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Sachgrundlose Befristung – Vorbeschäftigungsverbot

Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 5 Sa 1/13 – Urteil vom 30.01.2014

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 10.10.2012, Aktenzeichen:

2 Ca 1097/11, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer zwischen ihnen vereinbarten Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sowie um den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 09.06.2010 auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge als Maschinenbediener für zuletzt € 2.292,– brutto monatlich beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zum letzten Mal mit Vertrag vom 26.05.2011 bis zum 31.12.2011 verlängert. Der Kläger war bereits vom 13.04.2005 bis zum 21.04.2006 bei der Beklagten beschäftigt gewesen.

Der Kläger macht mit seiner Klage vom 07.10.2011, bei Gericht eingegangen am 20.10.2011, die Unwirksamkeit der Befristungsabrede geltend. Die Befristung sei unwirksam, weil ein sachlicher Grund nicht bestehe. Dieser sei erforderlich, weil bereits zuvor zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren und dem jetzigen Arbeitsverhältnis komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Auch wenn der Kläger die Klage bereits vor dem Befristungsende eingereicht habe, sei sie fristgerecht erhoben. Ein eigenständiger Sachgrund sei durch den zwischen dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. (VBM) und der IG Metall für die Beklagte geschlossenen Tarifvertrag vom 24.05.2011 nicht geschaffen worden. Ein sachlicher Grund bestehe auch nicht in einem vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers. Die Abrufe durch die Kunden erfolgten kurzfristig; die Beklagte könne nur ca. 3 Monate im Voraus planen. Durch die Befristungsabrede werde das unternehmerische Risiko unzulässig auf den Kläger verlagert. Soweit die Beklagte die Herstellung des Produktes H… in eine Produktionsstätte in der Türkei verlagert habe, habe sie nicht vorgetragen, welche Kapazitäten dieses Produkt beinhalte. Der Kläger bestreite, dass von dieser Verlagerung 168 Arbeitsplätze betroffen seien. Selbst wenn dies der Fall sein solle, rechtfertige dies noch nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Die von der Beklagten für die Produktion im Bereich des Klägers angenommenen Stückzahlen beruhten nur auf einer Grobplanung. Im Mai 2011 sei die Entwicklung für den Januar 2012 nicht vorhersehbar gewesen. Der Kläger müsse aufgrund der Unwirksamkeit der Befristungsabrede auch tatsächlich weiterbeschäftigt werden.

Die Beklagte hält die Klage für unsubstantiiert, weil hieraus nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen die Befristung unwirksam sein solle. Die Klage sei bereits deshalb unbegründet, weil die gesetzliche Klagefrist nicht eingehalten worden sei. Die Klage müsse innerhalb von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende der Befristung erhoben werden. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Die Befristung sei ohne Sachgrund möglich, weil der Kläger nicht bereits zuvor im Sinne des Gesetzes bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Auf die frühere Beschäftigung des Klägers komme es insoweit nicht an, weil das frühere Arbeitsverhältnis länger als 3 Jahre zurückliege. Eine Zuvorbeschäftigung liege nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung damit nicht vor. Hilfsweise bestünde für die Befristung auch ein Sachgrund. Zum Einen sei in der Präambel des Tarifvertrages vom 24.05.2011 festgestellt worden, dass bei der Beklagten ein zeitlich begrenzter Kapazitätsbedarf bestehe, der im Wege von Befristungen überbrückt werden solle. Hierdurch hätten die Tarifvertragsparteien einen eigenen Sachgrund neben den im Gesetz genannten Sachgründen geschaffen. Jedenfalls werde durch die Regelungen des Tarifvertrages das Vorliegen eines Sachgrundes vermutet. Ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf habe auch tatsächlich vorgelegen, so dass bei der Befristungsabrede vom 26.05.2011 ein Sachgrund gegeben gewesen sei. Für den vorübergehenden Beschäftigungsbedarf des Klägers seien die Abrufstückzahlen im Fertigungsbereich des Klägers entscheidend. Die zu erwartenden von den Kunden abgerufenen Stückzahlen seien im Jahr 2011 vorübergehend angestiegen. Zudem sei bereits bekannt gewesen, dass die Herstellung des Produktes H… von Bamberg in die Türkei zum Wegfall von 168 Arbeitsplätzen zum 31.12.2011 führen werde. Die Beklagte errechne ihren Personalbedarf durch die Feststellung der für die Produktion anhand des Vorgabezeitvolumens benötigten Menscharbeitszeit unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten und Arbeitsunterbrechungen, z.B. durch Betriebsversammlungen. Die von der Beklagten getroffene Prognose habe sich im Jahr 2012 auch tatsächlich bestätigt, denn die Beklagte habe nach dem 31.12.2011 keine Einstellungen von befristeten Mitarbeitern mehr vorgenommen. Im Januar 2012 habe sich bezogen auf das gesamte Werk Bamberg ein Personalüberhang von mehr als 100 Stammmitarbeitern ergeben. Aufgrund dieser bestätigten Entwicklung bestehe ebenfalls eine Vermutung, dass die ursprüngliche Prognose richtig und fundiert gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Befristungsabrede sei wirksam, denn es habe hierfür gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG keines Sachgrundes bedurft. Das frühere Arbeitsverhältnis des Klägers liege mehr als 3 Jahre zurück und stehe damit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905) einer erneuten sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. Mit der Dauer der Befristung und der Anzahl der Verlängerungen hätten sich die Parteien in den Grenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG bewegt. Auf das Vorliegen eines Sachgrundes komme es damit nicht an. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.

