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Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche bei beendeten Arbeitsverhältnis

ArbG Flensburg, Az.: 3 Ca 1/16, Urteil vom 22.09.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf EUR 87.000,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin war bei der Stadt B. seit dem 12.06.2006 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 12.06.2006 (Bl. 43 – 45 d.A.) als Personalvermittlerin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien u.a.:

㤠1

Frau … wird ab 12.06.2006 befristet bis zum 31.12.2010 als Beschäftigte eingestellt.

§ 2

Das Dienstverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Tarifvertrages öffentlicher Dienst (TVöD) mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer je-weils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich der Arbeitgeberin jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.

…“

Anlässlich einer Verwaltungsfusion ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 01.05.2008 auf die Beklagte über. Die Klägerin erzielte zuletzt eine monatliche Nettovergütung in Höhe von ca. EUR 1.450,00.

Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche bei beendeten Arbeitsverhältnis
Symbolfoto: FreedomTumZ/Bigstock

Das Arbeitsverhältnis der Parteien war belastet durch einen Konflikt, der zum einen die Unzufriedenheit des beklagten Amtes mit der Arbeitsleistung der Klägerin und zum anderen die von Klägerin empfundene Arbeitsüberlastung zum Gegenstand hatte. Dieser Konflikt war Gegenstand zahlreicher Personalgespräche. Am 08.10.2008 kam es darüber hinaus zwischen den Parteien zu einem Schlichtungsgespräch. Anlässlich dieses Schlichtungsgespräches wurde der Klägerin von dem beklagten Amt der Abschluss eines Aufhebungsvertrages angeboten. Dieses Angebot lehnte die Klägerin ab.

Unter dem Datum 07.11.2008 erteilte das beklagte Amt der Klägerin zwei Abmahnungen. In einer Abmahnung wurde die lückenhafte und unzureichende EDV-Dokumentation, in der anderen die Nichtausschöpfung der personenbezogenen Budgetmittel zur Qualifizierung von Kunden beanstandet. Am 08.12.2008 wurde die Klägerin von der Arbeit freigestellt. Mit Schreiben vom 08.12.2008 kündigte das be-klagte Amt das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich zum 31.03.2009. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer am 16.12.2008 erhobenen Kündigungsschutzklage (Bl. 173 – 175 d.A). Das Kündigungsschutzverfahren wurde vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1612/08 geführt. Es wurde von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem das beklagte Amt erklärt hatte, aus der Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten. Darüber hinaus kündigte das beklagte Amt das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2009 fristlos. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Kündigungsschutzklage vom 03.02.2009.

Das Kündigungsschutzverfahren wurde vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 3 Ca 201/09 geführt. Es endete durch übereinstimmende Erledigungserklärung, nachdem das beklagte Amt im Kammertermin vom 05.11.2009 erklärt hatte, aus der fristlosen Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten. Mit drei Schreiben vom 08.05.2009 kündigte das beklagte Amt das Arbeitsverhältnis der Klägerin sodann fristgemäß zum 30.06.2009. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit drei Kündigungsschutzklagen (vgl. Bl. 176 – 178 d.A.), welche erstinstanzlich erfolgreich waren. Auf die Berufung des beklagten Amtes hob das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein durch Urteile vom 17.01.2012 (1 Sa 84/11) und 11.12.2012 (1 Sa 83b/11 und 1 Sa 85b/11) die erstinstanzlichen Entscheidungen auf und wies die Klagen ab. Die vorgenannten Urteile sind rechtskräftig geworden. Im Berufungsverfahren 1 Sa 84b/11 wurde der Vorgesetzte der Klägerin, Herr Dr. B. M., als Zeuge vernommen. In der Folge erstattete die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.06.2013 (Bl. 138 – 151 d.A.) Strafanzeige gegen Herrn Dr. M. und stellte Strafantrag wegen des Verdachts der falschen uneidlichen Aussage. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft K. zum Aktenzeichen … Js …/… wurde unter dem 29.05.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit einer am 17.02.2011 beim Arbeitsgericht Flensburg eingegangenen Klage (Bl. 179 – 181 d.A.) machte die Klägerin die Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vereinbarten Befristung geltend. Die vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 3 Ca 196/11 geführte Klage wurde durch Urteil vom 21.02.2013 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 05.09.2013 zum Aktenzeichen 1 Sa 130/13 als unzu-lässig verworfen.

