Urlaubsansprüche bei längerer Krankheit automatisch?

Urlaubsansprüche verfallen bei längerer Krankheit nicht automatisch. Der Anspruch auf Urlaub bleibt in der Regel bestehen, auch wenn Arbeitnehmer ihn aufgrund einer anhaltenden Krankheit nicht nehmen konnten.

Damit ein Urlaubsanspruch verfallen kann, ist es entscheidend, dass der Arbeitgeber seiner sogenannten „Mitwirkungsobliegenheit“ nachgekommen ist. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter konkret auffordern, den Urlaub zu nehmen, und sie klar darauf hinweisen, dass der Urlaub sonst verfallen wird. Erst wenn diese Pflicht erfüllt ist, beginnt die Verfallsfrist überhaupt zu laufen.

Im Falle einer längeren Krankheit kann der Urlaubsanspruch selbst dann, wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflicht erfüllt hat, frühestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen. Hat der Arbeitgeber diesen Hinweis jedoch versäumt, bleibt der Anspruch bestehen, da der Verfall gar nicht erst eintreten kann. Dies gilt oft nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für zusätzlichen vertraglichen Urlaub, sofern die betrieblichen Regelungen keine klare Unterscheidung treffen.

Arbeitnehmer sollten daher bei Unsicherheit über ihren Resturlaub nach langer Krankheit ihren Arbeitgeber aktiv darauf ansprechen.


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Welche Informationspflichten hat ein Arbeitgeber bezüglich des Verfalls von Urlaubsansprüchen?

Ein Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter aktiv und konkret informieren, damit deren Urlaubsansprüche überhaupt verfallen können. Ohne diesen speziellen Hinweis bleibt der Urlaubsanspruch bestehen und kann nicht am Jahresende oder zu einem späteren Zeitpunkt automatisch verfallen.

Diese sogenannte „Mitwirkungsobliegenheit“ oder „Hinweispflicht“ bedeutet, dass ein Arbeitgeber nicht einfach abwarten darf. Er muss aktiv darauf hinwirken, dass seine Mitarbeiter ihren Urlaub nehmen. Ein allgemeiner Hinweis, den Urlaub zu nehmen, ist dabei nicht ausreichend.

Der Arbeitgeber ist vielmehr verpflichtet, jeden einzelnen Mitarbeiter konkret über dessen individuellen, noch offenen Urlaubsanspruch zu informieren, ihn ausdrücklich zur Urlaubsnahme aufzufordern und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass der Urlaub andernfalls verfällt. Diese Pflicht gilt in der Regel nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für zusätzlichen, vertraglich zugesicherten Urlaub, wenn die Betriebsregelungen hier keine klaren Unterscheidungen treffen und somit intransparent sind.

Um rechtliche Nachteile zu vermeiden, sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter dokumentiert und individuell über ihren jeweiligen Urlaubsanspruch und den drohenden Verfall informieren.


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Wie müssen neue Dienstanweisungen oder interne Regeln kommuniziert werden, damit sie für alle Mitarbeiter verbindlich sind, auch für abwesende?

Neue Dienstanweisungen oder interne Regeln sind für Mitarbeiter nur dann verbindlich, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, dass der Mitarbeiter sie tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Dies gilt uneingeschränkt auch für abwesende Mitarbeiter.

Der Arbeitgeber trägt die sogenannte Beweislast dafür, dass eine neue Regelung den Arbeitnehmer erreicht hat. Ein bloßer Versand per Post, auch wenn der Brief nicht zurückkommt, gilt vor Gericht nicht als sicherer Zustellungsnachweis. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Brief verloren gegangen ist.

Auch die alleinige Tatsache, dass ein Mitarbeiter eine neue Information aus der Anweisung, wie eine E-Mail-Adresse, genutzt hat, beweist nicht zwingend, dass er die gesamte Dienstanweisung gelesen und deren Inhalt vollständig erfasst hat. Die Kenntnis der Regelung könnte auch auf anderem Wege, etwa durch eine Kollegin, erlangt worden sein.

Nur wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der Mitarbeiter die neue Regel wirklich kannte, kann ein Verstoß dagegen als Pflichtverletzung angesehen werden. Ohne diesen Nachweis ist eine darauf basierende Abmahnung rechtswidrig und muss aus der Personalakte entfernt werden. Daher ist es für Arbeitgeber entscheidend, die Zustellung wichtiger neuer Regeln sorgfältig zu dokumentieren.


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Wann ist eine Abmahnung wegen angeblichen Fehlverhaltens unwirksam?

Eine Abmahnung wegen angeblichen Fehlverhaltens ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass der Mitarbeiter die angeblich missachtete Regel überhaupt kannte. Ohne den Nachweis dieser Kenntnis kann keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen, die eine Abmahnung rechtfertigen würde.

