Skip to content

Rückzahlung überzahlter Vergütung – Kenntnis der Nichtschuld

Arbeitgeber zahlt Arbeitnehmerin über 33.000 Euro zu viel – Arbeitsgericht kürzt Rückzahlungsforderung

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschied, dass die Beklagte Überzahlungen von Vergütungen für den Zeitraum Mai 2005 bis Juni 2007 zurückzahlen muss. Der Anspruch des Klägers verfiel nicht aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist, da der Beklagten ein Verstoß gegen die Treuepflicht und unzulässige Rechtsausübung vorgeworfen wurde. Sie hatte versäumt, den Arbeitgeber über offensichtliche Fehler bei der Vergütungsberechnung zu informieren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 Sa 28/11   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Streit um Rückzahlung: Zentraler Gegenstand des Falles war die Rückforderung überzahlter Vergütungen durch den Kläger.
  2. Vertragliche Verpflichtungen: Laut Arbeitsvertrag war die Beklagte zur Rückzahlung überzahlter Dienstbezüge verpflichtet.
  3. Fehler in der Vergütungsberechnung: Die Beklagte wurde trotz reduzierter Arbeitszeit in der Altersteilzeit als Vollzeitkraft vergütet.
  4. Kommunikationsdefizit: Die Beklagte informierte den Arbeitgeber nicht über den offensichtlichen Berechnungsfehler.
  5. Unzulässige Rechtsausübung: Das Gericht sah in der Nichtinformation der Beklagten einen Verstoß gegen die Treuepflicht und wertete dies als unzulässige Rechtsausübung.
  6. Verfall der Ansprüche: Trotz Überschreitung der tariflichen Ausschlussfrist fielen die Ansprüche des Klägers nicht unter die Verfallklausel.
  7. Anteilige Schuldzuweisung: Das Gericht berücksichtigte auch organisatorische Mängel aufseiten des Klägers bei der Entscheidung über die Rückzahlung.
  8. Endurteil: Die Beklagte wurde zur Zahlung eines Teils der überzahlten Vergütungen plus Zinsen verurteilt, wobei die genaue Höhe anteilig berechnet wurde.

Rückforderung überzahlter Vergütungen im Arbeitsrecht

rückzahlung gehalt nach kündigung
(Symbolfoto: chaylek /Shutterstock.com)

Arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind ein wesentlicher Bestandteil des beruflichen Lebens. Ein häufiges Thema in diesem Bereich ist die Rückzahlung überzahlter Vergütungen, die verschiedene rechtliche Fragen aufwirft. In solchen Fällen stehen oft die Vertragstreue und die Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Mittelpunkt.

Die Komplexität dieser Fälle ergibt sich nicht nur aus den zugrunde liegenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen, sondern auch aus den besonderen Umständen jedes Einzelfalls. Wesentliche Aspekte wie Tarifverträge, die Kenntnis oder Nichtschuld der beteiligten Parteien und die jeweiligen vertraglichen Verpflichtungen spielen eine zentrale Rolle. Diese Faktoren beeinflussen maßgeblich, ob und in welchem Umfang Rückzahlungen gefordert werden können und welche rechtlichen Konsequenzen daraus resultieren.

Rückforderung Überzahlter Vergütungen: Ein Fall für das Arbeitsgericht

Der Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg verhandelt wurde, dreht sich um die Rückforderung überzahlter Vergütungen. Eine Arbeitnehmerin, seit 1980 bei ihrem Arbeitgeber, dem Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz, beschäftigt, stand im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung. Laut ihrem Arbeitsvertrag, der die Geltung des BAT (Bundes-Angestelltentarifvertrag) einschloss, war sie verpflichtet, Überzahlungen von Dienstbezügen zurückzuzahlen. In dem fraglichen Zeitraum von Januar 2002 bis August 2002 reduzierte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitszeit auf 75%, erhielt aber ab September 2002 – nach einer Vereinbarung über ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis – weiterhin volle Vergütungen, als wäre sie vollbeschäftigt.

