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Sachgrundbefristung – Vertretung – vorübergehender Beschäftigungsbedarf – Rückkehrprognose

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 7 Sa 87/11 – Urteil vom 08.09.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.11.2010 in Sachen 5 Ca 5981/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung des zuletzt zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 23.03./17.04.2009.

Der am . .1986 geborene Kläger absolvierte in der Zeit vom 01.09.2004 bis zum 22.06.2007 bei der Beklagten eine Berufsausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Wegen des Inhalts dieser Ausbildung wird auf den vom Kläger mit Schriftsatz vom 06.09.2011 zur Akte gereichten Ausbildungsrahmenplan (Bl. 218 ff. d. A.) Bezug genommen.

Nach am 22.06.2007 bestandener Ausbildungsabschlussprüfung erhielt der Kläger zunächst für die Zeit vom 23.06. bis 14.07.2007 einen befristeten Arbeitsvertrag als Beleuchter unter Angabe des Befristungsgrundes des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG. Sodann erhielt der Kläger einen für die Zeit vom 15.07.2007 bis 30.06.2008 befristeten Arbeitsvertrag als Beleuchter unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe XII Stufe 1. Zum Befristungsgrund heißt es in § 17 des entsprechenden Arbeitsvertrages vom 03.07.2007 wie folgt:

„Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrages ist die Vertretung eines Mitarbeiters, der vorübergehend andere Aufgaben wahrnimmt.“

Entsprechende Arbeitsverträge mit identischem Befristungsgrund schlossen die Parteien sodann noch für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.06.2009 und zuletzt am 23.03./17.04.2009 für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.06.2010 (Bl. 10 ff. d. A.).

Die Wirksamkeit der Befristung dieses letzten Arbeitsvertrages ist Gegenstand der vorliegenden, vom Kläger am 20.07.2010 beim Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten Entfristungsklage.

Bei dem Mitarbeiter, zu dessen Vertretung die Beschäftigung des Klägers erfolgen sollte, handelte es sich um den Mitarbeiter U H . Der Mitarbeiter H absolvierte bei der Beklagten in der Zeit von 1992 bis 1996 eine Ausbildung als Energie-Elektroniker, Fachrichtung Anlagentechnik. Danach war er bei der Beklagten zunächst als erster Assistent Bild/Ton und ab dem 01.03.2000 als Oberbeleuchter beschäftigt. Eine Eingruppierung als Oberbeleuchter erfolgte nach dem für die Beklagte geltenden Tarifvertrag in Vergütungsgruppe VIII und setzt neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Elektrohandwerk u. a. auch „langjährige einschlägige Berufserfahrung in einer Rundfunkanstalt oder in einem ähnlichen Betrieb“ voraus. Wegen der Eingruppierungsvoraussetzungen und Tätigkeitsmerkmale eines Beleuchters der Vergütungsgruppe XII, eines Beleuchters der Vergütungsgruppe IX und des Oberbeleuchters der Vergütungsgruppe VIII wird auf die in der Berufungsbegründungsschrift des Klägers auf Seite 5 – 7 zitierten Tarifvertragspassagen Bezug genommen.

Ab dem 01.02.2004 wurde der Mitarbeiter H auf der Grundlage mehrerer befristeter Vertragsänderungen auf der Stelle eines Mitarbeiters namens G zu dessen Vertretung als „Techniker mit besonders schweren Aufgaben (mbsA)“ in der Vergütungsgruppe VII beschäftigt. Der Mitarbeiter G wurde seinerseits für entsprechende befristete periodische Abschnitte als erster Techniker an das Studio W abgeordnet. In dem Schreiben über die zeitlich letzte hier interessierende Verlängerung der Vertragsänderung gegenüber dem Mitarbeiter H vom 23.03.2009 heißt es auszugsweise:

„Sehr geehrter Herr H ,

auf Vorschlag des Fachbereichs und im Einvernehmen mit allen Beteiligten wird ihre befristete Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe VII über den 30.06.2009 hinaus bis 30.06.2010 verlängert. Sachgrund für die Befristung ist die Vertretung eines Mitarbeiters, der vorübergehend andere Aufgaben wahrnimmt.