Zur Begründung seiner Berufung lässt der Kläger vorbringen, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09 könne der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden, weil das Urteil des Bundesarbeitsgerichts den Rahmen der richterlichen Kompetenz zur Rechtsanwendung und -auslegung übersteige. Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei eine sachgrundlose Befristung zulässig, wenn zwischen den Parteien „bereits zuvor“ ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Nach dem Wortlaut stehe damit jedes frühere Arbeitsverhältnis der Befristung entgegen, gleich ob wenige Tage, Monate oder Jahre. Eine verfassungsorientierte Auslegung sei nicht geeignet, der eindeutigen Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einen anderen Inhalt zu geben. Ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts hätte der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht in der geschehenen Weise auslegen dürfen. Die Beklagte hätte damit einen Sachgrund für die Befristung benötigt, der nicht vorliege. Weder der Tarifvertrag vom 24.05.2011 stelle einen solchen Sachgrund dar noch könne sich die Beklagte auf einen vorübergehenden Bedarf im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG berufen. Damit sei der Kläger auch weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte lässt vortragen, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dem Begriff „bereits zuvor“ verstoße nicht gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und Art. 20 GG. Bei der Auslegung habe des Bundesarbeitsgericht zutreffend den Gesetzeszweck berücksichtigt. Im Übrigen habe der Kläger die Klagefrist des § 17 TzBfG nicht eingehalten. Außerhalb dieses Zeitraums erhobene Klagen seien unzulässig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des punktuellen Streitgegenstandes des TzBfG nicht eingehalten würden. Im Übrigen würde auch ein Sachgrund in Form des Ergänzungstarifvertrages vom 24./25. Mai 2011 für die Befristung vorliegen. Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sei nicht abschließend, so dass eine Regelung über einen Ergänzungstarifvertrag möglich sei; eine weitergehende Begründung sei in diesen Fällen nicht notwendig. In einer Betriebsvereinbarung vom 24. Mai 2011 sei zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat nach einer längeren Verhandlungszeit und einer umfassenden Prüfung festgelegt worden, dass maximal 120 befristete Arbeitsverhältnisse bis 31. Dezember 2011 befristet verlängert werden würden. Der Abschluss dieser Betriebsvereinbarung sei Voraussetzung für den Abschluss des entsprechenden Ergänzungstarifvertrages vom 24. Mai 2011 gewesen. Jedenfalls sei dem Tarifvertrag vom 24./25. Mai 2011 eine Richtigkeitsvermutung im Sinne von § 292 ZPO zu entnehmen. Der Vortrag der Klägerseite habe diese Vermutungswirkung nicht substantiiert erschüttert. Die Prognose eines nur vorübergehend bestehenden Arbeitsbedarfs sei auch aufgrund der tatsächlichen Entwicklung bestätigt worden. Insbesondere seien keine Einstellungen von befristeten Mitarbeitern nach dem 31. Dezember 2011 mehr vorgenommen worden. Auch seien bei der Beklagten zum Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung und während der Befristungsdauer keine Leiharbeitnehmer mehr beschäftigt worden. Nach Ablauf der Befristung habe es, bezogen auf das gesamte Werk Bamberg, einen Personalüberhang von mehr als 100 Stammmitarbeitern gegeben. Darüber hinaus habe auch ein Sachgrund für die Befristung vorgelegen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe die Beklagte hinreichend solide Tatsachengrundlagen für eine zeitlich begrenzte Dauer des Arbeitsbedarfs gehabt. Die Prognose eines nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs ergebe sich aufgrund der Vertriebszahlen und des Produktionsstückzahlabrufs. Grundlage der nachvollziehbaren und umfassenden Prognose sei ein entsprechender Wirtschaftsplan. Entscheidend komme es auf den Prognosezeitpunkt, nämlich den Beginn der letzten Befristung an. Zum Zeitpunkt der Befristungsabrede habe es keine Hinweise gegeben, dass im Jahr 2011 erhöhte Abrufzahlen und Mengensteigerungen über das Jahr 2011 hinaus bestehen würden. Schließlich sei bei der gesamten Kapazitätsplanung berücksichtigt worden, dass die Produktion des Hochdruckeinspritzventils H…, welches eine Arbeitskapazität von 168 Mitarbeitern gehabt habe, mit Ablauf des 31. Dezember 2011 in die Türkei verlagert worden und dementsprechend die Arbeitskapazität im Umfang von 168 Mitarbeitern entfallen sei.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen sowie der gestellten Berufungsanträge wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