Die Chronologie der Überzahlungen und deren Aufdeckung

Die Problematik begann, als die Beklagte ab September 2002 trotz reduzierter Arbeitszeit als Vollzeitkraft geführt und entsprechend vergütet wurde. Dieser Zustand blieb bis Juni 2007 unverändert, woraufhin die Beklagte mit Schreiben darauf hingewiesen wurde, dass sie für den Zeitraum von September 2002 bis Juni 2007 Überzahlungen erhalten habe. Der Gesamtbetrag dieser Überzahlungen belief sich auf über 20.000 Euro. Eine wichtige Wendung erfuhr der Fall durch ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung, welches darauf hinwies, dass Angaben zur Altersteilzeit in den Versicherungsunterlagen der Beklagten fehlten. Dies führte dazu, dass der Kläger erstmalig von der Altersteilzeit Kenntnis erlangte und die Überzahlungen offiziell geltend machte.

Rechtliche Komplexität: Verfallfristen und Treuepflichten

Im Kern des rechtlichen Problems stand die Frage, ob die Ansprüche des Klägers aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen seien. Der Kläger hatte die Rückzahlung nicht innerhalb der Frist geltend gemacht, was normalerweise zum Verfall der Ansprüche geführt hätte. Das Landesarbeitsgericht stellte jedoch fest, dass der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, gemäß § 242 BGB, der Berufung auf den Ablauf der Ausschlussfrist entgegensteht. Der Vorwurf lag darin, dass die Beklagte, in Kenntnis des Irrtums des Arbeitgebers, diesen nicht informiert und somit gegen ihre Treuepflicht verstoßen hatte.

Das Urteil: Eine Frage der gerechten Lastenverteilung

Das Gericht entschied, dass die Beklagte grundsätzlich zur Rückzahlung der Überzahlungen für die Monate Mai 2005 bis Juni 2007 verpflichtet ist. Interessanterweise wurde auch der Beitrag des Klägers zur Entstehung der Situation berücksichtigt. Aufgrund organisatorischer Mängel auf seiner Seite wurden die Überzahlungen nicht rechtzeitig erkannt. Das Gericht legte daher eine Quote von 60% der Überzahlungen auf die Beklagte um. Dies führte zu einem zuzusprechenden Betrag von 19.936,57 Euro für den Kläger. Die Entscheidung beruhte auf einer differenzierten Betrachtung von Treuepflicht und Verantwortung beider Parteien und spiegelt die komplexe Natur arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen wider, in denen nicht nur schwarz-weiß geurteilt werden kann, sondern eine Abwägung aller Umstände erforderlich ist.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Rückzahlung Gehalt nach Kündigung

Bei einer ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber das Gehalt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterzahlen. Wenn sich herausstellt, dass die Kündigung unwirksam ist und der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage eingereicht hat, muss der Arbeitgeber auch für die Monate, in denen der Arbeitnehmer zu Hause war und den Prozess betrieben hat, den Lohn zahlen. Dies nennt man Annahmeverzugslohn.

Im Falle einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung erlischt der Anspruch auf die Zahlung von Gehalt zum Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis beendet wird. Das Gehalt für im Vorfeld geleistete Arbeit wird jedoch noch ausgezahlt. Stellt sich im Zuge einer Kündigungsschutzklage heraus, dass die fristlose Kündigung unwirksam war, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, das Gehalt für die gesamte Zeit ab der Entlassung nachzuzahlen.

Bei einer Rückforderung von zu viel gezahltem Entgelt darf der Arbeitgeber grundsätzlich den Nettolohn vom Arbeitnehmer zurückfordern und sich die zu viel gezahlten Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge vom Finanzamt und Sozialversicherungsträger zurückholen.

Sollten Arbeitnehmer noch Ansprüche auf Vergütung von Urlaubsansprüchen oder Mehrarbeitsstunden haben, so hat der Arbeitgeber auch diese am Ende des Arbeitsverhältnisses abzurechnen und auszugleichen. Der Urlaub, der am Ende der Kündigungsfrist nicht genommen werden konnte, ist dann in Geld auszubezahlen.

Inwiefern beeinflusst das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) arbeitsrechtliche Urteile?

Das Prinzip von Treu und Glauben, verankert in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Rechtssystems. Es legt fest, dass alle vertraglichen Pflichten in einer Art und Weise zu erfüllen sind, die sich an den Maßstäben von Ehrlichkeit, Vertrauen und Fairness orientiert. Dieses Prinzip hat eine Ausstrahlwirkung auf alle Rechtsbereiche und Gesetze in Deutschland, einschließlich des Arbeitsrechts.