Vorsorglich möchten wir Sie nochmals darauf hinweisen, dass Sie ab dem 01.07.2010 wieder im Rahmen Ihres Arbeitsvertrages als Oberbeleuchter beschäftigt werden, wenn sich nach dem 30.06.2010 keine weitere höherwertige Tätigkeit anschließen sollte“ (vgl. Bl. 41 d. A.).

Wegen der entsprechenden, mit Schreiben vom 23.01.2009 vorgenommenen Abordnung des Mitarbeiters G nach W für die Zeit vom 30.06.2009 bis 30.06.2010 wird auf die Anlage B2 (Bl. 42 d. A.) hingewiesen.

Berufsbegleitend erwarb der Mitarbeiter H mit Unterstützung der Beklagten im Jahre 2007 eine zusätzliche Qualifikation durch die Fortbildung zum Mediengestalter Bild/Ton. Auf den vom Kläger zu den Akten gereichten Ausbildungsrahmenplan für dieses Berufsbild wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 228 ff. d. A.).

Mit Schreiben vom 13.11.2009 beantragte der zuständige Fachbereich bei der Personalabteilung der Beklagten die Entfristung der Beschäftigung des Mitarbeiters U H als Techniker mbsA. In dem Schreiben vom 13.11.2009 heißt es auszugsweise:

„Mit meinem Schreiben vom 13.11.2009 habe ich das Beschäftigungsverhältnis von Herrn F P als geh. Kamera-Assistent nunmehr entfristet. Entsprechend wird seine o.g. ursprüngliche Planstelle als Techniker mbsA zum 01.01.2010 unbefristet zur Nachbesetzung frei.

Ich möchte auf dieser Planstelle das Beschäftigungsverhältnis mit Herrn U H als Techniker mbsA entfristen…“ (vgl. Bl. 177 d. A.).

Der Kläger lehnte eine ihm von der Beklagten für die Zeit nach dem 30.06.2010 angebotene, erneut befristete Anschlussbeschäftigung ab, da sich die Parteien nicht über die Aufnahme eines vertraglichen Entfristungsvorbehalts hatten einigen können. Die ursprüngliche Planstelle des Mitarbeiters H als Oberbeleuchter wurde nach Darstellung der Beklagten in ihrem Berufungserwiderungsschriftsatz zum 31.12.2010 aufgrund Stellenabbaus eingezogen.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Befristung des Arbeitsvertrages vom 23.03./17.04.2009 sei unwirksam. Demnach bestehe nunmehr aufgrund § 16 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Voraussetzungen für den Sachgrund der Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG hätten nicht vorgelegen.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung im Vertrag vom 17.04.2009 zum 30.06.2010 beendet worden ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 30.06.2010 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Befristung auf den Befristungsgrund der Vertretung gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG berufen. Es habe eine Vertretungskette zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern H und G bestanden. Im Zeitpunkt des Abschlusses des letzten mit der Klage angegriffenen Vertrages sei auch nicht absehbar gewesen, ob der Mitarbeiter H nicht auf seine bisherige Stelle als Oberbeleuchter zurückkehren werde.

Mit Urteil vom 05.11.2010 hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Köln die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln wurde dem Kläger am 29.12.2010 zugestellt. Er hat hiergegen am 21.01.2011 Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.03.2011 – am 28.03.2011 begründen lassen.

Der Kläger stellt zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer sog. mittelbaren Vertretung bzw. Vertretungskette nicht in Abrede, vertritt jedoch die Auffassung, dass es vorliegend am erforderlichen Kausalzusammenhang fehle. Welche Tätigkeiten der Mitarbeiter H als Techniker mbsA wahrnehme, entziehe sich zwar seiner Kenntnis ebenso wie die Frage, inwieweit der Mitarbeiter H seinerseits die Aufgaben des Mitarbeiters G wahrgenommen habe oder hätte wahrnehmen können. Jedenfalls habe aber er, der Kläger, in seiner Tätigkeit als Beleuchter der Vergütungsgruppe XII nicht die Aufgaben des Mitarbeiters H als Oberbeleuchter der Vergütungsgruppe VIII wahrgenommen und auch bereits mangels Erfüllung der hierfür erforderlichen fachlichen Anforderungen nicht wahrnehmen können. Das Arbeitsgericht habe insoweit die unterschiedlichen Tätigkeitsanforderungen und Hierarchieebenen eines Beleuchters der Vergütungsgruppe XII einerseits und eines Oberbeleuchters der Vergütungsgruppe VIII andererseits verkannt.