Im Arbeitsrecht trägt der Arbeitgeber die sogenannte Beweislast dafür, dass ein vorgeworfenes Fehlverhalten tatsächlich eine Pflichtverletzung war und der Mitarbeiter die zugrundeliegende Regel kannte. Dies ist besonders wichtig, wenn neue Anweisungen eingeführt wurden und der Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Einführung beispielsweise krankheitsbedingt abwesend war.

Ein einfacher Brief ohne Empfangsbestätigung oder die Nutzung einzelner Informationen, wie einer neuen E-Mail-Adresse, reicht oft nicht aus, um zu beweisen, dass die vollständige neue Anweisung bekannt war. Kann der Arbeitgeber die Kenntnis der Regel durch den Mitarbeiter nicht eindeutig belegen, ist die Abmahnung unzulässig und muss aus der Personalakte entfernt werden.


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Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei der Urlaubsplanung?

Die bereitgestellte Wissensbasis enthält keine Informationen über die Rolle des Betriebsrats bei der Urlaubsplanung oder dessen spezifische Mitwirkungsrechte in diesem Kontext. Der vorliegende Text konzentriert sich auf andere arbeitsrechtliche Fragen.

Die Wissensbasis befasst sich ausführlich mit der Verfallsproblematik von Urlaubstagen bei langer Krankheit und der Notwendigkeit einer klaren Hinweispflicht des Arbeitgebers. Ebenso wird die Gültigkeit von Abmahnungen bei fehlender Kenntnis neuer Dienstanweisungen durch den Arbeitnehmer thematisiert, insbesondere die Beweispflicht des Arbeitgebers in solchen Fällen.

Der Inhalt erläutert somit die rechtlichen Pflichten und Risiken für Arbeitgeber sowie die Rechte von Arbeitnehmern in Bezug auf Urlaubsansprüche und Dienstanweisungen, jedoch ohne die Beteiligung oder die Funktion eines Betriebsrats in diesen Prozessen zu behandeln.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar für Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht: Der Schriftzug 'Glossar' vor dem Foto einer belebten Baustelle

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abmahnung

Eine Abmahnung ist eine formelle Rüge des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer, mit der ein konkretes Fehlverhalten oder eine Pflichtverletzung beanstandet wird. Sie dient dazu, den Arbeitnehmer unmissverständlich auf das unerwünschte Verhalten hinzuweisen und ihn gleichzeitig für den Wiederholungsfall mit rechtlichen Konsequenzen, insbesondere einer Kündigung, zu warnen. Sie ist somit eine notwendige Vorstufe für eine verhaltensbedingte Kündigung.
Beispiel: Frau W. erhielt eine Abmahnung, weil sie sich angeblich nicht an eine neue Dienstanweisung zur Krankmeldung gehalten hatte, die der Arbeitgeber erlassen hatte.

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Beweislast

Die Beweislast regelt im Recht, welche der am Rechtsstreit beteiligten Parteien die Verpflichtung hat, die Wahrheit einer behaupteten Tatsache vor Gericht zu beweisen. Kann die beweisbelastete Partei den Nachweis nicht erbringen, so wird die behauptete Tatsache als nicht existent angenommen, was zu einem Nachteil für diese Partei führt. Im Fall der Abmahnung musste der Arbeitgeber beweisen, dass Frau W. die neue Dienstanweisung kannte, da er ihr einen Verstoß vorwarf.
Beispiel: Wenn ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter vorwirft, Firmeneigentum gestohlen zu haben, muss der Arbeitgeber den Diebstahl beweisen; kann er dies nicht, gilt der Vorwurf als nicht erwiesen.

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Hinweispflicht

Die Hinweispflicht ist eine spezifische Ausprägung der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers im Urlaubsrecht. Sie verpflichtet den Arbeitgeber, seine Mitarbeiter aktiv und individuell darüber zu informieren, wie viel Urlaub ihnen noch zusteht und dass dieser verfallen kann, wenn er nicht fristgerecht genommen wird. Ein solcher konkreter Hinweis ist zwingend erforderlich, damit der Urlaubsanspruch überhaupt verfallen kann. Ohne diesen Hinweis bleibt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaub bestehen.
Beispiel: Der Arbeitgeber muss am Ende des Jahres jeden Mitarbeiter schriftlich auf seinen individuellen Resturlaub und das drohende Verfallsdatum hinweisen und ihn zur Beantragung auffordern.

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Intransparenz

Intransparenz im Vertragsrecht bezeichnet die Unklarheit oder Unverständlichkeit von Vertragsbedingungen, insbesondere in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Eine Klausel ist intransparent, wenn sie wesentliche Rechte und Pflichten des Vertragspartners so ungenau oder unklar formuliert, dass dieser ihre wirtschaftlichen oder rechtlichen Auswirkungen nicht verlässlich beurteilen kann. Nach deutschem Recht (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) sind intransparente Klauseln in der Regel unwirksam, das heißt, sie haben keine Gültigkeit.
Beispiel: Eine interne Arbeitsvertragsrichtlinie, die nicht klar zwischen gesetzlichem und zusätzlichem vertraglichem Urlaub unterscheidet und dadurch unklar lässt, welche Verfallsfristen gelten, kann als intransparent und somit unwirksam angesehen werden.

