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Rückforderung von Fortbildungskosten – Auslegung einer Rückforderungsklausel

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 1 Sa 503/19 – Urteil vom 11.10.2019

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 27.03.2019 – 1 Ca 2177/18 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die klagende Arbeitgeberin fordert vom beklagten Arbeitnehmer Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten.

Auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.01.2015 beschäftigte die Klägerin den Beklagten seit dem 15.01.2015 als Gesundheits- und Krankheitspfleger. Am 22.06.2016 schlossen die Parteien einen „Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel“ (im Folgenden: Fortbildungsvertrag), auf dessen Basis der Beklagte vom 01.11.2016 bis zum 31.10.2018 eine Fachweiterbildung Intensivpflege/Anästhesie mit integrierter Ausbildung zum Praxisanleiter (DKG) absolvierte, die er bereits Ende September 2018 erfolgreich abschloss. Während des Lehrgangs wurde der Beklagte in einem Umfang von 670 Stunden unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt, um an der Fortbildung teilnehmen zu können. Die dafür anfallenden Vergütungskosten bezifferte die Klägerin mit 15.235,48 €. Die Kosten des Lehrgangs waren in der Fortbildungsvereinbarung mit 5.300,00 € angegeben. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 12.07.2018 ordentlich und fristgerecht zum 30.09.2018.

Der Fortbildungsvertrag regelt in § 2 Folgendes:

 „§2 Rückzahlungspflicht

(1) Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die der Ev.Krankenhausgemeinsch. Ig GmbH entstandenen Auswendungen für die Weiterbildung, einschließlich der für die Zeit der Freistellung gezahlte Vergütung, zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung der Fortbildung auf Wunsch dem Mitarbeiter (sic!) beendet wird oder das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat oder ordentlich aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird. Ebenfalls liegt eine Rückzahlungsverpflichtung für den gleichen Zeitraum vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch dessen vertragswidriges Verhalten veranlasst im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird.“

Mit Schreiben vom 17.07.2018 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die von ihr verauslagten Fortbildungskosten in Höhe von 17.112,90 € bis zum 30.09.2018 zurückzuzahlen. Die Klägerin verrechnete in der Folge einen Teilbetrag mit Gegenansprüchen und machte zuletzt einen noch offenen Betrag in Höhe von 13.628,15 € geltend.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, § 2 Abs. 1 des Fortbildungsvertrages sei dahingehend zu verstehen, dass lediglich die grundlose Kündigung aus freien Stücken zu einer Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichte. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Begriffe „Wunsch des Mitarbeiters“ in der Fortbildungsvereinbarung einheitlich auszulegen seien. So halte § 1 Abs. 2 Satz 1 des Fortbildungsvertrages fest, dass die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung auf Wunsch des Beklagten erfolge. Die in § 2 Abs. 1 des Fortbildungsvertrages vereinbarte Formulierung sei gleichermaßen zu verstehen. Gewollt hätten die Parteien, dass nur eine ohne Einflussnahmen der Klägerin ausgelöste Eigenkündigung des Beklagten zur Rückzahlung verpflichte. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich der einzelnen Rückzahlungsalternativen, die § 2 Abs. 1 des Fortbildungsvertrages enthalte. Der Beklagte wäre demgemäß nicht zur Rückzahlung verpflichtet gewesen, sofern die Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus ihrer Sphäre gestammt hätten. § 2 Abs. 1 des Fortbildungsvertrages sei vor diesem Hintergrund nicht unangemessen benachteiligend i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 13.628,15 € zuzüglich Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, er habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil er nach C umgezogen sei, um dort einen nahen Familienangehörigen besser pflegen zu können. Er hat die Auffassung vertreten, § 2 des Fortbildungsvertrages benachteilige ihn unangemessen. Die Rückzahlungsklausel differenziere nicht ausreichend nach dem Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Klausel sei auch nicht teilbar. Auch im Wege eines sogenannten Blue-Pencil-Tests könne die Wirksamkeit der Klausel nicht hergestellt werden.