B

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Berufungskammer folgt den Erwägungen der in den Parallelverfahren ergangenen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Urteile vom 22.03.2013 und vom 08.05.2013, 8 Sa 499/12 und 2 Sa 501/12). Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch das Berufungsgericht folgt der Auffassung des Erstgerichts wie auch des siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts, wonach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages ohne Sachgrund dann nicht verbietet, wenn das Ende des zuvor mit demselben Arbeitgeber bestandenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt.

I. Die Klage ist allerdings nicht schon deshalb abzuweisen, weil die Klagepartei etwa die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG nicht eingehalten hätte und die Befristung daher in Verbindung mit § 7 KSchG als rechtswirksam gelten würde. Denn die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG ist auch durch eine Klage gewahrt, die bereits vor Ablauf eines kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnisses erhoben wird (vgl. etwa BAG vom 16.01.2013 – 7 AZR 661/11, ständige Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen sind mit der am 07.10.2011 erhobenen Klage gegen die am 26.05.2011/06.06.2011 für die Zeit bis zum 31.12.2011 vereinbarte letzte Befristung erfüllt.

II. Die Beklagte konnte das Arbeitsverhältnis mit der Klagepartei bis zum 31.12.2011 wirksam auch ohne Sachgrund befristen. Nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Die Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG greift nicht. Danach ist eine Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Mit Urteil vom 06.04.2011 hat der siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass eine Vorbeschäftigung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht gegeben ist, wenn das Ende des früheren Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt (7 AZR 16/09). Diese Entscheidung hat im Schrifttum sowohl Ablehnung als auch Zustimmung erfahren. Dies nahm der siebte Senat zum Anlass, in der Entscheidung vom 21.09.2011 – 7 AZR 375/10 – seine Rechtsauffassung zu bestätigen und sich mit den kritischen Stimmen in der Literatur auseinanderzusetzen. In dieser Entscheidung hat er nach erneuter Überprüfung und unter Berücksichtigung der im Schrifttum erhobenen Bedenken an seiner Auffassung festgehalten. Die erkennende Kammer schließt sich dieser Entscheidung an (ebenso LAG Rheinland-Pfalz vom 09.08.2012 – 2 Sa 239/12;

ErfK – Müller-Glöge, 13. Auflage, § 14 TzBfG, Rn. 99; a.A. KR-Lipke, 10. Auflage, § 14 TzBfG Rn. 418 a ff., jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

1. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ nicht eindeutig. Er gebietet nicht zwingend das Auslegungsergebnis eines lebenslangen oder auch absoluten Vorbeschäftigungsverbots immer dann, wenn „jemals zuvor“ ein Arbeitsverhältnis der Parteien bestand. Auch der Gesetzeszusammenhang verlangt kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Der Umstand, dass sich in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der seit 01.05.2007 geltenden Fassung die Formulierung „unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses“ findet, spricht zwar dagegen, die Worte „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne von „unmittelbar zuvor“ zu verstehen. Zwingend ist jedoch nicht das Verständnis, dass „bereits zuvor“ gleichbedeutend ist mit „jemals zuvor“. Zwar kann einiges darauf hindeuten, dass die Gesetzesgeschichte des Teilzeit– und Befristungsgesetzes dafür spricht, das Verbot der Vorbeschäftigung zeitlich unbeschränkt zu verstehen. Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig unbeschränkten Verbotes spricht jedoch der Zweck der Regelung. Er besteht darin, zu verhindern, dass die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung zu Befristungsketten missbraucht wird. Dieser Zweck kann auch ohne lebenslanges Vorbeschäftigungsverbot verwirklicht werden. Das damit verbundene absolute Einstellungshindernis ist nicht mehr vom Gesetzeszweck gedeckt.

2. Das Bundesarbeitsgericht hat auch in der Entscheidung vom 21.09.2011 auf den entscheidenden Gesichtspunkt hingewiesen, dass gegen ein Verständnis im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbotes der Vorbeschäftigungen verfassungsrechtliche Erwägungen sprechen. Ein zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot wäre verfassungswidrig. Ein eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nach dem Grundsatz der möglichst verfassungskonformen Auslegung geboten. Nachdem die Zivilgerichte, zu denen auch die Arbeitsgerichte gehören, bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen zu beachten haben und die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen müssen, die die konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkungen vermeiden sollte, verdient bei der Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen die Auslegung den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Das Vorbeschäftigungsverbot ist daher zeitlich eingeschränkt auszulegen. Denn ein unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot würde strukturell die Gefahr bergen, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die von den Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Der Arbeitnehmer wäre auch bei einer lange zurückliegenden Vorbeschäftigung gehindert, mit einem einstellungsbereiten Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Das würde der objektiven Wertentscheidung, die in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, nicht hinreichend gerecht. Die strukturell einstellungshemmende Wirkung ist im Interesse des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Ziels des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes zwar grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt jedoch nicht, soweit sie zur Verwirklichung dieses Ziels ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen ist. Bei dem zeitlich völlig unbeschränkten Vorbeschäftigungsverbot ist das der Fall. Ein absolutes Vorbeschäftigungsverbot ist schon weder geeignet noch erforderlich, um Befristungsketten zu vermeiden und arbeitsvertraglichen Bestandsschutz zu gewährleisten. Jedenfalls ist die faktische Benachteiligung, die sich für den Arbeitsplatzbewerber aus dem Vorbeschäftigungsverbot ergibt, unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten legitimen Zwecks nicht mehr angemessen.

3. Ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist auch wegen des Grundsatzes der möglichst verfassungskonformen Auslegung geboten. Ein zeitlich völlig unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot ist mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dadurch würde die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Die Verfassungswidrigkeit von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG lässt sich jedoch durch eine verfassungskonforme Auslegung vermeiden. Das Bundesarbeitsgericht weist zutreffend darauf hin (vgl. BAG vom 21.09.2011 – 7 AZR 375/10, Rn. 34, zitiert nach juris), dass im Falle einer Vorlage des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auch § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bis zu dessen Entscheidung nicht mehr angewandt werden könne. Damit würde jedoch der Wille des deutschen Gesetzgebers in sein Gegenteil verkehrt. Ein zeitlich eingeschränktes und damit verfassungskonformes geltungserhaltendes Verständnis von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entspricht damit auch dem unionsrechtlichen Gebot der Kohärenz einer nationalen Regelung, die Richtlinienrecht umsetzt.