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Mitwirkungsobliegenheit

Die Mitwirkungsobliegenheit ist eine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers im Arbeitsrecht, aktiv darauf hinzuwirken, dass seine Mitarbeiter ihre Rechte, insbesondere den Anspruch auf Erholungsurlaub, auch tatsächlich wahrnehmen können. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht passiv bleiben darf, sondern die Voraussetzungen schaffen und die notwendigen Informationen bereitstellen muss, damit der Arbeitnehmer seinen Urlaub nehmen kann. Sie ist die Grundlage für die detailliertere Hinweispflicht bezüglich des Urlaubsverfalls.
Beispiel: Zum Beispiel muss ein Arbeitgeber ausreichend Personal einplanen, um Urlaubsanträge zu ermöglichen, und Mitarbeiter auf ihren Resturlaub aufmerksam machen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Arbeitgeberseitige Mitwirkungsobliegenheit und Hinweispflicht beim Urlaubsanspruch (EuGH- und BAG-Rechtsprechung): Das ist die Pflicht des Arbeitgebers, seine Mitarbeiter aktiv darauf hinzuweisen, dass ihr Urlaubsanspruch droht, zu verfallen. Er muss sie konkret auffordern, ihren Urlaub zu nehmen, und klar darüber informieren welche Konsequenzen eine Nichtnahme hätte. Diese Pflicht soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer ihren gesetzlich geschützten Urlaubsanspruch auch tatsächlich wahrnehmen können und er nicht unbemerkt verfällt.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Arbeitgeber von Frau W. es versäumt hatte, sie im Jahr 2021 konkret und rechtzeitig auf den drohenden Verfall ihres Urlaubs hinzuweisen, konnte ihr Urlaubsanspruch für 2021 nicht verfallen. Der spätere Hinweis kam zu spät, da Frau W. zu diesem Zeitpunkt bereits lange krankgeschrieben war und den Urlaub nicht mehr nehmen konnte.

  • Transparenzgebot bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) (§ 307 BGB): Dieses Gebot besagt, dass Vertragsbedingungen (wie hier interne Arbeitsvertragsrichtlinien) klar und verständlich formuliert sein müssen. Wenn eine Klausel unklar, missverständlich oder überraschend ist, benachteiligt sie den Vertragspartner unangemessen und ist deshalb unwirksam. Dies schützt vor „Kleingedrucktem“, das für Laien nicht nachvollziehbar ist.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Arbeitsvertragsrichtlinien des Arbeitgebers unterschieden nicht klar zwischen gesetzlichem und zusätzlichem vertraglichem Urlaub. Diese Unklarheit führte dazu, dass die Verfallsregeln als intransparent und somit unwirksam angesehen wurden. Dadurch konnte sich der Arbeitgeber nicht auf seine eigenen Verfallsfristen berufen, und die Schutzvorschriften für den Urlaub galten für alle strittigen Tage.

  • Beweislast (Allgemeiner Rechtsgrundsatz): Die Beweislast ist ein fundamentaler Rechtsgrundsatz, der besagt, dass die Partei, die eine Behauptung aufstellt oder sich auf eine bestimmte Tatsache beruft, diese Tatsache auch beweisen muss. Kann der Beweis nicht erbracht werden, wirkt sich das zu Ungunsten der beweisbelasteten Partei aus.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Bei der Abmahnung trug der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass Frau W. die neue Dienstanweisung kannte. Da er dies nicht eindeutig beweisen konnte (weder durch den Postversand noch durch die Nutzung der E-Mail-Adresse), konnte Frau W. keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden.

  • Wirksamkeit einer Abmahnung (Arbeitsrechtliche Rechtsprechung): Eine Abmahnung ist ein arbeitsrechtliches Instrument, um ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers förmlich zu rügen und für den Wiederholungsfall eine Kündigung anzudrohen. Sie ist jedoch nur wirksam, wenn tatsächlich eine konkrete und vorwerfbare Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorliegt, die dieser auch kannte oder hätte kennen müssen.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Arbeitgeber nicht beweisen konnte, dass Frau W. von der neuen Dienstanweisung wusste, lag keine vorwerfbare Pflichtverletzung vor. Somit war die Abmahnung rechtswidrig und musste aus der Personalakte von Frau W. entfernt werden.


Das vorliegende Urteil


ArbG Nordhausen – Az.: 2 Ca 41/23 – Urteil vom19.07.2023


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