Die Klägerin begab sich im Dezember 2008 in eine ambulante psychotherapeutische Behandlung und war seitdem bis Juni 2010 arbeitsunfähig krank. Vom 14.07.2009 bis zum 08.09.2009 nahm sie an einer Rehabilitationsmaßnahme teil. Die Klägerin beantragte am 16.03.2009 Erwerbsunfähigkeitsrente und bezog ab Juni 2010 Arbeitslosengeld. Ausweislich eines für die Deutsche Rentenversicherung Bund erstellten Gutachtens (Bl. 79 – 89 d.A.), erstellt am 28.11.2012, wurde bei der Klägerin eine verminderte psychische Belastbarkeit aufgrund einer ängstlich vermeidenden Per-sönlichkeitsstörung festgestellt. Der Klägerin wurde in der Folge mit Bescheid vom 08.08.2013 (Bl. 92 d.A.) rückwirkend für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 30.09.2013 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 307,45 EUR monatlich und mit Bescheid vom 21.11.2013 (Bl. 93 d.A.) sodann für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.10.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt. Für die Zeit ab dem 01.01.2014 betrug die Erwerbsunfähigkeitsrente 614,90 EUR monatlich. Das Landesamt für soziale Dienste stellte mit Bescheid vom 12.03.2015 (Bl. 94 d.A.) bei der Klägerin eine Behinderung mit einem Grad der Behinderung von 30 fest. Mit Anwaltsschreiben vom 07.09.2015 (Bl. 95 bis 101 d.A.) machte die Klägerin gegen das beklagte Amt Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Mobbings geltend. Am 23.12.2015 beantragte die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheides wegen einer Hauptforderung in Höhe von 80.000,00 EUR wegen Mobbings im Arbeitsverhältnis. Der Mahnbescheid wurde dem beklagten Amt am 31.12.2015 zugestellt. Gegen den Mahnbescheid vom 29.12.2015 erhob das beklagte Amt am 04.01.2016 Widerspruch. Mit der am 21.01.2016 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin die streitgegenständlichen Ansprüche weiter.

Die Klägerin trägt vor: Sie habe gegen das beklagte Amt Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Mobbings. Das Arbeitsvolum, das ihr von dem beklagten Amt auferlegt worden sei, sei nicht in der vereinbarten Arbeitszeit zu bewältigen gewesen. Hierüber habe sie das beklagte Amt mehrfach informiert, ohne das Abhilfe geschaffen worden sei. Sie habe nicht ausreichend Zeit gehabt, um sich zu erholen. Ihr Vorgesetzter, Herr Dr. M. habe nicht einmal Überstunden angeordnet, sondern zugelassen, dass sie ihn ihrem Urlaub und sogar während bestehender Arbeitsunfähigkeit gearbeitet habe. Dabei sei sie stets mit einer Arbeitskollegin verglichen worden, die geleistete Arbeitsstunden zum Teil nicht dokumentiert habe und deren Arbeitsbelastung weitaus geringer gewesen sei. Damit habe das beklagte Amt den Zweck verfolgt, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Trotz ihrer erheblichen Arbeitsbelastung sei bei ihr besonders genau hingeschaut und so der Druck erhöht worden. Das beklagte Amt habe auch dann nicht für Entlastung gesorgt, nachdem sie zusammengebrochen sei, sondern ihr weitere Aufgaben übertragen und sie dadurch bewusst und systematisch überfordert. Darüber hinaus seien ihre Verbesserungsvorschläge nicht aufgegriffen worden. Stattdessen sei sie regelrecht dafür abgestraft worden, dem beklagten Amt die durch fehlerhafte Arbeitsorganisation verursachten Schwierigkeiten aufzuzeigen.

So habe ihr Vorgesetzter ihr gegenüber einen harscheren Ton angeschlagen und offen zum Ausdruck gebracht, sie möge sich einen neuen Job suchen. Bei anderer Ge-legenheit habe er sie angeschrien und zuletzt herrisch aus seinem Büro geworfen. Ihr Vorgesetzter habe sie offen und systematisch am Arbeitsplatz demontiert und mit einer Vielzahl von Abmahnungen und Kündigungen überzogen. Er habe systematisch ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Arbeitsumfeld geschaffen und dadurch ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Dies und die Arbeitsüberlastung hätten bei ihr zum Burnout und zur Erwerbsunfähigkeit geführt.

