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Übersicht:
- ✔ Kurz und knapp
- Rückzahlungsklausel für Bahncard 100: Was Arbeitnehmer wissen müssen
- ✔ Der Fall vor dem Arbeitsgericht Koblenz
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Rückzahlungsklausel für Bahncard
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Arbeitsgericht Koblenz
✔ Kurz und knapp
- Die Rückzahlungsklausel für Kosten einer überlassenen Bahncard 100 verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- Die Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, da sie nicht nach dem Grund des Ausscheidens differenziert.
- Eine Rückzahlungspflicht ist regelmäßig nicht gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber beendet wurde.
- Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Koblenz bleibt aufrechterhalten, da die Rückzahlungsklausel unwirksam ist.
- Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel ist aufgrund des Transparenzgebots nicht möglich.
- Der Arbeitgeber kann keine Rückzahlung der Kosten für die Bahncard vom Arbeitnehmer verlangen.
- Die Berufung wird mangels Erfolgsaussicht nicht zugelassen.
Rückzahlungsklausel für Bahncard 100: Was Arbeitnehmer wissen müssen

Arbeitnehmer erhalten von ihren Arbeitgebern häufig zusätzliche Vergünstigungen als Gegenleistung für ihre Arbeit. Eine weit verbreitete Praxis ist hierbei die Überlassung einer Bahncard 100. Diese ermöglicht den Beschäftigten die uneingeschränkte Nutzung des öffentlichen Personenverkehrs, was insbesondere für pendelnde Arbeitnehmer von Vorteil sein kann.
Allerdings sehen manche Arbeitsverträge für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Unternehmen eine Rückzahlungsverpflichtung der Kosten für die Bahncard vor. Die Zulässigkeit und Reichweite solcher Klauseln ist rechtlich nicht immer eindeutig geklärt. Häufig stehen die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Spannungsverhältnis.
Inwiefern Rückzahlungsklauseln für Bahncard-Kosten wirksam sein können und wo hier die Grenzen des Arbeitsrechts liegen, soll im Folgenden am Beispiel eines aktuellen Gerichtsurteils näher beleuchtet werden.
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✔ Der Fall vor dem Arbeitsgericht Koblenz
Rückzahlungsklausel bei Bahncard 100 im Arbeitsvertrag führt zu Rechtsstreit
Der vorliegende Fall des Arbeitsgerichts Koblenz (Az: 8 Ca 3123/22) beschäftigt sich mit der Rückzahlungsklausel für eine Bahncard 100 im Arbeitsvertrag eines Zugbegleiters. Zwischen der Klägerin, einer Arbeitgeberin, und dem Beklagten, ihrem ehemaligen Arbeitnehmer, bestand ein Arbeitsverhältnis, das durch eine betriebsbedingte Kündigung seitens der Klägerin endete. Der Beklagte war als Zugbegleiter tätig und erhielt von der Klägerin eine Bahncard 100, um seine Einsatzorte zu erreichen. In der zugrunde liegenden Vereinbarung war festgelegt, dass der Arbeitnehmer im Falle eines unterjährigen Ausscheidens die Kosten der Bahncard anteilig erstatten muss.
Am 23. September 2022 wurde das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit gekündigt, was am 11. Oktober 2022 wirksam wurde. Die Klägerin stellte dem Beklagten daraufhin eine Rechnung über 2.459,09 EUR für die anteilige Nutzung der Bahncard aus, die der Beklagte jedoch nicht beglich. Daraufhin erging am 14. Februar 2023 ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen die Klägerin, gegen das sie form- und fristgerecht Einspruch einlegte.
Gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung
Das Arbeitsgericht Koblenz entschied, dass die Klage der Klägerin unbegründet sei. Die Rückzahlungsklausel in § 4 der Vereinbarung zur Überlassung der Bahncard 100 sei unwirksam. Das Gericht argumentierte, dass die Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße. Die Regelung sei unklar, da sie weder die Kosten der Bahncard konkret benenne noch den Begriff „anteilig“ definiere. Für den Arbeitnehmer sei somit nicht abschätzbar, welches finanzielle Risiko er eingehe.
Weiterhin benachteilige die Klausel den Beklagten unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 BGB i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Rückzahlungsklauseln seien nur zulässig, wenn sie ein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers schützen und dem Arbeitnehmer eine angemessene Gegenleistung bieten. Im vorliegenden Fall war der Beklagte nicht an der Bahncard interessiert und nutzte sie nach dem Ausscheiden nicht. Zudem differenziere die Klausel nicht nach dem Grund des Ausscheidens. Eine solche undifferenzierte Rückzahlungsverpflichtung benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet werde.