Im Kontext des Arbeitsrechts beeinflusst das Prinzip von Treu und Glauben die Urteile in vielerlei Hinsicht. Hier sind einige Beispiele, wie es sich auf die Sittenwidrigkeit und Treuwidrigkeit von Kündigungen, Verhaltenspflichten der Vertragsparteien und Auslegung von Verträgen auswirkt:

1. **Sittenwidrigkeit und Treuwidrigkeit von Kündigungen**: Das Prinzip von Treu und Glauben kann als Korrektiv wirken, wenn die strikte Anwendung eines Gesetzes oder einer Regelung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Prinzipien von Treu und Glauben unvereinbar ist. Beispielsweise kann eine Kündigung, die formal korrekt ist, aber in einer Weise ausgeführt wird, die als unfair oder unehrlich angesehen wird, als treuwidrig oder sittenwidrig angesehen werden.

2. **Verhaltenspflichten der Vertragsparteien**: Aus § 242 BGB ergeben sich verschiedene Pflichten, darunter eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht, die auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei gerichtet ist. Im Arbeitsrecht bedeutet dies, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer verpflichtet sind, ihre Handlungen und Entscheidungen so zu gestalten, dass sie die Rechte und Interessen der anderen Partei berücksichtigen.

3. **Auslegung von Verträgen**: Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dies bedeutet, dass Arbeitsverträge und andere arbeitsrechtliche Vereinbarungen im Licht des Prinzips von Treu und Glauben interpretiert werden müssen. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Klauseln oder Bedingungen in einem Arbeitsvertrag als ungültig angesehen werden, wenn sie als unvereinbar mit den Prinzipien von Treu und Glauben angesehen werden.

Diese Beispiele zeigen, dass das Prinzip von Treu und Glauben eine wichtige Rolle bei der Gestaltung und Interpretation von arbeitsrechtlichen Urteilen spielt. Es dient als ethischer Kompass, der dazu beiträgt, Fairness und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt zu gewährleisten.

Wie wird Kenntnis der Nichtschuld in rechtlichen Streitigkeiten interpretiert?

„Kenntnis der Nichtschuld“ ist ein rechtlicher Begriff, der im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Deutschland unter § 814 verankert ist. Dieser Paragraph besagt, dass eine bereits erbrachte Leistung nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Dies wird als „Kenntnis der Nichtschuld“ bezeichnet.

Die Anwendung dieses Paragraphen erfordert eine positive Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld. Das bedeutet, dass der Leistende sich der Tatsachen bewusst sein muss, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt, sowie der sich daraus ergebenden Rechtsfolge. Bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld oder „Kennen müssen“, selbst wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht, stehen der erforderlichen positiven Kenntnis entgegen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Kenntnis der Nichtschuld nicht durch die Zurechnung des Wissens anderer ersetzt werden kann. Das bedeutet, dass die Kenntnis der Nichtschuld nicht aufgrund des Wissens anderer Personen angenommen werden kann, die möglicherweise mit der Situation vertraut sind.

In bestimmten Kontexten, wie beispielsweise im Arbeitsrecht, kann die Anwendung von § 814 BGB jedoch komplexer sein. In einigen Fällen kann es vorkommen, dass eine Leistung trotz Kenntnis der Nichtschuld erbracht wird, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden oder die Beziehung zwischen den Parteien aufrechtzuerhalten.

Es ist daher immer ratsam, in rechtlichen Streitigkeiten professionellen Rechtsrat einzuholen, um die spezifischen Umstände des Falles und die Anwendung von § 814 BGB vollständig zu verstehen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 7 Sa 28/11 – Urteil vom 09.06.2011

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 28.01.2008 wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, weitere EUR 19.936,57 (in Worten: Euro neunzehntausendneunhundertsechsunddreißig 57/100) sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 13.10.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 2/3, der Kläger trägt 1/3.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung überzahlter Vergütung.

