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Rückzahlung von Arbeitsvergütung bei Insolvenzanfechtung

Sächsisches Landesarbeitsgericht – Az.: 8 Sa 39/14 – Urteil vom 10.04.2014

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 11.12.2013 – Az. 7 Ca 4365/12 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung von Arbeitsvergütung im Wege der Insolvenzanfechtung.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn … (im Weiteren: Schuldner), welches mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden – Abteilung für Insolvenzsachen – vom 22.04.2009 eröffnet wurde (Az. 532 IN 397/09). Dem Eröffnungsbeschluss liegt ein Antrag des Finanzamtes … vom 18.02.2009 zugrunde. Der Schuldner betrieb ein Baueinzelunternehmen, in welchem der Beklagte ab 01.01.2008 als Buchhalter tätig war. Dem Beklagten oblag die Erfassung der Daten für das Steuerbüro. Er führte auch sonstige Büroarbeiten aus, Kontierungen nahm er jedoch nicht selbst vor.

Der Schuldner hat bereits im Jahre 2005 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Ein nicht unerheblicher Teil der jetzt gegen den Schuldner gerichteten Forderungen stammt aus der Zeit vor Aufnahme seiner Geschäftstätigkeit mit dem hier in Rede stehenden Baueinzelunternehmen. Jedenfalls ab Mai 2008 wickelte der Schuldner seinen Zahlungsverkehr über ein Bankkonto bei der … AG mit der Kontonummer … ab. Er zog eigene Forderungen auf dieses Konto ein und beglich hiervon auch seine eigenen Verbindlichkeiten. Kontoinhaber des vorbezeichneten Bankkontos war der Sohn des Schuldners, Herr …, welcher jedoch das Konto nicht selbst nutzte. Der Schuldner hatte von Letzterem die für das Onlinebanking erforderlichen Daten zur Durchführung von Überweisungen zur Verfügung gestellt erhalten. Er gab das Konto auf seinen Geschäftsbriefen als Bankverbindung an, ohne zu kennzeichnen, dass es sich nicht um sein eigenes Konto handelte. Dem Beklagten war jedoch bekannt, dass seine Gehaltszahlungen vom Konto des … geleistet wurden.

