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Schadensersatz wegen Verfalls des Zusatzurlaubes für Schwerbehinderte

Landesarbeitsgericht Niedersachsen –  Az.: 2 Sa 567/18 – Urteil vom 16.01.2019

Leitsatz:

Der Arbeitgeber ist gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, den schwerbehinderten Arbeitnehmer auf dessen Zusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX a. F. hinzuweisen. Kommt der Arbeitgeber seinen Informations- und Hinweispflichten gemäß der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 ( – C-684/16 -) nicht nach, hat der Arbeitnehmer nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch im Form des Ersatzurlaubes, der sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs. 1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt.

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Anerkenntnisurteil und Urteil des Arbeitsgerichtes Hameln vom 7. Juni 2018 – 1 Ca 409/17 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Auf ihr Anerkenntnis wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 138,46 € brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 98,10 € brutto zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.038,45 € brutto zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.

6. Soweit die Beklagte gemäß Ziffer 3 des Tenors verurteilt wurde, wird die Revision für die Beklagte zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

7. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.793,26 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über Zahlungsansprüche.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2012 beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Anstellungsvertrag vom 28. Dezember 2011. Die Klägerin erzielte zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.500,00 €. In dem Anstellungsvertrag heißt es u. a. (Bl. 7 bis 9 d. A.):

„…

§ 2 Arbeitszeit

Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt 120 Stunden. Die Lage der Arbeitszeit und der Pausen richtet sich nach den betrieblichen Gepflogenheiten.

§ 4 Erholungsurlaub

(1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 36 Werktagen. Zeitpunkt und Dauer des Urlaubs richten sich nach den betrieblichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers.

(2) Im Übrigen gelten ergänzend die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung.

§ 10 Verfallklausel

(1) Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind von beiden Vertragspartnern innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend zu machen. Erfolgt diese Geltendmachung nicht, gelten die Ansprüche als verfallen.

…“

Zuvor war die Klägerin seit dem 1. Februar 2010 bei der F. B. und H. GmbH, … beschäftigt (Bl. 10 bis 12 d. A.). Der Geschäftsführer der Beklagten und der der F. B. und H. GmbH sind personenidentisch. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der F. B. und H. GmbH wurde durch diese unter dem Datum vom 28. November 2011 zum 31. Dezember 2011 gekündigt (Bl. 13 d. A.).

Die Klägerin ist mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses machte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu keinem Zeitpunkt ihren Schwerbehindertenzusatzurlaub geltend. Auch wurde sie von der Beklagten weder auf diesen Zusatzurlaub hingewiesen noch aufgefordert, diesen in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte beantragte unter dem 3. November 2017 beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin wegen einer beabsichtigten Betriebsstilllegung. Nach ihren Angaben in dem Antrag war die Stilllegung zum 31. März 2018 geplant. In dem Antrag verneinte die Beklagte die darin aufgeführte Frage, ob sie nach Ausspruch der Kündigung noch mindestens drei Monate Lohn/Gehalt zahle (Bl. 16 f. d. A.).

Mit Bescheid vom 27. November 2017 erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin (Bl. 330 f. d. A.). Rechtsmittel gegen diesen Bescheid legte die Klägerin nicht ein.

Mit Schreiben vom 30. November 2017, der Klägerin zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Januar 2018 (Bl. 26 d. A.). Mit ihrer am 11. Dezember 2017 beim Arbeitsgericht Hameln eingegangenen Klage wehrt sich die Klägerin gegen diese Kündigung.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin unter dem 15. Dezember 2017 nochmals zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Bl. 35 d. A.). Die Klägerin erweiterte hinsichtlich dieser Kündigung am 21. Dezember 2017 ihre Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin hat das Vorliegen von Kündigungsgründen bestritten. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 30. November 2017 sei unwirksam, weil die Beklagte in dem Verfahren vor dem Integrationsamt angegeben habe, eine Betriebsstilllegung sei zum 31. März 2018 beabsichtigt. Die Zustimmung des Integrationsamtes habe sich nicht auf eine Kündigung zum 31. Januar 2018, sondern allein auf eine betriebsbedingte Kündigung zum 31. März 2018 bezogen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Arbeitsverhältnisse bei der Beklagten und der F. B. und H. GmbH seien zusammenzurechnen, weil ein Betriebsübergang stattgefunden habe.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagten sei ihre Schwerbehinderung von Beginn des Arbeitsverhältnisses an bekannt gewesen. Deren Geschäftsführer habe ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht, „er habe damit keine Probleme“. Die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, dass ihr der Schwerbehindertenzusatzurlaub zustehe. Wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht stehe ihr ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.076,92 € brutto zu (69,23 € brutto pro Urlaubstag für jeweils fünf Tage pro Jahr in den Kalenderjahren 2012 bis 2017).

Die Klägerin hat behauptet, sie habe bis zum 30. November 2017 insgesamt 35 Überstunden geleistet, die mit einem Bruttolohn von jeweils 12,50 € zu vergüten seien. Sie habe jeden Tag 6 Stunden ohne Pause gearbeitet. Sie hat insoweit auf die von ihr vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen verwiesen (Bl. 53 bis 79 d. A.).