Die Beklagte war seit 14.05.1980 beim Kläger im Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberpfalz beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien die Geltung des BAT vereinbart. In § 9 des Arbeitsvertrags heißt es:

„Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, Überzahlungen von Dienstbezügen an den Arbeitgeber zu erstatten. Sie kann sich dabei nicht auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 BGB berufen.“

Bezogen auf den Zeitraum 01.01.2002 bis 31.08.2002 kürzten die Parteien die Arbeitszeit der Beklagten auf 75%. Während dieses Zeitraumes betrug das regelmäßige monatliche Gehalt der Beklagten 1.560,93 € brutto = 996,62 € netto.

Am 08.04.2002 vereinbarten die Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Nach dessen § 1 wurde das Arbeitsverhältnis ab 01.09.2002 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt. In § 2 heißt es:

„Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt 14,44 Stunden (Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ);. . .“

Die Beklagte wurde ab September 2002 (wieder) als Vollzeitbeschäftigte geführt und erhielt die volle Vergütung in Höhe von 2.064,67 € brutto = 1.212,47 € netto. In der Gehaltsabrechnung für September 2002 steht unter der Überschrift „Erläuterungen Änderungsgründe“:

„Sie sind ab 1.9.2002 vollbeschäftigt.“

Auch in der Folgezeit erhielt die Beklagte Bezüge wie eine Vollzeitkraft.

Mit Schreiben des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Oberpfalz vom 19.06.2007 wurde dem Landesamt für Finanzen eine an die Beklagte adressierte Anfrage der Deutschen Rentenversicherung vom 31.05.2007 zugeleitet. Das Formular enthielt die Frage: „Wurde eine flexible Arbeitszeitregelung (z.B. Altersteilzeit) vereinbart, die im Falle der Rentenbewilligung voraussichtlich nicht wie vorgesehen beendet werden kann, und besteht deshalb ein noch verbeitragendes Wertguthaben (Störfall)?“ Dies wurde vom Landesamt mit „nein“ angekreuzt. Als Art des Arbeitsentgelts, das die Beklagte bezog, war „1“ angegeben. Dies bedeutet nach dem Schlüssel „Arbeitsentgelt  aus versicherungspflichtiger Beschäftigung“. Mit Schreiben vom 16.07.2007 an die Beklagte wies die Deutsche Rentenversicherung darauf hin, dass die Versicherungsunterlagen für nicht korrekt seien, da Angaben zur Altersteilzeit fehlten, und bat die Beklagte, das Schreiben an den Arbeitgeber weiterzuleiten, was auch erfolgte.

Mit Schreiben vom 06.07.2007 an das Landesamt für Finanzen wies das Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Oberpfalz, darauf hin, dass die Beklagte sich seit 01.03.2005 in der Freistellung der Altersteilzeit befinde, jedoch 40,1 Stunden gespeichert seien.

Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 20.07.2007 darauf hingewiesen, dass sie für den Zeitraum September 2002 bis Juni 2007 Überzahlungen erhalten habe, die zurückzuzahlen seien. Der Überzahlungsbetrag für Mai 2005 bis Juni 2007 wurde in dem Schreiben auf 20.024,48 € beziffert. Die Beklagte erhielt das Schreiben am 26.07.2007. Unter dem 03.08.2007 teilte der Kläger die (noch nicht verjährten) Beträge von Januar 2003 bis April 2005 mit (21.212,91 €). Dieses Schreiben ging der Beklagten am 07.08.2007 zu.

Die Beklagte wies die Rückzahlungsansprüche durch ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 13.09.2007 zurück. Sie beruft sich (noch) auf die Ausschlussfrist nach dem Tarifvertrag.

Der Kläger erhob am 05.11.2007 die vorliegende Klage.

Das Erstgericht wies die Klage mit Urteil vom 28.01.2008 ab. Das Urteil wurde dem Kläger am 03.03.2008 zugestellt.

Der Kläger legte am 28.03.2008 gegen das Urteil Berufung ein und begründete sie am 30.04.2008.

Das Berufungsverfahren wurde unter dem Aktenzeichen 7 Sa 266/08 geführt. Mit Urteil vom 04.06.2009 wurde dem Kläger ein Betrag von 8.009,77 € zugesprochen. Dieser setzte sich aus einem Rückzahlungsbetrag für die Monate Februar bis Juni in Höhe von 3.850,85 € sowie einem aus dem Zeitraum August 2006 bis Januar 2007 resultierenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.158,92 € zusammen. Die weitergehende Berufung wurde abgewiesen.

