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Schadensersatz wegen Verletzung des Bewerberverfahrensanspruchs aus Art 33 Abs 2 GG

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 7 Sa 1305/19 – Urteil vom 11.02.2020

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 14.02.2019 – 5 Ca 959/16 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Stadt C. auf Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung für die Stelle eines Justitiars in Anspruch.

Der Kläger ist Volljurist. Er legte sein 1. Staatsexamen mit der Note ausreichend (5,84 Punkten) und sein 2. Staatsexamen mit der Note befriedigend (7,42 Punkten) ab. Außerdem erwarb er an der Hochschule für W. und R. in B. einen Abschluss als „Master of Public Administration“ sowie „Master of Laws“.

Die Beklagte, eine kreisfreie Stadt im Land B., schrieb im Juni 2016 eine unbefristete, ab 1. Januar 2017 zu besetzende Stelle eines Justitiars, einer Justitiarin für den Bereich R. und St. aus. Als Arbeitszeit waren 36 Stunden pro Woche vorgesehen. Die Vergütung sollte nach der Entgeltgruppe 14 des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes erfolgen. Für die Stellenausschreibung im Einzelnen wird auf Bl. 205 und 206 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 12. Juli 2016 auf diese Stelle und nahm auf Einladung der Beklagten am 25. August 2016 an einem Bewerbungsgespräch vor der von der Beklagten gebildeten Auswahlkommission teil. Die Bewerbungsgespräche sollten anhand eines Fragenkatalogs durchgeführt werden. Außerdem sollten die Bewerber Lösungen für zwei Fallbeispiele vorstellen. Ob sämtliche Bewerbungsgespräche gleich abgelaufen sind, insbesondere allen Bewerbern dieselben Fragen gestellt wurden, ist zwischen den Parteien streitig. Den Verlauf der Bewerbungsgespräche dokumentierte die Auswahlkommission in sog. „Beobachtungs- und Bewertungsbögen“. Nach Beendigung des Auswahlverfahrens entschied sich die Beklagte für einen Mitbewerber des Klägers, mit dem sie dann unter dem Datum vom 8. September 2016 /13. September 2016 einen Arbeitsvertrag unterzeichnete. Für die Einzelheiten des Bewerbungsschreibens dieses Mitbewerbers sowie die von der Beklagten erstellte Beobachtungsund Bewertungsbögen für die Bewerbungsgespräche mit dem Kläger und dem ausgewählten Mitbewerber wird auf die dazu von der Beklagten eingereichten Kopien (Bl. 144 – 156 d. A. sowie Bl. 157 bis 201 d. A.) Bezug genommen. In dem „Protokoll über die Auswahlentscheidung im Bewerbungsverfahren“ (Bl. 98 d.A.) heißt es zur Begründung der Auswahlentscheidung:

„Herr A.T. konnte das Gremium davon überzeugen, sowohl fachlich als auch persönlich für die Stelle geeignet zu sein.“

Mit Schreiben vom 8. September 2016, dem Kläger zugegangen am 12. September 2016, erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage auf seine Bewerbung. Daraufhin bat der Kläger um Erläuterung der maßgeblichen Gründe, erhielt indes auf diese Anfrage nur eine Mitteilung vom15. September 2016, dass seine Anfrage an den zuständigen Fachbereich weitergeleitet worden sei, und er um Geduld gebeten werde.

Mit Schreiben vom 26. September 2016 beantragte der Kläger beim Arbeitsgericht Cottbus die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen einstweiligen Rechtsschutz, mit dem der Stadt Cottbus vorläufig die Übertragung des ausgeschriebenen Amtes untersagt werden sollte. Im Rahmen der eingeräumten Stellungnahme zum Prozesskostenhilfeantrag ließ die Stadt durch ihren Prozessbevollmächtigten mitteilen, der Arbeitsvertrag mit dem ausgewählten Bewerber sei bereits unterzeichnet, und die Zustimmung des Personalrats erteilt, sodass dessen Eingliederung keine sonstigen formalen Gründe entgegenstünden, der Antrag des Klägers, die Einstellung zu untersagen, laufe daher ins Leere.

In der Folgezeit stellte die beklagte Stadt den ausgewählten Mitbewerber zum 1. Januar 2017 als Justitiar ein. Dieser schied aufgrund Eigenkündigung zum Ende des Jahres 2017 wieder aus. Die beklagte Stadt führte daraufhin ein neues Stellenbesetzungsverfahren durch, zu einem weiteren Auswahlgespräch mit dem Kläger kam es nicht, wobei die Gründe dafür zwischen den Parteien streitig sind.

Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 30. Dezember 2016 eingegangenen und der Beklagten am 10. Januar 2017 zugestellten Klage macht der Kläger Schadenersatzansprüche wegen Nichtberücksichtigung bei der Stellenvergabe mit der Begründung geltend, er sei der beste Bewerber und habe für die Stellenbesetzung ausgewählt werden müssen. Das Gegenteil müsse die beklagte Stadt darlegen und beweisen, da aufgrund der Fehler im Auswahlverfahren, insbesondere der fehlerhaften Dokumentation des Auswahlgesprächs und der Auswahlentscheidung eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eingetreten sei. Das Auswahlgespräch sei nicht strukturiert verlaufen, insbesondere seien nicht allen Bewerbern dieselben Fragen aus dem Fragenkatalog gestellt worden, was sich schon daran zeige, dass in den vorgelegten Beobachtungs- und Bewertungsbögen nicht bei allen Fragen Antworten eingetragen worden seien. Soweit die Beklagte ein Protokoll der Auswahlentscheidung vorgelegt habe, sei schon wegen des fehlenden Datums davon auszugehen, dass dieses Protokoll nachträglich gefertigt worden sei. Auch sei das Auswahlergebnis dort zu allgemein gehalten, um aussagekräftig zu sein. Die Beklagte habe absichtlich die Stelle besetzt, bevor sie den Mitbewerbern abgesagt habe, um etwaige Konkurrentenklagen zu verhindern.