Ferner hat die Klägerin Urlaubsabgeltung auf der Basis der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2018 für 7 Urlaubstage verlangt. Für drei Kalendermonate stünden ihr 6 Tage regulärer Urlaub und 1 Tag Sonderurlaub zu.

Die Beklagte hat einen Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin für anteilige 2 Urlaubstage im Kalenderjahr 2018 in Höhe von 138,46 € brutto anerkannt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. November 2017, zugegangen am 30. November 2017, nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 31. Januar 2018 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

3. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiter zu beschäftigen;

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 2.076,92 € wegen Verletzung von Treue- und Fürsorgepflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 30. November 2017 eine Überstundenvergütung in Höhe von 662,50 € brutto zu zahlen;

6. festzustellen, dass das bestehende Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise Kündigung vom 15. Dezember 2017 nicht beendet wurde, sondern über den 31. März 2018 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.000,00 € brutto für die Zeit vom 1. Februar 2018 bis 31. März 2018 abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes I ab dem 1. Februar 2018 in Höhe von monatlich 630,00 € netto zu zahlen;

8. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Urlaubsabgeltung für das Jahr 2018 in Höhe von 484,61 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, soweit der Urlaubsabgeltungsanspruch für das anteilige Kalenderjahr 2017/2018 nicht von ihr anerkannt wurde.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Betriebsübergang von der F. B. und H. GmbH auf die Beklagte habe nicht stattgefunden. Die Klägerin habe in einem anderen Geschäft gearbeitet, welches geschlossen worden sei. Betriebsmittel seien nicht übernommen worden. Die Beklagte habe die Klägerin im E.-C. in A-Stadt angestellt.

Zunächst habe die Klägerin verschwiegen, schwerbehindert zu sein. Später habe die Ehefrau des Geschäftsführers, die für die Buchhaltung im Betrieb zuständig gewesen sei, in einer Gehaltsabrechnung den Schwerbehindertenausweis bzw. dessen Kopie gefunden.

Die Beklagte hat die Anordnung von Überstunden und deren Ableistung durch die Klägerin bestritten. Sie hat behauptet, sofern Überstunden angefallen seien, seien sie in Freizeit ausgeglichen worden.

Mit Urteil vom 7. Juni 2018 hat das Arbeitsgericht Hameln die Klage – soweit sie von der Beklagten nicht anerkannt worden ist – abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis habe durch die Kündigung vom 30. November 2017 mit Ablauf des 31. Januar 2018 sein Ende gefunden. Die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte in dem Verfahren vor dem Integrationsamt als Kündigungsgrund eine Betriebsstilllegung zum 31. März 2018 angegeben und die Klägerin zum 31. Januar 2018 gekündigt habe. Die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung sei unbeschränkt und unbedingt erteilt worden und nicht allein für eine Kündigung zum 31. März 2018. Die Zustimmung des Integrationsamtes sei von der Klägerin auch nicht angegriffen worden. Die Beklagte habe nach der Zustimmung des Integrationsamtes kündigen können. Dies gelte selbst dann, wenn die Entscheidung des Integrationsamtes auf der Annahme beruht habe, dass die Klägerin erst zum 31. März 2018 gekündigt werde. Diese Annahme habe in der Entscheidung keinen Ausdruck gefunden. Es komme auch nicht darauf an, ob die Kündigung zum 31. Januar 2018 aus betrieblichen Gründen dringend notwendig gewesen sei. Dieses wäre nur dann zu prüfen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vorliegen würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die einzuhaltende Kündigungsfrist von zwei Monaten habe die Beklagte gewahrt. Der allgemeine Feststellungsantrag zu 2) sei unzulässig. Der Weiterbeschäftigungsantrag zu 3) sei nur für den Fall der positiven Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag gestellt worden. Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die wirksame Kündigung vom 30. November am 31. Januar 2018 beendet worden sei, sei der gegen die zweite Kündigung gerichtete Feststellungsantrag unbegründet.

Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch wegen der Nichtgewährung von Schwerbehindertenzusatzurlaub zu. Die Klägerin habe in den Jahren 2012 bis 2016 diesen Zusatzurlaub nicht erfolglos gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Es sei keine Fürsorgepflichtverletzung der Beklagten, die Klägerin nicht darauf hinzuweisen, dass ihr möglicherweise noch Ansprüche zustünden. Für das Kalenderjahr 2017 hätte die Klägerin die Gewährung des Schwerbehindertenzusatzurlaubes in Natur verlangen können.

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Überstundenvergütung zu. Die von der Klägerin vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen habe die Beklagten nicht abgezeichnet und als zutreffend anerkannt. Selbst bei Ableistung der Arbeitszeiten könne nicht ohne Weiteres von einer Anordnung oder Duldung der Überstunden ausgegangen werden.

Ein über die anerkannte Urlaubsabgeltung für 2018 hinausgehender Urlaubsabgeltungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf Seite 4 bis 7 des Urteils, Bl. 121 bis 125 d. A. Bezug genommen.