Auf die zugelassene Revision des Klägers hob das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.10.2010 das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Der Kläger macht gegenüber dem Einwand der Beklagten, der Anspruch sei aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist verfallen, unzulässige Rechtsausübung geltend. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die von ihr erkannte Überzahlung anzuzeigen. Dies sei ein Gebot der dem Arbeitnehmer obliegenden Treuepflicht. Der Kläger trägt vor, das Landesamt für Finanzamt habe erstmals durch das Schreiben vom 06.07.2007 von der Altersteilzeit erfahren. Herr H habe daraufhin aus dem seit 01.05.2005 eingeführten neuen Lohnabrechnungssystem den Überzahlungsbetrag für den Zeitraum Mai 2005 bis Juni 2007 ermittelt. Der Überzahlungsbetrag für die Zeit von September 2002 bis April 2005 habe manuell ermittelt werden müssen.

Der Kläger und Berufungskläger stellt im Berufungsverfahren folgenden Antrag:

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, AZ: 3 Ca 1852/07 S vom 28.01.2008 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 33.227,62 nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2007 zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich darauf, die für den Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2006 erhobenen Ansprüche seien aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Der Kläger habe die Rückzahlung der Vergütung nicht innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen Frist geltend gemacht. Die Beklagte trägt vor, ihr zuständiger Vorgesetzter habe die Änderung der Arbeitszeit unmittelbar nach der Umstellung zum 01.09.2002 der Besoldungsstelle angezeigt. Darüber hinaus sei die Beschäftigungsstelle längere Zeit untätig geblieben.

Gemäß Beweisbeschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 09.06.2011 (Bl. 276 d.A.) sind Herr M H und Herr R F uneidlich als Zeugen vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 276 bis 280 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden,  § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG iVm den §§ 519, 520 ZPO.

Die Berufung ist zum Teil begründet.

Die Beklagte ist grundsätzlich verpflichtet, an den Kläger die Überzahlungen für die Monate Mai 2005 bis Juni 2007 zu erstatten, §§ 812 Absatz 1 Satz 1, 818 Absatz 3 und 4, 819 Absatz 1 BGB.

Die Beklagte ist ungerechtfertigt bereichert. Sie hat im genannten Zeitraum mehr Vergütung erhalten als ihr zustand. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

Dem Anspruch auf Rückzahlung der im (noch) streitgegenständlichen Zeitraum (Mai 2005 bis Januar 2007) geleisteten Überzahlungen steht die Verfallfrist des § 70 BAT bzw. § 37 TV – L nicht entgegen.

Zwar hat der Kläger die Ansprüche nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht, weshalb die Ansprüche verfallen sind.

Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil vom 04.06.2009 verwiesen.

Der Berufung auf den Ablauf der Ausschlussfrist steht indes der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, § 242 BGB.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.10.2010 – 5 AZR 648/09 – beschränkt sich der Bedeutungsinhalt des § 242 BGB nicht darauf, der Rechtsausübung (nur) dort eine Schranke zu setzen, wo sie zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führt. Es ist danach vielmehr anerkannt, dass § 242 BGB zum Verlust eines Rechts im Hinblick auf ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, führen kann. Dies wird u.a. dann angenommen, wenn der Schuldner die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen verhindert. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs beruht darauf, dass der Arbeitnehmer in Kenntnis des Irrtums des Arbeitgebers diesem Informationen vorenthält, die ihn seinen Irrtum entdecken lassen und ihm bezüglich erfolgter Überzahlungen die Einhaltung der Ausschlussfrist ermöglichen würden.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Beklagte hat es unterlassen, den Kläger darüber zu unterrichten, dass ihm offensichtlich bei der Berechnung der Vergütung ein Fehler unterlaufen ist. Wie bereits ausgeführt, hat entweder die Beklagte oder, ihr zurechenbar, ihr Ehemann aufgrund der Abrechnung für September 2002 bemerkt, dass der Kläger zu viel Vergütung abgerechnet hatte. Gleichwohl teilte die Beklagte dies dem Kläger nicht mit.