Außerdem behauptet der Kläger, dass bereits bei Abschluss seines letzten befristeten Arbeitsvertrages nicht mit einer Rückkehr des Kollegen H an den Arbeitsplatz als Oberbeleuchter zu rechnen gewesen sei. Vielmehr sei bereits zum damaligen Zeitpunkt geplant gewesen, den Mitarbeiter H künftig unbefristet als Techniker einzusetzen. Dies folge schon daraus, dass die Beklagte schließlich die hierfür erforderliche Weiterbildung des Mitarbeiters H gefördert habe.

Der Mitarbeiter H wäre aber nach Auffassung des Klägers auch aus rein tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen, seine frühere Tätigkeit als Oberbeleuchter wieder aufzunehmen. Dies folge aus der technischen Weiterentwicklung in diesem Bereich, die während der langen Zeit, seit der der Mitarbeiter H nicht mehr als Oberbeleuchter gearbeitet habe, eingetreten sei. Die gestiegenen Qualifikationsanforderungen hätten dem Kläger zu Folge bei einer Rückkehr des Mitarbeiters H an seinen alten Arbeitsplatz als Oberbeleuchter eine einjährige Einarbeitungszeit erfordert.

Schließlich weist der Kläger auch auf europarechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit sog. Kettenbefristungen hin.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.11.2010, Az.: 5 Ca 5981/10, abzuändern und nach dem Schlussantrag erster Instanz zu erkennen, nämlich

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung im Vertrag vom 17.04.2009 zum 30.06.2010 beendet worden ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 30.06.2010 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beruft sich für die Wirksamkeit der Befristung des Vertrages vom 23.03./17.04.2009 auf § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer sog. Vertretungsbefristung vorgelegen haben. Durch die Abordnung des Mitarbeiters G in das Studio W sei eine Stelle als Techniker mbsA in der Abteilung Kamera und Ton zu besetzen gewesen. Dies sei vertretungsweise durch den Mitarbeiter H erfolgt. Dessen dortiger Einsatz habe wiederum zu einem vorübergehenden Bedarf für eine Stelle als Beleuchter in der Abteilung Kamera und Ton geführt. Die befristete Tätigkeit des Klägers vom 01.07.2009 bis 30.06.2010 habe diesen Bedarf decken können.

Es komme nicht darauf an, ob die Vertretungskraft mit allen Arbeitsaufgaben betraut werde, deren Erbringung von dem zu Vertretenden geschuldet wird. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Vertretungsbedarf und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft genüge. Der Kläger habe die Tätigkeit eines Beleuchters ausgeübt, deren Wahrnehmung auch Voraussetzung für die Tätigkeit eines Oberbeleuchters sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Vergütungstarifvertrag. Der Kläger habe nur deswegen nicht als Oberbeleuchter eingruppiert werden können, weil er die Eingruppierungsvoraussetzungen der Vergütungsgruppe VIII noch nicht erfüllt habe.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages mit dem Kläger sei auch nicht absehbar gewesen, dass der Mitarbeiter H nicht auf seine Stelle als Oberbeleuchter zurückkehren werde. Die Entfristung des Mitarbeiters H auf der Stelle eines Technikers mbsA sei erst im November 2009 beantragt worden und vorher nicht absehbar gewesen. Eine Rückkehr von Mitarbeitern auf ihre alte Stelle nach befristeter Übernahme von anderweitigen Tätigkeiten im Rahmen von Vertretungen komme bei ihr, der Beklagten, häufig vor und sei nicht ungewöhnlich. Die Fortbildung zum Mediengestalter Bild/Ton sei zwar eine tarifvertraglich geforderte Voraussetzung einer Beschäftigung als Techniker mbsA. Damit sei jedoch nicht zwangsläufig verbunden, dass auch eine weitere Beschäftigung als Techniker mbsA erfolgen werde. Herr H habe, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 08.09.2011 näher ausführt, auch von seiner Qualifikation her die Tätigkeit als (Ober-)beleuchter ohne Weiteres wieder aufnehmen können.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 05.11.2010 ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die Befristung des Arbeitsvertrages der Parteien vom 23.03./17.04.2009 zum 30.06.2010 war rechtswirksam. Das Arbeitsverhältnis hat daher mit Ablauf des Befristungszeitraumes sein Ende gefunden.