Rechtliche Abwägungen und Folgen
Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin mit der vorgelegten Bahncard-Vereinbarung vorformulierte Vertragsbedingungen geschaffen habe, die für eine Vielzahl von Verträgen gelten sollten. Diese Bedingungen unterliegen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Eine wirksame Rückzahlungsklausel müsse transparent und verständlich formuliert sein, damit der Arbeitnehmer seine Pflichten klar erkennen könne. Dies war hier nicht der Fall. Die Klausel benannte weder die konkreten Kosten noch den Berechnungsmodus für die anteilige Rückzahlung.
Zudem sei eine Rückzahlungsklausel nur dann gerechtfertigt, wenn sie auch nach dem Grund des Ausscheidens unterscheide. In Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber beendet werde, dürfe keine Rückzahlungspflicht ausgelöst werden. Da die Kündigung hier betriebsbedingt war, sei die Rückzahlungsklausel unwirksam.
Kosten und weitere rechtliche Aspekte
Aufgrund der Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel hatte die Klägerin keinen Anspruch auf die geforderte Zahlung, und das Versäumnisurteil vom 14. Februar 2023 wurde aufrechterhalten. Die Klägerin musste die Kosten des Rechtsstreits tragen, und der Streitwert wurde auf 2.459,09 EUR festgesetzt. Eine Berufung wurde nicht zugelassen, soweit sie nicht bereits gesetzlich statthaft war.
Dieses Urteil verdeutlicht die strengen Anforderungen an Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen und die Notwendigkeit, dass solche Klauseln klar und verständlich formuliert sein müssen, um dem Transparenzgebot zu entsprechen und eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers zu vermeiden.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Koblenz verdeutlicht, dass Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen transparent und fair gestaltet sein müssen. Sie dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber beendet wird. Arbeitgeber sollten Rückzahlungsklauseln präzise formulieren, konkrete Kosten benennen und nach dem Grund des Ausscheidens differenzieren. Andernfalls riskieren sie, dass die Klauseln unwirksam sind und keine Rückzahlungsansprüche geltend gemacht werden können.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Rückzahlungsklausel für Bahncard
Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für wirksame Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen?
Rechtliche Voraussetzungen für wirksame Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen
Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen sind Vereinbarungen, die Arbeitnehmer verpflichten, bestimmte finanzielle Leistungen des Arbeitgebers unter bestimmten Umständen zurückzuzahlen. Diese Klauseln unterliegen strengen rechtlichen Anforderungen, um wirksam zu sein.
Transparenz und Klarheit
Rückzahlungsklauseln müssen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB klar und verständlich formuliert sein. Dies bedeutet, dass die Klausel die Bedingungen und den Zeitraum der Rückzahlungsverpflichtung eindeutig festlegen muss. Eine unklare oder missverständliche Formulierung kann zur Unwirksamkeit der Klausel führen.
Angemessenheit
Die Klausel darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn die Rückzahlungsverpflichtung unverhältnismäßig hoch ist oder die Bindungsdauer unangemessen lang ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Rückzahlungsklausel unwirksam ist, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, etwa durch eine zu lange Bindungsdauer oder eine zu hohe Rückzahlungssumme.
Differenzierung nach dem Grund des Ausscheidens
Eine wirksame Rückzahlungsklausel muss den Grund des Ausscheidens des Arbeitnehmers berücksichtigen. Das BAG hat klargestellt, dass eine Rückzahlungsklausel unwirksam ist, wenn sie nicht zwischen verschiedenen Gründen des Ausscheidens differenziert. Beispielsweise darf ein Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt kündigt, nicht zur Rückzahlung verpflichtet werden, wenn die Klausel dies nicht ausdrücklich und angemessen regelt.
Freiwilligkeit der Leistung
Die Rückzahlungsklausel kann nur für freiwillige Leistungen des Arbeitgebers vereinbart werden, auf die der Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch hat. Dies umfasst beispielsweise Fortbildungskosten, Umzugskosten oder Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld.
Form und Dokumentation
Obwohl eine Rückzahlungsklausel nicht zwingend schriftlich vereinbart werden muss, ist es üblich und empfehlenswert, sie schriftlich im Arbeitsvertrag oder in einer separaten Vereinbarung festzuhalten. Dies erleichtert die Beweisführung im Streitfall und sorgt für Klarheit über die vereinbarten Bedingungen.