Das beklagte Amt müsse sich das Fehlverhalten ihres direkten Vorgesetzten nach § 278 BGB zurechnen lassen und schulde ihr sowohl Ersatz der materiellen Schäden in Gestalt von Gehaltseinbußen als auch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Hinsicht der Gehaltseinbußen sei die Differenz zwischen der Erwerbsunfähigkeitsrente und der bei dem beklagten Amt erzielten Nettovergütung zugrunde zu legen, wobei mit dem Klageantragt zu 1. im Wege der Teilklage die Differenzbeträge für 35 Monate beginnend ab dem 01.07.2009 geltend gemacht würden. Die mit der Klage verfolgten Ansprüche seien nicht verfallen. § 37 Abs. 1 TVöD er-fasse Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht. Im Übrigen sei die Ausschlussfrist gewahrt. Sie beginne mit der Vernehmung ihres ehemaligen Vorgesetzten vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Berufungsverfahren 1 Sa 84b/11 – am 17.01.2012, da es sich hierbei um die letzte Mobbinghandlung ge-handelt habe. Herr Dr. M. habe als Zeuge objektiv falsch ausgesagt und dem Gericht Unterlagen nicht vorgelegt bzw. deren Existenz verschwiegen. Bereits zuvor seien die streitgegenständlichen Ansprüche in den von ihr erhobenen Bestandsschutzklagen vom 16.12.2008, 14.05.2009 und 17.02.2011 geltend gemacht worden. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Sie habe erst im Rahmen der Verrentung erkennen können, einen Gesundheitsschaden erlitten zu haben, der auf die Mobbingsituation am Arbeitsplatz zurückzuführen sei. Die Verjährung habe daher erst mit dem Schluss des Jahres 2013 begonnen. Die dreijährige Verjährungsfrist sei im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen.

Der Klägerin-Vertreter stellt zuletzt noch die Anträge,

1.die Beklagte verurteilen, an die Klägerin für Entgelteinbußen einen Betrag von 40.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens jedoch 35.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2015,

3.festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz aller weiteren Schäden verpflichtet ist, die der Klägerin durch das der Beklagten zuzurechnende Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter in Form der bewussten Schaffung einer andauernden Arbeitsüberlastung, gezielte Behinderung der Arbeit der Klägerin, der Nichtabhilfe von organisatorischen Missständen, der Ignorierung von arbeitstechnischen Verbesserungsvor-schlägen und von Überforderungssymptomen bei der Klägerin, Bevorzugung von der direkten Kollegin der Klägerin, Duldung und Förderung des schädlichen Kon-kurenzverhaltens im direkten Arbeitsumfeld der Klägerin, der fehlenden Unterstützung der Klägerin bei der Problembewältigung durch die faktisch bestehende Arbeitsüberlastung und des unangebracht aggressiven Umgangs mit der Klägerin durch den direkten Vorgesetzten entstanden sind oder noch entstehen werden,

4. festzustellen, dass die zu Ziffer 1. titulierte Verpflichtung wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Beklagten begründet worden ist.

Der Beklagten-Vertreter beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Amt trägt vor:

Die Klage sei unbegründet, da die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin nicht zustünden. Es sei kein ihm zurechenbares Verhalten ursächlich für die gesundheitlichen Probleme der Klägerin gewesen. Die Klägerin sei auch keinem Mobbing ausgesetzt gewesen.

Sämtliche Ansprüche seien im Übrigen nach § 37 TVöD-AT verfallen und auch verjährt. Alle anspruchsbegründenden Tatsachen seien der Klägerin mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen und hätten daher spätestens zum 31.12.2012 geltend gemacht werden müssen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien vorgetragenen und gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen der zuletzt bei dem beklagten Amt erzielten Nettovergütung und ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente, da es an der erforderlichen Kausalität zwischen behaupteten Haftungsgrund und Schaden fehlte

(1.). Darüber hinaus wären die mit den Anträgen zu 1. bis 3. geltend gemachten Ansprüche – vorausgesetzt sie wären entstanden – nach § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD verfallen, da sie von der Klägerin nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 37 TVöD geltend gemacht worden sind

(2.). Der Antrag zu 4. hat schließlich in der Sache keinen Erfolg, weil der Anspruch, auf den sich die begehrte Feststellung bezieht, nicht besteht.