Demgegenüber hat die Beklagte unter Verweis auf die von ihr eingereichten Unterlagen über das Bewerbungsverfahren (Bl. 98 – 101 d. A.) behauptet, sie habe den am besten geeigneten Bewerber ausgewählt. Von den insgesamt 21 zu den Vorstellungsgesprächen eingeladenen Bewerbern seien drei Bewerber in die engere Auswahl gekommen. Der Kläger habe nicht dazu gezählt, die Auswahlkommission sei nach dem Vorstellungsgespräch mit ihm zu dem Ergebnis gekommen, er sei nur bedingt für die Stelle geeignet. Ein Schadensersatzanspruch stehe ihm daher nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14. Februar 2019, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger monatlich in Form von Schadensersatz dasjenige zu zahlen, was der Kläger an Nettoarbeitsvergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und erzielter Zwischenverdienste erhalten würde, wenn ihm mit Wirkung zu Beginn des1. Januar 2017 die Stelle eines Justitiars der Stadt C., eingruppiert in die Entgeltgruppe 14 TVöD, übertragen worden wäre und hat die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 33 Abs. 2 GG. Die Beklagte habe die Auswahlgespräche und die dort erzielten Bewertungen nicht hinreichend dokumentiert, was dazu führe, dass die Bewertung des Klägers als nur „bedingt geeignet“ und sein Zurückfallen hinter den ausgewählten Mitbewerber nicht nachvollziehbar seien. Eine Konkurrentenklage hätte wegen der fehlenden Darlegung der Auswahlentscheidung Erfolg gehabt, die Stelle hätte nicht besetzt werden können. Die beklagte Stadt könne sich nun nicht durch die Schaffung von Tatsachen vor einer Konkurrentenklage retten und sich zugleich von ihrer Darlegungslast zur Auswahlentscheidung befreien. Vielmehr gelte auch hier eine abgestufte Darlegungslast, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – das Auswahlverfahren wegen einer fehlenden bzw. unzureichenden Dokumentation als mangelhaft darstelle und der Arbeitgeber diesen Mangel nicht beseitige. Die beklagte Stadt müsse daher zunächst darlegen, dass die Bewertung des Klägers als „weniger geeignet“ zutreffend gewesen sei. Erst wenn die Beklagte dies dargelegt habe, könne und müsse der Kläger in einer ihm dann obliegenden Darlegungslast eine bessere Bewertung vortragen und ggf. beweisen. Da der Einstellungsanspruch des Klägers infolge der Besetzung der Stelle mit einem Mitbewerber untergegangen sei, habe die Beklagte eine Konkurrentenklage und damit den Erhalt des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Klägers vereitelt. Der Kläger könne deshalb wegen der Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB nach § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz verlangen, der sich vorliegend auf die Differenz zwischen der Vergütung der zur Besetzung vorgesehenen Stelle und dessen, was der Kläger zwischenzeitlich verdient bzw. erspart habe reduziere. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 4. Juli 2019 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 11. Juli 2019 eingegangenen Schriftsatz und mit einem – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 4. Oktober 2019 – am 4. Oktober 2019 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte und Berufungsklägerin wendet sich in der Berufungsinstanz gegen die vom Arbeitsgericht angenommene Umkehr der Darlegungslast mit der Begründung, dass der Kläger seinen Versuch, die Stellenbesetzung zu verhindern, freiwillig aufgegeben habe. Denn der Kläger habe ungeachtet der Besetzung der Stelle einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, gerade weil die beklagte Stadt die Stelle besetzt habe, bevor sie den Mitbewerbern abgesagt und die von Verfassungs wegen erforderliche Wartezeit von zwei Wochen zur Gewährung etwaigen Rechtsschutzes abgewartet habe. In diesen Fällen gehe nach der Rechtsprechung der Bewerberverfahrensanspruch gerade nicht unter. Insofern könnten dem Kläger auch keine Beweiserleichterungen zugutekommen. Die Auswahlkommission der Beklagten sei in Auswertung der den Bewerbern in den Auswahlgesprächen vollständig anhand des Fragenkatalogs gestellten Fragen sowie der Vorträge zu den beiden Fallbeispielen zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass der ausgewählte Mitbewerber der beste und der geeignetste Bewerber gewesen sei und habe sich daher auch für diesen ausgesprochen. Jedenfalls aber sei der Kläger seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen und habe sich – entgegen seiner Ankündigung im Schriftsatz vom 15. Januar 2019 – nicht an dem zweiten Stellenbesetzungsverfahren weiter beteiligt. Seinem Prozessbevollmächtigten sei der Termin für das Auswahlgespräch am 29. Januar 2019 mitgeteilt worden, der Kläger habe diesen Termin nicht wahrgenommen. Auch habe der Kläger seine Konkurrentenklage fortführen und damit zweifellos die tatsächliche Beschäftigung des ausgewählten Stellenbewerbers verhindern können. Auch dann hätte die Beklagte ein neues Auswahlverfahren durchführen müssen, was nicht vor Januar 2019 hätte zum Abschluss kommen können und die Beklagte veranlasst hätte, sich von dem ausgewählten Bewerber innerhalb der Probezeit zu trennen. Insofern sei die Auffassung des Klägers, der Schadensersatz müsse ihm unbefristet zugesprochen werden, unzutreffend. Sein Arbeitsverhältnis hätte ebenfalls beendet werden können. Die beklagte Stadt habe weder vorsätzlich das Auswahlverfahren unzureichend dokumentiert, noch die Stelle vor Erteilung der Absagen in der Absicht besetzt, etwaige Konkurrentenklagen zu verhindern. Dem Kläger sei die Durchführung des Primärrechtsschutzes zumutbar gewesen, was jedenfalls zu einer Reduzierung des Schadensersatzanspruches führen müsse. Auch sei in entsprechender Anwendung von § 11 Ziff. 2 KSchG dasjenige abzuziehen, was der Kläger hätte verdienen können, wenn er es nicht unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Da der Kläger trotz entsprechender Auskunftsaufforderung zur Erteilung seiner tatsächlichen Einkünfte keinerlei Informationen erteilt habe, müsse der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werden, hier hypothetische Einkünfte des Klägers einzuwenden.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Cottbus vom 14. Februar 2019 die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte hält die Berufung bereits mangels hinreichender Begründung für unzulässig, verteidigt im Übrigen das arbeitsgerichtliche Urteil mit ergänzenden Rechtsausführungen zu dem von ihm geltend gemachten Schadensersatz dem Grunde und der Höhe nach und bestreitet, dass die Beklagte bei Fortführung der Konkurrentenklage die Stelle neu hätte ausschreiben und besetzen müssen bzw. die Fortführung der Konkurrentenklage dazu geführt hätte, dass ihm kein Schaden entstanden wäre, weil die Beklagte quasi die Stelle dann temporär freigelassen hätte. Letzteres sei reine Spekulation und sei mit Nichtwissen zu bestreiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in dem mündlichen Verhandlungstermin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und frist- und formgerecht iSd. §§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird die Berufungsbegründung den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht.

Nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung des angefochtenen Urteils und deren Entscheidungserheblichkeit ergibt. Sie soll die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter überprüfen und den Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereiten. Ausgehend von diesem Zweck muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Formelhafte Wendungen, der bloße Verweis auf erstinstanzliches Vorbringen oder dessen Wiederholung reichen für eine ordnungsgemäße Begründung nicht aus (vgl. st. Rspr. z.B. BAG vom 5. September 2019 – 6 AZR 455/18 – zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen entspricht die Berufungsbegründung der beklagten Stadt. Insbesondere setzt sie sich mit den tragenden Argumenten des Arbeitsgerichts, nämlich der von ihm angenommenen Umkehr der Darlegungslast für den Schadensersatzanspruch, auseinander. Das Arbeitsgericht hat seine Auffassung zur Umkehr der Darlegungslast darauf gestützt, es dürfe der beklagten Stadt im Schadensersatzprozess nicht zum Vorteil gereichen, dass sie Ansprüche des Klägers in einem potentiellen Konkurrentenrechtsstreit, die wegen der fehlerhaften Dokumentation des Stellenbesetzungsverfahrens begründet gewesen wären, durch die vorzeitige Stellenbesetzung vereitelt habe. Diese Argumentation hält die beklagte Stadt schon deshalb für nicht durchgreifend, weil der Kläger seinen Versuch, die Stellenbesetzung zu verhindern, selbst aufgegeben habe, obwohl er gerade im Hinblick auf die nicht rechtzeitige Absage bzw. die vorzeitige Unterzeichnung des Arbeitsvertrages weiterhin etwaige Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz hätte durchsetzen können. Nachfolgend zu dieser Argumentation geht die beklagte Stadt dann davon aus, dass dem Kläger insoweit keine Beweiserleichterungen zukommen könnten. Er habe für seine Behauptung, der beste Bewerber zu sein, den Beweis nicht erbracht. dass er der beste Bewerber sei. Auch zeigten die besseren Examensnoten des Mitbewerbers, dass jedenfalls das Ermessen der beklagten Stadt bei der Bewerberauswahl nicht auf eine Auswahl des Klägers reduziert gewesen wäre. Dies aber ist eine auf den konkreten Streitfall zugeschnittene Berufungsbegründung.

Die Berufung der beklagten Stadt ist daher zulässig.

2. Die Berufung der beklagten Stadt hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger stehen Schadensersatzansprüche wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung nicht zu.

2.1 Ein übergangener Bewerber kann Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen, und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren. Der Schadensersatzanspruch folgt aus § 280 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 33 Abs. 2 GG als Schutzgesetz (vgl. dazu im Einzelnen BAG vom 12. Dezember 2017 – 9 AZR 152/17 – BAGE 161, 157). Hierfür muss festgestellt werden, dass ein hypothetischer Kausalverlauf auch bei rechtmäßigem Vorgehen des Arbeitgebers zu einer Entscheidung geführt hätte, die für die schadensersatzbegehrende Partei günstiger gewesen wäre(BAG 12. Oktober 2010 – 9 AZR 554/09 – Rn. 68 – EzA § 33 GG Nr. 14; LAG Berlin-Brandenburg 3. August 2016 – 4 Sa 167/18 – LAGE Art. 33 GG Nr. 23). Das Verhalten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren ist für den Schaden eines zurückgewiesenen Bewerbers nur ursächlich, wenn sich jede andere Besetzungsentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erwiesen hätte. Dies erfordert eine Reduzierung des dem Arbeitgeber zustehenden Auswahlermessens auf Null (BAG 12. Oktober 2010 – 9 AZR 554/09 – Rn. 68). Das ist nur anzunehmen, wenn der zurückgewiesene Bewerber nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber ist.

Darlegungs- und beweispflichtig ist hierfür im Grundsatz der jeweilige Kläger, wobei Darlegungserleichterungen unter bestimmten Voraussetzungen angenommen werden.

2.2 Die oben dargestellten Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers liegen nicht vor. Es ist zwar richtig, dass der beklagten Stadt erhebliche Verfahrensfehler im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens 2016 unterlaufen sind (2.2.1). Diese Fehler erweisen sich indes nicht als kausal für die Nichteinstellung des Klägers (2.2.2).

2.2.1 Die beklagte Stadt hat den Bewerberverfahrensanspruch des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG schon dadurch verletzt, dass sie ihre Auswahlentscheidung nicht ordnungsgemäß dokumentiert und den Arbeitsvertrag mit dem Mitbewerber abgeschlossen hat, bevor sie den Kläger über ihre Auswahl informiert und eine Frist von zwei Wochen abgewartet hat, innerhalb derer der Kläger Rechtsschutz gegen die Besetzung der Stelle hätte erlangen können.

2.2.1.1 Aus Art. 33 Abs. 2 GG iVm. Art. 19 Abs. 4 GG folgt für den öffentlichen Arbeitgeber im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens die Pflicht, die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Diese Pflicht ist in der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anspruchs eines Bewerbers begründet, aus der sich Vorwirkungen für das Verwaltungsverfahren ergeben. Das dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerte Verwaltungsverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggf. durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. BVerfG 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 – mwN.). Sie gilt damit sowohl für Beamte als auch für Arbeiter und Angestellte (BAG 9 AZR 347/09 – NJW 2010, 3595 – Rz. 26).