Das Urteil ist der Klägerin am 28. Juni 2018 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 3. Juli 2018 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 18. Juli 2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Ziele weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichtes sei die Zustimmung des Integrationsamtes nicht unbedingt und unbeschränkt erteilt worden. Der Grund für die Erteilung der Zustimmung sei eine Betriebsstilllegung und der damit verbundene Wegfall des Arbeitsplatzes gewesen. Diese Voraussetzungen hätten in den Monaten Februar und März 2018 nicht vorgelegen, in denen die Beklagte ihr Geschäft ganz normal innerhalb der sonst üblichen Öffnungszeiten fortgeführt habe. Die Fragen des Integrationsamtes hätten sich auf die Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IX a. F. bezogen. Das Integrationsamt habe eine Lohnfortzahlung zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Lohn gezahlt werde, von mindestens drei Monaten vorausgesetzt. Die zuständige Sachbearbeiterin bei dem Integrationsamtes Frau C. habe ihr telefonisch versichert, dass sich die Zustimmung auf die Betriebsstilllegung zum 31. März 2018 bezogen habe, weil es zuvor keine andere Betriebsstilllegung gegeben habe. Im Hinblick auf die unwirksame Kündigung stehe ihr der geltend gemachte Annahmeverzugslohn zu. Von dem Verzugslohn sei das erhaltene Arbeitslosengeld I in Höhe von 630,00 € netto monatlich abzusetzen.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, es habe einen Betriebsübergang von der F. B. und H. GmbH auf die Beklagte gegeben. Die Belegschaft, die Betriebseinrichtung und die Waren seien Schritt für Schritt in den Betrieb der Beklagten überführt worden. Bezüglich der Waren habe es Überschreibungslisten gegeben.

Soweit die Beklagte behaupte, sie habe erst im Jahr 2015 von der Schwerbehinderung erfahren, sei dies unrichtig. Spätestens mit Abschluss des Arbeitsvertrages hätte die Beklagte im Vertrag vermerken müssen, dass sie zusätzlich zu dem normalen Erholungsurlaub auch einen fünftätigen Zusatzurlaub aufgrund ihrer Schwerbehinderung beantragen könne. Dies sei nicht geschehen. Die Klägerin behauptet, sie habe von der Existenz des Zusatzurlaubes für Schwerbehinderte erstmalig durch die Beratung ihres Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Kündigungsschutzklage erfahren. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes hätte sie zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 8. Dezember 2017 auch nicht ohne Weiteres die Gewährung von Schwerbehindertenzusatzurlaub geltend machen können.

Ihr stehe der Anspruch auf Abgeltung der geleisteten Überstunden zu. Sie habe die Filialleitung innegehabt und die Dienstpläne geführt, in die sich alle Mitarbeiter wöchentlich eingetragen hätten. Eine Abzeichnung der Dienstpläne durch den Geschäftsführer sei nicht erforderlich gewesen. Er habe die Dienstpläne und die geleisteten Arbeitszeiten regelmäßig zur Kenntnis genommen. Soweit er es für erforderlich erachtet habe, habe er darin Änderungen vorgenommen. Pausen habe sie nicht in Anspruch nehmen können, weil sie während ihrer Arbeitszeit von 14 bis 20 Uhr immer allein und ohne Aushilfen (außer am Samstag) im Laden gewesen sei.

Trotz des Anerkenntnisses der Urlaubsabgeltung von 2 Werktagen stehe ihr noch eine weitere Urlaubsabgeltung von 7 Werktagen und 1 Tag Sonderurlaub für Schwerbehinderte zu. Laut Arbeitsvertrag habe sie einen Anspruch auf Erholungsurlaub in Höhe von 36 Werktagen. Demnach betrage der abzugeltende Erholungsurlaub für die Zeit Januar bis März 2018 9 Werktage. Es seien noch 7 Werktage Erholungsurlaub und 1,25 Tage Zusatzurlaub für Schwerbehinderte übrig. Insgesamt seien noch acht 8 Urlaubstage abzugelten.

Mit Schriftsatz vom 11. September 2018 hat die Klägerin behauptet, ihr stünden noch 3 Tage Resturlaub bzw. dessen Abgeltung aus dem Kalenderjahr 2017 zu. Soweit die Beklagte behaupte, sie habe vom 18. bis 20. Januar 2018 3 Urlaubstage Resturlaub aus dem Jahr 2017 in Anspruch genommen, sei dies falsch. Sie sei in dem Zeitraum vom 9. bis zum 21. Januar 2018 arbeitsunfähig gewesen und habe dies durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichtes Hameln vom 7. Juni 2018 – 1 Ca 409/17 – abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. November 2017, zugegangen am 30. November 2017, nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadenersatz in Höhe von 2.076,92 € brutto wegen Verletzung von Treue- und Fürsorgepflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 30. November 2017 eine Überstundenvergütung in Höhe von 662,50 € brutto zu zahlen;

4. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Annahmeverzugslohn in Höhe von 1.500,00 € brutto für die Zeit vom 1. Februar 2018 bis 27. Februar 2018 abzüglich erhaltenden Arbeitslosengeld I ab dem 1. Februar 2018 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 29,69 € und für die Zeit vom 28. Februar 2018 bis einschließlich 31. März 2018 Annahmeverzugslohn in Höhe von 1.500,00 € brutto abzüglich eines Übergangsgeldes gemäß § 21 Abs. 4 SGB IV in Höhe von kalendertäglich 21,96 € zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Urlaubsabgeltung für das Jahr 2018 für verbliebene 7 Werktage Erholungsurlaub und 1 Tag Sonderurlaub aufgrund der Schwerbehinderung in Höhe von 553,84 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, die Klägerin habe erst im September 2015 die Ehefrau des Geschäftsführers durch Übergabe ihres Schwerbehindertenausweises darüber informiert, dass sie zu 50 % schwerbehindert sei. Ihr Geschäft habe sie am 21. Februar 2018 geschlossen. Am 28. Februar 2018 habe sie die Räume im E.-E.C. in A-Stadt an die Vermieterin zurückgegeben. Die Ladeneinrichtung sei veräußert und abgeholt worden. Die Klägerin habe im Jahr 2018 insgesamt 12 Tage Urlaub genommen, wobei 3 Tage Resturlaub aus 2017 und 9 Tage Urlaub für 2018 gewährt worden seien. Im Übrigen verteidigt sie die angefochtene Entscheidung als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 22. August 2018 (Bl. 237 f. d. A.).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 16. Januar 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist nur zum Teil begründet.

I.

Die Klägerin kann nicht die Feststellung begehren, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30. November 2017 nicht mit Ablauf des 31. Januar 2018 sein Ende gefunden hat.

1.

Die Klägerin hat ihre Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist des § 4 KSchG erhoben. Die Kündigung gilt deshalb nicht gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.

2.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht den Kündigungsschutzantrag der Klägerin als unbegründet abgewiesen. Die Berufungskammer macht sich die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts unter A. der Entscheidungsgründe zu eigen, verweist auf diese und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

3.

Das Vorbringen in der Berufung rechtfertigt folgende weitere Anmerkungen:

a.

Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen §§ 85 f. SGB IX a. F. unwirksam.

Das Integrationsamt hat die Zustimmung zur Kündigung mit Bescheid vom 27. November 2017 erteilt. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die Kündigung hätte zum 31. März 2018 erklärt werden können und sich insoweit auf § 89 SGB IX a.F. beruft, greift dies nicht durch.

In dem Bescheid vom 27. November 2017 wird an keiner Stelle auf § 89 SGB IX a. F. Bezug genommen. Das Integrationsamt hat die Zustimmung zur Kündigung nicht unter einer Bedingung oder einer Auflage erteilt, wie dies bei Anwendung des § 89 SGB IX a. F. möglich gewesen wäre. Weil die Zustimmung zur Kündigung für den Arbeitgeber ein begünstigender oder für den Arbeitnehmer ein belastender Verwaltungsakt ist, kann nach den anwendbaren Vorschriften für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit von Sozialbehörden gemäß § 32 SGB X nach pflichtgemäßen Ermessen des Integrationsamtes sowohl eine dem Arbeitgeber zu setzende Bedingung als auch eine Auflage erteilt werden. Um eine Bedingung im Rechtssinne handelt es sich, wenn die Zustimmung (Vergünstigung) von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht wird (§ 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X), während eine Auflage dann vorliegt, wenn dem Begünstigten (Arbeitgeber) von der Behörde ein „Tun, Dulden oder Unterlassen“ vorgeschrieben wird (§ 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X). Der Bescheid vom 27. November 2017 enthält weder eine Bedingung noch eine Auflage im vorgenannten Sinn. Er enthält keine Regelung, dass die Zustimmung unter der Bedingung erteilt wird, dass die Kündigung erst zum 31. März 2018 erklärt werden darf. Im Gegenteil, in dem Bescheid weist das Integrationsamt ausdrücklich darauf hin, dass die Kündigungsfrist gemäß § 86 SGB IX a. F. mindestens vier Wochen beträgt. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, die zuständige Mitarbeiterin des Integrationsamtes Frau C. habe ihr gegenüber erklärt, sie sei davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31. März 2013 beendet werden würde, weil es zuvor keine andere Betriebsstillegung gegeben habe, ist auszuführen, dass derartige Überlegungen in dem Bescheid keinen Niederschlag gefunden haben. Da die Zustimmung nicht unter einer Bedingung erteilt worden ist, konnte die Beklagte wirksam kündigen, weil die Zustimmung nicht nach § 47 SGB IX widerrufen worden ist.

b.