1. Die Befristung des Arbeitsvertrages der Parteien war durch einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG gerechtfertigt. Die Voraussetzungen des sachlichen Rechtfertigungsgrundes der Vertretung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG liegen vollständig vor.

a. Der Kläger wurde unstreitig auf einer Stelle beschäftigt, die dem Mitarbeiter H als Oberbeleuchter zugeordnet war.

aa. Der Mitarbeiter H hat während der Zeit der Beschäftigung des Klägers unstreitig anderweitige Tätigkeiten eines Technikers mbsA ausgeübt. Die Beklagte hat durch Vorlage des Änderungsvertrages vom 23.03.2009 mit dem Mitarbeiter H dokumentiert, dass die anderweitige Tätigkeit dieses Mitarbeiters als Techniker in der Vergütungsgruppe VII ebenfalls nur befristet ausgeübt wurde, und zwar für den identischen Zeitraum vom 30.06.2009 bis 30.06.2010.

bb. Ebenfalls hat die Beklagte durch Vorlage des Änderungsvertrages vom 23.01.2009 mit dem Mitarbeiter G dokumentiert, dass auch dieser Mitarbeiter befristet für die Zeit vom 30.06.2009 bis 30.06.2010 nach W abgeordnet war und seinen hiesigen Arbeitsplatz als Techniker qbsA befristet nicht eingenommen hat. Letztlich kommt es aber auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Mitarbeiter H tatsächlich Tätigkeiten des Mitarbeiters G ausgeübt hat. Maßgeblich ist nur, dass er während des befristeten Beschäftigungseinsatzes des Klägers auf seiner angestammten Planstelle aufgrund einer vertraglich zeitlich befristeten anderweitigen Tätigkeit nicht zur Verfügung stand.

b. Demnach ist plausibel, dass durch die Abwesenheit des Mitarbeiters H von seinem angestammten Arbeitsplatz als Oberbeleuchter in diesem Arbeitsbereich ein Beschäftigungsbedarf entstanden ist, der durch den Kläger abgedeckt werden konnte. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Stelle des Mitarbeiters H diejenige eines Oberbeleuchters der Vergütungsgruppe VIII darstellte, während der Kläger für seine Tätigkeit als Beleuchter in die Vergütungsgruppe XII eingruppiert wurde.

aa. Zum einen ist es nicht erforderlich, dass der Vertreter im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG in vollem Umfang und in jeder Hinsicht die Aufgaben des zu Vertretenden wahrnimmt. Ebenso wie der Arbeitgeber frei ist, einen vorübergehend abwesenden Mitarbeiter überhaupt vertreten zu lassen, ist es ihm auch unbenommen, dem Vertreter nur Teilaufgaben aus dem Aufgabenspektrum des zu Vertretenden zu übertragen, den Aufgabenbereich mit anderen Schwerpunkten zu versehen oder – im Extremfall – sogar dem Vertreter gänzlich andere Aufgaben zu übertragen, wenn nur der Beschäftigungsbedarf für den Vertreter durch die Abwesenheit eines anderen Mitarbeiters von seinem Aufgabenbereich kausal verursacht wird (z.B.: BAG vom 15.2.2006, AP § 14 TzBfG Nr.23).

bb. Zum anderen übersieht der Kläger, dass die Tätigkeit eines Beleuchters der Vergütungsgruppe XII auch den Grundbestand an tarifvertraglich aufgeführten Tätigkeitsaufgaben eines Beleuchters der Vergütungsgruppe IX und eines Oberbeleuchters der Vergütungsgruppe VIII ausmacht und dass zum anderen eine Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IX oder VIII allein schon deshalb nicht in Betracht kam, weil beide Tätigkeiten eine dreijährige bzw. „langjährige“ Berufserfahrung in einer entsprechenden Tätigkeit voraussetzen, der Kläger aber Berufsanfänger war.