Daraus folgt aber zugleich auch eine Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, seine Auswahlgespräche zu dokumentieren. Grundsätzlich ist es dem öffentlichen Arbeitgeber möglich, Auswahlgespräche zu führen, die er seiner Auswahlentscheidung zugrunde legt. Insbesondere dann, wenn die Auswahl unter Einschluss von externen Bewerbern erfolgen soll, eröffnen nur solche Auswahlgespräche dem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich selbst ein unmittelbares Bild von den Bewerbern zu machen (BAG 12. Februar 2008 – 9 AZR 70/07 – Rz. 44). Da diese Auswahlgespräche Grundlage der Auswahlentscheidung werden, müssen sie hinreichend dokumentiert werden. Dazu ist kein Wortprotokoll erforderlich; die an die Stellenbewerber gerichteten Fragen bzw. besprochenen Themen, deren Antworten, die Bewertung dieser Antworten durch die Auswahlkommission sowie der persönliche Eindruck von den Bewerbern sind indes in den Grundzügen festzuhalten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg 27. Januar 2012 – 6 S 50.11 mwN.).

2.2.1.2 Diese erforderliche Dokumentation hat die beklagte Stadt im hier streitigen Bewerbungsverfahren unterlassen. Weder hat sie die Auswahlgespräche ausreichend dokumentieren lassen, noch entspricht der Auswahlvermerk den obigen Anforderungen.

Für die Auswahlgespräche hat die beklagte Stadt einen Fragenkatalog erstellt, den die Mitglieder der Auswahlkommission erhalten haben. In diesem Fragenkatalog sind jedoch die Antworten des Klägers und des ausgewählten Mitbewerbers nur teilweise dokumentiert. Zum Teil sind die Antworten offen gelassen, ohne dass sich aus der Dokumentation ergibt, ob die Frage gestellt, beantwortet oder aber nicht beantwortet wurde. Die Darstellungen der beiden Falllösungen sind – auch das nur teilweise – schlagwortartig festgehalten („zwei-Stufen-Theorie“, „Bundesverfassungsgericht“). Die Gesamtbewertungen des Klägers als „schwieriger Bewerber“, „Widerspruch zwischen seiner eigenen Wahrnehmung und der Realität“, „von seiner Persönlichkeit her nur bedingt geeignet“ sind nicht näher begründet und stellen teilweise nur subjektive Einschätzungen dar, denen kein objektiver Sachverhalt gegenüber gestellt wird.

Der Auswahlvermerk selbst ist nichtssagend. Er enthält keine Überlegungen dazu, warum der ausgewählte Mitbewerber „das Gremium davon überzeugen konnte, sowohl fachlich als auch persönlich für die Stelle geeignet zu sein“. Da auch die Bewerbungsgespräche nicht ausreichend dokumentiert waren, war eine nähere Begründung im Auswahlvermerk auch nicht entbehrlich.

Soweit der Kläger die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens mit der Begründung rügt, das Auswahlgespräch sei nicht strukturiert geführt, insbesondere den Bewerbern nicht alle Fragen gestellt worden, stützt er diese Behauptung nur auf die Auslassungen in den Fragebögen, ohne zumindest für sein Vorstellungsgespräch, das seiner eigenen Wahrnehmung unterfällt und zu dem er sich damit gemäß § 138 Abs. 1 ZPO vollständig einlassen könnte, zu bestimmten Fragen konkret zu behaupten, diese seien ihm nicht gestellt worden. Zudem fehlte es diesen Fragen, wie z.B. „kurze Eigendarstellung der Person“, „Schilderung des Werdegangs“, bereits am Charakter als Frage und an der für das Auswahlgespräch an dieser Stelle nötigen Relevanz. Die Antworten zu diesen Fragen finden sich bereits in den Bewerbungsschreiben, etwa in demjenigen, das die Beklagte für den ausgewählten Mitbewerber vorgelegt hat. Die unter 3. aufgeführten Fragen sind lediglich Merkposten, die naturgemäß nicht allen Bewerbern gleichermaßen zu stellen sind, da es dort um längere Zeugnislücken, ungewöhnliche Kündigungstermine oder um widersprüchliche Formulierungen in Zeugnissen geht. Dass diese Fragen für die Bewerbung des Klägers relevant waren, trägt er nicht vor. Die juristischen Fragen wurden auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers – wie in dem Fragekatalog angeführt – mit der Darstellung der Lösungen für die beiden Sachverhalte begonnen. Soweit Antworten zu Fragen zur Teamarbeit nicht dokumentiert wurden, ist es im Ergebnis zwischen den Parteien unstreitig, dass diese gleichwohl gestellt wurden. Der Kläger hat dies selbst so vorgetragen. Fehler in der Führung des Auswahlgesprächs lassen sich auf der Grundlage der diesbezüglichen Rügen des Klägers mithin nicht feststellen.