Der Kläger hat seinen Rückzahlungsanspruch innerhalb einer angemessen kurzen Frist gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht.

Der Kläger hatte erst mit Eingang des an die Beklagte gerichteten Schreibens der Deutschen Rentenversicherung vom 16.07.2007 (Bl. 244 d.A.) beim Landesamt für Finanzen Kenntnis von der Altersteilzeit der Beklagten.

Der Kläger hatte am 27.06.2007 in einer Entgeltbescheinigung für die Deutsche Rentenversicherung (Bl. 243 d.A.) angegeben, die Beklagte beziehe Arbeitsentgelt. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Formular. Dort ist in der Rubrik „Art des Arbeitsentgelts“ die Ziffer „1“ eingetragen. Dies steht nach dem geltenden Schlüssel für „Arbeitsentgelt aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung“. Im Übrigen hat auch der Zeuge H bei seiner Vernehmung bestätigt, dass mit der Ziffer 1 Arbeitsentgelt gemeint war und dies dem damaligen Kenntnisstand entsprach.

Erst mit der Aufforderung der Deutschen Rentenversicherung vom 16.07.2007 wurde der Kläger darüber informiert, dass sich die Beklagte in der Altersteilzeit befand. Insbesondere enthielten die Unterlagen des Landesamts keinen Hinweis auf die Altersteilzeit der Beklagten. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Bekundungen des Zeugen H.

Der Zeuge H erweckte einen zuverlässigen und glaubwürdigen Eindruck. Er hatte insbesondere keine Veranlassung, einen etwaigen Fehler des Landesamts zu vertuschen. Wie er bekundete, war er erst seit 2006 als Arbeitsgruppenleiter tätig. Etwaige, im Zuständigkeitsbereich des Landesamts liegende Fehler hätten demzufolge nicht in seiner Verantwortung gelegen.

Die Aussage des Zeugen H wird darüber hinaus von den Bekundungen des Zeugen F bestätigt. Danach konnte das Landesamt keine Kenntnis von der Altersteilzeit haben, weil eine entsprechende Information durch die Beschäftigungsbehörde nicht erfolgte.

Dies ergibt sich aus den eindeutigen Aussagen des Zeugen F. Der Zeuge hatte bei seiner Vernehmung aus der Personalakte der Beklagten die „Erledigungsliste“ dabei (Bl. 289 d.A.), aus der sich ergibt, dass anlässlich der Altersteilzeit der Beklagten verschiedene Arbeitsschritte zu erledigen waren. Insbesondere gehörte hierzu die Mitteilung an die Bezirksfinanzdirektion Regensburg – Bezügestelle Arbeitnehmer -. Insoweit enthält die Liste keinen Erledigungsvermerk.

Der Kläger hat den Überzahlungsbetrag für die Monate Mai 2005 bis Juni 2007 innerhalb einer angemessenen Frist, nämlich bereits mit Schreiben vom 20.07.2007, der Beklagten am 26.07.2007 zugegangen, geltend gemacht. Hierbei hat er bereits angekündigt, dass ein weiterer Betrag für den Zeitraum September 2002 bis April 2005 noch gefordert werden würde. Die Überzahlung für den Zeitraum Januar 2003 bis April 2005 – der Rest war verjährt – wurde mit Schreiben vom 03.08.2007, der Beklagten am 07.08.2007 zugegangen, gefordert. Die Verzögerung beruhte darauf, dass, wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat (§ 138 Absatz 3 ZPO), die Überzahlung für diesen früheren Zeitraum manuell festgestellt werden musste. In Anbetracht dieses Umstandes sowie der bereits erfolgten Ankündigung hat der Kläger seine Ansprüche somit in angemessener Frist geltend gemacht.

Allerdings kann der Kläger nicht den gesamten Überzahlungsbetrag zurückfordern.

Dass die Beklagte sich nicht auf die Ausschlussfrist berufen kann, ist Ausfluss des § 242 BGB. Der in § 242 BGB niedergelegte Grundsatz von Treu und Glauben verlangt indes auch, dass nicht nur die kausale Verursachung des Verhaltens der Beklagten am Verfall der Ansprüche, sondern auch der kausale Beitrag des Klägers hieran berücksichtigt wird.