Dem Beklagten wurden als Arbeitsentgelt unter dem 04.12.2008 und unter dem 12.01.2009 jeweils 632,60 € und unter dem 05.02.2009 631,80 € ausgezahlt. Der Kläger hat diese Zahlungen gemäß §§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 133 Abs. 1, 143 InsO angefochten.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Zahlungen inkongruent im Sinne des § 131 InsO seien, weil sie vom Konto eines Dritten an den Beklagten geleistet wurden. Es handele sich um Direktzahlungen des …, der hierdurch die Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Beklagten und gleichzeitig seine durch den Eingang von Gutschriften auf seinem Bankkonto entstandenen Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner beglichen habe. Selbst wenn das Bankkonto als verdecktes Treuhandkonto anzusehen sei, seien die geleisteten Zahlungen inkongruent. Das Oberlandesgericht Rostock habe im Urteil vom 29.03.2004 (Az. 3 U 160/03, ZInsO 2004, 933 ff.) Inkongruenz sogar für Zahlungen von offenen Treuhandkonten angenommen. Die Inkongruenz werde nicht dadurch beseitigt, dass der Beklagte über einen längeren Zeitraum die Lohnzahlungen vom Konto des Schuldners erhalten habe. Es sei auch unerheblich, ob der Schuldner selbst oder … die Überweisungen vorgenommen habe. Letztlich habe der Schuldner als Bevollmächtigter des … gehandelt. Durch die Auszahlungen seien die übrigen Gläubiger benachteiligt. Die Zahlungen seien im Zeitpunkt bereits vorliegender Zahlungsunfähigkeit erfolgt, denn der Schuldner sei bereits vor dem 01.11.2008 zahlungsfähig gewesen. Dies sei im Hinblick auf die vom Kläger behaupteten Verbindlichkeiten offensichtlich. Auf deren Darlegung im Schriftsatz vom 11.03.2013 (dort Seite 6 ff, Bl. 38 ff d. A.) wird Bezug genommen. Der Beklagte habe als Buchhalter diese Zahlungsunfähigkeit gekannt. Der nach § 133 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligungsvorsatz lasse sich aus der Inkongruenz der Auszahlung erkennen. Die Kenntnis von diesem Vorsatz beim Beklagten sei nach § 133 InsO zu vermuten. Diese Vermutung habe der Beklagte nicht widerlegt.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.897,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 23.04.2009 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass ihm sein Gehalt von Beginn an vom Konto des … gezahlt worden sei. Es läge keine inkongruente Deckung vor. Insoweit fehle es bereits an einer Zahlung durch einen Dritten, da der Schuldner selbst allein über das Konto inklusive aller Zahlungsein- und -ausgänge unstreitig verfügt hatte und das Konto daher wie ein eigenes genutzt habe. Das Konto sei lediglich pro forma auf den Namen des Sohns des Schuldners gelaufen. Es handele sich bei den Lohnzahlungen daher um Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO. Eine Anfechtung nach § 133 InsO scheitere jedoch an der fehlenden Kenntnis des Beklagten bezüglich einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Auszahlungen, weiche ebenso bestritten werde, wie das Vorliegen der vom Kläger behaupteten Verbindlichkeiten. Der Beklagte sei zwar Buchhalter gewesen, habe aber – da er unstreitig keine Kontierungen vornahm – keinen Einblick in die Finanzsituation des Schuldners gehabt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einer inkongruenten Zahlung des Arbeitsentgelts durch einen Dritten fehle. Die unstreitige Überlassung des Bankkontos zur ausschließlichen Nutzung durch den Schuldner stelle ungeachtet seiner Rechtswirkung im Verhältnis zur Bank einen Vertrag dar, der den Insolvenzschuldner berechtigte, dieses Konto als Geschäftskonto zu nutzen. Als solches habe der Insolvenzschuldner das Konto auch im Geschäftsverkehr angegeben. Im Übrigen handele es sich bei den Entgeltzahlungen um ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO. Die deshalb erforderlichen Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO lägen nicht vor. Der Kläger habe insoweit keine Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt, aus welchen sich habe schließen lassen, dass der Insolvenzschuldner den Beklagten von seiner Überschuldung in Kenntnis gesetzt hatte oder dem Beklagten aus anderen Quellen die Überschuldung des Schuldners hätte bekannt sein müssen. Auch Absprachen dahingehend, dass der Beklagte das Entgelt nur deshalb erhalte, um andere Gläubiger zu benachteiligen, seien nicht dargelegt.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 16.01.2014 zugestellt. Die Berufung des Klägers ging mit Begründung am 22.01.2014 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht ein.

Der Kläger vertritt die Ansicht, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Beklagte von dem fraglichen Konto von Beginn der Aufnahme seiner Tätigkeit für den Schuldner Zahlungen erhalten habe. Dies sei streitig gewesen und habe daher nicht im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgenommen werden dürfen. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts handele es sich bei der Zahlung über das Bankkonto eines Dritten um inkongruente Deckungen. Ob die Leistung verkehrsüblich sei, müsse losgelöst von dem Einzelfall nach allgemeiner Verkehrsanschauung bewertet werden. Es sei daher ohne Relevanz, dass die Lohnzahlungen an den Beklagten vorliegend über einen gewissen Zeitraum von dem oben genannten Konto geleistet wurden. Der Beklagte habe dadurch keinen klagbaren Anspruch gegen den Schuldner erworben, die Zahlung in konkret der vorliegenden Weise, also durch Auszahlung vom Konto des …, zu erhalten. Aufgrund der Inkongruenz seien auch die Voraussetzungen des § 133 InsO, insbesondere die subjektiven Tatbestandsmerkmale, zu bejahen. Als Buchhalter habe der Beklagte sich der Erkenntnis der vorliegenden Zahlungsunfähigkeit nicht verschließen können. Mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Zahlungsunfähigkeit zu bejahen, wenn bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens die vorliegenden Verbindlichkeiten aus den vorhandenen Mitteln nicht mehr befriedigt werden könnten. So sei es hier. Es sei daher Sache des Beklagten, Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass Zahlungsunfähigkeit dennoch nicht Vorgelegen habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 01.12.2013, Az. 7 Ca 4365/12, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.897,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 23.04.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht nochmals geltend, dass der Schuldner über das Konto wie über ein eigenes verfügt habe. Den Gläubigern seien somit keine Gelder durch Umleitung auf andere Konten entzogen worden. Dies sei auch nicht beabsichtigt gewesen.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf deren wechselseitige Schriftsätze und die Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägers vom 10.04.2014 wurde der Kammer erst nach Verkündung des Urteils vorgelegt. Er enthält aber nur Rechtsausführungen, die bereits in der mündlichen Verhandlung erfolgten und bei der Urteilsfindung berücksichtigt wurden.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Arbeitsentgelts aus § 143 InsO zu. Voraussetzung hierfür wäre eine wirksame Anfechtung der Zahlungen, die jedoch nicht festgestellt werden kann.