cc. Auch erscheint die Argumentation des Klägers in Teilen widersprüchlich, wenn er einerseits ausführt, dass er den Mitarbeiter H als Oberbeleuchter „bereits mangels Erfüllung der hierfür erforderlichen fachlichen Anforderungen nicht vertreten“ haben könne, andererseits aber seinen Anspruch auf unbefristeten Verbleib auf dem Arbeitsplatz unter anderem damit begründen will, dass eine Rückkehr des Mitarbeiters H auf seine angestammte Stelle nicht mehr möglich gewesen sei, weil dieser die technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Beleuchtungstechnik der letzten Jahre aufgrund seiner anderweitigen Tätigkeit verpasst habe und die hierfür notwendigen Qualifikationen nicht mehr mitbringe.

2. Der sachliche Befristungsgrund der Vertretung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG setzt allerdings voraus, dass der Beschäftigungsbedarf für den Vertreter nur vorübergehender Natur ist. Steht bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertretungsarbeitsvertrages fest, dass der zu vertretende Mitarbeiter die bisherige Beschäftigung, in der er vertreten werden soll, definitiv nicht mehr aufnehmen wird, so scheidet der Sachgrund der Vertretungsbefristung aus. Auch diese Voraussetzung erscheint vorliegend jedoch im ausreichenden Maße erfüllt.

a. Im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages mit dem Kläger im Frühjahr 2009 verfügte der Mitarbeiter H seinerseits ebenfalls nur über einen bis zum 30.06.2010 befristeten Arbeitsvertrag für eine höherwertige Tätigkeit als Techniker mbsA. Somit stand zu diesem Zeitpunkt in rechtlicher Hinsicht noch keineswegs fest, dass der Mitarbeiter H definitiv nicht auf seine alte Stelle als Oberbeleuchter zurückkehren werde.

b. In diesem Zusammenhang scheint der Kläger zu verkennen, dass es nicht allein entscheidend darauf ankommt, was der Arbeitgeber für die Zukunft geplant hat. Entscheidend ist vielmehr, ob im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages eine sichere Prognose des Inhalts abgegeben werden kann, dass der zu vertretende Arbeitnehmer nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt (BAG vom 2.7.2003, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 254; BAG vom 23.1.2002, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 231; APS/Backhaus, §14 TzBfG Rdnr. 333 f.) . Dass dies nicht gleichbedeutend mit dem Inhalt bloßer Planungen ist, ist schon daran zu ersehen, dass Planungen – insbesondere wenn diese langfristiger Natur sind – aufgrund unwägbarer zukünftiger äußerer Einflüsse auch jederzeit scheitern können.

c. Es mag somit sein, dass der mehrjährige tatsächliche Einsatz des Mitarbeiters H in Technikertätigkeiten und die von der Beklagten gleichzeitig geförderte Weiterbildung darauf hindeuten, dass die Beklagte längerfristig den Mitarbeiter H in ihren Planungen für eine Technikerstelle vorgesehen hatte. Eine solche etwaige Planung hatte sich im hier interessierenden Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages mit dem Kläger aber noch in keiner Weise rechtlich verfestigt (vgl. BAG a.a.O.) . Soweit ersichtlich, war dem Mitarbeiter H weder ein rechtlicher Anspruch eingeräumt, zu einem bestimmten in der Zukunft liegenden Zeitpunkt auf eine Stelle als Techniker wechseln zu dürfen, noch hatte sich der Mitarbeiter H seinerseits rechtlich verbindlich dazu verpflichtet, ein entsprechendes zukünftiges Angebot anzunehmen. Selbst wenn die Beklagte den Mitarbeiter H somit quasi „im Hinterkopf“ längerfristig für eine Technikerstelle vorgesehen hatte, waren im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrages mit dem Kläger jedoch bei einer Prognose nicht unerhebliche Unwägbarkeiten, etwa die wirtschaftliche, personelle und stellenplanmäßige Entwicklung oder die Entwicklung der persönlichen Verhältnisse bei dem Mitarbeiter, einzukalkulieren. Bezeichnenderweise hat die Beklagte den Mitarbeiter H in der Vertragsänderung vom 23.03.2009 demnach auch darauf aufmerksam gemacht, dass er „ab dem 01.07.2010 wieder im Rahmen ihres Arbeitsvertrages als Oberbeleuchter beschäftigt werden“ würde, „wenn sich nach dem 30.06.2010 keine weitere höherwertige Tätigkeit anschließen sollte.“