So ist § 254 BGB eine Ausprägung des in § 242 BGB festgelegten Grundsatzes von Treu und Glauben. Da die Rechtsordnung eine Selbstgefährdung und Selbstschädigung nicht verbietet, geht es im Rahmen von § 254 BGB nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden „Obliegenheit“. Sie beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss (vgl. Bundesgerichtshof – Urteil vom 18.04.1997 – V ZR 28/96 = BGHZ 135/235 und NJW 1997/2234).

§ 254 BGB ist allerdings eine Regelung, die im Rahmen von Schadensersatzansprüchen gilt. Im Rahmen der Bereicherungshaftung ist § 254 BGB nicht anwendbar. Die Unanwendbarkeit des § 254 BGB auf Bereicherungsansprüche schließt aber nicht aus, dass auch Bereicherungsansprüche dem allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB unterliegen, von dem § 254 BGB nur eine gesetzlich besonders geregelte Ausprägung ist. Auch sonst ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der in § 254 enthaltene Ausgleichsgedanke für andere als Schadensersatzansprüche in Betracht kommt (vgl. Bundesgerichtshof – Urteil vom 14.10.1971 VII ZR 313/69 = BGHZ 57/137 und NJW 1972/36).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts gilt dies auch im vorliegenden Fall. Es ist gemäß § 242 BGB eine Abwägung vorzunehmen unter Berücksichtigung der unterbliebenen Information der Beklagten einerseits und dem organisatorisch bedingten Beitrag des Klägers bei der Verursachung des Verfalls der Erstattungsansprüche andererseits. Auf Grund dieser Abwägung ist zu unterscheiden, inwieweit der Anspruchsverfall der Beklagten oder dem Kläger zur Last zu legen sind.

Die kausale Verursachung der Beklagten wurde bereits dargestellt. Wenn sie, die den offensichtlichen Fehler erkannte, den Kläger unmittelbar informiert hätte, wäre es nicht zu weiteren Überzahlungen gekommen bzw. der Kläger hätte den bis dahin angefallenen Betrag zeitnah zurückfordern können.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich Sache eines jeden, der am Rechtsverkehr teilnimmt, ist, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen. Dazu gehört es auch, organisatorische Maßnahmen zu treffen, um sicher zu stellen, dass Gehaltszahlungen in der richtigen Höhe geleistet werden bzw. dass etwaige Überzahlungen erkannt und dann zeitnah zurückgefordert werden können.

Der Kläger hat es zum einen versäumt, das zuständige Landesamt für Finanzen – seinerzeit Bezirksfinanzdirektion – über die bevorstehende Altersteilzeit der Beklagten zu unterrichten. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen F. So sind die einzelnen Aufgaben in der Checkliste von verschiedenen Personen erledigt worden, es wurde dabei nicht durch eine entsprechende verantwortliche Kontrolle sichergestellt, dass alle Punkte abgearbeitet waren. Darüber hinaus hat es der Kläger unterlassen, die Richtigkeit der laufenden Lohnzahlungen zu kontrollieren. Insbesondere gab es bis zur Einführung des neuen Lohnabrechnungssystems nie einen Abgleich der übermittelten Daten. Dadurch hat der Kläger ebenfalls einen Beitrag dazu geleistet, dass die Ansprüche verfallen sind.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist der kausale Beitrag der Beklagten etwas höher anzusetzen als der des Klägers. Es hätte lediglich eines kurzen Hinweises der Beklagten bedurft, um den Fehler zu korrigieren. Daher erscheint eine Quote von 60% für die Beklagte angemessen.

Diese Quote ist aus dem noch offenen Betrag von 33.227,62 € zu berechnen. Bezüglich des Zeitraums August 2006 bis Januar 2007 sind dem Kläger bereits 4.158,92 € zugesprochen worden. Dies entspricht zwar einer Quote von 90%. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 04.06.2009 ist aber insoweit rechtskräftig geworden.

60% aus 33.227,62€ entsprechen 19.936,57 €. Dieser Betrag war dem Kläger zuzusprechen.

Die weitergehende Berufung des Klägers war abzuweisen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!