1. Die Anfechtung konnte nicht gemäß § 131 Abs. 1 InsO wirksam erklärt werden. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art und nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,

2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder

3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

§ 131 Abs. 2 InsO setzt für die Anwendung des Abs. 1 Nr. 3 die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen, der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger gleich.

Die Kammer vermag sich trotz Zahlung des Arbeitsentgelts von einem Konto, welches auf den Namen eines Dritten lief, nicht der Auffassung des Klägers anzuschließen, wonach eine inkongruente Deckung vorliege, weil der Beklagte die Leistung „nicht in der Art“ habe verlangen können.

a) In seinem Urteil vom 21.11.2013 (Az. 6 AZR 159/12) hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt dass „im Regelfall“ eine inkongruente Deckung vorliege, wenn der spätere Insolvenzschuldner einen Dritten anweise, die geschuldete Leistung gegenüber dem Gläubiger zu erbringen. In diesen Fällen erfolge die Erfüllung nicht „in der Art“, wie sie geschuldet war. Dies gelte auch, wenn der Schuldner und der Dritte Schwesterunternehmen seien oder einen Gemeinschaftsbetrieb unterhielten. Das Bundesarbeitsgericht führt hierzu aus:

„Die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO gibt dem Insolvenzverwalter eine Handhabe, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Schmälerungen der Insolvenzmasse wieder zu korrigieren. Im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens sollen bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht und der Insolvenzmasse zurückgewährt werden (BGB 26.04.2012 – IX ZR 74/11 – Rdnr. 35, BGHZ 193, 129; 06.10.2009 – IX ZR 191/05 – Rdnr. 13, BGHZ 182, 317). Weicht die konkrete Deckungshandlung vom Inhalt des Schuldverhältnisses ab, das zwischen Insolvenzgläubiger und Insolvenzschuldner besteht (inkongruente Sicherung bzw. Befriedigung), erscheint der Gläubiger weniger schutzwürdig. Solche Leistungen sind im Hinblick auf die nahe bevorstehende Insolvenz besonders verdächtig (vgl. BGH 06.05.2010 – IX ZR 114/08 – Rdnr. 5). Deshalb erleichtert § 131 InsO bei inkongruenter Deckung die Anfechtung im Vergleich zu § 130 InsO. Die Feststellung der Inkongruenz erfordert den Abgleich von rechtlich geschuldetem Vorgehen und tatsächlichem Vorgehen des Schuldners. Dabei ist die materiell-rechtliche Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung im Sinne von § 140 Abs. 1 InsO maßgeblich (BAG 12.09.2013 – 6 AZR 980/11 – Rdnr. 73). Ausgehend vom dargestellten Zweck der Insolvenzanfechtung ist das Vorliegen der Kongruenz nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Kongruenz liegt bei Abweichung von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung regelmäßig nur vor, wenn diese Abweichungen lediglich geringfügig sind und der Verkehrssitte oder Handelsbräuchen entsprechen (BGH 09.01.2003 – IX ZR 85/02 – zu III 1 a der Gründe).

II. Die nach § 143 Abs. 1 InsO an die Insolvenzmasse zurück zu gewährenden Werte müssen nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen. Anfechtbar können vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er Vermögensbestandteile unter Einschaltung einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne notwendigerweise mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (mittelbare Zuwendungen).

1. Hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass seine Forderung in der gewählten Art durch einen Dritten erfüllt wird, liegt darin im Regelfall eine nicht unerhebliche Abweichung vom vereinbarten Erfüllungsweg. Die Befriedigung erfolgt dann nicht „in der Art“, in der sie geschuldet ist. Weist der Schuldner einen Dritten an, die geschuldete Leistung gegenüber dem Gläubiger zu erbringen, ist eine solche mittelbare Zahlung deshalb in der Regel dem Empfänger gegenüber als inkongruente Deckung anfechtbar …

2. Auch bei Zahlung durch einen Dritten kann jedoch eine kongruente Deckung vorliegen, wenn ein eigenes Forderungsrecht des Insolvenzgläubigers unanfechtbar begründet worden ist (BGH 10.05.2007 – IX ZR 146/05 – Rdnr. 8; MünchKommInso/Kaiser 3. Auflage § 131 Rdnr. 35 a), etwa weil die Zahlung auf einer entsprechenden dreiseitigen, insolvenzfest getroffenen Abrede beruhte (vgl. Uhlenbruck/Hirte 13. Auflage § 131 InsO Rdnr. 8).

a) Ob inkongruente Deckung vorliegt, entscheidet sich – wie ausgeführt – danach, ob vom Inhalt des Schuldverhältnisses abgewichen wird. Bevor Inkongruenz bejaht wird, ist es deshalb erforderlich, die geschuldete Leistung rechtlich genau zu bestimmen. Bei einem Vertrag ist maßgeblich, was die Beteiligten tatsächlich vereinbart haben, nicht jedoch, was sie hätten vereinbaren können (BGH 02.04.1998 – IX ZR 232/96 – zu II 2 b cc der Gründe). Dies und die Übereinstimmung der Deckung mit dem Schuldinhalt sind objektiv zu beurteilen. Abweichende subjektive Vorstellungen der Beteiligten sind unerheblich (MünchKommInso/Kaiser 3. Auflage § 131 Rdnr. 9).

b) Auch wenn keine ausdrückliche dreiseitige Abrede getroffen ist, kann eine solche durch eine lange Praxis stillschweigend vereinbart werden (vgl. zur Möglichkeit konkludenter Vereinbarungen Schobmeier in Bork Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 8 Rdnr. 32) …“

b) Diese Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts lassen erkennen, dass auch bei Zahlungen, welche über Dritte abgewickelt wurden, nur „in der Regel“ von inkongruenter Deckung auszugehen ist, Ausnahmen somit möglich sind. Letztendlich hat jeweils im Einzelfall eine Prüfung zu erfolgen, ob der bevorzugte Gläubiger weniger schutzwürdig ist als die Mehrheit der übrigen Gläubiger. Anhaltspunkt für diese Einschätzung kann sein die Beurteilung, ob die fragliche Zahlung dem Inhalt des Schuldverhältnisses entspricht oder ob von diesem abgewichen wird. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei dieser Forderung nach einem „klagbaren“ Anspruch auf genau den gewählten Zahlungsweg aber nur um eine (und wohl die am ehesten vorkommende) mehrerer Möglichkeiten, trotz Zahlung durch einen Dritten von kongruenter Leistung auszugehen.

Eine weitere Möglichkeit stellt die hier gegebene unstreitige vollständige Überlassung eines Kontos zur eigenen Nutzung dar, wenn diese zu einem Zeitpunkt erfolgt, der nicht im oben dargestellten Sinne „zeitnah am Insolvenzantrag“ und damit „unverdächtig“ war. Ausgehend vom Hintergrund der Erleichterung der Anfechtung inkongruenter Zahlungen erscheint vorliegend der Beklagte nämlich nicht weniger schutzwürdig, als wenn er die Zahlung tatsächlich von einem eigenen Konto des Schuldners erhalten hätte. Die Überweisung vom eigenen Konto aber ist verkehrsüblich und damit kongruent.