Im Übrigen handelt es sich bei § 89 SGB IX nur um eine Regelung zur Einschränkung der Ermessensentscheidung des Integrationsamtes bei einer Kündigung wegen Betriebsstillegung. § 89 SGB IX a. F. benennt besondere Kündigungssachverhalte und schränkt für diese Fälle den Ermessensspielraum des Integrationsamtes unterschiedlich stark ein. Dabei wirkt sich § 89 SGB IX a. F. aber nicht auf die einzuhaltende Kündigungsfrist aus. § 89 SGB IX a. F. führt nicht zu einer Verlängerung eventuell kürzerer, im Einzelfall geltender vertraglicher, tariflicher oder gesetzlicher Kündigungsfristen (Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 4. Aufl. 2015, § 89 SGB IX, Rn. 16; Knittel, SGB IX, 10. Aufl. 2017, § 89 SGB IX, Rn. 20).

c.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, die Kündigung auch sei deshalb unwirksam, weil die Beklagte in den Monaten Februar und März 2018 den Betrieb weitergeführt habe und noch keine Betriebsstillegung erfolgt sei, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass dies nur dann eine Rolle spielen würde, wenn das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes gestanden hätte. Dies war aber unstreitig nicht der Fall. Ein Arbeitsverhältnis, das nicht dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes unterfällt, darf von dem Arbeitgeber auch aus Gründen gekündigt werden, die eine Kündigung unter den Voraussetzungen des § 1 KSchG nicht rechtfertigen könnten. Es ist nicht ersichtlich und wird von der insoweit darlegungs- und beweisbelastenden Klägerin auch im Rahmen der Berufung nicht dargelegt, dass die streitbefangene Kündigung gegen die guten Sitten (§ 242 BGB) verstößt.

d.

Hinsichtlich der einzuhaltenden Kündigungsfrist kann offenbleiben, ob es einen Betriebsübergang von der Firma F. B. und H. GmbH auf die Beklagte gegeben hat. Selbst bei der Annahme eines Betriebsübergangs beträgt die von der Beklagten einzuhaltende Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB zwei Monate. Für die Berechnung der Kündigungsfrist ist auf den Zugang des Kündigungsschreibens abzustellen.

II.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gem. §§ 7 Abs. 4 BUrlG, 208 SGB IX i. H. v. 98,10 € brutto.

1.

In Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Januar 2018 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten gem. § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Abgeltung des anteiligen Jahresurlaubs für das Jahr 2018 i. H. v. 3 Urlaubstagen.

a.

Der Klägerin standen für das Kalenderjahr 2018 entsprechend den Regelungen in dem Anstellungsvertrag 30 Arbeitstage Erholungsurlaub zu.

Soweit die Klägerin in ihrer Berufung die Auffassung vertritt, ihr stünden 36 Urlaubstage zu, ergibt sich dies nicht aus § 4 des Arbeitsvertrages. Darin ist geregelt, dass die Klägerin einen Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 36 Werktagen hat. Zeitpunkt und Dauer des Urlaubs sollen sich nach den betrieblichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten richten. In § 2 des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass sich die Lage der Arbeitszeit nach den betrieblichen Gepflogenheiten richtet. § 2 und § 4 des Anstellungsvertrages sind im Zusammenhang dahingehend auszulegen, dass sich die Dauer des Urlaubs, entsprechend der Regelung in § 3 BUrlG, nach der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage der Klägerin richtet. Dabei ist § 4 des Arbeitsvertrages, wonach die Klägerin einen jährlichen Erholungsurlaub von 36 Werktagen besitzt, dahingehend auszulegen, dass ein Anspruch auf 36 Urlaubstage nur dann besteht, wenn die Klägerin an 6 Werktagen wöchentlich ihre Arbeitsleistung erbracht hätte. Nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag hat die Klägerin jedoch nicht regelmäßig wöchentlich an 6, sondern vielmehr nur an 5 Werktagen gearbeitet. Folglich hat sie einen jährlichen Erholungsurlaub im Umfang von 30 Urlaubstagen.

b.

Für das Kalenderjahr 2018 standen der Klägerin deshalb im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Januar 2018 gemäß § 5 Abs. 1 c BUrlG 2,5 Urlaubstage zu.

Soweit die Beklagte im Rahmen des Berufungsverfahrens behauptet hat, der Klägerin seien bereits 9 Tage Urlaub für 2018 gewährt worden, hat die Klägerin dies unter Hinweis darauf, dass sie in dem Zeitraum vom 9. bis 21. Januar 2018 arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb gemäß § 9 BUrlG diesen Urlaub nicht in Natura habe nehmen können, bestritten. Angesichts des substantiierten Vorbringens hätte die Beklagte nunmehr im Einzelnen darlegen müssen, wann sie gegenüber der Klägerin trotz deren Arbeitsunfähigkeit im Monat Januar 2018 den Anspruch gemäß § 362 BGB erfüllt haben will. Ein derartiger Sachvortrag der Beklagten fehlt.

c.

Im Hinblick darauf, dass die Beklagte erstinstanzlich einen Abgeltungsanspruch der Klägerin in Höhe von 2 Urlaubstagen für das Kalenderjahr 2018 anerkannt hat, hat die Klägerin noch einen Abgeltungsanspruch in Höhe von 0,5 Urlaubstagen, der gemäß § 5 Abs. 2 BUrlG auf einen Urlaubstag aufzurunden ist. Hieraus folgt ein Abgeltungsanspruch in Höhe vom 69,23 € brutto. Die Berechnung der Abgeltung ist zwischen den Parteien unstreitig.

2.

Gem. § 7 Abs. 4 BUrlG i. V. m. § 208 SGB IX hat die Klägerin einen weiteren Abgeltungsanspruch i. H. v. 28,77 € brutto.