2.2.1.3 Allerdings hat die beklagte Stadt den Bewerberverfahrensanspruch des Klägers weiterhin dadurch grob verletzt, dass sie dem Kläger nicht zunächst eine Absage erteilt und die von Verfassungs wegen gebotene Frist von zwei Wochen für die Wahrnehmung einstweiligen Rechtsschutzes abgewartet hat, bevor sie den Arbeitsvertrag mit dem Mitbewerber unterzeichnet hat. Ob dies aus grober Unkenntnis der Rechtslage oder bewusst erfolgt ist, kann hier dahinstehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfG 9. Juli 2007- 2 BvR 206/07 – NVwZ 2007, 1178) ist der Arbeitgeber verpflichtet, zur Wahrung des Bewerberverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG die unterlegenen Bewerber rechtzeitig vor der Ernennung des Mitbewerbers vom Ausgang des Auswahlverfahrens in Kenntnis zu setzen, um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, gerichtlichen Rechtsschutz einzuholen. Außerdem ist der Arbeitgeber verpflichtet, vor Abschluss des Arbeitsvertrages einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, einen Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben, weil nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutz besteht (BVerfG 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 -; BVerwG 04. November 2010, 2 C 16/09, BVerwGE 138, 102). In der Praxis hat sich eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet. Beantragt ein Bewerber rechtzeitig den Erlass einer einstweiligen Verfügung, darf der öffentliche Arbeitgeber die Ernennung erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vornehmen. Hat der öffentliche Arbeitgeber in der abschließenden Beschwerde oder Berufungsinstanz im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung obsiegt, muss er nochmals angemessene Zeit mit der Ernennung zu warten, um dem unterlegenen Bewerber Gelegenheit zu geben, zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG das Bundesverfassungsgericht anzurufen (vgl. BVerwG 4. November 2010 – 2 C 16/09 – Rz.34 – BVerwGE 138, 102-122).

Diese Maßgaben hat die beklagte Stadt unzweifelhaft nicht eingehalten. Sie hat den Kläger schon nicht vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages über den Ausgang des Auswahlverfahrens unterrichtet. Sie hat weiterhin nicht die erforderliche Frist von zwei Wochen zwischen der Absage und der Stellenbesetzung abgewartet. Sie hat ihre diesbezüglichen Pflichten grob verletzt.

2.2.2 Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch fehlt es indes an der Kausalität zwischen diesen Pflichtverletzungen und dem vom Kläger geltend gemachten Schaden.

2.2.2.1 Dies gilt zunächst schon für die fehlende Dokumentation der Auswahlgespräche und des Auswahlvermerks. Denn auch bei einer hinreichenden Dokumentation der Auswahlgespräche und des Auswahlvermerks wäre der Kläger nach den Einschätzungen der Auswahlkommission nicht ausgewählt worden. Soweit die Dokumentation den Zweck verfolgen soll, den Kläger in die Lage zu versetzen, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung hinnehmen soll oder er gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will, hat die unterbliebene Dokumentation den Kläger nicht von der Wahrnehmung gerichtlichen Rechtsschutz abgehalten. Er hat mit seinem Prozesskostenhilfeantrag das Klageverfahren auf einstweiligen Rechtsschutz vorbereitet.

2.2.2.2 Soweit die beklagte Stadt das von Verfassungs wegen gebotenen Verfahren bei der Absage und der Besetzung der Stelle nicht eingehalten hat, führten diese Verstöße gerade nicht zu dem vom Kläger geltend gemachten Schaden. Denn es entspricht der – auch vom Kläger zitierten – höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen der Arbeitgeber den Rechtsschutz der Mitbewerber dadurch vereitelt, dass er die Stelle besetzt, bevor er den anderen Bewerbern abgesagt hat und bevor die einzuhaltende Frist zur Wahrnehmung gerichtlichen Rechtsschutz abgelaufen ist, dem nicht berücksichtigten Bewerber im Streit über das Stellenbesetzungsverfahren gerade nicht entgegenhalten werden kann, dass die Stelle bereits besetzt ist (BAG 12.12.2017 – 9 AZR 152/17; BVerwG 4. November 2010 – 2 C 16/09; BAG 24.03.2009 – 9 AZR 277/08 – BAGE 130, 107- 118;).