Dass das Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Beklagtem von Beginn an so vollzogen wurde, also bereits zu einem Zeitpunkt, der nicht „zeitnah am Insolvenzantrag“ war, steht zur Überzeugung der Kammer nach Einsichtnahme in die Kopien der Kontoauszüge des Beklagten im Termin der mündlichen Verhandlung fest. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass die Kopien von den Originalen abweichen könnten. Nach erfolgter Einsichtnahme ist er auch dem Vorbringen des Beklagten nicht mehr ausdrücklich entgegen getreten, wonach bereits das Januargehalt 2008 vom Konto des Sohnes gezahlt wurde, insbesondere hat er keine andere Zahlungsweise substantiiert behauptet.

Unstreitig hat der Schuldner über das fragliche Konto wie über ein eigenes verfügt. Diese vollständige Überlassung durch den Sohn geht über eine bloße Vollmachterteilung, wie sie Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.10.2013 war (Az. IX ZR 104/13, entnommen der Datenbank JURIS), hinaus. Im dort entschiedenen Fall hatte der Sohn über das Konto des Vaters Zahlungen aus eigenen Mitteln vorgenommen. Dieser Sachverhalt erscheint dem hier vorliegenden nur auf den ersten Blick vergleichbar. Denn dort wurde der Zahlungsweg über Einschaltung eines Dritten erst gewählt, als sowohl dem Schuldner als auch dem Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit positiv bekannt war.

Zwar bestand auch im hier vorliegenden Sachverhalt zwischen dem Sohn und der Bank ein Girovertrag i. S. d. § 676 f. BGB, der dem Schuldner keine eigenen Rechte einräumte. Erst über die Abrede zwischen Schuldner und Sohn konnte der Erstere das Konto nutzen. Nach Ansicht der Kammer liegt hinsichtlich des Girovertrages ein sog. „Strohmann-Geschäft“ vor. Bei diesen Geschäften werden eine oder mehrere Personen nur formal eingeschaltet, weil der wirtschaftlich an dem Geschäft interessierte (hier der Schuldner) den Erfolg nicht oder nicht alleine erreichen kann. Der Schuldner ist trotz hoher Verbindlichkeiten aus den Jahren vor 2008 und trotz Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung bereits im Jahr 2005 für jedenfalls ein Jahr mit einem Baueinzelunternehmen wirtschaftlich tätig geworden. Um dies zu ermöglichen, benötigte er ein Bankkonto als Geschäftskonto. Bei der Abrede mit dem Sohn über die Kontoüberlassung dürfte im Vordergrund gestanden haben, dass Widerstände auf Seiten der Bank überwunden werden sollten. Nach der Abgabe der eidesstattlichen Erklärung im Jahr 2005 dürfte der Schuldner bei der „…“ entsprechend geführt worden sein und konnte – bei lebensnaher Betrachtung – im eigenen Namen kein Konto bei einer Bank mehr eröffnen. Folglich hat er wohl, um sein wirtschaftliches Ziel zu erreichen, den Sohn als Strohmann vorgeschoben.

Strohmann-Geschäfte sind ein Sonderfall fiduziarischer Geschäfte. Auch insoweit liegt eine Abweichung vom Sachverhalt der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vor. Bei den Geldbeständen des Schuldners auf dem Konto des Sohnes handelt es sich damit bei korrekter rechtlicher Bewertung zwar um Treugut, denn dieses Geld ist – was für die Annahme von Treugut grundsätzlich erforderlich ist – vollständig vom Eigenvermögen des Sohnes (als möglicher Treunehmer) abgesondert gewesen. Dennoch können die unstreitigen Erklärungen des Schuldners und des Sohnes nicht als Vereinbarung einer Verwaltungstreuhand bewertet werden. Denn der Sohn sollte – bezogen auf das fragliche Konto – von Beginn an gerade keine Verwaltungstätigkeit ausüben. Der vorliegende Fall ist damit auch nicht vergleichbar der Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock vom 29.03.2004 (Az. 3 U 160/03, entnommen der Datenbank JURIS). Dort lag eine offene Treuhand vor, die auch als Verwaltungstreuhand gewollt war. Dass die Vereinbarung eines Strohmann-Geschäfts als solche nicht „verkehrsüblich“ ist, wirkt sich nach Ansicht der Kammer nicht im Verhältnis Schuldner-Beklagter aus. Letzterer wusste, dass der Schuldner das Konto wie ein eigenes genutzt hat. Er ging daher – aufgrund der durch ihn nur möglichen laienhaften Betrachtung – davon aus, dass er Zahlungen seines Arbeitgebers durch Überweisung von dessen Geschäftskonto erhalten hat, wie dies üblich ist. Er durfte weiterhin davon ausgehen, dass andere Gläubiger hierdurch nicht benachteiligt wurden, da der Schuldner allen Geschäftspartnern gegenüber das Konto gleichermaßen als eigenes verwendet hat.