Gem. § 208 SGB IX a. F. stand der Klägerin für das Kalenderjahr 2018 ein Schwerbehindertenzusatzurlaub i. H. v. 5 Arbeitstagen zu. Im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Januar 2018 hat die Klägerin ein Abgeltungsanspruch i. H. v. 0,41 Urlaubstagen. Hieraus errechnet sich der Betrag in Höhe von 28,77 € brutto. Es verbleibt insoweit bei dem Anspruch auf den bruchteiligen Urlaubstag, § 208 Abs. 2 SGB IX. Sofern – wie vorliegend – nicht gesetzliche, tarifliche oder arbeitsvertragliche Bestimmungen Abweichendes regeln, ist der bruchteilige Urlaubstag weder auf volle Urlaubstage aufzurunden noch auf volle Urlaubstage abzurunden (BAG, 23. Januar 2018 – 9 AZR 200/17 – Rn. 32).

3.

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11. September 2018 die Auffassung vertritt, sie besitze noch einen Abgeltungsanspruch für 3 nicht in Anspruch genommene Urlaubstage aus dem Jahre 2017, ist dem nicht zu folgen.

a.

Die Klägerin hat einen Abgeltungsanspruch bezüglich restlicher Urlaubstage aus dem Jahr 2017 erstmals mit diesem Schriftsatz in den Prozess eingeführt. In ihrer Berufungsbegründung hat sie nur Urlaubsabgeltung für nicht genommene Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2018 beantragt. Dabei kann offenbleiben, ob die darin liegende Klagerweiterung sachdienlich im Sinne von § 533 ZPO ist.

b.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 11. September 2018 ist am 13. September 2018 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt waren etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2017 gemäß § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages verfallen.

Etwaige Abgeltungsansprüche der Klägerin betreffend Erholungsurlaub aus dem Jahr 2017 sind mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Januar 2018 entstanden und sofort fällig geworden. Gemäß § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend zu machen. Diese Frist hat die Klägerin mit ihrer erstmaligen Geltendmachung etwaiger Urlaubsabgeltungsansprüche für das Jahr 2017 mit ihrem Schriftsatz vom 11. September 2018 nicht eingehalten.

III.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten gem. §§ 125 IX a.F., 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 280 Abs. 3, 283 BGB i. V. m. §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Abgeltung ihres Schwerbehindertenzusatzurlaubes für die Kalenderjahre 2015 bis 2017 i. H. v. 1.038,45 € brutto.

1.

Mit Vorlage vom 13. Dezember 2016 (- 9 AZR 541/15 (A) -) hat das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Artikel 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer nationalen Regelung wie der in § 7 BUrlG entgegenstehen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen.

2.

Mit Urteil vom 6. November 2018 hat der EuGH (- C-684/16 -) entschieden, dass Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Artikel 31 Abs. 2 GRC dahingehend auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie dem Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Urlaubsantrag gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber zum Beispiel durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen (EuGH, 6. November 2018 – C-684/16 – Rn. 61).

Die Pflicht des Arbeitgebers aus Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG gehe zwar nicht so weit, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer zwingen müsse, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen. Er müsse den Arbeitnehmer jedoch in die Lage versetzen, den Anspruch wahrzunehmen. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm … klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird“. Die Beweislast trage insoweit der Arbeitgeber. Könne er „nicht nachweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen“, sei es richtlinienwidrig, dass der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugs- oder Übertragungszeitraums erlösche und die Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbleibe. Könne der Arbeitgeber den Beweis hingegen erbringen, so dass sich zeige, „dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen“, verstoße es nicht gegen die Richtlinie, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlösche oder Abgeltungsanspruch entfalle (EuGH, aaO., Rn. 45 f.).

Ausgehend davon, dass der Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub darin liegt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen, verstößt jede Praxis oder Unterlassung eines Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer davon abhalten kann, den Jahresurlaub zu nehmen, gegen das mit dem Recht auf Jahresurlaub verfolgte Ziel (vgl. EuGH, 29. November 2017 – C-214/16 – Rn. 37, 39).

3.

Nach Ansicht der Kammer kann es offenbleiben, ob § 7 Abs. 3 BUrlG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Urlaubsanspruch nur erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch angemessene Aufklärung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Anspruch wahrzunehmen.

Im Hinblick auf die Bedeutung des bezahlten Jahresurlaubes in der Rechtsprechung des EuGH ist die Aufforderungs- und Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer hinsichtlich des Urlaubsanspruchs eine sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB folgende Nebenpflicht des Arbeitgebers. Aus einem Schuldverhältnis erwächst einer Partei die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Diese nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2002 in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich normierte Pflicht ist bereits vor Inkrafttreten dieser Norm aus § 242 BGB hergeleitet worden. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt dabei von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalles ab. Im Arbeitsverhältnis folgt daraus die Verpflichtung jedes Vertragspartners, seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Dazu gehört auch die Pflicht, im Zusammenwirken mit den Vertragspartnern die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrages zu schaffen, Erfüllungshindernisse nicht entstehen zu lassen bzw. zu beseitigen und dem anderen Teil den angestrebten Leistungserfolg zukommen zu lassen (vgl. BAG, 13. August 2009 – 6 AZR 330/08 – Rn. 31). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und ihn vor Gesundheitsgefahren zu schützen (vgl. BAG, 21. Dezember 2017 – 8 AZR 853/16 – Rn. 30), wobei die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Nebenpflichten auch auf die Aufklärung des Vertragspartners gerichtet sein können (BAG, 22. Januar 2009 – 8 AZR 161/08 – Rn. 27).