Mit Urteil vom 27.03.2019 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. § 2 Abs. 1 des Fortbildungsvertrages sei einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB zu unterziehen. Die Klausel benachteilige den Beklagten unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es sei unzulässig, die Rückzahlungsverpflichtung schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Es müsse vielmehr nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Das sei hier nicht der Fall. Die Klausel sei auch nicht teilbar, weshalb sie insgesamt unwirksam sei.

Gegen das der Klägerin am 08.04.2019 zugestellte Urteil richtet sich deren am 11.04.2019 eingegangene und innerhalb der bis zum 08.07.2019 verlängerten Frist an diesem Tag begründete Berufung. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass mit der Rückzahlungsklausel in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Fortbildungsvertrages nur die grundlose Eigenkündigung des Mitarbeiters aus freien Stücken erfasst werden solle.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Herne vom 27.03.2019 – 1 Ca 2177/18 – den Beklagten zu verurteilen, an sie 13.628,15 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen, insbesondere auf die arbeitsvertraglichen Unterlagen der Parteien (Bl. 12 bis 18 d.A.) und den Fortbildungsvertrag (Bl. 20f d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

I. Die Berufung der Klägerin ist nach dem Wert ihres Beschwerdegegenstandes zulässig, § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Die Klägerin hat die Berufung im Übrigen nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 11.04.2019 rechtzeitig gegen das am 08.04.2019 zugestellte Urteil sowie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist form- und fristgerecht i. S. d. §§ 520 Abs. 3, 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 S. 3, 5 ArbGG am 08.07.2019 begründet.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der eingeklagte Betrag in Höhe von 13.628,15 € gegen den Beklagten nicht zu.

Sie kann diesen Anspruch insbesondere nicht auf § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Fortbildungsvertrages vom 22.06.2016 stützen. Danach ist der Beklagte zur Rückzahlung innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung der Fortbildung verpflichtet, sofern das Arbeitsverhältnis „auf Wunsch des Mitarbeiters“ beendet wird.

1. Das Berufungsgericht vermag der Klägerin nicht zu folgen, ist sie der Auffassung, im Wege der Auslegung ergebe sich, dass diese Formulierung nur eine auf einem „grundlosen Wunsch des Mitarbeiters“ beruhende und „aus freien Stücken“ ausgesprochene Eigenkündigung erfasse, nicht jedoch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den beklagten Arbeitnehmer, die ihre Ursache in der Sphäre des Arbeitgebers habe.

a) Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass es sich bei dem Fortbildungsvertrag vom 22.06.2016 um allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. §§ 305 ff. BGB handelt. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht – ohne dass die Berufung dem entgegengetreten ist – zutreffend ausgeführt, dass es sich beim Fortbildungsvertrag um einen Vertrag zwischen der Klägerin als Unternehmerin und dem Beklagten als Verbraucher i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB mit der Folge handelt, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen als von der Klägerin i. S. d. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB gestellt gelten und damit auch die Bestimmungen der §§ 305 c Abs. 2 sowie 307 BGB Anwendung finden.

b) Die in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Fortbildungsvertrages enthaltene Rückzahlungsklausel bedarf der Auslegung. Der dort verwandte Begriff „Wunsch“ hat für sich gesehen keinen rechtlichen Gehalt. Klauseln sind so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (BAG 23.03.2017 – 6 AZR 705/15; 19.03.2008 – 5 AZR 429/07; ErfKom/Preis, 19. Auflage 2019, §§ 305 – 310 BGB Rn 31).