AGB-Kontrolle
Rückzahlungsklauseln in Formularverträgen unterliegen der Kontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß §§ 305 ff. BGB. Dies bedeutet, dass die Klausel nicht überraschend oder ungewöhnlich sein darf und den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen darf. Eine überraschende Klausel liegt vor, wenn sie an einer unerwarteten Stelle im Vertrag steht oder unter einer irreführenden Überschrift aufgeführt ist.
Für die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen sind Transparenz, Angemessenheit und eine klare Differenzierung nach dem Grund des Ausscheidens entscheidend. Die Klausel muss freiwillige Leistungen betreffen und sollte schriftlich dokumentiert sein, um rechtlichen Anforderungen zu genügen.
Welche Rechte haben Arbeitnehmer, wenn sie eine vom Arbeitgeber gestellte Bahncard 100 nutzen?
Private Nutzung und steuerliche Aspekte
Arbeitnehmer, die eine vom Arbeitgeber gestellte Bahncard 100 nutzen, haben das Recht, diese sowohl für dienstliche als auch für private Fahrten zu verwenden. Die steuerliche Behandlung dieser Nutzung hängt von der Amortisation der Bahncard ab. Wenn die durch Dienstreisen ersparten Kosten die Kosten der Bahncard übersteigen (Vollamortisation), gilt die Bahncard nicht als geldwerter Vorteil und ist somit steuerfrei. Dies gilt auch, wenn die erwartete Amortisation aus unvorhersehbaren Gründen, wie Krankheit, nicht eintritt.
Falls die ersparten Kosten die Kosten der Bahncard nicht vollständig decken (Teilamortisation), wird die Bahncard teilweise als geldwerter Vorteil betrachtet. In diesem Fall ist der nicht durch Dienstreisen gedeckte Teil steuerpflichtig. Die steuerfreie Erstattung der Reisekosten kann monatlich oder am Ende der Gültigkeitsdauer der Bahncard erfolgen.
Einschränkungen der privaten Nutzung
Die private Nutzung der Bahncard 100 ist grundsätzlich erlaubt und steuerlich begünstigt, solange die oben genannten Amortisationsbedingungen erfüllt sind. Es gibt keine spezifischen Einschränkungen hinsichtlich der privaten Nutzung, solange die Bahncard überwiegend für dienstliche Zwecke genutzt wird und die steuerlichen Vorgaben eingehalten werden.
Rückzahlungsverpflichtungen
Rückzahlungsverpflichtungen können entstehen, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Bahncard verlässt. Solche Klauseln müssen jedoch klar und verständlich formuliert sein und dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Eine Rückzahlungsklausel ist unwirksam, wenn sie nicht zwischen verschiedenen Gründen des Ausscheidens differenziert. Beispielsweise darf ein Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt kündigt, nicht zur Rückzahlung verpflichtet werden, wenn die Klausel dies nicht ausdrücklich und angemessen regelt.
Arbeitnehmer haben das Recht, eine vom Arbeitgeber gestellte Bahncard 100 sowohl dienstlich als auch privat zu nutzen, solange die steuerlichen Bedingungen erfüllt sind. Die steuerliche Behandlung hängt von der Amortisation der Bahncard ab. Rückzahlungsverpflichtungen müssen klar formuliert und angemessen sein, um wirksam zu sein.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 307 BGB (Inhaltskontrolle): Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Im vorliegenden Fall verstößt die Rückzahlungsklausel für die Bahncard 100 gegen das Transparenzgebot und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen.
- § 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen): Diese Paragraphen regeln die Kontrolle von vorformulierten Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen gelten. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Bahncard-Vereinbarung um solche vorformulierten Vertragsbedingungen, die einer Inhaltskontrolle unterliegen.
- § 46 Abs. 2 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz): Diese Vorschrift überträgt bestimmte Vorschriften des BGB auf Arbeitsverträge. Das Gericht hat die Rückzahlungsklausel im Arbeitsvertrag anhand dieser Vorschriften überprüft und für unwirksam erklärt.
- Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB): Vertragliche Bestimmungen müssen klar und verständlich formuliert sein. Die Klausel zur Rückzahlung der Bahncard 100 erfüllte dieses Kriterium nicht, da die Kosten und der Rückzahlungsmodus nicht klar definiert wurden.