Damit besteht entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubs nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 BGB i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB, der sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs. 1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt, bereits dann, wenn der Arbeitgeber seinen Informations- und Hinweispflichten gemäß der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 nicht nachgekommen ist. Es kommt nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber nach § 286 Abs. 1 S. 1 BGB in Verzug gesetzt hat. Es ist auch unerheblich, ob für die Gewährung von Urlaub nach § 7 Abs. 3 BUrlG eine Zeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach dem Kalender bestimmt ist, oder ob ein Fall der ernsthaften und endgültigen Urlaubsverweigerung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegt und sich der Arbeitgeber deshalb zum Zeitpunkt des Verfalls des Urlaubsanspruchs in Verzug befindet. Kann der Ersatzurlaubsanspruch wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Natura in Anspruch genommen werden, ist dieser abzugelten.

4.

Vorgenannte Grundsätze sind auf den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gemäß § 125 a. F. zu übertragen.

§ 125 Abs. 1 SGB IX a. F. liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer seine Arbeitskraft schneller als ein Gesunder verbraucht. § 125 SGB IX a. F. soll die verbliebene Arbeitskraft sichern und erhalten. Obwohl der Zusatzurlaub gem. § 125 SGB IX a. F. nicht auf Unionsrecht beruht, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Rechtsprechung des EuGH zur Übertragbarkeit des Urlaubsanspruchs nach der Richtlinie 2003/88/EG auch für § 125 Abs. 3 SGB IX a. F.. Der Zusatzurlaubsanspruch aus § 125 SGB IX a. F. ist an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruches gebunden (BAG, 23. März 2010 – 9 AZR 128/09 – Rn. 71 f.).

5.

Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, welche konkreten einzelnen Verpflichtungen sich für den Arbeitgeber aus der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 ergeben.

Der Anspruch der Klägerin besteht bereits deshalb, weil die Beklagte während des Bestandes Arbeitsverhältnisses die Klägerin weder auf den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte hingewiesen noch sie aufgefordert hat, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dabei war die Beklagte verpflichtet, aufgrund ihrer Organisationsmacht ihren Betrieb so zu organisieren, dass die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

6.

Es besteht ein Abgeltungsanspruch in Höhe der verfallenen Zusatzurlaubstage gem. § 125 SGB IX a. F. für die Jahre 2015 bis 2017.

a.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Klägerin die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, die für Personalangelegenheiten zuständig gewesen sei, erst im September 2015 durch Übergabe des Schwerbehindertenausweises über ihre Schwerbehinderung informiert habe. Erst mit Kenntniserlangung von der Schwerbehinderung oblag der Beklagten ihre o.g. Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB.

b.

Die Klägerin hat einen früheren Zeitpunkt der Information der Beklagten nicht substantiiert dargelegt. Soweit die Klägerin behauptet, der Umstand der Schwerbehinderteneigenschaft sei der Beklagten bereits seit 2010 bekannt gewesen und sich insoweit auf das Zeugnis ihres Ehemannes bezieht, war diesem Beweisantritt nicht nachzugehen. Es handelt sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, unter welchen Umständen und mit welchen Worten bzw. Handlungen sie den Geschäftsführer der F. B. und H. GmbH GmbH im Jahr 2010 von ihrer Schwerbehinderung unterrichtet haben will. Wird ein Beweis angeboten, bei dem es an der zu beweisenden Tatsache fehlt und soll durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlage für substantiierten Tatsachenbehauptung gewonnen werden, ist der Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit und der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantrittes zu unterbleiben (BAG, 21. Januar 2014 – 3 AZR 362/11 – Rn. 46; BAG, 13. November 2012 – 3 AZR 557/10 – Rn. 32). Die unsubstantiierten Behauptungen der Klägerin werden nicht durch einen Beweisantritt zu einem rechtlich erheblichen Vortrag (BAG, 13. November 2012 – 3 AZR 557/10 – Rn. 33). Im Unabhängig davon ist tragend auszuführen, dass sich die Beklagte eine Kenntnis der F. B. und H. GmbH nicht zurechnen lassen muss, weil die Klägerin einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB von der F. B. und H. GmbH auf die Beklagte nicht substantiiert dargelegt hat.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten für die Kalenderjahre 2015 bis 2017 einen Abgeltungsersatzanspruch i. H. v. 1.038,45 € brutto zu (4.500,00 € (drei Bruttomonatsgehälter) : 65 (Arbeitstage der letzten 13 Wochen) = 69,23 € brutto x 15 Urlaubstage (je 5 Tage Sonderurlaub für die Jahre 2015 bis 2017) = 1.038,45 € brutto).

