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Sachgrundlose Befristung – Verlängerung – Tariföffnungsklausel

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 11 Sa 1409/12 und 11 Ta 1410/12 – Urteil vom 18.12.2012

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.05.2012 – 6 Ca 1323/12 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den unbefristeten Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie die Verpflichtung der Beklagten zur einstweiligen Weiterbeschäftigung des Klägers.

Mit einem am 4. Mai 2012 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Berlin – 6 Ca 1323/12 – die Klage abgewiesen, die auf die Feststellung der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2011 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers gerichtet ist.

Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Befristung des Arbeitsvertrages auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 TzBfG in Verbindung mit Ziffer 2 des Ergänzungstarifvertrages vom 26. Mai 2009 zulässig sei. Die Befristungsabrede entspreche den tariflichen Vorgaben, ohne dass erkennbar sei, dass der Gesetzgeber insoweit eine Einschränkung hätte vornehmen wollen. Aber auch auf einen zu seinen Gunsten eingreifenden Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen; denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe sich der Kläger in einem sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis befunden, das während der Geltung des Tarifvertrages noch einmal sachgrundlos hätte befristet werden können. Aus der Wirksamkeit der Befristungsabrede folge gleichzeitig die Unbegründetheit des Weiterbeschäftigungsbegehrens des Klägers (wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 49 bis 51 d. A. verwiesen).

Gegen diese ihm am 21. Juni 2012 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit einem am 23. Juli 2012 (Montag) beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. September 2012 am 20. September 2012 begründet.

Er hält die angefochtene Entscheidung für unzutreffend; denn die Tarifvertragsparteien hätten den ihnen zustehenden Regelungsspielraum überschritten. Außerdem könne der Kläger Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, weil die tarifliche Regelung bei Vertragsschluss am 1. Februar 2008 noch nicht existiert hätte. Auf diesen Zeitpunkt komme es jedoch an, weil es sich nach wie vor um dasselbe Beschäftigungsverhältnis handele (Bl. 73 bis 75 d. A.).

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des am 04.05.2012 verkündeten Urteils des  Arbeitsgerichts Berlin (Az.: 6 Ca 1323/12) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 01.07.2010 am  31.12.2011 geendet hat,

2. hilfsweise, für den Fall des Obsiegens der Kündigungsschutzklage, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den nach ihrer Auffassung zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung an, die sie mit weiteren Ausführungen unterstützt (Bl. 80 bis 84 d. A.).

Entscheidungsgründe

Die an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 und 6 sowie 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) bleibt erfolglos.

I.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen.

Die Kammer schließt sich den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung an, die lediglich mit Rücksicht auf die mit der Berufung erhobenen Rügen einiger Anmerkungen und Ergänzungen bedürfen.

1. Das Verfahren ist nicht mit Rücksicht auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers durch Beschluss des Amtsgerichts Spandau vom 2. Januar 2012 (Bl. 45 d. A.) unterbrochen (§ 240 ZPO). Die Wirksamkeit der Befristungsabrede betrifft ein höchstpersönliches Recht des Klägers. Seine Arbeitskraft fällt nicht in die Insolvenzmasse, deshalb verbleibt die Verfügung zur Prozessführungsbefugnis für die Befristungskontrollklage trotz der Insolvenz bei dem Kläger (vgl. für die Kündigungsschutzklage BAG, 2 AZR 609/08 – vom 05.11.2009, AP Nr. 224 zu § 626 BGB; LAG Niedersachsen – 6 Sa 113/12 – vom 21.09.2012, n. v.; Reinfelder, NZA 2009, S. 124).

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete infolge der von ihnen vereinbarten Befristungsabrede am 31. Dezember 2011.

a)

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. Januar 2008 ist vereinbart, dass die Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG erfolgt. Außerdem heißt es darin weiter:

„Auf das Arbeitsverhältnis finden die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden Tarifverträge (derzeit für die Metall- und Elektroindustrie Berlin – Brandenburg I) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit sie unter den persönlichen Geltungsbereich fallen und im Einzelfall nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist.“, während der Vertrag vom 1. Juli 2010 unter anderem vorsieht:

„Sehr geehrter Herr W.,

wie mit Ihnen besprochen, vereinbaren wir hiermit die Verlängerung Ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2011. Die Verlängerung der Befristung erfolgt aufgrund § 14 Abs. 2 Teilzeit– und Befristungsgesetz in Verbindung mit dem Ergänzungstarifvertrag über den zulässigen Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse vom 26.5.2009.