- Interessenabwägung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB): Eine Klausel darf den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. Die Rückzahlungsklausel benachteiligte den Beklagten, da sie nicht nach dem Grund des Ausscheidens differenzierte und eine Rückzahlung auch bei betriebsbedingter Kündigung vorsah.
- § 344 ZPO (Kostenentscheidung): Diese Vorschrift regelt, dass die Kosten des Rechtsstreits von der unterliegenden Partei zu tragen sind. Im vorliegenden Fall musste die Klägerin die Kosten tragen, da ihre Klage abgewiesen wurde.
- § 61 ArbGG (Streitwertfestsetzung): Diese Vorschrift bestimmt, wie der Streitwert in arbeitsgerichtlichen Verfahren festzusetzen ist. Im vorliegenden Fall wurde der Streitwert auf 2.459,09 EUR festgesetzt.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Arbeitsgericht Koblenz
ArbG Koblenz – Az: 8 Ca 3123/22 – Urteil vom 25.07.2023
1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.02.2023 bleibt aufrechterhalten.
2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.459,09 EUR
4. Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin als ehemalige Arbeitgeberin des Beklagten Rückzahlungsansprüche aus der Vereinbarung für die Überlassung einer Bahncard 100 geltend.
Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis, welches durch betriebsbedingte Kündigung der Klägerin vom 23.09.2022 innerhalb der Probezeit am 11.10.2022 sein Ende gefunden hat. Der Beklagte war als Zugbegleiter im Reisezugdienst bei der Klägerin tätig.
Die Klägerin stellt dem bei ihr beschäftigten Fahrpersonal, also Triebfahrzeugführern, Zugführern und Zugbegleitern um jeweiligen Einsatzorte erreichen zu können, eine Bahncard 100 zur Verfügung. Zur Überlassung der Bahncard 100 schließt die Klägerin mit dem bei ihr beschäftigten Fahrpersonal, somit auch dem Beklagten einen Vertrag ab, nachdem der Arbeitnehmer für den Fall des unterjährigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin die Kosten der Bahncard anteilig an die Klägerin zu erstatten hat.
Die Parteien haben hier unter dem 05.08.2022 eine „Vereinbarung für die Überlassung einer Bahncard“ getroffen. Deren § 4 lautet wie folgt:
§ 4
Scheidet der Arbeitnehmer unterjährig aus den Diensten aus, so ist der Arbeitgeber berechtigt die Kosten für die Bahncard anteilig vom Arbeitnehmer zurückzufordern. Die Bahncard verbleibt beim Arbeitnehmer.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Vereinbarung Bezug genommen, Bl. 17 der Akte. Mit Schreiben vom 18.10.2022 (Bl. 18 d.A.) stellt die Klägerin dem Beklagten 2.459,09 EUR in Rechnung unter der Bezeichnung „Weiterberechnung Bahncard 12.10.2022 bis 11.08.2023“. Der Beklagte leistete auf die vorbezeichnete Rechnung keinerlei Zahlung.
Am 14.02.2023 hat die Vorsitzende auf Antrag des Beklagten klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen, welches der Klägerin am 09.03.2023 ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Hiergegen hat die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch unter dem 10.03.2023 eingelegt.
Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Koblenz aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen an sie 2.459,09 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 05.01.2023 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.02.2023 aufrecht zu erhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Klägerin steht der streitgegenständliche Zahlungsanspruch nicht zu, § 4 der Vereinbarung über die Überlassung einer Bahncard hält einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG nicht stand.
Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und deren Einlassung im Kammertermin am 25.07.2023 geht die Kammer davon aus, dass es sich bei der „Vereinbarung über die Überlassung einer Bahncard 100“ um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Vorformulierte Vertragsbedingungen liegen vor, wenn sie zeitlich vor dem Vertragsschluss fertig formuliert vorliegen um in künftige Verträge eingearbeitet zu werden (Schaub, Arbeitsrechtsbuch 17. Auflage, § 35 Rz. 8). Des Weiteren müssen die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt sein. Die Klägerin selber trägt vor, dass sie „dem bei ihr beschäftigten Fahrpersonal“ die Bahncard 100 zu den skizzierten Bedingungen überlässt. Nach unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten hat die Klägerin mit der, vom Beklagten nicht gebetenen Überlassung der Bahncard 100 diesem zugleich die Vereinbarung über die Überlassung einer Bahncard zur Unterschrift vorgelegt. Damit steht nach Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei der Vereinbarung über die Überlassung einer Bahncard 100 (Anlage K1) nicht um ausgehandelte Vertragsbedingungen, sondern um vorformulierte gestellte Vertragsbedingungen handelt, auf die die §§ 305 ff. BGB Anwendung finden.
