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Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers bei Steuerzahlung für Arbeitnehmer

Sächsisches Landesarbeitsgericht – Az.: 5 Sa 427/13 – Urteil vom 21.03.2014

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 14.05.2013 – 6 Ca 2185/12 – abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.025,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.07.2012 zu zahlen.

Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

2. Die erstinstanzlichen Kosten sind vom Beklagten zu 97/100 und von der Klägerin zu 3/100 zu tragen.

Die zweitinstanzlichen Kosten sind vom Beklagten zu tragen.

3. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 1.025,48 € zu leisten.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Baugewerbes. Die Klägerin führte Gleisbauarbeiten für die … (…) aus. Der Beklagte war bei der Klägerin vom 15.06.2000 bis 31.05.2010 als Baumaschinist beschäftigt. Die einzelnen Arbeitsbedingungen vereinbarten die Parteien mit den Arbeitsverträgen vom 08.06.2000 (Bl. 10 d. A.) sowie vom 29.01.2001 (Bl. 9 d. A.). Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung.

Der Beklagte war 2009 im Rahmen von Gleisbauarbeiten für die … in der … als Baumaschinist beschäftigt.

Die Klägerin versteuerte den Arbeitslohn für die Tage, an denen der Beklagte in der … gearbeitet hat, in der … . Aufgrund einer Wirtschaftsprüfung korrigierte die Klägerin dies und entrichtete – nach Rückerstattung der Quellensteuer von insgesamt 26,00 € durch die … Steuerbehörden – Steuern in Höhe von 1.056,76 € an die deutschen Finanzbehörden. Die Zahlung erfolgte am 14.06.2012.

Mit Schreiben vom 20.04.2012 (Bl. 5 f. d. A.) wurde der Beklagte aufgefordert, den vorgenannten Betrag an die Klägerin zu zahlen. Der Beklagte erhielt das Schreiben am 15.05.2012.

Das Finanzamt … prüfte u. a. auch die von der Klägerin vorgenommene Rückrechnung für die Jahre 2009 bis 2011 mit dem Bericht vom 12.11.2012 (Bl. 203 ff. d. A.).

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass der Beklagte aufgrund der ihn treffenden Steuerpflicht verpflichtet sei, den von der Klägerin bezahlten Steuerbetrag zu erstatten. Die Klägerin sei in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass der Lohn für die in der … erbrachte Arbeitsleistung vollständig der Besteuerung durch die … unterliegt. Eine Überprüfung habe allerdings ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung des Lohns in der … nicht erfüllt sind, soweit die Tätigkeit in der … 183 Tage nicht überschritten hat Die Abrechnungen seien daraufhin korrigiert und der Lohn vollständig der deutschen Lohnsteuer unterworfen worden. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, den Lohnsteuerbetrag einzubehalten. Der Erstattungsanspruch sei nicht verfallen. Fälligkeit sei erst mit der Zahlung des Steuerbetrages eingetreten.

Die Klägerin hat erstinstanzlich folgenden Klageantrag gestellt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.056,76 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, dass die Forderung dem Grunde und der Höhe nach bestritten wird. Die Zusammensetzung der Forderung sei nicht ersichtlich. Ansprüche seien aufgrund verspäteter Geltendmachung verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin nicht bestehe. Die Klägerin sei lediglich verpflichtet gewesen, die Situation dem Betriebsstätten-Finanzamt unverzüglich anzuzeigen, damit dieses Lohnsteuer beim Beklagten einfordern kann. Es sei allerdings nicht Aufgabe der Klägerin, die zu wenig abgeführte Lohnsteuer beim Arbeitnehmer einzuziehen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 14.05.2013 – 6 Ca 2185/12 – wurde der Klägerin am 31.05.2013 zugestellt. Die Klägerin hat mit am gleichen Tag eingehendem Schriftsatz vom 01.07.2013 Berufung eingelegt und diese mit ebenfalls am gleichen Tag eingehendem Schriftsatz vom 02.09.2013, damit innerhalb der bis 31.08.2013 (Samstag) verlängerten Berufungsbegründungsfrist, begründet.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor, dass sie für die in der … eingesetzten Mitarbeiter Quellensteuer an die … Finanzbehörden abgeführt habe. Kontrollen der … Behörden und eine Betriebsprüfung der deutschen Steuerbehörden hätten dieses Handeln nicht beanstandet. Im Rahmen einer ab Frühjahr 2011 erfolgten Prüfung sei allerdings festgestellt worden, dass auf der Grundlage des zwischen der … und der … geltenden Doppelbesteuerungs-Abkommens eine Besteuerung nach … Recht nicht in Betracht komme, wenn die Arbeitnehmer weniger als 183 Tage in der … seien. Dies habe umgekehrt bedeutet, dass bei einigen Arbeitnehmern – auch beim Beklagten – die Versteuerung ausschließlich in … vorzunehmen gewesen sei. Nach der im Falle des Beklagten vorgenommenen Neuberechnung habe die Klägerin einen zusätzlichen Betrag aufwenden müssen. Im Jahre 2009 habe der Kläger mit Korrekturrechnung in den jeweiligen Monaten an das Finanzamt … Lohnsteuer in Höhe von 1.025,48 € geleistet. Ansprüche seien nicht verfallen. Maßgebend sei der Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung der Steuern.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 14.05.2013 – 6 Ca 2185/12 – wird abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.025,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.07.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, Zurückweisung der Berufung.