Im Übrigen behalten die im Einstellungsvertrag getroffenen Vereinbarungen nebst Vertragsanlagen weiterhin Gültigkeit.“

b) Daraus hat das Arbeitsgericht mit Recht abgeleitet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Ablauf des 31. Dezember 2011 sein Ende gefunden hat.

aa) Die streitbefangene Befristungsabrede ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 TzBfG in Verbindung mit Ziffer 2 des Ergänzungstarifvertrages über den zulässigen Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V., Am Schillertheater 2, 10625 Berlin und der IG Metall, Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen, Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen, Alte Jakobstr. 149, 10969 Berlin vom 26. Mai 2009 (Bl. 34 f. d. A.) zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zulässig (Satz 2 Hs. 2 a. a. O.). Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren (§ 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 TzBfG). § 22 Abs. 1 TzBfG gestattet außer in den Fällen der §§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 4 und 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 eine Abweichung von diesen Vorschriften nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers.

Die Voraussetzungen nach Abs. 2 Satz 3 und 4 TzBfG, unter denen nach § 22 Abs. 1 TzBfG zu Ungunsten des Arbeitnehmers von der bestimmten Frist für ein nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis abgewichen werden kann, sind im Streitfall erfüllt. Ziffer 2 des Ergänzungstarifvertrages enthält eine Festlegung im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG. Die Norm verändert die Anzahl der Verlängerungen und die Höchstdauer einer ohne Sachgrund vereinbarten Befristung. Diese Möglichkeit ist durch die gesetzliche Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt. Den Tarifvertragsparteien ist es nach dieser Vorschrift nicht nur erlaubt entweder Gesamtdauer oder Anzahl der Verlängerungen sondern beides kumulativ abweichend vom Gesetz zu regeln. Die Vorschrift enthält, indem sie das Wort „oder“ beinhaltet, ein Redaktionsversehen. Das Wort „oder“ ist im Sinne von und zu verstehen. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass es im Gesetzestext an dem Wort „entweder“ fehlt, das unmittelbar auf eine Alternative hinwiese, während die Systematik der Vorschrift keineswegs eine lediglich alternative Deutung nahe legt. Vielmehr folgt aus der Entstehungsgeschichte unmittelbar, dass eine kumulative Lösung angestrebt wurde (BAG – 7 AZR 184/11 – vom 15.08.2012, DB 2012, S. 2697).

bb) Allerdings besteht die den Tarifvertragsparteien nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung oder beide Umstände gleichzeitig abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, nicht unbeschränkt. Dies ergibt sich sowohl aus dem systematischen Zusammenhang als auch aus Artikel 12 Abs. 1 GG sowie der Rahmenvereinbarung der EGB-UNIC-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, deren Umsetzung der befristungsrechtliche Teil des TzBfG dient (BAG – 7 AZR 716/09 – vom 06.04.2011, AP Nr. 82 zu § 14 TzBfG).

Jedoch bestehen keine Zweifel daran, dass die vorliegend zu beurteilende Regelung noch den gesetzlichen Möglichkeiten entspricht. Weder aus der Systematik und dem Zweck des TzBfG noch aus verfassungs- oder unionsrechtlichen Gründen ergibt sich das Gegenteil. Ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeit ist nicht anzunehmen. Dies folgt vorliegend unmittelbar daraus, dass ganz erkennbar eine Sonderregelung für einen ganz bestimmten Betrieb des Unternehmens aus speziellem Anlass angestrebt wurde, der sich unmittelbar aus der Präambel des Ergänzungstarifvertrages ergibt:

„Dieser Tarifvertrag dient der Sicherung der Beschäftigung und der Flexibilität des Betriebes angesichts der wirtschaftlich schwierigen Zeit, in dem er die Möglichkeit eröffnet, die Höchstbefristungsdauer von 24 Monate auf 48 Monate zu verlängern. Gleichzeitig soll mit ihm der Austausch von qualifizierten Mitarbeiter/innen und die damit verbundenen Einarbeitungs- und Qualifizierungsaufwendungen vermieden werden.“

Die inhaltliche Richtigkeit dieser Überlegung wird weiter dadurch bestätigt, dass dieser Tarifvertrag lediglich eine kurze Laufzeit hatte. Er endete, nachdem er am 26. Mai 2009 abgeschlossen wurde, am 31. Dezember 2010, ohne dass es einer Kündigung bedurfte und wirkte auch nicht nach. Lediglich Arbeitsverträge, die während seiner Laufzeit abgeschlossen wurden und später enden, werden noch von seiner Wirksamkeit erfasst.

Dies deutet auf eine sachgerechte Lösung eines in einem bestimmten Betrieb angefallenen Sondertatbestandes hin, dessen Regelung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen vor. Die Rechtssache ist von grundsätzlicher Bedeutung, wie sich aus der Zulassung der Revision durch Beschluss des BAG in dem Verfahren 7 AZR 137/12 ergibt, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt.

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