aa) Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartners zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut selbst (BAG 14.09.2011 – 10 AZR 526/10). Nach dem Vertragswortlaut soll eine Rückzahlungsverpflichtung dann eintreten, wenn das Arbeitsverhältnis „auf Wunsch des Mitarbeiters“ beendet wird. Unter einem „Wunsch“ ist nach der Bedeutung des Wortes ein Begehren zu verstehen, dass jemand hegt oder auch äußert, dessen Erfüllung er mehr erhofft als durch eigene Anstrengungen zu erreichen versucht. Das von den Vertragsparteien in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Fortbildungsvertrages verwandte Wort „Wunsch“ ist angesichts dessen ausgesprochen ungeeignet, für eine Klarheit in der Rechtsbeziehung der Parteien zu sorgen. Der Hinweis der Klägerin, eine gleiche Formulierung hätten die Parteien in § 1 Abs. 2 des Fortbildungsvertrages gewählt, führten sie dort aus, dass die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung „auf Wunsch des Mitarbeiters“ erfolge, ist nicht behilflich. Insoweit lässt sich lediglich anmerken, dass diese Formulierung im dortigen Kontext passender erscheint, denn sie macht deutlich, dass der Beklagte vor Abschluss der Fortbildungsvereinbarung lediglich ein Begehren hat äußern können, an einer solchen Fortbildung im eigenen Interesse teilnehmen zu wollen.

bb) Der Wortsinn des in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Fortbildungsvertrages verwandten Begriffs „Wunsch“ erschließt sich nur im systematischen Zusammenhang mit den weiteren Alternativen, die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Fortbildungsvertrages eine Rückzahlungsverpflichtung auslösen sollen. Dies sind Beendigungstatbestände, die auf eine Kündigung der klagenden Arbeitgeberin zurückzuführen sind, und zwar fristlose Kündigungen aus wichtigem Grund, die der Mitarbeiter zu vertreten hat, oder solche aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen. Die Rückzahlungsklausel in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Fortbildungsvertrages steht damit systematisch in einem Zusammenhang mit Beendigungstatbeständen, die auf Kündigungen als einseitige, gestaltende Willenserklärungen zurückgehen. Das auf „Wunsch des Mitarbeiters“ beendete Arbeitsverhältnis ist damit der auf eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers zurückzuführende Beendigungstatbestand. Dies ergibt sich auch aus einem Abgleich mit der Regelung in § 2 Abs. 1 S. 2 der Fortbildungsvereinbarung. Dort ist die Rückzahlungspflicht in Abgrenzung zu einseitigen Beendigungstatbeständen für den Fall einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses geregelt. So scheint es auch die Klägerin zu sehen, die an die vom Beklagten ausgesprochene Eigenkündigung die Rechtsfolge der Rückzahlungsverpflichtung knüpft.

cc) Die Formulierung „auf Wunsch des Mitarbeiters“ erschöpft sich ausschließlich in diesem Auslegungsergebnis. Die Formulierung erfasst damit unterschiedslos eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die auf eine Kündigung zurückzuführen ist, die der beklagte Arbeitnehmer ausgesprochen hat, unabhängig davon, welche Gründe die Eigenkündigung motiviert haben.

Die Kammer vermag nicht zu sehen, dass die gewählte Formulierung eine solche Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht erfassen soll, die ihre Ursache in einem vertragswidrigen Verhalten der klagenden Arbeitgeberin gehabt hätte. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenspiel der Rückzahlungstatbestände in § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Fortbildungsvereinbarung. Erfasst Satz 1 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch fristlose, verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigung, regelt Satz 2 dieser Bestimmung nur die Situation, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst haben. Die Arbeitgeberin hat damit sehr wohl nach den Gründen differenzieren können und wollen, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, ohne dieser Differenzierung allerdings Ausdruck zu verleihen, soweit es um die Eigenkündigung des Arbeitnehmers geht. Damit ergibt sich für die Kammer das eindeutige Auslegungsergebnis, dass die Arbeitsvertragsparteien in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. der Fortbildungsvereinbarung die Rückzahlungsverpflichtung des beklagten Arbeitnehmers für jeden Fall der Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses geregelt haben, ohne nach dem Grund für eine solche Eigenkündigung zu differenzieren. Angesichts dieses klaren Auslegungsergebnisses bedarf es nicht erforderlich, die Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB zu bemühen, die ohne Relevanz ist, wenn sich bereits ein eindeutiges Auslegungsergebnis ergibt.