Die Kammer sieht in dieser Beurteilung des Sachverhalts keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, sondern eine Anwendung/Weiterentwicklung für einen Einzelfall, wie er bisher – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden wurde.

2. Der wirksamen Anfechtung nach § 130 InsO steht entgegen, dass es sich bei den Lohnzahlungen – da kongruent erfolgt, siehe oben – um Bargeschäfte i. S. d. § 142 InsO handelt (vgl. Urteil des BAG vom 06.10.2011, Az. 6 AZR 262/10, entnommen der Datenbank JURIS). Die Anfechtung kann daher nur unter den Voraussetzungen des § 133 InsO wirksam erfolgen, weiche jedoch – wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat – nicht vorliegen.

a) § 133 InsO erfordert auf Seiten des Schuldners im Zeitpunkt der Ausführung der Handlung den Vorsatz, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Das Vorliegen dieses Vorsatzes hat der Insolvenzverwalter zu beweisen, wobei eine tatrichterliche Überzeugung nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlich ist, somit eine persönliche Gewissheit des Richters, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (vgl. Zoller, Kommentar zur ZPO, 29. Auflage, § 286 Rn. 19).

Die Kenntnis des Schuldners seiner (drohenden) Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Handlung stellt dabei nach der Rechtsprechung ein starkes Beweisanzeichen dar, weiches die Annahme des Vorliegens des subjektiven Tatbestands-Merkmals (Vorsatz) regelmäßig rechtfertigt (vgl. Urteil des BAG vom 29.01.2014, Az. 6 AZR 345/12, entnommen der Datenbank JURIS). Allerdings kann dieses Beweisanzeichen im Einzelfall erschüttert werden. Das Indiz der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit müsse – so das Bundesarbeitsgericht in der eben zitierten Entscheidung – einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Das Beweisanzeichen der Zahlungsunfähigkeit dürfe dabei nicht schematisch im Sinne einer vom Anfechtungsgegner zu widerlegenden Vermutung angewendet werden.

b) Vorliegend kann bei Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles nicht von der – hier unterstellten – Kenntnis der – ebenfalls unterstellten – Zahlungsunfähigkeit auf den Vorsatz des Schuldners geschlossen werden, mit den streitgegenständlichen Lohnzahlungen andere Gläubiger zu benachteiligen. Entgegen der im Termin geäußerten Ansicht des Klägers meint die Kammer nicht, dass beim Schuldner der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz schon im Zeitpunkt der mit dem Sohn getroffenen Kontoüberlassungsabrede vorlag. Wie oben dargestellt, wollte der Schuldner eine wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen, für die er das Konto benötigte, was zumindest auch ein starkes Motiv für die gewählte Vorgehensweise gewesen sein könnte. Es bestehen damit erhebliche Zweifel daran, dass der Schuldner zum damaligen Zeitpunkt die schon vorhandenen Gläubiger benachteiligen wollte. Die Kammer geht eher davon aus, dass der Schuldner von der Hoffnung geleitet war, gerade durch diese wirtschaftliche Betätigung seine finanzielle Situation zu verbessern und damit auch Altgläubiger befriedigen zu können.

Andere, konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner seine Altgläubiger benachteiligen wollte, liegen nicht vor und wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Gerade die Angabe des fraglichen Kontos auf dem Geschäftspapier spricht dafür, dass der Schuldner nicht die Absicht hatte, die hier eingehenden Mittel nur bestimmten Gläubigern zukommen zu lassen und andere davon auszuschließen.

Lässt sich bereits beim Schuldner das Vorliegen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nicht feststeifen, kommt es auf die Frage der Kenntnis des Beklagten hiervon nicht mehr an.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten der von ihm ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen.

Einer Zulassung der Revision bedurfte es mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht. Ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil ist daher nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen, § 72a ArbGG.

 

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