Mithin wäre es dem Kläger möglich gewesen, den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Besetzung der Stelle mit seiner Person weiterhin gerichtlich zu verfolgen. Hierbei hätte ihm die bereits erfolgte Stellenbesetzung nicht entgegengehalten werden können. Soweit der Kläger diesen ihm noch eröffneten Rechtsweg nicht beschritten bzw. nicht weiter verfolgt hatte, hat er seinerseits auf die gerichtliche Durchsetzung dieses Primäranspruches verzichtet. Insofern ist es ihm verwehrt, gleichsam von sich aus stattdessen den sekundären Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Für einen diesbezüglich geltend gemachten Schaden fehlte es an einer Kausalität.

2.2.2.3 Soweit der Kläger Fehler im Auswahlverfahren selbst geltend macht, konnte die erkennende Kammer nicht feststellen, dass bei rechtmäßigem Vorgehen der beklagten Stadt der Kläger für die zu besetzende Stelle ausgewählt worden wäre, weil er nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG als der am besten qualifizierte Bewerber hätte ausgewählt werden müssen.

2.2.2.3.1 Als Anspruchsteller trifft den Kläger nach den allgemeinen zivilprozessualen Regelungen die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruchs. Im Rahmen eines Bewerberverfahrensanspruchs ist dabei von einer abgestuften Darlegungslast nach § 138 ZPO auszugehen, weil dem Bewerber regelmäßig die Vorgänge aus dem Verantwortungs- und Verfügungsbereich des potentiellen Dienstherrn nicht bekannt sind. Danach hat der potentielle Arbeitgeber die Gründe für seine Auswahlentscheidung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG im Einzelnen darzulegen. Erst dann hat der abgelehnte Bewerber seinerseits darzulegen, dass die Auswahlentscheidung gemessen an den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG fehlerhaft war und zwingend zu seinen Gunsten hätte ausfallen müssen (vgl. z.B. LAG Berlin-Brandenburg 3. August 2016 – 4 Sa 167/16 – Rz. 34).

Soweit das Arbeitsgericht von einer noch weitergehenden Umkehr der Darlegungslast deswegen ausgegangen ist, weil die beklagte Stadt die Stelle vorzeitig besetzt hat, folgt das Landesarbeitsgericht dem nicht. Mit dieser vorzeitigen Stellenbesetzung waren dem Kläger – wie gezeigt – seine Ansprüche im Bewerberauswahlverfahren weder abgeschnitten noch beschränkt. Der Kläger hätte – wie gezeigt – seinen Primäranspruch weiter verfolgen können. Soweit er dies nicht getan hat, bestehen für Darlegungserleichterungen bezüglich der Verfolgung seines Sekundäranspruchs über das Maß hinaus, was nach den genannten Grundsätzen ohnehin als Zusammenspiel der jeweiligen Darlegungslasten anzusehen ist, keine Notwendigkeiten.

2.2.2.3.2 Die beklagte Stadt hat im vorliegenden Verfahren die Unterlagen des ausgewählten Mitbewerbers und die über das Auswahlgespräch mit dem Kläger gefertigten Vermerke sowie das Protokoll über die Bewerberauswahl vorgelegt. Der Kläger musste sich im Prozess dann nur mit diesen Unterlagen und mit dem ausgewählten Bewerber auseinandersetzen. Hinsichtlich der übrigen Bewerber reichte nach § 138 ZPO die bloße Behauptung des Klägers aus, er sei der besser geeignete Bewerber gewesen. Denn aufgrund der auf den ausgewählten Mitbewerber begrenzten Vorlage von Unterlagen konnte er sich im Prozess zu den übrigen Bewerbern nicht weitergehend einlassen. Insofern kam es auf die zwischen den Parteien im Streit stehende Frage, wie viele Bewerber es insgesamt gab und wie viele Bewerber zu dem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, nicht weiter an.

Ein Vergleich des Klägers mit dem ausgewählten Bewerber erlaubt indes gerade nicht die Feststellung, ein rechtmäßiges Verhalten der beklagten Stadt im Auswahlverfahren hätte zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung geführt. Die objektiven Daten sprechen nachdrücklich gegen eine Ermessensreduzierung auf Null. Der ausgewählte Bewerber weist an mehreren Stellen einen deutlichen Vorsprung gegenüber dem Kläger auf. So hat er ein erheblich besseres 2. Staatsexamen abgelegt als dieser. Entgegen der Auffassung des Klägers kann das Ergebnis des zweiten juristischen Staatsexamens bei der Einstellung eines Justitiars eine gewichtige Rolle spielen. Es mag sein, dass im Zeitmaß dieses Gewicht, etwa angesichts langjähriger Berufserfahrung, reduziert sein mag. Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall.