4. Die Kammer schließt sich auch der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts an, dass ein Zeitraum von drei Jahren geeignet, erforderlich und angemessen ist, die in einem zeitlich eingeschränkten Sinn im Wege der Rechtsfortbildung vorzunehmende Konkretisierung zu ermöglichen. Mit diesem Dreijahreszeitraum wird eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit vermieden. Die Zeitspanne entspricht der gesetzgeberischen Wertung, der in der Dauer der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist nach § 195 BGB zum Ausdruck kommt.

5. Somit liegen die Voraussetzungen für die Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG vor. Weder ist die nach dem Haustarifvertrag vom 24.05.2012 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG zulässige Höchstdauer von 24 Monaten noch die Zahl der zulässigen Verlängerungen im vorliegenden Fall überschritten. Das Ende des zuvor mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses liegt mehr als drei Jahre zurück.

III. Die Parteien haben die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung auch nicht vertraglich ausgeschlossen. Die Parteien haben zwar im Arbeitsvertrag vom 08.06.2010 als Befristungsgrund „vorübergehender Arbeitskräftebedarf und Urlaubsvertretung in unserer Fertigung“ genannt, was auf einen solchen Ausschluss hindeuten könnte. Dies allein genügt jedoch nicht, vielmehr müssten weitere Umstände hinzutreten (vgl. zum Beispiel BAG vom 29.06.2011 – 7 AZR 774/09; vom 12.08.2009 – 7 AZR 270/08).

Im vorliegenden Fall gibt es jedoch keine Anhaltspunkte, die für eine Einigung der Parteien dahingehend sprächen, mit dem Vorliegen des im Arbeitsvertrag formulierten Sachgrundes solle die Befristung „stehen und fallen“. Im Gegenteil, der im Arbeitsvertrag genannte „Sachgrund“ ist völlig allgemein gehalten und für sich nicht aussagekräftig. Hinzukommt, dass in den Verlängerungsverträgen ein Sachgrund nicht genannt ist, obwohl dann, wenn ein Sachgrund erforderlich gewesen wäre, die Beklagte jeweils eine erneute Prognose hätte anstellen müssen. Die Klagepartei konnte daher bei verständiger Würdigung nicht annehmen, die Beklagte habe auf die ihr gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung verzichten und bei Fehlen des Sachgrundes eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfes oder der Urlaubsvertretung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingehen wollen. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein befristetes Arbeitsverhältnis, ist es der Regelfall, dass der Arbeitgeber gerade kein unbefristetes Vertragsverhältnis anstrebt und die Befristung unter jedem möglichen rechtlichen Gesichtspunkt rechtfertigen will.

IV. Auch die tariflichen Regelungen stehen einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. § 7 des Manteltarifvertrages für die bayerische Metall- und Elektroindustrie beschränkt zwar die zulässige Höchstdauer und die zulässige Zahl der Verlängerungen von befristeten Arbeitsverträgen. Er schließt jedoch gerade nicht die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung aus. Der Haustarifvertrag vom 24.05.2011 ermöglicht in § 2 lediglich eine längere Befristungsdauer und eine größere Zahl von Verlängerungen „abweichend von § 7 Ziff. 2 (I) MTV auf Basis der gesetzlichen Regelungen“. Satz 1 der Präambel des Haustarifvertrages, wonach bei der Beklagten in Bamberg ein zeitlich begrenzter Kapazitätsbedarf, der im Wege von Befristungen überbrückt werden solle, bestehe, zeigt lediglich die Motivationslage auf, die zur zeitlich begrenzten Abweichung vom Manteltarifvertrag geführt hat. Gegen den Ausschluss der sachgrundlosen Befristung spricht neben dem Wortlaut der Regelungen auch, dass mit dem Haustarifvertrag die Befristungsmöglichkeiten erleichtert und nicht erschwert werden sollten.

V. Da somit ein Sachgrund für die von der Klagepartei angegriffene Befristung des Arbeitsvertrages nicht notwendig war und sonstige Unwirksamkeitsgründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, endete das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2011. Mangels bestehenden Arbeitsverhältnisses hat das Arbeitsgericht daher zu Recht auch den Antrag auf Weiterbeschäftigung der Klagepartei abgewiesen.

C

Die Klagepartei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Abs. 1 und 2 ArbGG.

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