d. Insbesondere ist es auch nicht ersichtlich geworden, dass im Frühjahr 2009 bereits festgestanden hätte, dass der Kläger zum 01.01.2010, wie dann tatsächlich geschehen, auf eine unbefristete Planstelle eines Mitarbeiters P als Techniker würde wechseln können. Hiergegen spricht insbesondere der Umstand, dass der zuständige Fachbereich eine entsprechende Entfristung der Tätigkeit des Mitarbeiters H als Techniker erst im November 2009 beantragt hat und nach der Begründung dieses Antrages auch im November 2009 erst die Voraussetzungen hierfür geschaffen worden waren.

e. Die Behauptung des Klägers, der Mitarbeiter H habe schon deshalb an seinen alten Arbeitsplatz nicht mehr zurückkehren können, da er die entsprechenden technischen Entwicklungen der letzten Jahre aufgrund seiner anderweitigen Tätigkeit verpasst habe, überzeugt die Berufungskammer nicht. Es wurde im vorliegenden Rechtsstreit ausreichend dokumentiert, dass der Mitarbeiter H gut und vielseitig qualifiziert ist und über eine breite Berufserfahrung verfügt. Auch der Kläger selbst räumt ein, dass der Mitarbeiter H jedenfalls nach einer entsprechenden Einarbeitungszeit wieder vollwertig an seiner alten Stelle hätte tätig werden können. Dies gilt umso mehr, als die vom Kläger angeführten Beispiele für die technische Fortentwicklung in jüngerer Zeit nur Teilbereiche des Aufgabenspektrums eines Oberbeleuchters betreffen.

3. Schließlich stehen nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall auch europarechtliche Aspekte der Wirksamkeit der Vertretungsbefristung nicht entgegen.

a. Zwar neigt auch die Berufungskammer dazu, aus § 5 Nr.1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 den Grundsatz herzuleiten, dass bei den an den jeweiligen Sachgrund zu stellenden Anforderungen nicht außer Betracht bleiben darf, um das wievielte aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnis es sich handelt, bzw. seit welchem Zeitraum der betreffende Arbeitnehmer bereits ununterbrochen befristet beschäftigt wird (vgl. LAG Köln

7 Sa 1150/09 und 7 Sa 1224/09, Vorabentscheidungsersuchen vom 13.4.2010, LAGE § 14 TzBfG Nr.57). Gehen die Anzahl und/oder die Zeitdauer aufeinanderfolgender Befristungen über ein noch zu tolerierendes Normalmaß hinaus, so dass im Sinne der europäischen Richtlinie von Kettenbefristungen die Rede sein muss, dürfte es – ggf. auch entgegen der noch herrschenden Auffassung des Bundesarbeitsgerichts – gerechtfertigt sein, Zweifeln, ob der Beschäftigungsbedarf nur vorübergehender Natur ist, umso stärker Raum zu geben. Mit anderen Worten dürfte es geboten sein, das Prognoserisiko umso stärker dem Arbeitgeber aufzuerlegen, je häufiger und länger er das Arbeitsvertragsverhältnis mit dem betroffenen Arbeitnehmer zuvor befristet hatte.

b. Im vorliegenden Fall ist jedoch erst der vierte befristete Vertrag bei einer Gesamtdauer des befristeten Beschäftigungsverhältnisses von nur wenigen Tagen mehr als drei Jahren zu beurteilen. Gemessen hieran reicht der Grad der im Zeitpunkt des Abschlusses des hier zu beurteilenden befristeten Arbeitsvertrages gegebenen Wahrscheinlichkeit, dass der zu vertretende Mitarbeiter H endgültig nicht mehr an seinen bisherigen Stammarbeitsplatz zurückkehren werde, noch nicht aus, um die Vertretungsbefristung als rechtswidrige, nicht mehr tolerierbare Kettenbefristung zu kennzeichnen.

Dementsprechend konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.

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