Der Mitbewerber verfügt ausweislich der zur Akte gereichten Bewerbungsunterlagen über eine mehrjährige juristische Berufserfahrung als akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Umweltrecht. Er war in dieser Funktion in die Beantwortung juristischer Fragestellungen eingebunden und hat sich mit diesen – wenn auch möglicherweise „universitär“ – befasst. Eine vergleichbare Berufserfahrung für sich selbst hat der Kläger nicht vorgetragen, so dass auch bezüglich dieses Qualifikationsmerkmales von einem deutlichen Vorsprung des Mitbewerbers auszugehen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers können diese Erwägungen im vorliegenden Prozess herangezogen werden, auch wenn die Beklagte ihre Auswahlentscheidung selbst nicht ordnungsgemäß dokumentiert hat. Die unterbliebene Dokumentation der Auswahlentscheidung hat zwar Mängel im Auswahlverfahren offen gelegt. Folge dieses Fehlers wäre indes regelmäßig die Wiederholung des Auswahlverfahrens, nicht aber die Besetzung einer Stelle mit einem Bewerber, der den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG nicht entspricht. Insofern setzt der Schadensersatzanspruch des nicht ausgewählten Bewerbers voraus, dass er bei ordnungsgemäßem Verlauf des Bewerbungsverfahrens hätte ausgewählt werden müssen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn er auch objektiv der bestgeeignete Bewerber war. Für die gerichtliche Feststellung dieser Voraussetzung müssen aber die in Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien Berücksichtigung finden, selbst dann, wenn sie in der Auswahlentscheidung nicht schriftlich dokumentiert wurden. Es kommt auf die objektiven Umstände an. Bezüglich dieser war indes – wie gezeigt – objektiv gerade nicht feststellbar, dass der Kläger auch nur dem Mitbewerber gegenüber vorzuziehen gewesen wäre.

3. Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz sind aber auch deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger seinen Primäranspruch, nämlich seinen Anspruch auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Bewerbungsverfahrens nicht weiter verfolgt hat, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. z.B. BVerwG 15. Juni 2018 – 2 C 19/17 – BverwGE 162, 253; BAG vom 12. Dezember 2017 – 9 AZR 152/17 – BAGE 161, 157), dass der nicht ausgewählte Bewerber nach dem Rechtsgedanken von § 839 Abs. 3 BGB vor Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen den Primäranspruch verfolgen muss, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist.

Die Geltendmachung des Primäranspruchs, nämlich des Bewerberverfahrensanspruchs war – wie gezeigt – ungeachtet des Umstandes möglich, dass die beklagte Stadt die Stelle bereits mit dem Mitbewerber besetzt hatte. Der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Besetzungsanspruch war gerade nicht erloschen. Damit aber war der vom Kläger nunmehr geltend gemachte Schaden, nämlich dauerhafte Vergütung für die ihm nicht übertragene Stelle, zum Zeitpunkt der Nichtweiterbetreibung des Primäranspruches noch nicht eingetreten. Da die beklagte Stadt dem Kläger die anderweitige Besetzung der Stelle nach § 162 BGB nicht hätte entgegenhalten können, wäre ein Schaden auch gar nicht entstanden

Die Geltendmachung des Primäranspruchs war dem Kläger auch zumutbar. Zum einen kannte der Kläger als Jurist seine Rechte, wie sich auch aus dem von ihm eingeleiteten Prozesskostenhilfeverfahren zeigt. Zum anderen wäre der Kläger für den Fall, dass er tatsächlich der beste Bewerber wäre, mit ihm also der Arbeitsvertrag abzuschließen wäre, bei einer doppelten Besetzung auch arbeitsrechtlich hinreichend vor einer vorzeitigen Beendigung eines erzwungenen Arbeitsverhältnisses geschützt gewesen. Einer etwaigen Kündigung aus Gründen der Doppelbesetzung hätte das Maßregelungsverbot entgegengestanden.

Soweit der Kläger darauf abstellt, er hätte mit der Klage auf Besetzung der Stelle seinen Primäranspruch nicht zum 01.01.2017 verwirklichen können, bezieht sich dieser Vortrag auf eine andere Schadenskonstellation und steht damit dem hier dargelegten Vorrang der Verfolgung des Primäranspruchs nicht entgegen.

3. Aus diesen Gründen war ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz zu verneinen. Auf die Berufung der beklagten Stadt war das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

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