Der Beklagte nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug und trägt weiter vor, dass er nicht zur Erstattung verpflichtet sei. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei es der Klägerin nicht mehr möglich gewesen, die Lohnsteuer vom laufenden Arbeitsentgelt einzubehalten und abzuführen. Es sei nicht Aufgabe der Klägerin, zu wenig abgeführte Lohnsteuer beim Beklagten einzuziehen. Dies sei nach § 41 c Abs. 4 Satz 2 BStG Aufgabe der Finanzämter. Der Beklagte habe auf eine ordnungsgemäße Abführung der Lohnsteuer vertraut. Ansprüche seien aufgrund der geltenden tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch in Bezug auf die einzelgehende Berechnung der Klageforderung, wird auf die beiderseits vorgelegten Schriftsätze, insbesondere vom 02.09., 07.10. und 14.10.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG). Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist begründet.

1. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der von ihr für den Beklagten bezahlten Lohnsteuer in Höhe von 1,025,48 €. Der Anspruch beruht auf § 42 d Abs. 3 EStG, § 426 BGB.

a) Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG ist grundsätzlich der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer. Dabei erfolgt die Zahlung der Lohnsteuer gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG im Wege des Einbehalts vom Arbeitslohn sowie gemäß § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG dadurch, dass die Arbeitgeberin die Lohnsteuer an das Finanzamt abführt. Nach § 42 d Abs. 3 Satz 1 EStG sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner in Bezug auf die Zahlung der Lohnsteuer.

Aber auch dann, wenn dem Arbeitgeber für einen Lohnsteuerabzug kein laufender Arbeitslohn (mehr) zur Verfügung steht, kann der Arbeitgeber die Erstattung von von ihm für den Arbeitnehmer bezahlter Lohnsteuer verlangen, wenn er von den Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber freiwillig oder aufgrund eines Haftungsbescheids die Steuerforderung für den Arbeitnehmer erfüllt (BAG, Urteil vom 16.06.2004 – 5 AZR 521/03 – AP Nr. 9 zu § 611 BGB Lohnrückzahlung). Auch in diesen Fällen erfüllt der Arbeitgeber eine letztlich allein den Arbeitnehmer treffende Steuerschuld.

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend kann die Klägerin die Erstattung der von ihr für den Beklagten bezahlten Steuerschuld in Höhe von 1.025,48 € verlangen. Dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zwischenzeitlich beendet ist, vermag hieran nichts zu ändern.

Die Klägerin hat die Höhe der für den Beklagten bezahlten Steuerschuld mit der Berufungsbegründung im Einzelnen aufgeschlüsselt. Der Beklagte hat dies erstinstanzlich entgegen § 138 Abs. 2 ZPO nur pauschal und zweitinstanzlich überhaupt nicht mehr bestritten.

c) Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Verzinsung erfolgt erst ab dem Folgetag der Rechtshängigkeit (BAG, Urteil vom 16.09.2008 – 9 AZR 791/07 – NZA 2009, 79).

2. Der Anspruch der Klägerin ist nicht verfallen.

a) Gemäß § 15 BRTV verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden (erste Stufe). Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird (zweite Stufe).

b) Vorliegend ist ein Verfall des Rückerstattungsanspruchs gemäß § 15 BRTV, der unstreitig auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, nicht eingetreten.

aa) Behält der Arbeitgeber zu wenig Lohnsteuer von den Einkünften des Arbeitnehmers ein, so erwächst im Falle der späteren Zahlung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber der Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers erst in dem Augenblick, in dem der Arbeitgeber freiwillig oder aufgrund eines Haftungsbescheids die Steuerforderung für den Arbeitnehmer erfüllt. Der Anspruch wird erst in diesem Zeitpunkt fällig (BAG, Urteil vom 20.03.1984 – 3 AZR 124/82 – AP Nr 22 zu § 670 BGB).

bb) Unstreitig bezahlte die Klägerin die Steuerschuld für den Beklagten am 14.06.2012. Die Geltendmachung erfolgte mit Zustellung der Klage vom 28.06.2012 an den Beklagten am 06.07.2012. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist wurde damit gewahrt.

Auf die Berufung der Klägerin ist das erstinstanzliche Urteil daher abzuändern und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 92, 97 ZPO.

In Bezug auf die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst einen Betrag von 1.056,76 € geltend gemacht hat. In Bezug auf die überhöhte Forderung hat die Klägerin anteilig Kosten zu tragen. In Bezug auf die zweitinstanzlichen Kosten hat die Klägerin vollständig obsiegt, so dass der Beklagte insoweit die Kosten vollständig zu tragen hat.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Zulassung der Revision erfolgt im Hinblick auf die streitige Frage eines Gesamtschuldnerausgleichs, wenn der Arbeitgeber Steuerschulden des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezahlt.

 

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