2. Mit diesem eindeutigen Auslegungsergebnis hält § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative der Fortbildungsvereinbarung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 nicht stand. Die Klausel benachteiligt den beklagten Arbeitnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen. Die Bestimmung ist damit unwirksam.

a) Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen unterliegen einer Inhaltskontrolle i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB. Diese findet nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur bei solchen allgemeinen Geschäftsbedingungen statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Zu diesen Vorschriften und Regelungen zählen alle Gesetze im materiellen Sinne, eben auch richterrechtlich entwickelte Rechtsgrundsätze (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Auflage 2019, § 307 Rn 51). Darunter fallen auch solche Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12; 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 13.12.2011 – 3 AZR 791/09; LAG Hamm, 18.05.2018 – 1 Sa 49/18). § 2 des Fortbildungsvertrages legt hier die Umstände der Hauptleistungspflichten aus der Fortbildungsvereinbarung fest. Durch den mit der Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck wird eine von der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1, 2 GG abweichende Regelung vereinbart und damit von einer Rechtsvorschrift abgewichen (vgl. BAG 18.11.2008 – 3 AZR 192/07; 23.01.2007 – 9 AZR 482/06; LAG Hamm 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; 10.09.2017 – 7 Sa 633/10).

b) Der Wirksamkeit der auf Rückzahlung der aufgewandten Fortbildungskosten ausgerichteten Klausel in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Fortbildungsvertrages steht § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. Die Rückzahlungsklausel benachteiligt den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weshalb sie unwirksam ist und ersatzlos entfällt. Sie ist auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten.

Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung müssen sich Rückzahlungsklauseln, die als allgemeine Geschäftsbedingungen formuliert sind, nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daran messen lassen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB sind dabei angemessen zu berücksichtigen (vgl. nur BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12; 21.08.2012 – 3 AZR 698/10; 18.11.2008 – 3 AZR 192/07; 23.01.2007 – 9 AZR 482/06; 11.04.2001 – 9 AZR 610/05; LAG Hamm 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; 09.03.2012 – 7 Sa 1500/11; 14.11.2011 – 7 Sa 1386/10; 10.09.2010 – 7 Sa 633/10; Hoffmann, NZA, RR 2015, 337, 338; Meier/Mosig, NZA 2008, 1168, 1169; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406; Schmidt, NZA 2004, 1002; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, 5. Auflage 2015, II A 120 Rz 17 ff; ErfKom – Preiss, 19. Auflage 2019, §§ 305 – 310 BGB Rn 94; Suckow/Striegel/Niemann-Suckow, Der vorformulierte Arbeitsvertrag 2011, Rn 577; Lakies, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 2014, Rn 787).

Vorformulierte Rückzahlungsklauseln sind dann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu beachten und auszugleichen (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 28.09.2017 – 8 AZR 67/17; 27.07.2010 – 3 AZR 777/09; LAG Hamm 18.05.2018 – 1 Sa 49/18).

Wenn auch einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig sind (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 18.03.2008 – 9 AZR 186/07; 11.04.2006 – 9 AZR 610/05; 24.06.2004 – 6 AZR 383/08; LAG Hamm 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; 09.03.2017 – 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 – 7 Sa 1386/10), sind sie jedenfalls dann unwirksam, wenn sie die grundgesetzlich über Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers unzulässig einschränken. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und andererseits die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden (LAG Hamm 18.05.2018, 1 Sa 49/18). Die rechtlich anerkannten Interessen des Arbeitnehmers werden dann nicht ausreichend beachtet, wenn die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist geknüpft wird. Es ist vielmehr erforderlich, dass nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert wird (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 18.03.2014 – 9 AZR 545/12; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12).