Zunächst verstößt § 4 der Vereinbarung für die Überlassung einer Bahncard 100 nach Auffassung der Kammer gegen das Transparenzgebot im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. § 4 konstituiert das Recht des Arbeitgebers „die Kosten für diese Bahncard anteilig vom Arbeitnehmer zurückzufordern“. Die Kosten für „diese Bahncard“ benennt die Klausel selber nicht. Auch definiert die Klausel nicht den Begriff „anteilig“. Dem Transparenzgebot im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wird nur dann genügt, wenn der Vertragspartner sein Rückzahlungsrisiko abschätzen kann. Deshalb müssten die durch die Überlassung der Bahncard entstehenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren bezeichnet werden. Dazu müssen zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der Kosten genannt werden (BAG 06.08.2013, AP-Nr. 47 zu § 611 BGB Ausbildungshilfe). Beides ist hier nicht der Fall. Weder sind die Kosten der Bahncard 100 beziffert, noch ist erkennbar welchen Berechnungsmodus die Klägerin anstellen will, um die Kosten der Bahncard „anteilig“ vom Arbeitnehmer zurückzufordern.
Darüber hinaus benachteiligt die Rückzahlungsabrede den Beklagten nach Auffassung der Kammer vorliegend unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 BGB i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Rückzahlungsklauseln sind zu beanstanden, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers nicht entspricht und der Arbeitnehmer mit der Leistung eine angemessene Gegenleistung nicht erhält. Vorliegend ist schon fraglich, ob der Beklagte hier überhaupt eine angemessene Gegenleistung erhalten hat. Dabei verkennt die Kammer nicht die Vorteile, die die Bahncard 100 für die Dauer vom einem Jahr dem Bahnkunden zu eröffnen vermag. Dabei ist jedoch vorliegend zu berücksichtigen, dass nach unstreitig gebliebenen Vortrag des Beklagten dieser gar kein Interesse hatte an der Überlassung einer Bahncard 100 für ein komplettes Jahr. Nach seinem eigenen Vortrag nutzt er diese auch gar nicht nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Daher ist für die Kammer schon zweifelhaft, ob der Beklagte überhaupt einen geldwerten Vorteil erlangt hat. Dies kann letztlich unentschieden bleiben, weil bei der im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzustellenden Interessenabwägung auch der die Rückzahlungspflicht auslösende Tatbestand zu berücksichtigen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAG 18.03.2014, NZA 2014, 957) ist es nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu knüpfen, dass innerhalb der mit der Klausel vorgesehenen Bindungsfrist stattfindet. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens unterschieden werden. Eine Rückzahlungspflicht wird in der Regel nicht ausgelöst, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit) veranlasst wurde.
So liegt der Fall aber hier. Unstreitig hat die Klägerin eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Die Klausel in § 4 der Vereinbarung über die Überlassung einer Bahncard differenziert nicht nach dem Grund des Ausscheidens. Sie erfasst daher in ihrer umfassten Formulierung auch Fälle des vorzeitigen Ausscheidens, die etwa durch vertragswidriges Verhaltens des Arbeitgebers mitveranlasst wurden. Um im Rahmen der Interessenabwägung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers zu kommen, erfordert eine Rückzahlungsklausel, wie von der Klägerin verwendet, eine Differenzierung nach dem Grund des Ausscheidens. Dies hat die Klägerin offenkundig nicht vorgenommen. Damit verstößt die Rückzahlungsklausel auch gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen noch zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist im Gesetz nicht vorgesehen (BAG 12.12.2013, AP-Nr. 5 zu § 611 BGB Arbeitgeberdarlehn). Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Dieser Umfang soll nicht erst in einem Prozess geklärt werden müssen. Dies wäre mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unvereinbar.
Ist § 4 der Vereinbarung über die Überlassung einer Bahncard 100 aus den vorgezeichneten Rechtsgründen insgesamt rechtsunwirksam, fehlt es an einer Anspruchsgrundlage der Klägerin mit der Folge, dass die Klage insgesamt abzuweisen war, mithin das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.02.2023 aufrecht zu erhalten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 344 ZPO i.V.m. § 91 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergeht gemäß § 61 ArbGG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO. Anhaltspunkte die Berufung zuzulassen, soweit diese nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist bestehen nicht.