IV.

Die Klägerin kann von der Beklagten nicht gemäß §§ 611, 612 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag der Parteien die Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 662,50 € brutto verlangen.

1.

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Vergütung von Überstunden kann nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede umfasst (BAG, 18. Mai 2011 – 5 AZR 181/10 – Rn. 17).

2.

Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen. Für diese arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als – neben der Überstundenleistung – weitere Voraussetzung eines Anspruches auf Überstundenvergütung hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung formuliert, Überstunden müssten vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein. Für diese Voraussetzungen – einschließlich der Anzahl geleisteter Überstunden – trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Daran hat das Bundesarbeitsgericht stets und auch in seinem die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden betreffenden Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 347/11 – (vgl. dort Rn. 31) festgehalten (BAG, 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 13 f.; BAG, 25. März 2015 – 5 AZR 602/13 – Rn. 18).

3.

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze hat die Klägerin die ihr obliegende Darlegungslast nicht erfüllt.

a.

Die Klägerin hat trotz eines Bestreitens des Ableistens von Überstunden durch die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Sie hat nicht dargelegt, an welchen Tagen sie Arbeit in einen die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang abgeleistet hat, die angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig war.

b.

Die Klägerin hat es schon unterlassen, im Einzelnen bezogen auf die täglichen Arbeitszeiten, die (angeordnete) Normalarbeitszeit und die Überschreitung der täglichen Arbeitszeit detailliert darzulegen und diese zu erläutern. Sie hat auch nicht substantiiert vorgetragen, welche Überstunden ausdrücklich oder konkludent von der Beklagten angeordnet worden sind.

Zur ausdrücklichen Anordnung hätte sie vortragen müssen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Ein entsprechender Vortrag fehlt.

Konkludent ordnet ein Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Ableistung von Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, das eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten ist oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden kann. Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen (BAG, 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 17). Die Klägerin hat für keinen der Tage, für die sie Überstundenvergütung verlangt, im Einzelnen dargelegt, dass und welche Arbeit ihr seitens der Beklagten übertragen worden ist und dass diese Arbeit von ihr nicht innerhalb der Normalarbeitszeit abgearbeitet werden konnte.

Die Klägerin hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte Überstunden geduldet hat. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung des Arbeitnehmers diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat (BAG, 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 21).

Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Klägerin nicht. Die Klägerin hat nicht im Einzelnen dargelegt, wann die Beklagte bzw. ihr Geschäftsführer von welchen Überstunden Kenntnis gehabt und diese geduldet haben soll. Allein die Kenntnis von den Dienstplänen vermag eine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung nicht zu begründen. Erst wenn ein Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiert und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung verbindet, ist der Arbeitgeber gehalten, dem nachzugehen und ggfs. gegen nicht gewollte Überstunden einzuschreiten (BAG, 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 22). Auch hierzu hat die Klägerin keinen substantiierten Tatsachenvortrag geleistet.

4.

Vorliegend kommt auch eine Überstundenschätzung nicht in Betracht.

a.

Eine Überstundenschätzung kann erfolgen, wenn feststeht (§ 286 ZPO), dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sind, der Arbeitnehmer aber seiner Darlegungs- und Beweislast für jede einzelne Überstunde nicht in jeder Hinsicht genügen kann. In derartigen Fällen darf das Gericht den Mindestumfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO schätzen. Eine Schätzung darf dann unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Diese für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss der Anspruchsteller im Regelfall darlegen und beweisen (BAG, 25. März 2015 – 5 AZR 602/13 – Rn. 18 ff.). Eine Überstundenschätzung kommt nur dann in Betracht, wenn aufgrund unstreitigen Parteivorbringens, eigenen Sachvortrags des Arbeitgebers oder dem vom Tatrichter nach § 286 Abs. 1 ZPO für wahr erachteten Sachvortrag des Arbeitnehmers feststeht, dass Überstunden geleistet wurden, weil die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewiesene Arbeit generell oder zumindest im Streitzeitraum nicht ohne die Leistung von Überstunden zu erbringen war (BAG, aaO., Rn. 21).

b.

Vorliegend sind die vorgenannten Anforderungen nicht erfüllt. Dem Sachvortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass sie bei Zugrundelegung ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Streitzeitraum zur Erledigung der ihr von der Beklagten zugewiesenen Arbeit überhaupt Überstunden geleistet hat. Letztlich hat die Klägerin für keinen einzigen Arbeitstag dargelegt, dass Überstunden angeordnet oder geduldet worden sind oder dass sie die ihr zugewiesene Arbeit nicht innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeit hätte erledigen können. Damit fehlt es an Anknüpfungstatsachen, um eine Schätzung im Sinne von § 287 Abs. 1 ZPO vornehmen zu können.

V.

Auch das weitere Vorbringen der Parteien, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wurde, weil die Entscheidungsgründe gem. § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägung enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92, Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 3 f. ZPO, 42 Abs. 2 GKG.

Die Zulassung der Berufung für die Beklagte beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.

Im Übrigen sieht das Gericht keinen Grund für die Zulassung der Revision gem. § 72 ArbGG.

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