1. Ein Schadensersatzanspruch setzt u.a. voraus, dass der Schaden durch das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis verursacht worden ist. Das Verhalten des Schädigers muss für den Schaden kausal sein. Hierzu ist erforderlich, dass sowohl zwischen dem Verhalten des Schädigers und der eingetretenen Rechtsgutverletzung als auch zwischen dem Haftungsgrund und dem entstandenen Schaden ein Ursachenzusammenhang besteht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 75. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 24).

Vorliegend fehlte es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen Haftungsgrund und dem mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Schaden. Das Mobbingverhalten, das die Klägerin dem beklagten Amt vorwirft und welches nach ihrem Vortrag zur Verrentung geführt hat, ist nicht ursächlich für den Verlust des Vergütungsanspruches gegen das beklagte Amt ab dem 01.07.2009. Ursächlich hierfür war vielmehr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der ordentlichen Kündigungen des beklagten Amtes vom 08.05.2009 zum 30.06.2009. Aufgrund der rechtswirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2009 kann die Vergütung, die die Klägerin bei dem beklagten Amt erzielt hat, nicht mehr Berechnungsgrundlage für einen möglichen Schadensersatzanspruch wegen Mobbings für die Zeit ab dem 01.07.2009 sein.

2. In § 7 des Arbeitsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des TVöD richtet. Nach § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. § 37 TVöD erfasst die streitgegenständlichen Ansprüche

a)). Die Klägerin hat die streitgegenständlichen An-sprüche nicht innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht

b)). Die Ansprüche sind daher verfallen.

23a) Der TVöD ist durch vertragliche Inbezugnahme (§ 2 des Arbeitsvertrages) Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden. Damit ist auch die in § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD normierte Ausschlussfrist Vertragsbestandteil. Diese Klausel erfasst nach ihrem Wortlaut alle Arten möglicher Ansprüche, mithin auch Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (vgl. BAG vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – zitiert nach Juris zu einer vergleichbaren tariflichen Regelung). Auch Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung des all-gemeinen Persönlichkeitsrechts durch Mobbing unterfallen daher der Aus-schlussfrist und sind innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen (LAG Köln vom 02.03.2011 – 1 Ta 375/10 – zitiert nach Juris). Eine solch umfassende Ausschlussfrist ist in einem Tarifvertrag, der auf das Arbeitsverhältnis normativ, d.h. aufgrund beidseitiger Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeitserklärung Anwendung findet, grundsätzlich zulässig (BAG vom 26.09.2013 – 8 AZR 1013/12 – zitiert nach Juris). Für einzelvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gilt dies jedoch nur eingeschränkt. Durch ein-zelvertraglich Inbezugnahme eines Tarifvertrages werden dessen Rechtsnormen zum Inhalt des Arbeitsvertrages; sie wirken nicht anders als wenn die Parteien diese Normen als Vertragsbestimmungen in den Arbeitsvertrag aufgenom-men hätten (BAG aaO.). In diesen Fällen gilt die Ausschlussfrist als durch Rechtsgeschäft vereinbart im Sinne des § 202 Abs. 1 BGB (BAG vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – zitiert nach Juris). § 202 Abs. 1 BGB ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vor-satzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden darf und verbietet nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen (BAG vom 20.06.2013 – 8 AZR 280/12 – zitiert nach Juris).