Im Wege der Auslegung wurde festgestellt, dass die Rückforderungsklausel nach § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative des Fortbildungsvertrags nicht danach differenziert, aus welchen Gründen die Eigenkündigung des beklagten Arbeitnehmers ausgesprochen worden ist. Die Klausel erfasst deshalb auch eine Kündigung des Arbeitnehmers, die auf Gründe zurückzuführen ist, die in der Sphäre des Arbeitgebers wurzeln – z. B. in dessen vertragswidrigem Verhalten. Anerkennens- und billigenwerte Interessen der klagenden Arbeitgeberin, eine Klausel mit einem solchen Inhalt aufzustellen, sind indes nicht ersichtlich. Dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des beklagten Arbeitnehmers (vgl. BAG, 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 13.12.2011 – 3 AZR 791/09; 18.03.2014 – 9 AZR 545/12; 11.04.2006 – 9 AZR 610/05). Denn in einer solchen Situation nimmt der Arbeitgeber durch die aus seiner Sphäre ausgelösten Kündigungsgründe dem beklagten Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen (BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12).

3. Der Klägerin kann nicht gefolgt werden, ist sie der Auffassung, die Rückzahlungsklausel sei – wie auch immer – teilbar. Die Klausel schafft mit ihrer Formulierung, eine auf den „Wunsch des Arbeitnehmers“ zurückgehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses löse die Rechtsfolge einer Rückzahlung aus, einen einheitlichen und in sich geschlossenen Regelungszusammenhang, der die Beendigung des Arbeitsvertrages durch eine Arbeitnehmerkündigung undifferenziert erfasst. Würde man entsprechend dem Blue-Pencil-Test die Passage „auf Wunsch des Mitarbeiters“ aus § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative des Fortbildungsvertrages streichen, entfiele die Anspruchsgrundlage für die Klägerin insgesamt (vgl. BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 18.03.2014 – 9 AZR 545/12).

4. Die Rückforderungsklausel in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative des Fortbildungsvertrages kann auch nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass der beklagte Arbeitnehmer nur bei einer Eigenkündigung aus Gründen, die seinem Verantwortungsbereich unterliegen, mit einer Rückforderung belastet wird. Eine geltungserhaltene Redaktion allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nicht möglich (BAG 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 13.12.2011 – 3 AZR 791/09; LAG Hamm, 18.05.2018 – 1 Sa 49/18).

5. Auch scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus. Der Klägerin steht ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Rückzahlungsklausel mit einem zulässigen Inhalt nicht zu. So war im Zeitpunkt der Verwendung der Klausel im Jahre 2016 bereits seit lange bekannt, dass eine Rückzahlungsklausel unwirksam ist, die an Beendigungstatbestände eine Rückzahlungspflicht knüpft, deren Ursache der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist (vgl. nur BAG 28.05.2013 – 3 AZR 103/12 m.w.N.).

6. Ohne Bedeutung ist es auch, wendet die Klägerin ein, im konkreten Fall habe sie keine Veranlassung für den Ausspruch einer Eigenkündigung durch den beklagten Arbeitnehmer gegeben. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Rückforderungsklausel, die sich einer AGB-Kontrolle unterziehen muss, ist es unerheblich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der aufgrund unzureichender Differenzierung fehlenden und deshalb zur unangemessenen Benachteiligung führenden Klausel gegeben sind. So missbilligen die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB bereits den Umstand, dass inhaltlich unangemessene Formularklauseln gestellt worden sind, ohne dass es auf deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall ankommt (BAG, 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12).

7. Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Beklagte kann einen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten auch nicht auf die §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB stützen. Der Beklagten hat die gewährte Fortbildung sowie die in diesem Zusammenhang aufgewandten Kosten nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, sondern auf der Basis der – mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel nach § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. der Fortbildungsvereinbarung – wirksamen Fortbildungsvereinbarung (vgl. BAG 06.08.2013 – 9 AZR 442/12; LAG Hamm 18.05.2018 – 1 Sa 49/18).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Gründe für eine Zulassung der Revision i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG lagen nicht vor. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen waren nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch weicht das Urteil nicht von einer Entscheidung eines der in § 72 Abs. 2 Ziffer 2 genannten Gerichte ab.

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