Vorliegend ist der TVöD durch vertragliche Inbezugnahme Vertragsbestandteil geworden. Aus §§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB folgt für diesen Fall, dass die Haftung des beklagten Amtes wegen Vorsatzes von der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nicht erfasst ist. Da die Haftung für fremdes vorsätzliches Handeln nach § 278 S. 2 BGB in Verbindung mit § 276 Abs. 3 BGB jedoch ausgeschlossen werden darf, können auch Ansprüche aufgrund vorsätzlichen Handelns von Personen im Sinne des § 278 S. 1 BGB einer individual rechtlich vereinbarten alle umfassenden Ausschlussfrist unterfallen; § 202 Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen (BAG vom 26.09.2013 – 8 AZR 1013/12 – zitiert nach Juris). Vorliegend begründet die Klägerin den streitgegenständlichen Anspruch mit ei-nem vorsätzlichen Mobbingverhalten ihres ehemaligen Vorgesetzten, Herrn Dr. M. Ihm wirft sie vor, sie systematisch überlastet und am Arbeitsplatz demontiert zu haben. Er soll ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Arbeitsumfeld geschaffen und dadurch ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt haben. Herr Dr. M. ist jedoch nicht Organ des beklagten Amtes. Als Beschäftigter des beklagten Amtes ist er vielmehr Erfüllungsgehilfe. Die Klägerin stützt ihre Klage somit nicht auf eigenes Verschulden des beklagten Amtes bzw. dessen Organen, sondern auf fremdes Verschulden. Für fremdes Verschulden ist der umfassende Haftungsausschluss in § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD wirksam.

b) Die Ausschlussfrist gemäß § 37 TVöD in sogenannten „Mobbing-Fällen“ beginnt wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung (LAG Köln vom 28.05.2014 – 11 Sa 1102/12 – zitiert nach Juris; LAG Köln vom 02.03.2011 – 1 Ta 375/10 – zitiert nach Juris; BAG vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – zitiert nach Juris).

Ob die Aussage des ehemaligen Vorgesetzten der Klägerin, Herrn Dr. M., vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein als Mobbinghandlung zu qualifizieren ist, erscheint zweifelhaft. In einer durch das Gericht angeordneten und durchgeführten Beweisaufnahme wird regelmäßig kein Raum für Mobbinghandlungen sein. Vieles spricht deshalb dafür, für den Beginn der Ausschlussfrist auf den letzten Arbeitstag der Klägerin bzw. auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Sollte gleichwohl auf den Zeitpunkt der Vernehmung abzustellen sein, hätte die Ausschlussfrist am 17.01.2012 begonnen und wäre am 17.07.2012 abgelaufen. Auch innerhalb dieser Frist sind die streit-gegenständlichen Ansprüche nicht schriftlich geltend gemacht worden. Geltendmachung bedeutet, die andere Seite zur Erfüllung aufzufordern. Der Schuldner muss erkennen können, um welche Forderungen es sich handelt (ErfK/Preis, 16. Aufl. §§ 194 – 218 BGB Rn. 59). Deshalb muss jede Forderung grundsätzlich nach Grund und Höhe sowie dem Zeitraum, für den sie verfolgt wird, deutlich geltend gemacht werden (ErfK/Preis aaO.). Nach diesen Maßstäben liegt in der Erhebung der Bestandschutzklagen, die erstinstanzlich unter den Aktenzeichen 3 Ca 1216/08, 3 Ca 201/09 und 3 Ca 719 – 721/09 geführt worden sind, keine Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. In den jeweiligen Klageschriften sind lediglich Entgeltansprüche für den Fall des Annahmeverzuges, insbesondere entgangenes Entgelt und sonstige Leistungen wie Urlaub, Urlaubsentgelt, Urlaubsabgeltung, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen geltend gemacht worden. Die Formulierung „für den Fall des Annahmeverzuges“ macht deutlich, dass es sich hierbei um An-sprüche handelt, die vom Erfolg der jeweiligen Bestandsschutzklage abhängig sind. Die streitgegenständlichen Ansprüche fallen nicht hierunter, da sie nicht vom Erfolg der Bestandsschutzklage abhängig sind. Ansprüche deren erkennbarer Rechtsgrund die von der Klägerin behauptete Persönlichkeitsverletzung durch Mobbing sind, wurden erstmals mit Anwaltsschreiben vom 07.09.2015 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die Ausschlussfrist bereits abgelaufen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff. ZPO.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert des Antrags zu 1. entspricht der eingeklagten Forderung. Der Antrag zu 2. erhöht den Streitwert um EUR 35.000,00, der Antrag zu 3. um EUR 10.000,00 und der Antrag zu 4. um EUR 2.000,00.

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